Freitag, 22. Dezember 2023

Ein "Gaza-Monolog"

Der Krieg Israel-Gaza nimmt seinen Lauf. Täglich hören wir die Podcast-Berichte von Arye Shalicar, dem Sprecher der israelischen Armee, der in Deutschland aufgewachsen ist und dementsprechend auch deutschsprachige Berichte verfasst. Kombiniert mit anderen deutschsprachigen Berichten aus Israel im Internet können wir uns ein umfassendes Bild von den Ereignissen machen, wohl wissend, dass man in Wirklichkeit wohl kaum die Geschehnisse nachfühlen oder nachvollziehen kann.

Natürlich verfolgen wir auch, was „im Allgemeinen“ dazu gesagt wird. Die „Weltmeinung“, besonders in der westlichen Welt, insbesondere in den Universitäten positioniert sich – wenn man es so bezeichnen kann – für Gaza und gegen Israel. Im vorherigen Beitrag deutete ich ja schon an, dass dieses eindeutige „Für“ und „Gegen“ so seine Schwachstellen hat. Im Fall dieses Krieges wird jeder mitfühlende Mensch Mitleid mit der einfachen Bevölkerung des Gazastreifens haben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wo diese armen Leute hin sollen, wenn die Gegend nur aus zerstörten Häusern besteht. (Wobei ich mich immer frage, warum denn die „Brüder“ in Ägypten ihnen nicht ein wenig Platz machen können). Wenn ich Mitleid mit den Menschen in Gaza habe, dann bedeutet das aber nicht, dass ich nun „gegen“ Israel bin. Wenn ich mir vorstelle, dass das Land seit fast zwei Jahrzehnten ständig unter Raketenbeschuss liegt, vorwiegend aus dem Gazastreifen, dann verstehe ich vollkommen, dass die IDF konsequent dagegen vorgehen muss, und dass das, was im Augenblick geschieht, wahrscheinlich die einzige Antwort ist, die von der Hamas anerkannt wird.

Was ich überhaupt nicht verstehe, ist die große Liebe der westlichen Intellektuellen zu den Palästinensern. Denn – selbstverständlich mit Ausnahmen -, die Palästinenser entsprechen so gar nicht dem Idealbild, das sich friedens- und naturbewegte und oft linke Vertreter machen. Wenn man eine Weile im Internet „blättert“, dann entdeckt man palästinensische Führer mit hassverzerrten, dumpfen Gesichtern. Man sieht, wie Kleinkinder in Uniformen gesteckt sind, starrend von Spielzeugwaffen, und die schon im Kindergarten und erst recht in der Schule in Militärlagern im Kriegshandwerk geschult werden. Alle Frauen sind in Hijabs gehüllt, das ist auch nicht das, was dem Frauenbild eines freiheitlich gesinnten Menschen entspricht.

Einmal nahm ich an einer Veranstaltung von Studenten der Universität Greifswald teil. Einige junge Palästinenser trugen so genannte „Gaza Monologe“ vor, vier verschiedene Rezitatoren, die in ihren „Monologen“ viel über „Unrecht“, das ihnen geschah, klagten. Einige Araber, ausschließlich junge Männer, möglicherweise aus Gaza, waren eingeladen worden. Wenn sie von den Studenten nicht gerade mit weit ausholenden Umarmungen begrüßt wurden, waren sie in der Wartezeit meistens ihrem Smartphone überlassen. D.h., die Studenten schienen kein allzu großes Interesse an den von ihnen betreuten Rezitatoren zu haben.

Das nach außen gezeigte Mitleid, scheint mir einen anderen Hintergrund zu haben. Wenn es echtes Mitleid wäre, würde man Klagen und Monologe auch über schlimme Geschehnisse anderswo auf der Welt hören, vielleicht „Armenier-Monologe“ oder „Sudan-Monologe“. Mein Verdacht, die große Liebe zu den Palästinensern könnte eine Spätfolge des Holocaust sein: Jetzt zeigen wir, wie schlimm Israel handelt (dieses Argument habe ich schon mehrmals gehört)! Andererseits kann man die Argumente auch anderswo auf der Welt hören, nicht nur in Deutschland. Es muss mehr mit der Einstellung von „linken“ Vertretern zusammen hängen, die einen Sündenbock brauchen, auf den sie zeigen, weil sie die Ansprüche, die sie an die Welt stellen, selbst nicht verwirklichen wollen.

