Montag, 1. August 2016

Wem gehört das Heilige Land (Teil 2)

Ein Bericht in drei Teilen

Obwohl der Bischof seinen Vortrag systematisch mit Punkten und Untergliederungen aufbaute, herrschte innerhalb der Punkte wenig Logik, ja sogar Missverständliches. So erzählte er einfach mal zwischendurch, dass sich die jordanische Königin und Frau Netanjahu auf dem Nahostgipfel 1996 unterhielten, und die Königin meinte, die Israeli würden die Araber nicht anerkennen, worauf Frau Netanjahu antwortete: Wir brauchen doch die Araber als Arbeiter! Das sollte vielleicht eine Begründung dafür sein, dass viele Araber in Israel leben oder eine Begründung für etwaige Missachtung der Araber, uneingedenk der Tatsache, dass viele Araber in Israel freier leben als in jedem arabischen Land, und dort ihren Wohlstand und ihre Lebensgrundlage haben.

Die Gründung des Staates Israel wäre aus drei Säulen hervorgegangen, er bezeichnete sie als Sekundärfolge der Shoa: Die starken Einwanderungswellen während der Nazizeit und nach dem Krieg. Weiterhin dem schlechten Gewissen der Welt und einer „Überidentifikation“ mit dem Leiden der Juden. Was er unter Überidentifikation verstand, konnte ich mir nur so auslegen, dass es etwas übertrieben war, den Juden wegen des Holocaust einen Staat zu gewähren. Dass die Shoa (wie er es sagte) etwas ganz Schreckliches war, dieser Meinung war er, allerdings begrüßte er die Gründung Israels nicht. Denn die war mit einer Vertreibung der Palästinenser verbunden, nämlich der Nakba. Dass die Palästinenser überwiegend vertrieben wurden und nicht etwa von arabischen Führern zur Flucht aufgerufen worden waren, das würde der israelische Historiker Ilan Pappe belegen, auf andere wissenschaftliche Erkenntnisse stützte er sich nicht. Warum 20 % der israelischen Einwohner Araber sind, ging daraus nicht hervor. Den Juden die aus den Gebieten vertrieben wurden, die vorher in dem Teil des Landes wohnten, das nicht zu Israel gehören sollte und die dort bedeutende Kulturleistungen erbracht hatten, wurde kein Begriff wie Nakba zugestanden – vielleicht weil sie schon den Holocaust für sich reklamieren konnten. Er war der Meinung, dass es ein Skandal sei, dass die palästinensischen „Flüchtlinge“ bis heute in Lagern leben und von ihren arabischen Brüdern nicht integriert wurden.

Der Bischof vermied es, allzu konkret auf geschichtliche Details einzugehen. Man bekam aber mit, dass dieser Teil der Erde vor dem 1. WK zum Osmanischen Reich gehörte und danach von den Engländern als „britisches Mandat“ verwaltet und beherrscht wurde. Die Engländer hätten nach ihrem Abzug 1948 die Grenzen der Staaten, die neu entstanden, sehr willkürlich gezogen ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der dortigen Volksgruppen. Das kollidiert meiner Meinung nach etwas mit seiner Aussage, dass Land sowieso keine Erlösung bringt. (In dieser Beziehung wundere ich mich – ebenso wie bei Vorträgen und Aufsätzen anderer -, dass die Gründung anderer Staaten wie z.B. Jordanien (am 25. Mai 1946) als selbstverständlich und nicht der Rede Wert angesehen, während die Gründung Israels (am 14. Mai 1948) mit dem Nimbus von etwas, was sich nicht gehöre umgeben ist. Das hat der Bischof allerdings nicht wörtlich gesagt).

Mittwoch, 27. Juli 2016

Wem gehört das Heilige Land? (Teil 1)

(Ein Bericht in drei Teilen)

Diese Frage stellte sich ein norddeutscher Bischof, und da er anderen Menschen seine Gedanken mitteilen wollte, hielt er in verschiedenen Kirchengemeinden Vorträge darüber. Dank meiner vielfältigen Erfahrungen über die zwiespältige Haltung deutscher Christen zum „Heiligen Land“ – ich berichtete mehrfach in diesem Blog – hatte ich den Verdacht, bei so einem Vortrag Interessantes zu erfahren und fuhr in den Nachbarort um ihn mir anzuhören.

