Samstag, 20. Juli 2024

Feierliche Reden und die Realität

Am 4. Juli 2024 wurde in Potsdam die neue Synagoge eröffnet. Wie es bei der Einweihung bedeutender Bauwerke üblich ist, hielten prominente Vertreter von Politik und Gesellschaft Festreden. Einer der ersten Redner war Bundespräsident Steinmeier. Er beklagte, dass es unerträglich wäre, dass in Europa Juden Angst vor Hass und Gewalt haben müssen. Vor wem sie Angst haben müssen, verschwieg er vorsichtshalber. Er selbst persönlich stehe dafür, dass Deutschland ein zu Hause für „Jüdinnen und Juden“ bleibe.

Habe ich mich da verhört? Man muss doch nur die 20.00 Uhr-Nachrichten im Fernsehen oder den Deutschlandfunk einschalten. Beide sind ein Spiegelbild für das politische Klima im Land. Die Nachrichten dieser und vieler anderer Sender scheinen es gerade darauf abgesehen zu haben, Israel als kriegslüstern und grausam erscheinen zu lassen. Über jedes Kriegsereignis des Krieges Israel-Gaza wird so berichtet, dass Israel in einem besonders schlechtem Licht erscheint. Dabei greift man gern auf Berichte und Zahlen von der Hamas zurück, ungeachtet dessen, dass die Hamas immer wieder erlogene Berichte in die Welt setzt. Nach Wochen oder Monaten werden diese Nachrichten der Hamas von irgendwelchen Experten korrigiert, aber dann lohnt sich die Korrektur schon nicht mehr für die Nachrichten.

Nun ist mir klar, dass der Bundespräsident keinen direkten Einfluss auf den Inhalt der Nachrichten hat. Aber als „höchster Mann im Staate“ könnte er durch eine klare Haltung zeigen, dass er diese Nachrichten für unfair und irreführend hält. Wenn der Bundespräsident vernehmlich diese verzerrte Berichterstattung kritisieren würde (nicht, um „für“ Israel zu sprechen, sondern um der Wahrheit willen), könnte sich vielleicht die Tonlage ändern.

Mag diese falsche Berichterstattung auch über den Staat Israel sein und nicht über Juden im Allgemeinen. Da sollte man einmal Juden in Deutschland fragen, ob sie wegen des Kriegs in Gaza schon Ärger hatten. Wie jeder weiß, werden Geschehnisse in Israel von großen Teilen der Bevölkerung direkt den Juden hier angelastet.

Ich stelle mir „normale Menschen“ – sie müssen weder „rechts“ noch „links“ sein – vor dem Fernseher vor: „Schon wieder haben die Juden ein Flüchtlingslager beschossen (was sich später als eine Hamas-Versammlung erweist, 200 m vom Flüchtlingslager entfernt) , die Juden sind grausam und rachsüchtig!“ Gerade die normale Bevölkerung wird vom öffentlichen Fernsehen und Radio indoktriniert. So habe ich in meiner Verwandtschaft einen jungen Mann , der mir viel über hungernde und verhungernde Kinder und Erwachsene in Gaza erzählte. Er wusste ganz genau Bescheid dank unserer öffentlichen Medien, an denen Herr Steinmeier, der die Angst von Juden in Deutschland nicht ertragen kann, nichts aussetzen kann.

Herr Steinmeier kommt mir vor wie eine Wachsfigurenpuppe mit einem Sprechautomaten. Etwas lebendiger wird er, wenn er sich seinen muslimischen Freunden zuwendet, den Ayatollas im Iran oder Yassir Arafat (angeblich Palästinenser, in Wirklichkeit Ägypter), der für vielfache Judenmorde verantwortlich ist, den er mit einem Kranz an seinem Grab ehrte.