Freitag, 15. Dezember 2023

Auf der einen oder auf der anderen Seite

Das ist so eine festgefahrene Meinung: steht man auf der „Einen Seite“, dann hält man in jedem Fall zu dieser Seite, steht man auf der „anderen Seite“, dann findet man alles richtig, was die andere Seite tut und verkündigt. Irgendwann ist es so weit, dass man nichts mehr hinterfragt, was die jeweilige Seite tut. Wenn man sich die heutige Politik anschaut, dann kann man als Beispiel die AfD nehmen, die sagen kann, was sie will, und wäre es, dass die Erde rund ist, man muss auf jeden Fall ablehnen, was ihre Vertreter sagen. Und sei es ein Gesetz zum Schutz des Thüringer Waldes vor dem Bau von Windrädern, das AfD und CDU gemeinsam beschlossen, worauf der CDU ein Ruf zugewiesen wurde, als wäre sie die AfD höchstpersönlich. Es wurde als Skandal in den Nachrichten gebracht, dass beide Parteien gemeinsam gestimmt haben.

Als ich das hörte, fielen mir zwei Begebenheiten ein. Als Schülerin musste ich einen Aufsatz zu einem Zitat von August Bebel schreiben. Das Thema war: „Wenn mich meine Feinde loben, dann kann ich sicher sein, einen Fehler gemacht zu haben“. Ich schrieb dazu, dass ich mich nie von der Meinung meiner Feinde abhängig machen würde, und dass ich selbst entscheiden wollte, was richtig oder was falsch ist.

Eine sehr lustige Begebenheit, die dieses Thema streift, erlebte ich auf einer Israelreise 1993. Ich hatte mich einer christlichen Reisegruppe angeschlossen. Die Reise hatte ich auch dazu genutzt, 2 ältere deutschsprachige Juden, die bei uns Vorträge gehalten hatten, zu besuchen. Ansonsten hielt ich mich brav an das Programm der Reisegruppe und folgte ihr auch in die deutsche evangelische Gemeinde, um wiederum einem Vortrag zu lauschen bei dem es um die Arbeit der Kirchengemeinde in Jerusalem ging. Am meisten kam darin das Wort „Besatzung“ vor. Schließlich meldete ich mich und fragte, ob Palästina vor der „Besatzung“ ein eigener Staat gewesen sei oder wie das damals war. Die Vortragende, die wohl schon Erfahrung mit solchen vorlauten Fragen hatte, redete von da an viel gemäßigter.

Ich hatte damit wohl irgendein Stichwort gegeben, denn nach dem Vortrag trat eine Pfarrfrau aus der Reisegruppe an mich heran und sagte: „Wissen sie, wir als Deutsche dürfen uns da auf keine Seite stellen! WIR haben gleich gemerkt, dass SIE auf der anderen Seite stehen“.

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Samstag, 9. Dezember 2023

Guterres - oder das Gerücht über die Juden

Diesen seinen Ausspruch hörte ich direkt im Fernsehen, und mir lief es kalt den Rücken hinunter: „Die Angriffe der Hamas auf Israel erfolgten nicht im luftleeren Raum. Die Palästinenser leiden seit 56 Jahren an einer erstickenden Besatzung“. Ob Guterres nun ein Antisemit ist, weiß ich nicht, und es ist mir auch egal. Das, was er gesagt hat, hat aber eine antisemitische Tendenz: Die Juden haben selbst Schuld an dem Unglück, das ihnen widerfährt.

Eine Definition von Antisemitismus ist auch: `Er ist das Gerücht über die Juden´. Ein Mann in dieser Position wie Guterres muss über eine gewisse politische und historische Bildung verfügen. Wenn er in der Lage ist, so einen Satz vor einer großen Öffentlichkeit zu sagen, muss also Böswilligkeit dahinter stecken, er verbreitet Gerüchte über die Juden.

