Donnerstag, 5. Dezember 2024

Auf einer Israelreise (II)

Bei meiner ersten Israelreise 1993 mit einer christlichen Reisegruppe war ich umgeben von Pfarrern und christlichen Teilnehmern. Meine Vermutung, dass solche Menschen, deren Profession es ist, mit Begriffen wie Schuld und Vergebung umzugehen, großes Interesse daran hätten, sich dort mit der Vergangenheit und dem Verhältnis zu den Deutschen zu beschäftigen, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil, es war ihnen unangenehm. (immerhin waren sie fast alle in der Nazizeit junge Leute gewesen). Den obligatorischen Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem empfanden sie als Zumutung, was auch darin zum Ausdruck kam, dass hinterher kein einziges Wort darüber gesprochen, sondern munter über allerhand belanglose Dinge gelacht wurde. Die Skulptur von Elia auf dem Berg Karmel missbilligten sie, denn der hat ja immerhin 450 Priester getötet. (Ich fragte mich im Stillen, ob ihnen bewusst sei, wie viele Menschen in ihrer Jugendzeit von ihren Landleuten an einem Tag getötet wurden).


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Während dieser Reise hatte ich zwei private Besuche bei Israeli unternommen, die ich noch vor Öffnung der DDR-Grenze kennen gelernt hatte, was die Reisegruppe in einige organisatorische Umstände brachte, aber schließlich hatte alles gut geklappt. Über meine Besuche erzählte ich meinen Mitreisenden nichts, hauptsächlich weil ständig so ein angeregtes Geschnatter in der Gruppe zugange war, dass an meinen Erlebnissen kein großes Interesse bestand. Wahrgenommen hatten die Mitreisenden meine „Ausreißer“ durchaus, und das machten sie mir deutlich klar. Bei der (wie ich später feststellte) üblichen Gruppenindoktrination für christliche deutsche Israelbesucher in der deutschen evangelischen Gemeinde Jerusalem stellte ich einzig und allein die Frage: „Wie war es denn vor der israelischen Besatzung (von der ständig die Rede war), gab es damals einen palästinensischen Staat?“, worauf die Referentin sofort ihre Tonlage abmilderte. Nach dem Vortrag trat eine der Pfarrfrauen auf mich zu und gab mir einen Ratschlag. Und sie sagte: „Wissen sie, bei dieser Angelegenheit dürfen gerade wir als Deutsche uns nicht auf die eine oder auf die andere Seite stellen. WIR haben gleich gemerkt, dass SIE auf der anderen Seite stehen!“

So aussagekräftig dieser Ratschlag auch war - ich muss heute immer noch darüber lachen.

Sonntag, 1. Dezember 2024

Auf einer Israelreise

Meine Blogeinträge sollen nicht immer Auseinandersetzung mit aktuellen Themen sein, sondern sie befassen sich mit Ideologien - wie sie entstehen und wie sie sich auf Menschen auswirken. Möglichst gehe ich dabei von eigenem Erleben aus und spüre nach, wie dieser oder jener Gedanke entstanden ist. Fast mit Erschrecken stellte ich fest, dass sehr vieles, oft ganz Harmloses, mit der eigenen Geschichte bis hin zur Geschichte der Vorfahren zusammenhängt, selbst wenn man sich dessen nicht bewusst ist.

Da das Thema Antisemitismus aktuell ist - es soll ja viele Antisemitismusbeauftragte geben, bei denen mir nicht immer klar ist, ob sie für oder gegen Antisemitismus beauftragt sind, erzähle ich einige Anekdoten, die mir die Augen öffneten.

Meine erste Reise nach Israel machte ich 1993. Des Reisens ungewohnt wagte ich keine Individualreise, außerdem hatte eine gute Freundin, eine Pfarrerin, die Reise organisiert. Demzufolge waren Pfarrer und Kirchenmitglieder Teilnehmer der Gruppe. Viel Merkwürdiges habe ich dabei erlebt, viele Gesprächsfetzen, die an mein Ohr drangen. Eine Reiseteilnehmerin, ältere Pfarrfrau, die ich gern mochte und von der ich viel Gutes im Leben erfahren habe, stammte ursprünglich aus dem Sudentenland und war 1946 vertrieben worden. Diese Tatsache war ihr Lebensthema, auf das sie bei Unterhaltungen nach einer gewissen Weile immer wieder zurückkam. Unsere israelische Reiseleiterin war eine Jüdin, die 1938 gerade noch so mit ihren Eltern, ebenfalls aus dem Sudetengebiet, hatte nach Palästina fliehen können. Was ihr ohne die Flucht bevorgestanden hätte, weiß jeder. Auch unsere wirklich liebe Pfarrfrau wusste es und sprach es wohlwollend gegenüber der Reiseleiterin aus: „Da haben sie aber Glück gehabt, dass sie rechtzeitig geflohen sind“. Ich glaube, dieser Ausspruch war es, der mir für vieles die Augen öffnete und eine Kette von Gedanken in Bewegung setzte, die immer noch wirken.