Alles Menschen, die sich Israels Vernichtung zum Ziel gesetzt haben (bzw. hatten). Da würde Herr Steinmeier argumentieren, dass das Dinge sind, die im nahen Osten geschehen. Hier die Juden haben damit ja nichts zu tun, um diese ängstigt sich Herr Steinmeier natürlich sehr. Aber wie schon geschrieben: Fragt die Juden in Deutschland, ob die Geschehnisse im Nahen Osten und die Art, wie darüber berichtet wird, eine Auswirkung auf sie haben.

Samstag, 13. Juli 2024

Biedermann und die Brandstifter

Nicht weniger hellsichtig wie Friedrich Dürrenmatt war sein Landsmann, Kollege und Zeitgenosse Max Frisch. Wohl sein bekanntestes Theaterstück - es steht in Schulen auf dem Lehrplan – ist „Biedermann und die Brandstifter“. Mir scheint es so aktuell, dass es verwunderlich ist, dass man relativ wenig davon hört und liest.

Der Inhalt ist weitgehend bekannt. Der Fabrikant Gottlieb Biedermann, der sich im normalen Leben als herzlos gegenüber seinen Angestellten erweist, wird von zwei Hausierern heimgesucht, die sich nicht nur rücksichtslos und unverschämt verhalten, sondern die auch sehr auffällig Brandutensilien ins Haus schleppen und vernehmbar darüber reden, wie man effektiv Brände legt. Frech nötigen sie Herrn Biedermann, ihnen Hilfsdienste zu leisten. Aus unerfindlichen Gründen ist dieser nicht nur nicht imstande, Einhalt zu gebieten, sondern mit absurdesten Argumenten rechtfertigt er das Handeln der Eindringlinge, um vor sich selbst das Gesicht zu wahren und keine Schwäche zu zeigen. („Die tun doch nur so, die machen humorvolle Scherze“) Es kam, wie es kommen musste: Herrn Biedermanns Haus ging in Flammen auf.

Wer dieses Drama liest, ist zuerst einmal erstaunt: Ein zwar amüsantes, aber weit übertriebenes und verfremdetes Stück. So etwas kann es in der Wirklichkeit nicht geben.
In Rezensionen gibt es oft einen Vergleich mit der Machtergreifung Hitlers. Der hatte vor seiner Machtergreifung klar seine Absichten bekannt und später das verwirklicht, was er angekündigt hatte. Die Juden, die er als Deutschlands Unglück bezeichnet hatte, waren zu Ende seiner Herrschaft vertrieben, getötet, ausgerottet. Und das nicht allein in Deutschland, sondern in ganz Europa.

Doch ist der Vergleich nicht zutreffend. Hitler hat ja nicht den Deutschen, die ihn dann gewählt haben, die Vertreibung und Vernichtung angekündigt, sondern den Menschen, die er als Untermenschen definiert hatte. Dass Zerstörung und Tod schließlich auf Deutschland zurückfielen, war den zurückschlagenden Nationen zu verdanken.

Viel passender scheint mir der Vergleich zu der heutigen Lage in Westeuropa. Es kommen Heerscharen von Menschen mit einer gewalttätigen Religion nach Europa um Aufnahme zu finden. Nicht jeder Einzelne ist gewalttätig, nicht alle haben die Absicht zu zerstören. Doch zu oft wird die Behauptung verkündet, andere Religionen, vor allem die jüdische, aber auch die christliche wären minderwertig. In verschiedensten Varianten wird die Verachtung anderer Religionen praktiziert. Sei es im Mord an Juden, im Niederbrennen von Kirchen, im Erstechen von Priestern und Lehrern, in Messermorden auf offener Straße. Da die Allgemeinheit, insbesondere Politik und Medien außerordentlich zurückhaltend reagiert, ist die Aufforderung zum „weiter so“ vorprogrammiert.

Das Verhalten der Allgemeinheit erscheint als Pendant zum Verhalten von Herrn Biedermann. (z.B.: der Mord ist Folge, dass sie nicht integriert wurden ((Faeser), wir sind tolerant und weltoffen anderen Kulturen gegenüber, Wenn Menschen durch die Straßen ziehen und zur Vernichtung Israels aufrufen (from the river tot he sea ist ein Symbolspruch dafür), dann heißt es, dass wir Rede- und Meinungsfreiheit haben.

