Seit vielen Jahren ist es ein jährliches Ritual für mich, am 27.1. ins nahe Städtchen zu fahren, um an einer Holocaust-Gedenkstunde teilzunehmen. Auch wenn so etwas von manchem als leeres Ritual empfunden wird, als eine stereotype Kranzablegung. Das kann es durchaus sein. Besonders bei staatlich-offiziellen Veranstaltungen mag das der Fall sein. Aber was wäre, wenn es diese Rituale nicht gäbe? Wenn ich mit unserer kleinen Schar am Mahnmal in der kleinen Stadt stehe, stelle ich mir vor, wie viele Menschen dort in den Häusern sind, und sich nicht im Geringsten für die Gedenkstunde interessieren. Schon das ist eine Motivation, daran teilzunehmen. Außerdem bin ich neugierig, wie so etwas stattfindet, wer dabei ist, welche Beweggründe er dazu hat. Gerade in so einer kleinen Stadt, wo die Menschen sich kennen, ist das gut möglich.
Jedes Jahr am 27. Januar findet sich also eine kleine Schar von Menschen am Mahnmal des ehemaligen KZ-Außenlagers des Städtchens zusammen. Man ist wie eine Familie, die sich einmal im Jahr zum Familientag trifft. Die Schar der Teilnehmer ist geringer geworden, viele sind zu alt oder gar gestorben. Meistens wird die Kundgebung von dezenter Musik oder von Klezmermusik beschallt. Reden werden gehalten, Kränze an der Stelle wo viele Häftlinge begraben sind, und wo sich heute künstlerische Stelen und Namenstafeln befinden, niedergelegt.
Der Bürgermeister der Stadt begann die Veranstaltung mit einer Rede. Er war ein distinguierter, recht sympathischer Herr, er wirkte glaubwürdig. Er sprach sehr persönlich zu den Leuten: schwer wäre ihm die Rede gefallen, eine schlaflose Nacht hätte sie ihn gekostet, seine Rede wäre ihm ein wichtiges Anliegen. Dabei könne er von sich behaupten, dass seine Familie in keiner Weise ins Nazigeschehen involviert gewesen sei, wenngleich Vater und Großeltern, nahe beim KZ Ravensbrück wohnend, sehr genau mitbekommen haben, was für schlimme Dinge damals geschehen sind. Er sprach von den „schlimmen Dingen“, die ja auch dieses Städtchen nicht unberührt gelassen haben, und es wäre sehr schlimm, dass nun schon wieder Schlimmes in Israel geschehe. Und auch in Gaza. Das, was in Gaza geschieht, wäre unverhältnismäßig
Dann betonte der Bürgermeister seine „bewusst christliche Haltung“, und aus dieser heraus müsse er sagen, dass man nicht nach dem Spruch. „Auge und Auge, Zahn um Zahn“ handeln darf. Man soll Versöhnung anstreben. Die Verurteilung des Rachegedankens (wie er es meinte) beschäftigte ihn sehr, er widmete ihm mehrere Sätze. Wie er die Rede beendete, weiß ich nicht mehr, denn ich war zu konsterniert. Das am 27.1.2024 ! Die Rede wurde mit verhaltenem Schweigen quittiert, was daran lag, dass wirklich nur wenige, ca. 40 Personen, der Rede zugehört hatten.
Später sprach der Pfarrer – mehr so in philosophischer Weise – und erwähnte einen Satz von Alexander Mitscherlich (in Abwandlung von Hölderlin), in dem vorkommt: „Die Deutschen sind Denker, aber keine Menschen“. Ich flüsterte meinem Begleiter zu: „Der Bürgermeister ist ein Mensch, aber kein Denker!“
Das muss man sich vorstellen: am Holocaustgedenktag, der dazu da ist, nicht zu vergessen, was einst Schreckliches Juden angetan wurde, belehrt der Redner die Juden, dass sie sich nicht wehren dürfen, dass sie alles über sich ergehen lassen müssen. Und das nach diesem Massaker, nach dieser furchtbaren Verwundung des Staates Israel. Man kann die Rede als eine Ermunterung zu einem neuen Holocaust interpretieren! Dazu der Hinweis, dass die Juden mit dem Gedanken der Rache leben (Auge um Auge), und da müssen wir ihnen sagen, dass wir als Christen da ganz anders handeln. Davon abgesehen hat er, auch wenn er sein Christentum betont, keine Ahnung, was diese Aussage „Auge um Auge“ bedeutet, nämlich damals die Abkehr von der Blutrache.