Die gleiche Tatsache, die Heimat, das Land, in dem man aufgewachsen ist, verlassen zu müssen, soll für die eine ein großes Unrecht, für die andere „ein Glück“ gewesen sein. Zweierlei Maßstäbe anlegen nennt man das. Solch zweierlei Maßstäbe sind in der Gesellschaft so verinnerlicht, dass man sie kaum wahrnimmt.

Samstag, 23. November 2024

Ein Abend mit dem Schriftsteller Marko Martin

In der nahe gelegenen Stadt wurde zu einem Leseabend mit den Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In seinem neuen Buch „Und es geschieht jetzt“ hat er sich mit jüdischem Leben nach dem 7. Oktober beschäftigt. Ich kannte den Schriftsteller nicht, mir fiel aber ein, dass ich seinen Namen manchmal über Zeitungsartikeln gelesen hatte. So machte ich mich neugierig auf den Weg.

Der Schriftsteller – 54 Jahre alt -, stammte aus der ehemaligen DDR. Kurz vor dem Mauerfall war er mit seinen Eltern nach Westdeutschland übergesiedelt als so genannter Totalverweigerer. Das waren die Männer, die nicht nur den Wehrdienst in der Volksarmee verweigerten, sondern auch den Ersatzdienst. Wenn man in der DDR bewandert ist, weiß man, dass ein Totalverweigerer eine große Ausnahme dargestellt hat, und man nimmt ihm seine DDR-oppositionelle Haltung auf jeden Fall ab. Er kam in die Bundesrepublik mit „linken“ Idealen von Demokratie, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Ökologie und hatte aus der Ferne mit den linken westdeutschen Intellektuellen sympathisiert. Sehr schnell wurde er ernüchtert, diese Leute empfand er als oberflächlich, ideologisch und empathielos gegenüber dem Osten und gegenüber Israel. Die große Ernüchterung kam im Golfkrieg 1991. Er konnte es nicht fassen, dass der irakische Präsident Hussein angedroht hatte, Israel mit Giftgas zu überziehen (wozu deutsche Firmen Zutaten geliefert hatten) und gleichzeitig deutsche Jugendliche durch die Straßen zogen, die mit dem Motto „Kein Blut für Öl“ gegen den Golfkrieg protestierten, sich aber nicht im Geringsten um Saddam Hussein, sein Giftgas und seine Absicht, Israel zu vernichten, kümmerten. Genauso hatte ich es damals auch erlebt.

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Marko Martin, der sehr kontaktfreudig ist, lernte dann jüdische Schriftsteller kennen, durch sie kam er Berührung mit Leuten aus Israel, und er fühlte sich genau mit diesen Menschen auf einer Wellenlänge. Er hält sich oft in Israel auf. Der 7. Oktober und seine Folgen beschäftigen ihn unaufhörlich, so dass er schließlich ein Buch darüber schrieb.

An diesem Abend las er einige Passagen aus diesem Buch, erzählte über sein Leben und über seine jüdischen Freunde in Berlin und seine Freunde in Israel. Das Fazit war, dass diese Leute ziemlich resigniert sind. Die Juden in Berlin sind meistens in einem großen Freundeskreis vernetzt, aber jetzt wurden sie von vielen Leuten gemieden, keiner fragte, wie es ihnen geht, ja sogar Freundschaften wurden aufgekündigt (sie wurden für Gaza verantwortlich gemacht). Seine Freunde erzählten von ihren Ängsten, öffentlich hebräisch zu sprechen, ihre jüdische Identität vor dem arabischen Taxifahrer verbergen zu müssen, ihre Kinder zum Kindergarten zu schicken. Der Schriftsteller mischt in die persönlichen Erlebnisse auch Ereignisse, von denen er gehört hat, die sich in Berlin zugetragen haben, z.B. wie ein jüdischer Student von einem arabischen Studenten krankenhausreif verletzt wurde und die Universität sich schützend vor den Schläger stellte. Auch kommen immer wieder Reminiszenzen an die Mordtaten der Nazis in den 40-ger Jahren auf, die über die Vorfahren der Protagonisten noch deutlich im geschichtlichen Gedächtnis sind.