Die Veranstaltung fand in einem kleinen Kirchlein statt. Es war gut gefüllt, überwiegend mit Urlaubern. Ein Gastpfarrer aus Chemnitz hielt die Begrüßung und erzählte, dass er zu Hause den Vorsteher der jüdischen Gemeinde gebeten hatte, einen Vortrag über Israel zu halten, und dieser hätte abgelehnt, denn er wäre als Chemnitzer Jude nicht für Israel zuständig. Der Bischof, obwohl ein deutscher Christ, hielt sich durchaus berufen, in Deutschland die Geschichte Israels zu beleuchten.

Sein Vortrag war rhetorisch gekonnt, systematisch aufgebaut und vermied jede emotionale Aussage zum „Heiligen Land“. Der Vortrag strotzte von Zahlen und Daten, was die Besucher etwas verwirrte und ermüdete. Ein Fazit, wem nun dieses Land gehören würde, gab es nicht, und das Publikum blieb mit der Erkenntnis zurück: Es gibt keine einfachen Lösungen.

Kontinuierlich schimmerte durch den Vortrag der Eindruck, dass der Vortragende es nicht für gut befindet, dass Juden in Israel leben und ihren eigenen Staat haben, denn „Land bringt keine Erlösung“ und „Gott bindet sich nicht an ein Territorium“, so war seine Aussage. Viele nebenher ausgesprochene Bemerkungen ließen den Eindruck entstehen, dass Juden in dieser Gegend nicht unbedingt zu Hause sein sollten, denn im 19. Jahrhundert lebten dort nur 17 000 Juden, dagegen 400 000 Araber. Nach mehreren Einwanderungswellen lebten bei der Staatsgründung 1948 600 000 Juden auf dem Gebiet. Dass zu Ende des 19. Jahrhunderts die Idee des Zionismus, den er offensichtlich missbilligte, aufkam, sah er in der Entfremdung zwischen Juden und Christen, in der Entfremdung der Ost- und Westkirche und in dem Aufkommen der Nationalstaaten. Ganz logisch waren der Inhalt des Vortrags und die Begründungen nicht. Der Begriff Antisemitismus wurde vermieden.

Der Bischof meinte, der Zionismus hätte einen Geburtsfehler, denn dieser strebe eine jüdische Parallelgesellschaft an in der nur Juden lebten, während in alter jüdischer Zeit, zur Zeit des alten Testaments, viele Völkerschaften auf dem Gebiet gelebt hätten. Wie viele Araber und andere Völkerschaften auch heute in Israel leben, wurde vorsichtshalber nicht erwähnt. Mehrmals fiel der Begriff: „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“, er sagte aber nicht, dass dieser Satz von christlichen Autoren (höchstwahrscheinlich Lord Shaftesbury) geprägt wurde und nicht die Richtschnur für jüdische Einwanderer war.

Freitag, 22. Juli 2016

Ein Vortrag über Islam und Islamismus (Teil 2)

Der Referent sagte nicht ein abfälliges Wort über den Islam, betonte aber, dass Islamismus entschieden abgelehnt werden sollte. Er zeigte die Wege, wie aus einfachen Muslimen gewalttätige Islamisten werden, was er hauptsächlich in Propaganda, Erziehungsmethoden und Tolerierung durch andere sah. Jede Zusammenarbeit mit Islamisten müsse abgelehnt und staatliche Fördermittel für Einrichtungen, die Hass predigen, dürfen auf keinen Fall gewährt werden. Insgesamt sprach er sich wohlwollend über die Arbeit mit Flüchtlingen aus und meinte, dass eine Gesellschaft ständiger Veränderung unterliegt, und aus dem Ist-Zustand heraus solle man positiv mit den Menschen arbeiten. Dabei spielten Bildung und Erziehung eine große Rolle, aber auch, dass Dinge, die auf die Unterwanderung der gesellschaftlichen Grundordnung abzielen, auf keinen Fall toleriert werden dürfen. Er nannte das Beispiel, dass in Frankreich, wo seine Frau als Grundschullehrerin arbeitet, niemals toleriert wird, wenn ein Junge sich in der Schule nicht neben ein Mädchen setzen will. Auch dürfen Frauen in Kopftuch ebenso wenig wie Frauen die öffentlich ein Kreuz als Schmuck tragen, Kinder auf Klassenfahrten begleiten. Besonders wichtig war ihm, darauf zu bestehen, dass die Rechte der Frauen, die wir errungen haben, auf keinen Fall aufgeweicht werden.