Alles, was er sagte, sagte er in tiefem Ernst, so wie jemand, der nach reiflicher Überlegung zu hehren Gedanken gekommen ist. Die Rede war ein eindrucksvolles Beispiel, wie jemand, der wohl kein böser Mensch ist, den Geist des Antisemitismus in sich aufnimmt und auch weiter verbreitet. So funktioniert es! Und dem Bürgermeister, der in einer schlaflosen Nacht nachgedacht hat, dem war nicht bewusst, dass er gar nicht gedacht hat, sondern dass „es in ihm gedacht hat“. Wirklich ein Musterbeispiel.
Später trat eine Bekannte auf mich zu, um mich zu begrüßen. Mit einem Blick auf meinen Israel-Aufnäher auf der Jacke, sagte sie spontan: „Du bist mit der Rede vom Bürgermeister doch sicher nicht einverstanden!“ , was ich bestätigte. Das heißt: Die Botschaft war eindeutig und gut erkennbar.
Warum ich nach dieser Rede ruhigblieb und nicht widersprach? Ich musste die Rede erst einmal „verdauen“, mir bewusst machen, was er da eigentlich gesagt hat. So kann ich nur mit einiger Verspätung auf die Rede reagieren.
anne.c - 31. Jan, 19:34
Der Leiter des ZdF Fernsehstudio in Tel Aviv, Michael Bewerunge sprach bedeutend realistischer als Frau Helberg und fragte, wie wohl Israeli mit solchen Menschen, die solche Untaten an ihnen begehen - und er zählte einige auf -, Staat an Staat zusammen leben sollen, und dass es da wohl noch einige Zeit und einige Überlegungen braucht, bis man da weiter kommt. Frau Helberg hatte sofort entschuldigende Erklärungen: Die einfachen Menschen von Gaza glauben einfach nicht, dass Muslime so etwas wie Vergewaltigungen begehen. (Sie feiern sie nur!). Der israelische Professor Dan Diner war sichtlich emotional berührt von der Kaltschnäuzigkeit der „Nahostexpertin“ und meinte, dass es nicht auf den Staat ankommt, sondern auf die Gesinnung, die in so einem Staat herrscht.
Eigentlich lohnt es sich nicht, weder so etwas zu schauen, geschweige mit „Nahostexperten“ jener Art zu reden. Ich habe selbst mehrere von der Sorte kennengelernt, unter anderem einen evangelischen Bischof, der es sich zur Berufung gemacht hat, Vorträge darüber zu halten, dass Juden eigentlich im „Heiligen Land“ nichts zu suchen haben, und der mit den gleichen unscharfen Halbwahrheiten arbeitete (hier im Blog beschrieben 2016). Doch ich beobachte, wie gerade die „Weisheiten“ der so genannten Experten in die Herzen und Köpfe der Menschen fallen (wie man so sagt). Anders kann ich es mir nicht erklären, warum man immer mal – unvermittelt -, von Leuten, die man eigentlich schätzt, allzu platte Sprüche über Israel zu hören bekommt, die im Sinne von Frau Helberg sind. Das bedeutet nicht, dass die Menschen Antisemiten sind, aber dass sie sich von Antisemiten manipulieren lassen. So hörte ich mehrmals Aussagen wie: „Können die da nicht einfach als zwei Staaten friedlich zusammen leben?“ (wobei immer impliziert wird, dass Israel das nicht will ja, dass es da nur stört). Wer ein bisschen nachdenken kann, dem müsste klar sein, was es bedeutet, wenn einer der beiden Staaten – angeführt und von der Bevölkerung hoch akzeptiert von einer Terrororganisation, die immer wieder beteuert und auch praktiziert, den Tod jedes Bürger des anderen Staates zu wollen -, wenn also diese beide Staaten „friedlich“ nebeneinander leben. Das kann doch eigentlich nur bedeuten, dass man sich wünscht, es gäbe Israel bzw. Juden nicht. Und was ist Antisemitismus anderes?
anne.c - 27. Jan, 15:42
Jeden Abend höre ich den deutschsprachigen Podcast von Arye Shalicar: „Israel im Krieg“. Darin berichtete er über die Ereignisse und Kämpfe des Tages, aber er reflektiert auch, wie sich die Menschen fühlen und erzählt, was in den Jahren zuvor zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten vor sich gegangen ist. Seine Gedanken kann jedermann nachvollziehen. Eigentlich kann man sagen: So, wie A.Shalicar spricht, das ist die verständlichste und nachvollziehbarste Sache der Welt.