Der Lesung anschließend wurden Fragen gestellt. Das Schweigen der Gesellschaft gegenüber Juden wurde thematisiert: dem Schweigen folgt die Dämonisierung. Das schlechte Gewissen über den deutschen Völkermord an den Juden, lässt manche Deutsche zu dem Urteil kommen, dass diejenigen, die dem Völkermord entronnen sind, gemeint sind die Menschen in Israel, „auch nicht besser“, bzw. auch „Völkermörder“ sind. Marko Martin hatte zu allem eine entschiedene Haltung, verbarg aber nicht, dass er und die meisten seiner israelischen Freunde „Linke“ sind, die gegen die Netanjahu-Regierung protestieren.

Das Publikum, das aus etwa 30 Personen bestand, war zufrieden, es klatschte und kaufte sich das besprochene Buch. Man kann sagen: ein kleiner, positiver Punkt in dem schlimmen Spektakel. Wenn sich diese positiven Punkte nur häufen würden!

Donnerstag, 14. November 2024

Pogrom in Amsterdam

Es geschehen täglich Ausschreitungen und Hasskundgebungen gegen Juden oder gegen Israeli. Angeblich sind das alles Reaktionen auf den Gaza/Libanonkrieg, aber ich habe das Gefühl, das sind Handlungen, die ihren Selbstlauf nehmen. Auch wenn der Krieg vorbei sein wird, wird es diese Ausschreitungen weiter geben. Der Geist ist sozusagen aus der Flasche gelassen. Das liegt auch daran, dass antisemitischen Ausschreitungen sehr viel Toleranz von Seiten Regierung und Medien entgegen gebracht wird.

Die Ausschreitungen, das Pogrom in Amsterdam nach einem holländisch-israelischen Fußballspiel sind schon fast wieder in Vergessenheit geraten. Wenngleich dieser oder jener Politiker behauptete, er wäre „fassungslos“ darüber. Israelische Fußballfans, die ihrer Mannschaft nach Amsterdam hinterher gereist waren, wurden nach dem Fußballspiel gejagt, geschlagen, getreten, sogar in eine Gracht geworfen.

Es wird berichtet, dass die israelischen Fans durchaus auch nicht unschuldig waren. Eine palästinensische Fahne wurde von den Fans von einer Wand heruntergerissen, auch gab es Beschimpfungen gegen muslimische Jugendliche. In einer Zeitung wird das so bezeichnet:
Die antiisraelischen Ausschreitungen hatten eine „Vorgeschichte“. Die Jagd auf Israeli könnte man so eher verstehen.

Zufällig wurde ja zwei Tage später der 9. November als Gedenktag des Novemberpogroms 1938 begangen mit den üblichen betroffenen Reden von Politikern. Ob sich da einer vielleicht auch zu der Aussage verstiegen hat: ´Das Novemberpogrom hatte eine Vorgeschichte. Ein polnischer Jude hat den deutschen Diplomaten Ernst von Rath ermordet´?

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Arye Sharuz Shalicar

Arye Shalicar ist Deutscher – Israeli – Iraner - ein Pressesprecher der israelischen Armee (IDF) und Podcaster über den leidigen Krieg in Israel für das deutsche Publikum
Sehr viele Menschen kennen ihn, manche sogar persönlich, viele haben seine Bücher gelesen, in denen er beschreibt, wie er als eingewanderter iranischer Jude in Berlin unter Arabern und Türken aufgewachsen ist. Wie er als Jude in Deutschland von verschiedenen Seiten Antisemitismus erfahren hat und schließlich nach Israel auswanderte. Seine Sprache ist einfach und direkt, er versteckt sich nicht hinter Floskeln, hat aber so viel erlebt, dass er Floskeln und geheuchelte Sprache erkennt.