Ebenso wie Herr Biedermann ignorieren wir im Namen allumfassender Toleranz Verhaltensweisen, die Fundamente unserer so genannten Wertegesellschaft unterhöhlen. Die „Brandsätze“ werden in die Gesellschaft geschleppt: Frauenverachtung, Judenhass. Toleranz gegenüber menschenverachtenden Verhaltensweisen bedeutet nicht nur, dass man toleriert, was jetzt gerade geschieht, sondern dass man den Weg frei gibt für weiteres „Zündeln“, ebenso wie beim „Biedermann.

Als was anderes als einen „Brandsatz“ kann man es bezeichnen, wenn von gut 1000 Muslimen auf offener Straße die Forderung nach einem Kalifat in Deutschland ausgerufen werden kann? Ohne entschiedene Konsequenzen. Die Konsequenz wird sein, dass die Forderung nach einem Kalifat sich vervielfältigen wird. Oder ein türkischer Fußballspieler provoziert beim Spiel mit einem so genannten Wolfsgruß, der Kennzeichen für die rechtsextremen „grauen Wölfe“ ist. Der Wolfsgruß kann auch anders gedeutet werden, wurde beschwichtigt. Prompt wiederholten tausende türkische Fußballfans den Wolfsgruß um ihre Gesinnung zu demonstrieren.

An diesen Beispielen sind durchaus Parallelen zu Verhaltensweisen der Brandstifter aus dem „Biedermann“ zu erkennen. Nicht etwa die Tatsache, dass Menschen verschiedener Herkunftsländer und Religionsgemeinschaften hier leben, erinnert an die Brandstifter. Sondern, dass es Menschen gibt, die Werte, Lebensweisen, Traditionen unterhöhlen und dass so etwas hingenommen wird und sogar als Toleranz erklärt wird.

Dienstag, 2. Juli 2024

Friedrich Dürrenmatt zum Yom-Kippur-Krieg

Der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) war ein überzeugter Anhänger Israels. Nach dem Yom-Kippur-Krieg schrieb er seine Eindrücke und Gedanken über die allgemeine Weltstimmung zu diesem Krieg und zu Israel, und siehe da: schon vor 50 Jahren deutete sich offenkundig ab, was sich in den nächsten Jahren entwickeln würde und was heute „mainstream“ ist, erschreckenderweise besonders bei den Institutionen, die sich Frieden auf der Welt und „gute Taten“ auf ihre Fahnen geschrieben haben.

Stellungnahme von Friedrich Dürrenmatt für Israel und gegen den linksintellektuellen Zeitgeist nach dem Yom-Kippurkrieg 1973 (Auszug):

„Ich stelle mich hinter Israel. Es ist still um die Schriftsteller geworden. Die großen Unterzeichner unterzeichnen nicht mehr. Es ließe sich leicht gegen den Vietnamkrieg (…….) unterschreiben, sich für Solschenizyn und Sacharow einzusetzen, als Linksengagierter wünschte man sich doch eine halbwegs anständige Linke; doch gegen den neuen arabisch-israelischen Krieg protestiert man lieber nicht. Zwar ist es seit Jahren salonfähig geworden, die Israeli als Faschisten abzutun und die palästinensischen Terroristen als Helden zu betrachten, die aus schierer Verzweiflung so handeln (als ob es keine Lust am Terror gäbe), zwar hat sich das linksintellektuelle Koordinatensystem von Gut und Böse (……) durchgesetzt und ist zur moralischen Weltwährung geworden, aber dass sich der neue arabisch-israelische Krieg nicht so recht ins Prokustbett der Ideologien spannen läßt, spüren sogar die Ideologen dumpf. (………)
Dass Israel als Kleinstaat immer wieder den Krieg leisten muss, ist seine Tragik, denn die Araber mit ihrem Öl können sich jeden Krieg leisten. Bald werden wir ihnen auch diesen Krieg finanzieren. (……….)
Ich stelle mich mit diesen Worten hinter Israel, seine und unser aller wegen. Seinetwegen aus Anstand, unser aller wegen, damit wir nicht bald alle schweigen.“