Umso erstaunter und umso mehr vor den Kopf geschlagen ist man, wenn in öffentlichen Medien über diesen Krieg berichtet wird. In den Sendungen wird nicht mit Tatsachen gearbeitet, sondern mit Unterstellungen und Weglassungen. So kommt ein Bild heraus, das nicht erst seit diesem Krieg etwa so aussieht: Es gab einst einen palästinensischen, friedlichen, blühenden Landstrich, in den Juden einfielen, ihn kolonialisierten (diesen Ausdruck hörte ich mehrmals). Sie raubten das Land, sie vertrieben die Araber daraus, gründeten für sich einen Staat, und taten alles, um die Gründung eines Araberstaates daneben zu verhindern. Die Aussagen kann man so bezeichnen: Sie sind unscharf und vage und lassen das aus, was für Israel sprechen könnte. In meinen Augen ist die Art und Weise, wie über Israel berichtet wird antisemitisch gemäß der berühmten 3 D: delegitimierend, dämonisierend und mit einem doppelten Standard anderen Staaten der Welt gegenüber.
Deshalb sah ich mir am 25.1. im Sender Phoenix eine Diskussionsrunde an, die den Titel hatte: „Wie realistisch ist eine Zweistaatenlösung“? Ich wollte erfahren, wie man im ÖR jetzt „tickt“, was für Gesprächspartner dabei sind und wie sie sich verhalten. Ich kann im Nachhinein sagen, dass die Sendung nicht so schlimm war, wie ich es mir vorgestellt hatte. Sie hatten diesmal nicht – wie es oft der Fall ist – ausschließlich „Israelkritiker“ in der Runde, die oft unwidersprochen jeden Unsinn in den Raum stellen können. Es gab jedoch eine „Nahostexpertin“ (was immer das sein mag) namens Kirsten Helberg, die die Rolle der Hamasversteherin übernahm. So, wie man es gewohnt ist: indem alles ausgelassen wird, was zum Verständnis Israels beitragen könnte. Das beliebte Wort von der „Unverhältnismäßigkeit“ wurde hervorgeholt, von dem zerstörten Gaza, wo niemand leben kann, und sie verkündete Zahlen von gazanischen Getöteten, die sich ausschließlich auf Hamasberichte stützen.
Sie erzählte, wie unheimlich beliebt Hamas in Gaza und Westjordanland wäre. (Was ja den logischen Schluss zulässt, dass die Bewohner von Gaza durchaus ihr Unglück mitverschulden). Sie ließ durchblicken, dass die Einwohner von Gaza gerade wegen des „Unrechts des Krieges“ nun zu immer mehr Hass herausgefordert werden, was mich im Stillen immer die Frage stellen lässt, was die Juden damals vor 80 Jahren Schlimmes getan hatten, um die Deutschen zum Hass und Holocaust herauszufordern. Ab und zu ließ Frau Helberg sich von Mitdiskutanten korrigieren, denn als ausgewiesene „Nahostexpertin“ wollte sie sich nicht die Blöße geben und nicht direkt aus dem Munde der Hamas sprechen. Trotzdem war es das Übliche: ´Ja, die Hamas ist schlimm, aber Israel …..` Von dem „Eingeschlossensein“ der Gazaner sprach sie – natürlich ohne zu erwähnen, wieviel Zehntausende Gazaner vor dem Krieg in Israel ihre Arbeit und ihren Lebensunterhalt hatten. Mehrmals versuchte sie den Beweis zu erbringen, dass die Palästinenser ja keinen Staat haben (also nicht anders können!), natürlich ohne das dreifache Nein von Khartoum 1967 zu erwähnen, in dem die arabischen Staaten Israel für alle Zeiten ablehnen.
(Fortsetzung folgt)
anne.c - 26. Jan, 21:41
Frei nach George Orwell
Wenn man erlebt, wie Israel von der Welt behandelt wird, erlebt man, wie die Dinge auf den Kopf gestellt werden.
Natürlich nicht von jedem einzelnen Menschen auf der Welt, aber von dem, was „die Welt“ repräsentiert, von ihren großen, als moralisch geltenden Weltorganisationen. Sei es die UNO und ihre diversen Unterorganisationen, seien es die großen Religionen und ihre Vertreter. Seien es große internationale Wohltätigkeitsorganisationen.