56 Jahre unter Besatzung? Warum 56 Jahre? War Palästina vor 56 Jahren ein Staat, den Israel überfallen hat? Wer herrschte vor 56 Jahren im Westjordanland, in Ostjerusalem, in Gaza? Waren Jordanier und Ägypter keine Besatzer? Und davor? Im gewissen Sinne England und davor war es die Türkei über Jahrhunderte. Warum wird das normalerweise verschwiegen, erst ab Israels Sieg im 6-Tagekrieg wird die Besatzung gezählt. Warum sind mehrere Ansätze zu einer Staatsgründung der Palästinenser nach den Friedensgesprächen 1993-95 in den Wind geschlagen worden? Wegen der Ablehnung der Palästinenser, die zu keinem Kompromiss bereit waren und Maximalforderungen stellten. In Medienberichterstattung wird meistens Israel unterstellt, es würde „immer wieder“ eine Staatsgründung Palästinas blockiert haben.

Israel wird als Besatzer dargestellt. Verschwiegen wird dagegen, dass es seit Jahrzehnten Terrorangriffen mit vielen Toten ausgesetzt ist, durchgeführt von Palästinensern. Dazu Raketenangriffe, hauptsächlich aus dem Gazastreifen, so dass eine Abriegelung von Gaza durchaus einen verstehbaren Hintergrund hat. Im Übrigen stellt sich die Frage: Wer hatte Gaza (vor dem Überfall der Hamas und dem darauffolgenden Krieg) besetzt? Wo haben sich die Besatzer aufgehalten, was haben sie bei der Besatzung angestellt? Meines Wissens hat sich seit 2005 kein Israeli mehr im Gazastreifen aufgehalten.

Guterres arbeitet also bei seinen öffentlichen Reden und Verlautbarungen mit Gerüchten. Er unterstellt Israel, dass es durch seine Existenz, die es auf „Besatzung“ gründet, die bestialischen Taten der Hamas (u.a. das Abschlagen von Köpfen von Babys) herausgefordert hat. Er verschweigt, dass die Hamasführer öffentlich erklären, dass ihr Hauptziel die Vernichtung Israels ist, und dass sich der „7. Oktober“ noch oft wiederholen wird. Es wäre geradezu selbstmörderisch, wenn Israel seinen Kampf gegen die Vernichtung der Hamas, die sich bewusst inmitten der palästinensischen Zivilgesellschaft aufhält, aufgibt. Das weiß Guterres, und darum ist das, was er öffentlich verbreitet „ein Gerücht über die Juden“.

Sonntag, 3. Dezember 2023

Über Rassismus

Wie manch anderes Schlagwort, so ist auch der Begriff Rassismus allgegenwärtig. Das ist aus dem Grund verständlich, weil inzwischen viele Menschen aus anderen Erdteilen in Deutschland leben. Wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt, erlebt man ein „buntes“ Völkergemisch, besonders wenn man sich in Städten aufhält. Das trägt einerseits dazu bei, dass Vorbehalte abgebaut werden: ich erlebe oft Kinder verschiedener Hautfarben sehr unbefangen miteinander umgehen. Auch haben sich viele Menschen daran gewöhnt, dass ihre Arbeitskollegen eine andere Hautfarbe haben, und sie lernen sie als Arbeitskollegen schätzen. Es ist aber sicher so, dass es zu Situationen kommt, wo das „Andersartige“ in der fremden Persönlichkeit Anlass zu Streit und Auseinandersetzungen führt.

Ich denke jetzt nicht an den Rassismus, den man manchmal im Fernsehen erlebt, wenn sich gut geschminkte junge Frauen, manchmal mit Kopftuch, darüber beschweren, dass jemand sie gefragt hätte: „Wo kommen sie her?“ und sie über diesen „Rassismus“ untröstlich waren.