Nachdem die Hamas am 7.10.2023 Israel barbarisch überfallen hat, wirkte er als Reservist, jedenfalls für einige Monate, in der Armee als Pressesprecher. Zu seiner Arbeit gehörte, dass er dank seiner Sprachkenntnisse und dank seiner Beziehungen zu Deutschland jeden Tag eine Sendung über die täglichen Kriegsereignisse für das deutschsprachige Publikum veranstaltete. Einige Monate berichtete er jeden Tag, was im Krieg zwischen Israel und seinen Feinden passierte, als der Krieg sich nun unendlich in die Länge zog, verlängerte er die Abstände zwischen den Berichten auf ca. 3 Tage. Ab und zu fliegt er in den deutschsprachigen Raum, hält Vorträge und erzählt authentisch über den Krieg in Israel.

Nicht nur, dass er den Hörern sehr detailliert über den Verlauf der Kämpfe zwischen der IDF und Hamas/Hisbollah berichtet, er versteht es sehr emotional, die Hintergründe nahe zu bringen, die Lage der Menschen in Israel zu beschreiben., und vor allem, die Situation der Geiseln lässt ihn nicht los. Durch Aries Berichte erfährt man, wie vielen einzelnen Menschen zumute ist, man ist sozusagen am Geschehen dran.

Nicht weniger emotional schildert er sein Erschrecken, seinen Abscheu und sein Unverständnis über das Verhalten vieler ausländischer Politiker und Presseleute gegenüber Israel. Dazu kann ich sagen, dass – so weit weg ich auch vom Geschehen entfernt bin -, ich dieses Entsetzen ganz und gar teile. Arye Shalicar (und ich und andere mit ihm) erkennt insbesondere im Verhalten der UNO nicht nur eine starke Israelfeindschaft, sondern auch eine Affinität zum Terrorismus (jedenfalls zum Terrorismus gegen Juden). Nie werde ich mein Entsetzen vergessen, gleich nach dem 7.10., als UNO-Generalsekretär Guterres erklärte, dass der Hamas-überfall „ja nicht im luftleeren Raum stattfand“, d.h., das Verbrennen von Menschen, Köpfen von Babys, Vergewaltigen hätte schon alles seine Ursache gehabt. Das macht man eben so, wenn man sich als „besetzt“ empfindet (wobei Gaza, woher Hamas den Angriff unternahm, nun einmal wirklich nicht "besetzt" war). Die Liste der „prominenten“ Namen von Antisemiten ist unendlich lang: Albanese, Borrell, Baerbock, Kouchner …….. Alle mit hohen politischen Ämtern ausgestattet, d.h. entsprechend sieht ihre Politik aus.

Mir gefällt, dass Arye Shalicar die Dinge so anspricht ausspricht, wie sie sind. Er versteckt sich nicht hinter einem Schleier von wohltönenden Worten. Er steht mit seiner ganzen Person hinter dem, was er sagt. Darum ist er für mich integer und glaubwürdiger als das, was man öffentlich rechtlichen Medien erfährt.

Dienstag, 29. Oktober 2024

Deutsche Selbstgespräche zu Israel und Palästina (Teil 2)

MS-Haus

Nach einer ausgiebigen Bewirtung kam es zum letzten Punkt der Veranstaltung, einer Podiumsdiskussion zum Thema: wie sieht es hier und heute mit dem Antisemitismus aus, und was wird dagegen getan? Daran nahmen teil: der moderierende Pastor, weiter ein Theologe, der Beauftragter der Kirche für jüdisches Leben ist, die Leiterin des Begegnungshauses, der Landesrabbiner, und eine ukrainische Jüdin, die in einer Meldestelle für antisemitische Vorfälle arbeitete. Aktiv machte bei der Diskussion ein Polizist mit, der eigentlich zum Schutz des Hauses abgestellt war, der sich aber interessiert unter die Teilnehmer mischte (was mir gut gefiel). Die Leiterin des Begegnungshauses, die auch Führungen für Schulklassen veranstaltet, erzählte, dass unmittelbar nach dem 7. Oktober die Anmeldung von Schulklassen rapide zurückgegangen war, offensichtlich weil man Angst mit der Berührung mit allem „Jüdischen“ hatte, und auch weil Lehrer aus Hilflosigkeit, keine eigene Meinung zum Konflikt zu haben, auf die Führungen verzichteten. Das hätte sich sehr geändert, denn inzwischen bestehe ein großes Interesse nach Informationen. Auch von der Universität kämen Anfragen. Der Polizist und ein Lehrer mischten sich ein. Die Frage kam, was denn die ganze Aufklärung nütze, wenn die Kinder zu Hause später etwas ganz anderes hörten. Dabei fiel der fragwürdige Satz des Lehrers, dass – wenn es nach ihm ginge – alle Kinder von AfD-Wählern in ein Internat gesteckt werden sollten. Vielleicht sollte es ein Scherz sein, in meinen Ohren klang es nach Totalitarismus. (In der DDR war die Internatserziehung Jugendlicher sehr verbreitet, weil man meinte, so besseren Einfluss auf sie zu haben.) Jemand sprach das gerade aktuelle Thema UNIFIL-Soldaten an und meinte, die UNO dürfe sich nicht so „auf der Nase herum tanzen lassen“. Ob er damit das Nicht-Handeln dieser Soldaten in den letzten Jahren meinte oder die Tatsache, dass die IDF mit UNIFIL ins Gehege kommt, war nicht ersichtlich.