Da denke ich daran, wie sich die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese verhalten hat und immer wieder verhält, die öffentlich sagte: „Dass die Juden den Holocaust durchleben mussten, gebe Israel nicht das Recht, heute etwas Ähnliches mit den Palästinensern zu tun…“ Baut Israel Gaskammern und lässt tausende Palästinenser darin ersticken? Gibt es Massenerschießungen mit tausenden, sogar zehntausenden Erschossenen, die z.T. lebend in Massengräbern verscharrt werden? Usw., man kann und will es nicht alles aufzählen. Juristisch, wie Frau Albanese ausgebildet ist, sagt sie nicht etwa „dasselbe“, sondern „Ähnliches“, und was „ähnlich“ ist, kann man eventuell juristisch weit auseinander ziehen. Und wenn sie so etwas sagt, warum gibt es keinen Protestschrei ihrer UNO-Kollegen? Wie sollte es den Protestschrei geben, wo doch ihr oberster Chef Guterres die gleiche Geisteshaltung aufweist?
Ich versuche, in meinem persönlichen Leben für die Geschehnisse auf der Welt und die Stellungnahmen dazu, die eigentlich unglaublich sind – jedenfalls wenn man noch gelernt hat, dass so etwas wie Wahrheit, Wahrhaftigkeit, Humanität Richtlinien im Leben der menschlichen Gesellschaft sein sollten -, Anknüpfungspunkte zu finden. (und sie hier im Blog ev. aufzuschreiben) Um zu verstehen, wie diese grotesken Aussagen überhaupt möglich sind.
So führte ich vor ca. 20 Jahren einmal eine harmlose Unterhaltung mit einem guten Bekannten über alles Mögliche. Unvermittelt sagte er: „Sharon ist wie Hitler!“. Ich antwortete: „Steckt er Menschen in Gaskammern, führt er Massenerschießungen durch?“ Die Antwort war: „Er würde es aber gerne“. Ich gab darauf keine Antwort nach dem Motto: „Dummheit muss man im Raum stehen lassen, dann entlarvt sie sich von selbst“.
Eine Parallele zu den Aussagen von Frau Albanese ist in dieser kleinen Episode gut zu erkennen. Leider kann man die Dummheit, bzw. den Antisemitismus dieser Frau nicht im Raum stehen lassen, dazu ist ihre Position zu öffentlich, und das, was sie sagt, fällt auf einen zu fruchtbaren Boden. So z.B. in die Köpfe solcher Menschen, die aus heiterem Himmel sagen: „Sharon (oder welcher Jude auch immer, jetzt wird es Netanjahu sein) ist wie Hitler.
Ich frage mich, wie Leute auf solche Aussagen kommen, die das Gegenteil der Realität beschreiben, und die sich gleichzeitig noch als moralisch darstellen wollen. Ergründen kann man es nicht, aber man muss trotzdem immer wieder versuchen es zu ergründen, damit das, was am 7. Oktober in Israel Realität wurde, nicht zur Norm auf der Welt wird. George Orwell hat viel darüber gewusst, was möglich ist.
anne.c - 17. Jan, 13:34
Aber wie eingangs erwähnt, (die Komplexität in einem Phänomen) wird das Verhalten der deutschen Regierung nicht allein Antisemitismus sein. Ich denke, die „große Zahl“ spielt auch eine Rolle. Wieviel muslimische Staaten gibt es, während es nur einen jüdischen Staat gibt. Mögen diese Staaten auch nicht nach den Regeln eines demokratischen Rechtsstaats handeln, mögen in ihnen Frauen und Minderheiten rechtlos sein, sie haben aber doch sehr viele Einwohner, die Konsumenten für unsere Produkte sein können.