Sein Freund Erwin Leiser schrieb ihm dazu:
„Es ist sehr deprimierend, diese tragische Wiederholung der Ereignisse zu erleben, die jetzt mit der erneuten Verwandlung Israels in den Prügelknaben der Völker ihren Lauf nimmt, und da bedeutet es viel, spüren zu können, dass man nicht alleine steht.“
(Auszug aus dem Buch von Ulrich Weber: Friedrich Dürrenmatt, eine Biographie)

Wie hellsichtig, wie allgemeingültig. Und, wenn man bedenkt, was in den gut 50 Jahren danach geschehen ist! Wie diese Denkentwicklung kontinuierlich fortgeschritten ist und heutzutage wieder einen Höhepunkt erreicht! Was muss geschehen, damit die Einsicht in die Hirne und Herzen kommt, dass der augenblickliche Weg ein Irrweg ist!

Dienstag, 25. Juni 2024

Ein Erlebnis in Israel: Auf dem Berg der Seligpreisungen

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Der Berg der Seligpreisungen bescherte uns ein eigenartiges Erlebnis: Oben am Parkplatz, gleich neben einer Klosteranlage trafen wir auf eine süddeutsche christliche Reisegruppe. Wir schlossen uns an und folgten ihnen auf versteckten Wegen, die die Bergkuppe hinunterführten zu einer Stelle, wo man einen besonders schönen Blick auf den See hat. Dort ist eine Gruppe Olivenbäume malerisch auf dem Hügel verteilt, und unter einem der Bäume gab es, wohl für pastorale Zwecke, einen Sitz mit einem altarähnlichen Stein davor – dort soll Jesus die Bergpredigt gehalten haben. Wir trafen gerade wieder auf die Gruppe, als ihr Reiseleiter zur Auslegung der Bergpredigt anhob: Die Seligpreisungen überging er „da sie ja allgemein bekannt sind“, und er konzentrierte sich auf die Auslegung der auf die Seligpreisungen folgenden „Gesetzesverschärfungen“. Das führte er in der Weise aus, dass er immer gegeneinander stellte: die hohe moralische Überlegenheit der christlichen Religion gegen die niedere Geisteshaltung des Judentums, das nicht zur Vergebung fähig wäre. Seine Schäfchen hörten ihm schweigend und ergriffen zu. Ich war überrascht: wie in deutschen, christlichen Reisegruppen geredet wird, wenn der israelische Fremdenführer gerade nicht dabei ist, das weiß ich gut, sowohl aus eigenem Erleben als auch aus Berichten christlicher Reisender. Dass man sich allerdings auf den Berg der Seligpreisungen zurückzieht, um ungestört die Regungen des eigenen schlechten Gewissens ins Gegenteil zu ziehen, das war mir neu. Zwei Tage später saßen wir 50 km südlich im Kibbuz E.H. beim Kaffeetrinken. Wir lernten J.s zweite Frau kennen. Nur um wenige Jahre jünger als er, war sie alt genug, dass sie auf ihrem Arm das Brandmal einer Auschwitz-Nummer hatte. Beide bewirteten uns freundlich und führten uns durch den Kibbuz. Und ich dachte: „Das sollen also die sein, die nicht vergeben wollen, und die da auf dem Berg das sind die moralischen Überlegenen!“ Ich bezeichnete unser Erlebnis da oben als „pastorale Groteske“ und war in meinem Misstrauen gegen „Idyllen“ bestätigt.