Neulich hatte ich ein Erlebnis, das mich sehr zum Nachdenken anregte, und bis heute habe ich es nicht verstanden. Ich fuhr im Bus. Alle Sitzplätze waren besetzt bis auf einen. Der Platz daneben wurde von einem ca. 12-jährigen Jungen belegt, der eindeutig ein schwarzes Elternteil hatte. Er gehörte zu einer Klasse, die anscheinend einen Klassenausflug machte. Mir fiel auf, dass die Kinder der Klasse munter schwatzten und kicherten. Der farbige Junge war davon ausgeschlossen. Im nächsten Ort stiegen weitere Kinder der Klasse ein. Keiner setzte sich neben den farbigen Jungen, sondern die neu Zugestiegenen setzten sich auf die Schöße ihrer Klassenkameraden. Der Junge wurde nicht etwa geärgert, es wurde nur nicht mit ihm gesprochen, er war einfach nicht vorhanden. Ob das an seiner Hautfarbe lag, weiß ich nicht, er mag ja auch gerade neu in die Klasse gekommen sein. Trotzdem fand ich es unmöglich, dass er wie eine Unperson behandelt wurde, zumal die Lehrerin ganz in der Nähe saß. Sie schien nichts mitzubekommen, weil sie ständig mit ihrem Handy beschäftigt war. Irgendwann raffte sie sich aber auf, und wies die auf dem Schoß sitzenden Kinder darauf hin, dass noch ein Platz frei ist. Jemand setzte sich dann dort hin, richtete aber seine Aufmerksamkeit ganz auf die anderen Klassenkameraden.

Irgendwann stieg die Klasse aus. Der farbige Junge stand auch draußen abseits, und die Klasse sammelte sich zum Ausflug. Das Rätsel habe ich nicht gelöst. Es gibt mehrere Gründe, warum der Junge von allen, einschließlich der Lehrerin, gemieden wurde (vielleicht war er stumm, aber dann hätte man sich gerade um ihn kümmern müssen). Aber einen latenten Rassismus, auch wenn er unbewusst war, konnte ich bei diesem Erlebnis doch erkennen.

Montag, 27. November 2023

Antisemitismus

So viel ist neuerdings vom „Antisemitismus“ die Rede, den es nicht geben darf. Mit dem Begriff Antisemitismus wird wie mit einem Gegenstand umgegangen, den man hin und her schiebt. Vorsichtshalber wird der Begriff nicht irgendwie definiert, so dass er beliebig eingesetzt werden kann. So viel steht nur fest: Dass der Titel „Antisemit“ eine große Beleidigung ist, die man weit von sich weist, egal was und wie man über Juden denkt und wie man handelt. Ein gutes Beispiel war der verstorbene Politiker Möllemann, der wie gebannt und fixiert auf Juden starrte (er ließ sich auf einem Wahlkampfplakat neben Ariel Scharon und Michel Friedmann abbilden), der auf die Frage, ob er Antisemit sei, sagte: wie könne er es sein als Präsident der deutsch-arabischen Freundschaft, die Araber wären doch Semiten. Diese Aussage lässt den Begriff „Antisemit“ in einem anderen Licht erscheinen.

Vielleicht kann man nach dieser Logik verstehen, warum Deutschland in der UNO am 9.11. 2023 an geradezu einem Verurteilungsmarathon gegen Israel teilnahm. Bei verschiedenen Resolutionen, die vom Verhältnis zu Palästinensern handelten, (immerhin die Palästinenser, die gut einen Monat zuvor ein grausamstes Massaker gegen Israel durchgeführt und 240 Geiseln in ihrer Gewalt hatten), stimmte Deutschland acht mal gegen Israel und einmal enthielt es sich der Stimme. Selbst als Ende Oktober in der UNO-Vollversammlung gegen Israels Krieg gegen Gaza gestimmt werden sollte - der Massenmord in Israel wurde nicht einmal erwähnt -, konnte Deutschland sich nicht dazu entschließen, dagegen zu stimmen. Es enthielt sich und war sehr stolz auf diese Haltung. Obwohl hier mehrmals gesagt wurde, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen, konnte sich Deutschland nicht dazu entschließen, sich an Israels Seite zu stellen. Nach Möllemanns Logik wäre das so, weil Deutschland ja nicht antisemitisch ist, also ebenfalls auf der Seite der Semiten in Gaza steht.