Und die bei Abstimmungen die Mehrheit bilden. Es ist doch viel günstiger, sich bei der Mehrheit zu befinden, wie z.B. im Oktober 2023 also nach dem Hamas-Attentat, als Deutschland fröhlich den meisten gegen Israel gerichteten Resolutionen zustimmte. Gemeinsam mit sehr fragwürdigen Staaten. Ja, Deutschland fühlt sich wohl in Gemeinschaft von Staaten wie Iran, Syrien, Jemen, Weißrussland usw. Es mag auch eine Hingezogenheit zu „Schurkenstaaten“ in dem Verhalten liegen, denn Deutschland war bewiesenermaßen einst ein schlimmer Schurkenstaat. Da kann durchaus eine Hingezogenheit herrühren, bzw. die Genugtuung, dass nun andere die „Schurkenstaaten“ sind, wofür man ihnen doch auch wieder dankbar ist und sie belohnen möchte. Dass diese nun die Judenvernichter sein wollen, überdeckt manch deutsche Tat aus der Vergangenheit.
Die „große Zahl“ spielt auch in der deutschen Innenpolitik eine Rolle. Die Parteien, denen die inländischen Wähler weglaufen, werben um die Stimmen derjenigen Menschen, die sie darum schnell einbürgern wollen, und von denen sie sich Wählerstimmen versprechen. Dass darunter eine große Menge ist, die ihren Antisemitismus offen zugeben, führt dazu, dass sich Parteien, bzw. Regierungen so verhalten, dass sie den Antisemitismus der potentiellen Wähler marginalisieren und sich so verhalten, dass es eben diesen potentiellen Wählern gefällt. Dass es einmal so weit kommen könnte, dass diese potentiellen Wähler die Regeln diktieren (in mancher Hinsicht tun sie es ja schon), das ist den sich zur Wahl Stellenden egal, es liegt ja noch weit weg.
Eine Portion Dummheit wird auch eine Rolle spielen. Die sehe ich wieder im Antisemitismus, der diese hervor bringt. Leider mit vielen, vielen Opfern.
anne.c - 12. Jan, 13:51
Ich denke, eine Erklärung für ein Phänomen kann man in der Regel nicht mit einem Begriff abtun, sondern es besteht aus einem Komplex von Ursachen, die man – so man es möchte -, auseinander dividieren kann. Wenn man ein Phänomen ergründen will, so lohnt es sich, Fragen zu stellen und man sollte es nicht mit einer meist nichts sagenden Erklärung, je nach Belieben, einordnen
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So frage ich mich, wie man die Haltung der Bundesregierung zu dem augenblicklichen Gaza-Israel Krieg erklären kann. Selbstverständlich wurde der barbarische Überfall der Hamas hier verurteilt. Der Hamas-Überfall erinnerte doch zu sehr an das Verhalten der SS-Einsatzgruppen zur Zeit der Nazi-Herrschaft in Europa. Nicht nur jeden Juden töten, sondern das Maximum an Leiden und Erniedrigung noch in ihrem Sterben auszukosten. (Nicht umsonst wird in Israel der 7. Oktober als Hamas-Holocaust bezeichnet.) Diese Assoziationen sollten möglichst nicht hervorgerufen werden.
Als dann aber der UNO-Generalsekretär zur Kenntnis gab, die Israeli hätten ja selbst Schuld an ihrem Leiden und dabei sogar log, denn er sprach von einer Besatzung, die nicht existierte, da regte sich keine Stimme in der Bundesregierung. Im Gegenteil, Deutschland enthielt sich, bzw. verurteilte mit, als Israel für alles Mögliche verurteilt wurde. Warum verhält sich ein Land so, das von sich behauptet, Israels Sicherheit wäre „Staatsraison“? Gleichzeitig verkündete Deutschland, es würde jetzt seine Zuwendungen an Gaza um 50 Millionen Euro erhöhen. Das kann man angesichts der Zerstörungen in Gaza durchaus verstehen. Aber warum verbindet es die Zuwendungen nicht mit der Herausgabe der Geiseln, wo es doch angeblich die große Zuneigung für Israel hat? Warum will es seine Zuwendungen über die Institution UNRWA vergeben? Warum wird nicht erst einmal aufgearbeitet, wieso mit den üppigen Geldern der UNRWA, bei denen Deutschland