Samstag, 15. Juni 2024

Auf Grund unserer Geschichte

muss sich Deutschland an die Seite Israels stellen. ….darf es Israel nicht verurteilen…. muss es sich zumindest der Stimme enthalten (aber auch nicht immer), wenn Israel einmal wieder vom UNO-Sicherheitsrat verurteilt wird. Aussagen jener Art hört man immer wieder von Politikern, von Journalisten. Es wird als Floskel benutzt, so wie in Reden von Politikern ja alle möglichen Floskeln daher gesagt werden. Aber sind sie sich bewusst, was sie sagen und was „auf Grund unserer Geschichte“ bedeutet? Ist ihnen bewusst, dass die „Geschichte“, bedeutet: die Ermordung und Erniedrigung von 6 Millionen unschuldiger jüdischer Menschen, die fabrikmäßige Tötung der Menschen, die Auslöschung, die Zerstörung von Wissen und Kultur unzähliger jüdischer Gemeinden? Wissen sie, dass der Staat Israel aus den Trümmern der wenigen Reste dieser Kultur entstanden ist?

Mir scheint es, dass in diesem „auf Grund unserer Geschichte“ auch etwas Judenfeindliches mitschwingt: nur wegen der Geschichte sind wir zum Schweigen verurteilt, wo wir eigentlich verurteilen müssen. Wenn diese „Geschichte“ nicht wäre, dann könnten wir all das anprangern, was Staaten, die nicht von der „Geschichte“ belastet sind, anprangern dürfen. Wir sind gefangen in „unserer Geschichte“, müssen uns ruhig verhalten und können darum die „Gerechtigkeit“ nicht walten lassen. Wir werden mit „unserer Geschichte“ erpresst.

Eine Methode, um die lästige Geschichte beiseite zu schieben und zu überdecken, ist es, seine Zuwendung und sein Mitgefühl auf diejenigen zu richten, die Israel beseitigen wollen. Die israelische Bevölkerung wurde, wie bekannt ist, am 7. Oktober von der Hamas und von Einwohnern Gazas angegriffen und bestialisch behandelt. Schon kurz darauf, als Israel sich wehrte, richtete sich die Empathie unserer deutschen Journalisten auf Gaza, das von der Hamas regiert und terrorisiert wird. Deutschland schob trotz eigener Sparzwänge zig-Millionen Euro nach Gaza. In dem Wissen, dass von der Hamas das meiste Geld für ihre Finanzierung, also für ihre Erhaltung abgezweigt wird. Die Hamas, die offiziell verkündet hat, dass sie den „7.Oktober“ so oft wiederholen wird, bis Israel vernichtet ist. All die finanziellen Unterstützungen und „friedensbringenden“ Resolutionen aus vielen Ländern der Welt, also auch von Deutschland „mit seiner Geschichte“, dienen dazu, dass die Hamas an Sicherheit und Zeit gewinnt.

Und dabei wirkt ein Land mit, dass auf ominöse Weise seine Geschichte wie eine Monstranz vor sich herträgt.

Samstag, 8. Juni 2024

Was ist gut, was ist böse?

Es war Ende September oder in den ersten Oktobertagen des vergangenen Jahres. Im Radio liefen Meldungen aus Israel, und beiläufig wurde darüber berichtet, dass in einem israelischen Krankenhaus ein Mädchen aus Gaza eine lebensrettende Herzoperation erhalten hat.

Das war vor dem 7. Oktober. Was Menschen aus Gaza danach, am 7. Oktober, Menschen aus Israel angetan haben, das ist bekannt. Wie ist es möglich, dass in der allgemeinen Weltmeinung Israel und Gaza als „gleichwertig“ nebeneinandergestellt werden? Derjenige, der Herzoperationen für die anderen durchführt, wird gleichgestellt, ja sogar noch als „schlimmer“ dämonisiert als derjenige, der Babys köpft, Familien verbrennt, junge Menschen erschießt?

Im Frühjahr 2023 gab es ein verheerendes Erdbeben in der Türkei und Syrien. Obwohl die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel gespannt waren, zögerte Israel nicht, ein Flugzeug voller Erdbebenhelfer, Fachleute, die auf das Bergen von Erdbebenopfern spezialisiert waren, in die Türkei zu schicken. (Selbst Syrien, das Israel als seinen größten Feind bezeichnet, bat Israel um Hilfe bei der Erdbebenbewältigung).