Eine andere Erklärung wäre, dass sich die Voraussagen von George Orwell auf manchen Gebieten bereits durchgesetzt haben: - Krieg ist Frieden -, - Freiheit ist Sklaverei -, - Unwissenheit ist Stärke –

Das würde bedeuten: Israels Krieg gegen Gaza ist Krieg – Hamas (aus Gaza) Überfall auf Israel ist Frieden, Palästinenser, die in Selbstverwaltung leben, leben in Sklaverei - Gefangene der Hamas leben in Freiheit, palästinensische Kinder, die ihre Ferien in Militärlagern verbringen und in der Schule zum Mord an Israeli aufgerufen werden, erhalten Bildung - israelische Kinder mit ausgezeichneter Schulbildung leben in Unwissenheit,

Wenn man die Resolutionen der UNO verfolgt, dann kommt man durchaus zu dem Schluss, dass Orwells Prophezeiung sich erfüllt hat.

Dienstag, 21. November 2023

Eine Kundgebung anderer Art (Teil 2)

Zwei Wochen später ging ich wieder zur Demo. Vorher plauderte ich wieder eine Weile mit J. Sie hatte realistische und vernünftige Ansichten zu den Demonstranten: „Nein, ich würde da nicht mitlaufen, die können mir ihre Ziele nicht klar machen, die scheinen ganz schöne Wirrköpfe zu sein“. Mein Mann hatte eine ähnliche Meinung und hätte mich gern von den Montagsspaziergängen abgehalten. „Stell dir vor, wenn dich da jemand sieht, den du kennst, was sollen die denken?“.

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Ich aber ging aus reiner Neugierde mit, ich war sehr darauf erpicht zu erfahren, was solche Leute denken, was ihre Motivation ist. Immerhin stellen sie sich ja schon seit geraumer Zeit den Stadtbewohnern mit viel Lärm jede Woche zur Schau. Der Lärm kam übrigens von einer Musikanlage, die ein Mann auf einem kleinen Wagen mit sich zog. Darauf wurden überwiegend Friedenslieder gespielt, die den Inhalt hatten, dass wir `frei` sei wollen, uns nicht den `Mächtigen` unterordnen, uns `mit der Menschheit vereinigen` usw.. Zwischendurch machte die Musik immer mal Pause. Ich hatte überlegt, welcher Partei die Gruppe wohl nahestehen mag. Ich dachte an die „Linke“, aber manches erinnerte mich auch an die AfD. Eine besonders schlechte Meinung schienen sie von den Amerikanern zu haben, denn sie riefen in Abständen im Chor: „Ami go home!“

Da fragte ich dann eine Frau direkt, ob sie zur „Die Linke“ gehören oder zu einer anderen Partei. „Wir stehen für keine Partei, wir sind für die ganze Menschheit!“, antwortete sie mir. Am meisten wurde gegen `die da oben´ gewettert.

Die Montagsdemonstration scheint in der Stadt schon eine geachtete Institution zu sein. Ich sah keine bösen Blicke. Die Autofahrer, die von den begleiteten Polizisten aufgehalten wurden, wirkten nicht ungeduldig. Für die Polizisten waren die Züge vielleicht auch eine willkommene Abwechslung vom Dienstschieben. Auf vier Demos war ich bis jetzt, und ich hörte keine bösen Worte im Umkreis. Allerdings auch kein gesteigertes Interesse, die Leute ´rundherum nahmen sie gleichmütig und als bereits gewohnt hin. Ohnehin sind die Straßen in der Stadt nach 18 Uhr nicht mehr bevölkert.