einer der größten Geldgeber ist, ein derartiges Tunnelsystem, wie es jetzt zum Vorschein kam, errichtet werden konnte? Das muss mehrere Milliarden Dollar gekostet haben. Wurden diese einfach nur durch Spendensammeln erworben? Will man neue Gelder, nicht etwa für den Aufbau, sondern für einen neuen Unterbau von Gaza spenden? Warum wird so etwas nicht öffentlich und akribisch diskutiert, sondern das Geld wird einfach zugeschoben? Warum soll Israel nicht die Gelegenheit gegeben werden, seine Kriegsziele: Befreiung der Geiseln und Zerschlagung der Hamas zu Ende zu führen? Ja, die arme Bevölkerung von Gaza (die die Hamas immerhin gewählt hat und hinter ihr steht)! Warum macht Ägypten seine Grenzen dicht, obwohl der Gazastreifen einst zu ihm gehört hat (von ihm besetzt war!). Warum werden Gazabewohner nicht, ähnlich wie es mit der Ukraine gehandhabt wurde, für die Dauer des Krieges in anderen Ländern aufgenommen? Was hat A. Baerbock im Nahen Osten zu suchen, wenn sie sich nicht als erstes! für die Herausgabe der Geiseln einsetzt? Was ermächtigt Frau Baerbock zu sagen, jetzt, nach diesem Massaker müssen die Barbaren zur Belohnung einen Staat bekommen (2-Staatenlösung), den diese seit 75 Jahren sowieso ablehnen, und die selbst immer wieder verkünden, sie wollen gar keine 2-Staatenlösung, sie wollen nur einen Staat, nämlich ihren, und sie wollen jeden Juden verjagen und am liebsten töten? Das erklärte Ziel, palästinensischer Führer ist die Vernichtung Israels, und man kann das – wenn man nur hinhört -, immer und immer wieder hören. Und mit diesen Führern soll Israel die „2-Statenlösung“ praktizieren, also seinen eigenen Untergang sehend in Kauf nehmen? Wer so etwas will und so etwas fordert, muss von dem Wunsch bewegt sein, dass Israel vernichtet wird. Israel der einst von der UNO legitimierte Staat der Juden. Was ist Antisemitismus anderes?
(Fortsetzung folgt)
anne.c - 10. Jan, 13:11
In Brody/Galizien traf unsere Reisegruppe auf eine große Ruine, eine Ruine mit dicken Ziegelmauern, Rundbogenfenstern, einem mit Rundbögen verzierten Dachaufsatz. Die Mauern waren zerborsten, ein Dach gab es nicht mehr, der offene Himmel schaute in den imposanten Quader. Im Inneren waren Ansätze von ehemaligen rituellen Gegenständen zu sehen.
Warum beeindrucken Ruinen mehr als schön restaurierte Gebäude, warum denkt man über Menschen mit einer gebrochenen Biografie mehr nach als über Menschen, deren Leben in glatten Bahnen lief, warum regen Zeitepochen, die voller Wirren und schlimmen Ereignissen waren, mehr zum Erinnern, Nachdenken und Überlegen als ruhige, friedliche Zeiten an?
Solche Gedanken hatte ich beim Anblick der Ruine der Synagoge von Brody. Sie muss einst ein mächtiger Bau gewesen sein. Der Mittelpunkt einer großen jüdischen Gemeinde. Jetzt war also nur noch die Ruine da, eine jüdische Gemeinde gab es nicht mehr.
Nach meinen Recherchen wurde die Synagoge 1742 gebaut und eingeweiht. Nach einigen Beschädigungen durch Brand ist sie 1935 noch einmal vollständig renoviert worden. In der Stadt Brody lebten zu Kriegsausbruch etwa 9000 Juden, für die die Synagoge der religiöse Mittelpunkt war. 1941 fielen die Deutschen in die Sowjetunion, also auch in Ostgalizien, das von der Sowjetunion besetzt (eigentlich damals polnisch) war, ein. Wie üblich widmeten sich die Deutschen vor allem der Ausrottung der Juden, wobei sie alles zerstörten, was zu den Juden gehörte. Die 9000 Menschen wurden in ein Getto gepfercht und später getötet. Die Synagoge wurde zerstört, Teile von ihr abgerissen. Nach dem Krieg, als die Sowjetunion in diesem Teil Galiziens herrschte, wurde die Synagoge als Lagerhaus genutzt, und sie zerfiel immer weiter.