Die beiden jüdischen Teilnehmer der Runde meinten, dass der Antisemitismus sehr zugenommen hätte. Sie erzählten von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen. Eine „Meldestelle“ für antisemitische Vorfälle, die die Frau leitete, darüber kann man geteilter Meinung sein. Da bin ich zu sehr DDR-geschädigt. Mir wäre statt einer Meldestelle lieber, tagsüber die antisemitischen Ergüsse in den öffentlichen Medien (übrigens auch in kirchlichen Medien) zu hören/lesen, zu dokumentieren und diese zu sanktionieren. Und Vorfälle in den Schulen: da sollten die Lehrer nicht „hilflos“ sein, sondern in der Lage, mit den Jugendlichen über eventuelles Fehlverhalten zu sprechen und nicht den Weg über Meldestellen zu nehmen.

Was überhaupt nicht zur Sprache kam, war eventueller Antisemitismus von Muslimen. Man hatte doch den Eindruck, sich in eine sterile Welt begeben zu haben, in der es politisch korrekt zugeht. Da sprach man lieber nicht Dinge an, die eventuell Ärger bringen würden, da die Veranstaltung von verschiedenen Fördertöpfen gesponsert wurde.

Insgesamt war es ein interessanter Abend, die vier Stunden vergingen wie im Fluge. Auch wenn der Inhalt nicht ganz zum versprochenen Thema passte, so ist es doch immer interessant zu erfahren, was verschiedene Leute zu solchen brisanten Angelegenheiten denken.
(Ende)

Samstag, 26. Oktober 2024

Deutsche Selbstgespräche zu Israel und Palästina (Teil 1)

Der Titel ist irreführend. Denn es wird hier wenig vorkommen von den „Deutschen Selbstgesprächen“. Doch es war der Titel zu einer Veranstaltung, die in der Nähe in einer Begegnungsstätte/jüdische Kultur abgehalten wurde, und an der ich teilnahm.
Die Veranstaltung beinhaltete die Einführung eines Pfarrers zu dem angegebenen Thema, einen Vortrag über Israel-Palästina von einem Historiker und eine Podiumsdiskussion über „jüdisches Leben heute“ incl. „Strategien gegen Antisemitismus“.

In der Einführung stellte der Referent die These auf, dass die Heftigkeit, mit der in Deutschland über den Nahostkonflikt diskutiert würde, oft weniger das Thema betrifft, sondern dass bewusst oder unbewusst die eigene Vergangenheit reflektiert würde. Die Argumente in den Diskussionen würden oft ideologisch erhöht werden, man solle der Ehrlichkeit halber sich immer seine eigenen Motive vor Augen halten.

Danach hielt ein Historiker einen Vortrag über den Zusammenhang zwischen der „linken Bewegung“ und Antisemitismus. Er schilderte, wie die „Linken“, die anfangs durchaus mit Israel sympathisiert hatten – wegen der Kibbuzbewegung -, sich nach dem 6-Tage-Krieg abrupt abwandten und sich dem Antisemitismus in Worten und Taten hingaben. Der Antisemitismus nach dem 7. Oktober hat ihn sehr erschreckt, und er fand, dass es auf den Universitäten viel schlimmer zugeht als in seiner Jugendzeit. Das hat ihn so beschäftigt, dass er ein Buch über den Konflikt geschrieben hat.