Obwohl man mir die Teilnahme an den Demos jedes Mal auszureden versucht, machte ich mich gestern nach vier Wochen Pause wieder auf den Weg. Diesmal war ich forsch und ging gleich auf einige Demonstranten zu. Herr S. war auch wieder dabei, auch wieder als Ordner, und so fiel mir der Einstieg in die Gruppe, die konstant zwischen 20 und 30 Personen besteht, leicht. Inzwischen hatten sie sich etwas Neues ausgedacht. Vorn das Grüppchen buchstabierte laut alle sieben Buchstaben von F R I E D E N, und dann fiel der Chor ein: „Frieden, Frieden, Frieden, Ami go home! Deutschland raus aus der WHO“. Ich fragte die Frau neben mir, warum sie gerade die WHO so besonders auf dem Kiecker haben, man könnte ja auch die UNO oder die EU verwünschen, ob die Demonstrationen vielleicht doch etwas mit Corona zu tun haben? Sie antwortete: „Ja, Deutschland sollte aus allem ´rausgehen“ Dann stellte ich noch einige Fragen, sie war ein wenig unschlüssig im Antworten und meinte, man könne alles googeln.

Dann geriet ich an einen sehr gesprächigen Mann, der mir meine Fragen ausführlich beantwortete und ebenso ausführliche Erklärungen gab. Immer noch spürte ich der Frage nach, warum ausgerechnet die WHO der Hauptfeind zu sein scheint, denn die Sprechchöre nach Austritt aus der WHO ertönten in immer kürzeren Abständen. Was er mir erklärte, kann ich nur zusammenfassen, denn seine ausschweifenden Reden konnte ich mir so schnell nicht merken. In der WHO wären ganz besonders schlimme Menschen. Die hätten mehr Einfluss auf die Politik als die Politiker selbst, die schwache und korrupte Menschen wären. Die WHO zöge die Fäden im Hintergrund (von Juden war zum Glück nicht die Rede), sie nähmen Einfluss auf die Entwicklung von Impfstoffen, die in Wirklichkeit dazu da wären, Menschen zu töten. Die Allerschlimmsten wären Bill und Melinda Gates. Ich fragte, was diese denn wohl davon hätten und was sie dazu bewöge? Außer, dass ungeheuer viel an den Impfstoffen verdient würde, hätten die Drahtzieher die Absicht, die Menschheit zu dezimieren, denn es gäbe Überbevölkerung. Seinen Reden hörte ich gefesselt zu, denn so echte Verschwörungstheoretiker hatte ich selbst noch nie erlebt, nur immer über sie gehört. Ich stellte solche Fragen wie: „Ach, meinen sie, die Regierungen wären in der Regel Marionettenregierungen?“, worauf er eifrig zustimmte. Er wusste gut in der Politik und in der Gesellschaft Bescheid, interpretierte aber alles in seinem Sinne.

J. und ich kamen zu dem Schluss, dass es eine Gruppe ist, die sich miteinander wohl fühlt und die nach der Demo noch grillt und einen Trinken geht. Oder sie wollen einen Rekord oder eine Spitzenstellung im Demonstrieren einnehmen, denn jemand von ihnen hatte mir gesagt, dass sie die einzige Gruppe in Deutschland wäre, die so ausdauernd demonstriert. Vielleicht werde ich doch noch einmal hingehen, denn ich möchte noch heraus bekommen, in welchen persönlichen Verhältnissen sie leben. Herr S. arbeitete nach seinem Ausscheiden aus der DDR-Armee als freischaffender Musiklehrer, mit einer Geschäftsfrau hatte ich einmal berufliche Beziehungen, eine ehemalige Museumsmitarbeiterin kannte ich und jedes Mal dabei war der Künstler der Stadt.