Vielleicht die größte Überraschung erlebten die Zuhörer am Schluss. Nach den üblichen Dankes- und Abschiedsworten dankte der Vortragende noch einmal ausdrücklich dem Publikum für seine Fragen, die für ihn sehr interessant gewesen wären und ihn viel gelehrt hätten. Sein Rat zum Abschied war: Seht euch die einzelnen Menschen an!

Ich bin überzeugt, dass dieser Vortrag nicht nur mich, sondern alle Zuhörer beeindruckt hat. Abends schaute ich im Internet nach, wen wir da überhaupt erlebt haben, und siehe da: Es war ein renommierter Antisemitismusforscher, Dr. Günther Jikeli, aus Köln stammend. Seine Eltern, die nach Usedom gezogen waren und in der SPD aktiv sind, hatten den Kontakt vermittelt.

Eine kuriose persönliche Episode folgte diesem Vortrag. Eine Bekannte hier kümmert sich um Flüchtlingskinder. Ich lud sie ein, mich zu besuchen, denn ich wollte mit den Kindern basteln. Nach dem ersten erfolgreichen Versuch mit einem Jungen, bat ich sie, auch das 8-jährige Mädchen, das in der Unterkunft wohnt, mitzubringen. Darüber freute sich meine Bekannte, sie meinte aber, dass es wohl schwierig werden wird, denn der Junge versteht sich nicht mit dem Mädchen und läuft immer vor ihr weg. Ich sagte: „Entweder beide oder gar nicht“, und erzählte ihr über den Vortrag und die Erziehungsmethoden in Frankreich. Das überzeugte sie augenblicklich, und so hatte ich einige Tage darauf drei syrische Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen hier zum Basteln.

Dienstag, 19. Juli 2016

Ein Vortrag über Islam und Islamismus (Teil 1)

Vor einigen Tagen hörte ich, dass in der nächsten Stadt ein interessanter von der SPD veranstalteter Vortrag zum Thema Islamismus und Islam stattfinden wird von einem Professor aus Indiana. Beim Stichwort SPD vermutete ich, dass der Vortrag im Sinne von: ´Islamismus hat nichts mit dem Islam zu tun´ sein wird. Die Neugier packte mich, wie diese nicht einfache Thematik behandelt wird. Ansonsten wusste ich überhaupt nichts über die Veranstaltung und ihren Referenten. Als ich eintraf, war der Raum mit mehr als 40 Besuchern gut gefüllt. Es sprach ein junger Mann von Anfang 40, und wie sich herausstellte, war er ein Deutscher. Nach einer kurzen Begrüßung referierte der Vortragende etwa eine Dreiviertelstunde. Sehr sachlich, fast nüchtern gab er eine grobe Übersicht über die Verhältnisse, die durch das Aufkommen des Islams, insbesondere durch Einwanderer, in Europa entstanden sind. Es fiel auf, dass kein polemisches Wort darin vorkam, dass er keine eigene emotionale Hinwendung weder zum noch gegen den Islam erkennen ließ, aber eine deutliche Aufklärung, was Islamismus ist und welche Mechanismen zu seiner Verbreitung in Europa führen und welche Verbindungen vom Islam zum so genannten Islamismus führen. Eine längere Passage widmete er dem Thema Antisemitismus unter Muslimen.

Mir gefiel die Art, wie der Vortrag gehalten wurde. Die Fakten waren mir größtenteils bekannt. Die anschließende Fragestunde, die tatsächlich mehr als eine Stunde dauerte, brachte eine Reihe von Erkenntnissen. Wirklich – ich habe viel gelernt. Weniger über Islam und Islamismus, sondern über die Vielfalt der Ansichten, die verschiedene Menschen haben und die sie nicht scheuten auszusprechen und über die Art und Weise wie ein guter Referent damit umgeht. Es kamen zahlreiche Fragen verschiedenster Art. Immer wieder mischte sich das Interesse am Islam mit Fragen und Statements zur augenblicklichen Flüchtlingsproblematik. Interessant war, dass viele Fragen einen kryptischen Charakter hatten, d.h. man musste sehr nachdenken und Hintergründe kennen um zu begreifen, was der Fragesteller für ein Anliegen hatte. Ich war sehr beeindruckt zu erkennen, wie gut dem Referenten das gelang, wie er seine Antworten genau auf den Fragesteller zuschnitt und trotzdem aus seinen Antworten eine höchst ethische Einstellung zu erkennen war. Niemanden stellte er bloß, niemanden qualifizierte er ab. Niemals unterstellte er dem Fragenden Absichten, die er in moralisch oder unmoralisch einteilte, wie ich das von Veranstaltungen ähnlicher Art gewohnt bin.