Die israelischen Helfer haben in der Türkei unschätzbare Hilfe geleistet. Und wie reagiert die Türkei? Erdogan bekräftigt seine Solidarität mit den Hamas-Mördern, Erdogan bezeichnet Netanjahu als neuen Hitler, Erdogan verbreitet die seit Jahrhunderten in die Welt gesetzten Stereotypen über Juden als Kindermörder, als Blutsauger. Im Denken einer bestimmten Religion scheint es so zu sein, dass diejenigen, die selbstlos Hilfe leisten, hinterher noch beschimpft und verunglimpft werden.

Das ist so erbärmlich, so schäbig. Wenn es nur das wäre! Aber die Allgemeinheit schließt sich dem hetzenden Erdogan an. Je nachdem wie es in der Öffentlichkeit gerade noch tragbar ist, wird die Haltung des türkischen Staatschefs gelobt oder vorsichtig mit Verständnis versehen. Das Land, das seine jungen Leute zur lebensrettenden Hilfe schickt, wird dagegen dämonisiert. Weil es seine jungen Leute nicht nur zur Lebensrettung schickt, sondern weil es sich wagt, sich gegen einen mörderischen Angriff zu verteidigen.

Wenn man verschiedenes im Internet liest, wenn man Zeitungskommentare hört oder die normalen Nachrichten sieht, bekommt man den Eindruck, dass das, was als „Werte“ bezeichnet wird und wovon viele Menschen sagen, sie hätten sie verinnerlicht, also, dass die Aufstellung der „Werte“ auf den Kopf gestellt wird. Das, was man früher als „böse“ bezeichnet hat, ist jetzt „gut“, das, was man als „gut“ bezeichnet hat, wird jetzt verteufelt. Wer weiß, vielleicht nimmt die Geschichte so einen Verlauf, dass die Werte wirklich überall auf den Kopf gestellt werden. Ob das der Menschheit gut bekommt, das ist zu bezweifeln.

Samstag, 1. Juni 2024

Ein Erlebnis mit israelischen Soldaten

.......... hatte ich bei meinem ersten Besuch in Israel 1993. Ich war mit einer christlichen Reisegruppe unterwegs. Außerdem besuchte ich zwei israelische Bekannte, die ich bei Vorträgen, noch in der DDR-Zeit, kennengelernt hatte. Und mit denen ich Kontakt aufgenommen hatte. Irgendjemand hatte mir erzählt, dass israelische Soldaten ausgesprochen hilfsbereit sind, und oft eine Gelegenheit nutzten, für andere etwas zu tun. Da ich keine Veranlassung hatte, mit israelischen Soldaten in Kontakt zu kommen, beachtete ich diese Aussage nicht besonders.

In der Reisegruppe wirkte ich etwas exotisch, da ich der Gruppe mehrmals Umstände bereitete, um meinen privaten Unternehmungen nahzugehen. So bat ich, dass ich im Norden Israels, in Kirjat Shmona die Reisegruppe verlassen kann, um mit dem Bus nach Beit Shean zu fahren, weil ich meinen neu gewonnenen Freund Jaakov (gebürtig aus Rostock) für einen Tag in seinem Kibbuz Ein Hanatziv besuchen wollte. (Dass meine Extrawünsche keine Begeisterung bei der Reiseleiterin hervorriefen, konnte ich mir erst klar machen, nachdem ich begriff, welche Verantwortung auf so einer Reiseleitung lasten).

Jedenfalls befand ich mich an der Bushaltestelle in Kirjat Shmona und wartete auf den Überlandbus. Mir fiel ein, dass ich ja noch gar keine Shekel getauscht hatte. Meine erfahrenen Mitreisenden hatten mich nämlich jedesmal , wenn ich Geld tauschen wollte, davon abgehalten, weil sie meinten, der Umtauschkurs wäre ungünstig. In Jerusalem hatte ich bereits einige Male mit D-Mark bezahlen können, aber hier im hohen Norden sah die Sache ganz anders aus. Der Busfahrer erkannte meine Währung nicht an. Mit mir war eine Gruppe Soldaten in den Bus gestiegen. Ich bekam gar nicht mit, was da geschah, ich hörte nur ein Klimpern, und der Bus fuhr ab. Yaakov stand dann tatsächlich an der Bushaltestelle an seinem Kibbuz in der heißen Sonne und nahm mich in Empfang.