So war die Teilnahme an den Demonstrationen ein echtes Erlebnis für mich, und ich habe Menschen in der Wirklichkeit erlebt, wie ich sie sonst nur im Fernsehen sehe. (Ende)

Samstag, 18. November 2023

Eine Kundgebung anderer Art

(2 Teile)

Vor einiger Zeit schickte meine Freundin J. auf´s Handy ein interessantes Foto von Teilnehmern einer Demonstration direkt unter ihrem Fenster. Sie schrieb dazu, es wäre ein Foto einer Montagsdemonstration, die schon seit langem wöchentlich in der Kleinstadt stattfindet. Mich interessierte das, zumal die Teilnehmer ulkig aussahen, Plakate trugen, von denen ich nur eins lesen konnte: `Nein, meine Söhne gebe ich nicht her´. Meine Freundin teilte mir mit, dass diese Demos mit großer Zuverlässigkeit immer montags zwischen 18 und 19 Uhr stattfinden. Ich beschloss, einmal daran teilzunehmen, zumal das eine gute Gelegenheit war, J. zu besuchen.

Am nächsten Montag um 18 Uhr saß ich bei ihr in der Wohnung. Sie war schon die Gepflogenheiten der Leute gewohnt und sagte mir, als man etwas rumpsige Töne hörte, dass die Demo in der Nähe sein müsse. Wir schauten aus dem Fenster – sie bogen gerade von der Seestraße in die Grüne Straße ein. So lief ich zur Demo, hatte keine Ahnung, was mich erwartet, und wie ich mich verhalten sollte, aber innerhalb einer Demo ist man ja einigermaßen anonym.

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Als erstes erblickte ich Herrn S., einen früheren Offizier, mit dem ich mal im Chor gesungen hatte. Er ging als Schlussmann und hatte eine gelbe Warnweste an. Wir begrüßten uns, er freute sich, dass ich Interesse an der Unternehmung hatte. Seine genauen Ziele konnte er nicht in Worte fassen, aber er meinte, dass wir von ´oben verarscht ´ würden, so dass man dagegen aufstehen muss. Ich lief denn brav die Hauptstraße mit hoch, am Kreisel bogen wir in den Schleichergang ein, später in die Hafenstraße, von der ich es nicht weit zu meinem Auto hatte. Ich entdeckte auch noch zwei Bekannte in der Gruppe, die etwa 25 Personen zählte. Die Gruppe wurde angeführt von sieben Personen, die jeder einen Din-A-4 großes Plakat hoch hielten mit Buchstaben, die zusammen das Wort Frieden bildeten. Ich konnte guten Gewissens mitlaufen, denn wer ist schon gegen Frieden, und gegen den Ukrainekrieg bin ich sowieso.

Interessant waren die Plakate, einige groß, aber die meisten recht klein. Sie schienen zum Fundus der Gruppe zu gehören, denn die Plakate wurden bei verschiedenen Umzügen von verschiedenen Leuten getragen. `Nein, meine Söhne gebe ich nicht her‘, das wurde jedes Mal von einer anderen Frau getragen. Ich war nahe dran, die Frauen zu fragen, wie viele Söhne sie hätten. Doch ich begnügte mich damit, die Leute und wie sie sich verhalten, zu studieren. Die Plakate trugen Aufschriften wie: ´Es ist Zeit aufzustehen` oder ´Wenn Recht zu Unrecht wird, ist Widerstand Pflicht`. ´Raus aus der WHO`. Das erhärtete meinen Verdacht, dass der Ursprung der Montagsdemonstrationen in Coronaprotesten liegen könnte. Als ich hörte, dass sie schon fast drei Jahre Montag für Montag auf die Straße gingen, - damals fingen die Coronademos ja an -, war ich von ihrer Standhaftigkeit und ihrer Ausdauer beeindruckt.
(Fortsetzug folgt)

Montag, 13. November 2023

Es ist schon gut ein Jahr her .......