Es wurde nach Sunniten-Schiiten und ihrer jeweilige Form der Scharia gefragt, man hörte die Meinung, dass Muslime im Gegensatz zu areligiösen Menschen doch wenigstens Werte hätten, jemand schilderte seine große Freude und Befriedigung in der Arbeit mit Flüchtlingen, ein anderer erklärte lang und breit, dass er mit der Art und Weise, wie sich die Flüchtlinge im Land verhalten (dürfen) nicht zurecht kommt, eine Frau sagte, dass sie eine interessante Begegnung mit einem Imam hatte, aber befremdet war, als dieser sagte: der Islam muss für alle Zeiten so bleiben wie ihn Allah einst dem Propheten in Form des Korans diktierte und eine Entwicklung dessen wäre vollkommen ausgeschlossen. Jemand sagte, wir müssten den Flüchtlingen Gelegenheit geben, „anzukommen“, ein anderer machte sich Sorgen um die eigene Kultur. Es wurde darüber gesprochen, ob und wie der Islam in den jeweiligen Staaten institutionalisiert wird.

Donnerstag, 14. Juli 2016

Der Delinquent entlastet sich selbst

In diesem Sommer hat sich schon so viel Stoff für Beiträge gefunden, dass ich meine Blogpause abbreche und nach und nach ein paar neue Texte einstelle:


Wie sollte man es anders bezeichnen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen, genauer gesagt der NDR, schon in kurzer Zeit zwei mal einen längeren Beitrag ausstrahlte, um zu untersuchen, warum die Medien so einen schlechten Ruf hätten und sogar unter der Bezeichnung Lügenpresse diffamiert würden? Nach der letzten Ausstrahlung am 11.7. um 23 Uhr in der ARD konnte der arglose Zuschauer zu keinem anderen Schluss kommen, als dass die Bezeichnung Lügenpresse durch eine Mischung aus Missverständnissen, Bösartigkeit von Verleumdern, fragwürdiger Rücksichtsnahme, die aber wiederum verständlich ist und Ignoranz des Publikums, das vieles nicht versteht, zustande gekommen ist.

Die Methoden, die in diesem Entlastungsfilm angewandt wurden, führten wiederum dazu, dass beim Zuschauer die Assoziation zum Begriff Lügenpresse tatsächlich aufkommt. Der Film fängt damit an, dass zwei wackere Kämpferinnen aus dem Fernsehen unflätige Hassmails vorlesen, die sie auf ihre Beiträge hin bekamen. Die Inhalte waren vulgär und drastisch. Das ist wohl eine neue Methode, hässliche Mails zu entlarven, aber ich fragte mich, ob diese Damen, wenn ihnen z.B. ein bösartiger Mensch einen Haufen Scheiße in den Briefkasten legte, sie diesen auch jedem unter die Nase reiben würden um zu zeigen, wie schlecht man an ihnen gehandelt hat. Es wurde suggeriert, dass die beiden Frauen, Anja Reschke und Dunja Hayali, diese Hassreaktionen von den gleichen Subjekten bekamen, die auch „Lügenpresse“ rufen. Denn solche waren unmittelbar darauf zu sehen.

Ein Beispiel, das zweimal erwähnt wurde, ist ein Vorgang auf der schwäbischen Alb, wo augenscheinlich nur Hinterwäldler leben, und wo groteske Gerüchte über Flüchtlinge kursierten über abgeschlagene Köpfe, Supermärkte, die wegen zu vieler Klauerei von Flüchtlingen schließen mussten u.ä. Dass die Medien diese haltlosen Unterstellungen nicht berichteten, führte in diesem Fall dazu, dass sie der Lügenpresse verdächtigt wurden.