Erst hinterher wurde mir bewusst, dass die Soldaten in Kirjat Shmona eine Sammlung für mich veranstaltet hatten, um die Busfahrt für mich zu bezahlen. Leider war ich zu aufgeregt und auch zu unerfahren, um mich in gebührender Weise dafür zu bedanken.

Ich bin heute noch gerührt über diese kleine Episode. Auch, weil sie mir genau das bestätigte, was ich zuvor gehört hatte. Immer, wenn ich jetzt in Nachrichten etwas höre über Kirjat Shmona, das nun so überaus drangsaliert wird, dann denke ich an die Sammlung der Soldaten. Sicher weiß ich, dass man von einer Szene keine Rückschlüsse über die gesamte IDF ziehen kann. Doch ich denke, so eine Erlebnis zeigt schon die Richtung an, in der die Soldaten reagieren und handeln.

Donnerstag, 16. Mai 2024

Ich habe es geahnt,

dass der fanatische Antisemitismus weniger von den „normalen“ Menschen ausgeht, sondern dass Intellektuelle, Politiker, Studenten, Künstler, Medienschaffende die treibenden Kräfte sind. Ähnliches hatte ich in den Erinnerungen von Nadeshda Mandelstam gelesen, die diese Beobachtungen in der damaligen Sowjetunion machte.

So konnte man interessante Beobachtungen beim diesjährigen Eurovision Song Contest in Malmö machen. Zuerst erlebte man antisemitischen Massen, die aus dem ganzen Land und aus den Nachbarländern angekarrt worden waren! Wie viele es waren, wie sie ihren Hass und ihre Verachtung gegenüber Israel äußerten! Wie ihre soziale Zusammensetzung war, weiß ich nicht, es werden sicher viele arabische Menschen und viele Studenten dabei gewesen sein. Die Menge der Leute, die behauptete, für eine gute Sache zu kämpfen, hatte keine Scham, sich auf ein einzelnes junges Mädchen zu stürzen, sie zu drangsalieren, ihr ihren Aufenthalt in Malmö zur Hölle zu machen. Die Haltung von Eden Golan, die trotz aller Boykottbemühungen scheinbar unbeirrt ihre Darbietung vortrug, war bewundernswert.

Aber dann kam die große Überraschung. Das „normale Publikum“, die Fernsehzuschauer, die ihre Wertung abgaben, boykottierte Eden Golan überhaupt nicht. Sie waren ganz auf ihrer Seite, sie gaben eine Punktwertung ab, die weit über dem Durchschnitt lag. Trotz einer benachteiligenden Jurywertung belegte Eden Golan den 5. Platz.

Wie ist die Diskrepanz zwischen Zuschauerwertung und der boykottierenden Menge zu erklären? Es wurden immerhin so viel oder mehr Zuschauerwertungen registriert, wie man normalerweise bei Meinungsumfragen vornimmt. Ich kann es nur so erklären, dass der Durchschnittsbürger mit den hetzenden und hasserfüllten Demonstranten nichts zu tun haben möchte und das durch sein Votum zur Kenntnis gibt. Es muss eine bestimmte Kaste, leider sind es die Meinungsmacher, überall auf der Welt geben, die sehr laut den Ton angeben. Die Mehrheit denkt nicht so und ist zumindest indifferent.

Das ist jetzt nur ein geringer Trost, wenn man die Lage in Israel sieht, und wenn man erlebt, mit welcher unfairen, lügenhaften, Tatsachen verdrehenden Haltung die „Meinungsmacher“ der Welt ihre Ansichten über den Gaza-Krieg verbreiten. Doch das Votum der Zuschauer vom ESC sehe ich als ein kleines Hoffnungszeichen.

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