(Teil 2, Ende)

Außer, dass man die Meinungen verschiedenster Leute hört, erfährt man Näheres über die „documenta“, was man sonst nicht erfahren hätte. Die „documenta“ wäre ganz auf das Gemeinschaftliche, das Miteinander ausgerichtet. Israelische Künstler wären nicht eingeladen, dafür geht es umso mehr um palästinensische Themen. Das spricht nicht für Ausgewogenheit. Es ist davon die Rede, dass mehrere Kuratoren der „documenta“ der BDS-Bewegung nahestehen, d.h. der Bewegung, die einen wirtschaftlichen und kulturellen Boykott Israels fordert. Es läuft ein palästinensischer Film auf der „documenta“, in dem Israel als faschistischer Staat bezeichnet wird, der einen Genozid an Palästinensern verübt. Im Film wird Hass auf Israel verbreitet und Terror verherrlicht. Ebenso gibt es eine Einzelausstellung eines Palästinensers: „Guernica-Gaza“, die aus Collagen von berühmten Kunstwerken und Kriegsbildern besteht. Selbstverständlich ist Israel der blutrünstige Aggressor, während von den unzähligen Raketenangriffen aus Gaza auf die Bevölkerung von Israel keine Spur zu sehen ist, ebenfalls nicht von terroristischen Morden von Arabern an der israelischen Zivilbevölkerung. Wenn die „documenta“ nur einigermaßen so ausgewogen gewesen wäre, wie sie sich darstellt, müssten israelische Künstler Gelegenheit haben, ihre Bevölkerung, ausharrend in Bunkern und Schutzräumen oder die Morde an vielen Zivilisten dazustellen. Zu der Ausstellung „Guernica-Gaza“ fiel die Bemerkung: „Man muss die Herkunft des Malers verstehen“. Ebenso muss man dann aber auch verstehen, warum gerade dieser Maler und diese Ausstellung auf die „documenta“ gelangt ist.

Die Menschen, die in diesem „Aufklärungsfilm“ zu Wort kommen, kann man in drei Gruppen einteilen. Die einen distanzieren sich, erkennen das „Antisemitische“ deutlich, andere mögen keine klaren Bezüge erkennen, reden sozusagen um den heißen Brei, und die dritten leugnen alles „Antisemitische“, meinen die Bilder stellen etwas ganz anderes dar, und wenn es trotzdem als „antisemitisch“ gesehen wird, so hätte man es aber nicht so gemeint. Eine kuriose Außenseiterrolle nimmt der ehemalige Finanzminister Hans Eichel ein, der nicht vom Antisemitismus redet, sondern der zweimal sagt, man müsse sich bei den Künstlern der „Ruangrupa“ entschuldigen wegen des früheren Kolonialismus. Denn die „Ruangrupa“ hätte sich wegen ihrer Darstellungen ja auch entschuldigt. Sollen sich die deutschen Ausstellungsmacher etwa für den holländischen Kolonialismus entschuldigen, oder sieht er den Kolonialismus als gesamteuropäisches Problem an, bei dem sich jeder für alles entschuldigt?

Eine Politikwissenschaftlerin namens Asseburg erklärt in wissenschaftlichem Duktus, dass Israel alle „vertriebenen“ Palästinenser incl. ihrer Nachkommen ins Land kommen lassen und sie entschädigen muss, sie stellt sich also eindeutig auf die Seite der BDS-Bewegung. Claudia Roth, Kulturstaatsministerin, gehört zu jenen, die sich winden, die Antisemitismus erkennt und ablehnt, sie gehört aber zu den wenigen Bundestagsabgeordneten, die die BDS-Bewegung nicht ablehnt.

Kurzum: wie es oft der Fall ist, sagt der Film weniger über das Thema aus, als über diejenigen, die darin mitwirken.

PS: so unaktuell ist dieser Beitrag doch nicht. Noch nicht genesen von den Aufregungen der verflossenen „dokumenta“, entlarvte sich der Geist der in einigen Jahren bevor stehenden „documenta“. Endlich hatte man eine „Findungskommission“ (also diejenigen, die über die Aussteller der „documenta“ u.a. entscheiden), zusammengestellt, die nach Ansicht der Verantwortlichen unbedenklich ist. Sogar eine israelische Künstlerin durfte diesmal mitmachen. Aber da man doch immer auf diejenigen stößt, die einem geistig nahe stehen, entpuppte sich ein Mitglied der „Findungskommission“ als ein notorischer Judenhasser. Der ist inzwischen zurück getreten und hat wieder einmal den Beweis geliefert …………

Im Luftreich des Traums

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