Immer wieder traten Herren aus der Medienlandschaft auf, die sich entlasteten, indem sie selbst Verständnis für manches Versäumnis aufbrachten: z.B. Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell: Dass wir nur Fotos von „Promis“, die für die Flüchtlinge öffentlich aufgetreten waren, zeigten, war nicht anders möglich, denn es gab einfach keine Promis, die gegen Flüchtlinge waren. Wir wollten (erzieherisch) auf das Publikum einwirken, denn es sollten im Land keine Bilder wie in Rostock dazumal entstehen! Selbstkritik war allenthalben zu hören, vom „Spiegel“, von der ARD, ja selbst ein dänischer Chefradakteur gab große Versäumnisse zu. Da war herauszuhören, dass sie im Grunde für ihre Anständigkeit, die kleinere Versäumnisse einschließt, bestraft werden. Z.B. „Wir haben nicht über das Ereignis gesprochen, sondern darüber, ob uns die Sichtweise des Ereignisses gefällt, das war verkehrt“.

Es folgten Beispiele von Berichten über den Ukrainekonflikt, wo gewisse schwarz-weiß Malerei zugegeben wurde. Manchmal erklärte man einen Fehler so, dass man durch vorauseilendes Berichten aus Angst, etwas falsch zu machen, eine Zeitungsente produziert hätte. Auch über Arbeitslose, die sich gedemütigt fühlten, weil die Medien eine Zeit lang (vor fünf Jahren) das schmarotzende Original Arno Dübel hofierten.

Wenn man es bei rechtem Lichte besieht, wäre das Vertrauen in die öffentlichen Medien in Wirklichkeit gar nicht gesunken, entsprechende Statistiken beweisen es. Weiterhin zeigte man, dass es viel, viel Schlimmere gibt, als die öffentlich-rechtlichen Medien. Man verwies auf besonders unangenehme Zeitgenossen wie Jürgen Elsässer gegen den man im Vergleich doch recht gut da stand. Ken Jebsen, einst vom RBB lange gehätschelt, wurde als unangenehmes Beispiel im Gefolge von Elsässer gezeigt. Den Spagat, wie man Menschen, die Elsässer folgen, „wieder mitnehmen“ wolle, gelang nicht so recht, aber man nahm sich vor, diese Menschen zu „ermuntern, dass sie Ängste aussprechen dürfen“. Dazu sollten die Journalisten mehr „herausgehen und sich umschauen und mehr Differenzieren als Pauschalieren“. „Die Menschen wollen gehört und wahrgenommen werden“, solche Floskeln wurden immer einmal eingesprenkelt. Was einiges über die Arbeitsweise von Journalisten aussagt. Dass eine ausgewogene, der Wahrheit entsprechende Berichterstattung Vertrauen schaffen kann, auf die Idee kam in dem Film niemand.

Zum Schluss kam Neues, Spektakuläres: Die jungen Leute wären in Wirklichkeit besessen von Nachrichten! Diese müssten nur so präsentiert werden, dass sie authentisch wirken. An Ort und Stelle soll besonders Aufregendes gezeigt werden, hautnah: z.B. schwärende Wunden und darüber weinende Reporter. Ein weinender Reporter hat den deutschen Fernsehpreis bekommen! Oder man soll einfach nur Menschen zeigen, so wie sie sind. Dann würde keiner mehr die Bezeichnung Lügenpresse in den Mund nehmen.

Es scheint mehr an der Dummheit und Ignoranz des Publikums zu liegen, seiner Unfähigkeit, Sensationsberichte richtig einordnen zu können und dem Wunsch, Sensationsberichte vorgesetzt zu bekommen unabhängig von deren Wahrheitsgehalt, dem Drang, anständigen Reporterinnen Hassmails zu schreiben, dass ein Begriff wie Lügenpresse umher geistert. Man kann es auch anders herum sagen: Die Medien sind zu anständig, und das Publikum ist ihrer nicht Wert!

Freitag, 1. Juli 2016

Ein paar Worte über den „Brexit“

Nicht, dass ich wünsche, dass Großbritannien nicht zur EU gehöre. Wie sich das historische Ereignis der Scheidung sowohl auf Großbritannien als auf die EU und vielleicht sogar auf die Weltpolitik auswirkt, kann ich genauso wenig sagen wie manch eine selbst ernannte Kassandra. Aber „Brexit“ hat den Menschen vor Augen geführt, was Demokratie ist und wie sie funktioniert. Da hat jeder Bürger eines Landes das Recht, eine Stimme abzugeben. Auch wenn er alt, auf dem Lande wohnend und ungebildet ist. Er hat nicht mehr als eine Stimme, aber die zählt. Auch jeder junge Mensch kann eine Stimme abgeben. Aber nur dann, wenn er an der Wahl teilnimmt.