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Anschließend wurden Fragen aus dem Publikum beantwortet. Leider wurden Fragen zu den „Deutschen Selbstgesprächen“ nicht gestellt, und so wurde das Thema nicht ausgeweitet. Es wurden Fragen zum gegenwärtigen Krieg, zu seinen Perspektiven, zum Tunnelsystem, zu der Möglichkeit einer 2-Staatenlösung gestellt. Der Historiker sah die Entwicklung sehr skeptisch, fand aber, dass es einige Hoffnungspunkte gibt, z.B. das Verhältnis von Jordanien und Ägypten zu Israel. Es fiel aber auch der Satz, dass das politische Konzept von Netanjahu darin bestände, eine Zweistaatenlösung zu verhindern. Der Historiker schien der Politik des ehemaligen israelischen Ministers Benny Gantz nahe zu stehen.

Fortsetzung folgt

Sonntag, 20. Oktober 2024

Gespräch mit Ahmad Mansour

Am 18.10. konnte man in der Sendung „Arye Shalicar´s Nahost Pulverfass – Kriegsbericht aus Israel“ ein Gespräch mit Ahmad Mansour, dem arabisch-israelischen Psychologen, der in Deutschland lebt und dort vielfältig im Sinne von Verstehen und Verständigung wirkt, hören. Dieses Gespräch war so interessant – in mehrerer Hinsicht -, dass ich versuchen will, es nachzuzeichnen.

Der Anlass des Gesprächs war der Tod des Hamasführers Sinwar. Mansour äußerte große Freude darüber und hielt das Verschwinden Sinwars für eine große Chance. Er meinte, dass die Hamas schnell versuchen werde, sich neu zu organisieren, aber dass die augenblickliche Situation ausgenutzt werden müsse, um die Zerstörung der Hamas voranzutreiben und eine Neuorganisierung zu verhindern.

Kennzeichnend für die Ansichten Mansours war das große Vertrauen, das er zu Israel hatte, obwohl er als arabischstämmiger Israeli in einer Atmosphäre der Feindschaft zu den Juden aufgewachsen war. Sein Studium, seine Erfahrungen, sein Denkvermögen haben ihn zu seiner jetzigen Haltung gebracht. Beeindruckend war seine positive Haltung, da wir hier gewohnt sind, bei jeder neuen Eskalation zu hören: `Jetzt wird alles nur noch schlimmer`. Wie man auch an anderen Stellen lesen kann, war einer der Gründe des Hamas-Angriffs die Tatsache, dass es eine starke Annäherung von einigen arabischen Staaten mit Israel gegeben hatte, die zerstört werden sollte. Mansour vertraute darauf, dass diese arabischen Staaten auch weiterhin begreifen werden, dass diese Region viel davon haben wird, wenn sie mit Israel zusammenarbeiten. Und dass sie erkennen, dass die negative, zerstörerische Haltung der palästinensischen Araber Verderben in die Region bringt.

Geradezu vernichtend waren Mansours Ansichten über Europa, insbesondere über Deutschland. Ja, er meinte sogar, Deutschland dürfe man auf keinen Fall eine Rolle beim Wiederaufbau und bei der Verwaltung von Gaza geben. „Deutschland schafft es bei seiner Planlosigkeit und Konzeptlosigkeit nicht, bei sich zu Hause eine Distanz zu den Muslimen einzunehmen, wie sollte es das in Gaza tuen?“

Den Europäern warf er Überheblichkeit und Ignoranz vor. Sie nehmen - gewollt oder ungewollt – nicht zur Kenntnis, in welcher für das Land lebensbedrohlichen Lage Israel ist, das an vielen Fronten einen verzweifelten Kampf kämpfen muss, und sie dämonisieren das Land.

Erstaunlich war Mansours optimistische Haltung: nächstes Jahr wird er wieder mit seiner Familie in Tel Aviv im Mittelmeer baden. Israel wird aus seinen Fehlern und aus den Erfahrungen, die es im Krieg gewonnen hat, lernen, sich toll entwickeln und für die Länder der Region ein Vorbild sein. Allerdings wird es ein schwerer und opferreicher Weg dahin sein.

Es war erfrischend, dieses Gespräch zu hören, eine andere Sicht zu erfahren von einem Menschen, den man auch in anderem Zusammenhang als authentisch und überzeugend wahrgenommen hat.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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