Wie funktioniert es in der EU? Da zählt die Stimme einer Bundeskanzlerin mehr als Millionen Stimmen, nicht nur ihrer eigenen Wahlbürger, sondern der gesamten EU-Bürgerschaft. Wenn ihr eine plötzliche Eingebung kommt, gut eine Millionen Menschen, die aus Kulturen stammen, die mit der eigenen nicht kompatibel sind, ins Land, also in die EU zu holen, so muss ihr die gesamte EU folgen. Dass damit geltendes Recht außer Kraft gesetzt wird, dass den eigenen Bürgern, vorwiegend den Ärmeren unter ihnen, hunderte Millionen an Steuergeldern entzogen werden, spielt keine Rolle. Wer nicht folgt, bekommt den Titel Rechtspopulist.

Im Übrigen soll man sich das hämische, ja bösartige, man kann schon sagen Keifen der EU-Größen nach dem „Brexit“ anhören. Hinter ihrer Empörung, die in meinen Ohren wie das Jaulen eines getroffenen Hundes klingt, ist keine hohe Moral zu erkennen, die ihnen angeblich ganz zu Eigen ist. Mich erinnern sie an den berühmten Spruch „Wir weinen ihnen keine Träne nach“, den Erich Honecker 1989 den geflohenen DDR-Bürgern hinterher rief. Man kann durchaus jene beneiden, die nicht von diesen EU-Repräsentanten repräsentiert werden.

Meine Ausführungen bedeuten nicht dass ich „für“ den Brexit bin, sondern ich bin dagegen, dass in der EU kein Respekt vor einer demokratisch getroffenen Entscheidung herrscht.

Blogpause von ca. 6 Wochen

Samstag, 18. Juni 2016

Die Mauer in Jerusalem (Teil II)

Keine Emotionen, dafür aber verschiedene Gedanken kamen mir in den Sinn. Warum ausgerechnet immer wieder die Mauer in Israel? Um wie viel aktueller wäre es, die wohl auch vom deutschen Geld gebaute und teilweise mit Selbstschussanlagen (viel perfekter als die einstigen der DDR) versehen, Kriegsflüchtlinge abweisende Mauer zwischen der Türkei und Syrien darzustellen? Wie viele martialische Grenzbefestigungen gibt es auf der Welt, sei es zwischen Indien und Pakistan, zwischen Iran und Pakistan oder etwa die Schutzanlagen um die spanischen Enklaven Melilla und Ceuta in Nordafrika. Es gibt keine andere Erklärung dafür, als dass sich die Welt auf Israel fokussiert, um in ihm all das Böse sehen zu wollen, was an anderen Stellen auf der Welt geschieht, und wovon man ablenken will.

Im Heft, welches mich auf die Installation aufmerksam gemacht hatte, wurden zwei eng bedruckte Seiten dem Event gewidmet. Wie es allgemein üblich ist, hatte der Journalist es geschafft, mit scheinbar neutralen Worten, haarscharf das zu vermerken, was Israel in ungünstigem Licht erscheinen lässt. Beispielsweise wird angemerkt, dass die Mauer fast dreimal so hoch ist wie die einstige Berliner Mauer, es fehlt aber der Hinweis, dass die Berliner Mauer und die Grenzbefestigungen quer durch Deutschland mit Selbstschussanlagen und breitem Sperrgürtel versehen waren, was den Vergleich anders erscheinen lässt. Oder es wird in der „neutralen“ Berichterstattung über den: „Krieg, der 1948 zwischen Israel und den Arabern begann“ verschwiegen, dass in diesem Krieg allein die arabischen Staaten die Angreifer waren. Das scheint für den Leser erst einmal nicht so bedeutsam zu sein, trotzdem ist es ist immer wieder erstaunlich und schwerwiegend, wie in solch „nebensächlichen“ Berichten Fakten verdreht, nicht genannt und mit traumwandlerischer Sicherheit ausschließlich die Delegitimierung Israels zu belegen haben.

Meine letzte Reise nach Israel fiel mir ein. Einen 10 Seiten langen Bericht hatte ich damals darüber geschrieben, eine Menge von Erlebnissen, wovon ein einziges Erlebnis am Grenzzaun spielte. So sind die Relationen. Leicht kann ich mir vorstellen, welche Unzahl interessanter Ausstellungen man über Israel zu mannigfaltigen Themen machen könnte. Wenn Menschen nichts Besseres einfällt, als sich anlässlich Israels immer wieder speziell mit der Mauer zu befassen, die im Gegensatz zur Berliner Mauer immerhin den Tod vieler Menschen verhindert hat, kann ich in Abwandlung dessen, was als Leitspruch an der Installation steht, nur sagen: Die Fokussierung auf Israel ist ein Symbol für die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Nur im Geist können wir dieses Denken überwinden.

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Aufschrift: Die Mauer ist ein Symbol für das Unüberwindbare.
Nur im Kopf können wir diese Wirklichkeit überwinden.

Montag, 13. Juni 2016

Die Mauer in Jerusalem (Teil 1)

Diese Mauer muss eine ungeheure Faszination auf viele Menschen ausüben. Sie beeindruckt sie mehr als alle anderen Mauern und Grenzanlagen auf der Erde, obwohl es davon viele gibt. Sie inspiriert zu Poesie, Prosa und Kunstinstallationen. So las ich einmal eine rührselige, offensichtlich frei erfundene Weihnachtsschmonzette darüber, wie eine Palästinenserin namens Miriam zwischen den „Check Points“ an der Mauer ein Kind gebiert. Als ich dann an die Zeitung schrieb, dass es mir seltsam erscheint, wenn deutsche Zeitungen Rührstücke über die israelische Mauer schreiben, haben sie doch selbst 28 Jahre mit einer solchen gelebt und sich mit ihr recht bequem eingerichtet, man solle doch wahrhaftigerweise schreiben, wie ein Kind zu Weihnachten am „Check Point Charly“ geboren wurde, oder wenigstens eine Schamfrist von 28 Jahren für Geschichten dieser Art einlegen, da wurde mir die Zuschrift offensichtlich übel genommen, denn sie wurde so zusammengestrichen abgedruckt, dass ihr Sinn perfekt entstellt war. Dieselbe Zeitung hat dann später zum Bericht über eine Gruppenreise nach Israel nur ein einziges Foto abgebildet: Die Mauer! Was für ein gewaltiger Eindruck muss es sein, wenn dahinter alle anderen Erlebnisse in Israel verblassen! Mir scheint es, dass Deutsche durch einen Blick auf die Mauer zu Israel die lange Existenz ihrer eigenen Mauer vergessen lassen wollen!

Darum war ich neugierig, als ich bei einem Besuch in Aachen erfuhr, dass eben jene Mauer in Israel einen Fotokünstler zu einer größeren Arbeit inspiriert hat, und dass eine „gewaltige Fotoinstallation“ (so im Mitteilungsblatt) am belgisch-deutschen Grenzübergang zu sehen, ja zu begehen sei. Der Fotograf Willi Filz aus Eupen hat ein Panorama der Mauer erschaffen, das die Mauer von zwei Seiten darstellt. Die palästinensische ist bunt bemalt und besprüht, und die israelische Seite ist schmucklos und kahl. In einem in der Nähe liegenden Kulturzentrum gab es aus gegebenem Anlass ab und zu ein Rahmenprogramm: Führungen zur Installation, Filme, Musik und Essen, das mit dem Thema irgendwie Berührungspunkte hatte.

Zweimal musste ich den Grenzübergang aufsuchen, ehe ich begriff, dass ein unscheinbarer, ca. 10 m langer Korridor, ähnlich wie bei Straßenbauarbeiten Übergänge über Gräben gelegt werden, das Kunstwerk sein sollte. Von außen war gar nichts zu erkennen, denn die „Mauern“ befanden sich innerhalb des Kunstwerks und zwischen den „Mauern“ war ein schmaler Verbindungsgang. Vielleicht lag es an mir, dass dieser Durchgang keine Emotionen bei mir hervor rief, weder positive noch negative, und den Eindruck einer Grenze geschweige einer unüberwindbaren Mauer konnte dieser Tunnelgang nicht evozieren, denn man ging bequem und einfach hindurch. (Fortsetzung folgt)

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