Ich sah in der Synagoge nicht nur eine gewaltige Ruine. Ruinen sieht man an vielen Stellen. Gebäude, die nicht mehr benötigt und nicht mehr gepflegt wurden. An denen der Zahn der Zeit nagt: die Wettereinflüsse, das Ausbleiben von Pflege und Reparatur. Sie sind oft losgelöst von der übrigen Umgebung, sie künden von vergangenen Zeiten. Aber sie sind „ein Ding für sich“, das Leben geht ohne sie weiter. Hier aber kündete die Ruine der Synagoge von einer vergangenen und zerstörten Kultur. Von einem in Jahrhunderten gewachsenen Leben mit Ritualen, Religion, einer speziellen Lebensweise und Sprache. Die Ruine zeugt nicht nur von der einst lebendig benutzten Synagoge, sondern sie zeugt von den 9000 ermordeten Menschen, ja von den Millionen ermordeter Juden aus Galizien. Von ihrem einst gewesenen Leben. Liest man Bücher, die in der Zeit vor der Vernichtung spielen, dann erfährt man, wie fest gefügt das Leben der Juden in dieser Gegend war, oft waren es ein Drittel der Einwohner einer Stadt und mehr. Sie lebten nicht abgeschieden für sich, sondern sie waren fest in das gesellschaftliche Leben der Stadt integriert. Sie unterschieden sich durch Religionsausübung, durch Kleidung und durch ihre Sprache von der Umgebung, sprachen aber meistens auch die Sprache der sie umgebenden Menschen. Ihre Lebensweise korrespondierte mit der der Nichtjuden, das Leben war ein festgefügtes Ganzes.
Ihr Leben wurde weitgehend von der Religion bestimmt, und da war die Synagoge das Hauptsymbol, der Stolz der jüdischen Einwohner. Für jeden einzelnen Juden hatte die Synagoge seine spezielle Bedeutung. Jeder, der dort lebte, hatte seinen Platz, so wie für jeden Menschen alles an der Synagoge, das Innere wie das Äußere, so wie alle Details wichtig waren. Der Platz davor, der Weg dorthin, die Details der rituellen Gegenstände waren ebenso wichtig wie die Aufstellung und Reihenfolge der einzelnen Beter, welche im Stadtleben verankert waren und ihre Probleme und Anliegen mit in die Synagoge brachten.
Die Ruine ist nicht nur eine zerstörte und zerfallene Synagoge. Sie steht für eine zerstörte Welt, für eine unwiederbringliche Lebensform. Stellen wir uns die Zeit vor, als die Synagoge Mittelpunkt einer jüdischen Welt war, die mit der Ermordung ihrer Menschen für immer untergegangen ist.
Aber was ist über den Bruchteil der Menschen zu sagen, der nicht der Todesmaschinerie zum Opfer gefallen ist? Die wenigen Übriggebliebenen haben sich über viele Länder der Erde verstreut. Ein großer Teil von ihnen zog in das neu gegründete Israel. Aus der Asche, aus den Ruinen ist neues Leben erwacht. Wer auch immer den Staat Israel als „nicht gehörig“ ansieht, muss sich vor Augen halten, wie das Leben einst zerstört wurde, aber in ganz anderer Form neu erwacht ist.

Synagoge im israelischen Kibbuz Ein Hanatziv
anne.c - 3. Jan, 13:12
So scheint es mir, wenn ich mich über den Krieg: Israel-Gaza informiere. Ich erfahre: seit Jahren werden palästinensische Kinder zum Kampf und zum Hass gegen Israel trainiert. Ihnen wird eingeimpft, dass die Erfüllung des Lebens im Märtyrertot im Kampf gegen Israel läge. In so genannten Sommercamps werden die Kinder geschult. Im Umgang mit Gewehren, in Kampftechniken, z.B. im Kehle durchschneiden. Wenn man sie befragt, geben sie unverhohlen zu, dass sie „Märtyrer“ im Kampf um ihre Heimat sein wollen. Voll Erstaunen erfährt man, dass diese Schulungslager von internationalen Organisationen gefördert werden, besonders vom UNRWA, dem Hilfswerk der UNO einzig für Palästinenser, das märchenhafte Summen an Geld verschenkt, einer der größten Geldgeber ist Deutschland. Nicht nur in Lagern werden die Kinder geschult, sondern in ganz normalen Schulen, die zum großen Teil vom UNRWA betrieben werden, und in denen es Schulbücher gibt, deren Inhalt der „heldenhafte“ Kampf der Palästinenser gegen Israel ist.
Das kann man alles recherchieren, zur Kenntnis nehmen, sich vielleicht erinnern, dass es auch zeitweise in einigen afrikanischen Staaten modern war, dass Kindersoldaten töteten, es also kein Alleinstellungsmerkmal für palästinensische Kinder ist. Aber warum werden diese palästinensischen Aktivitäten monetär so von der ganzen Welt (repräsentiert von der UNO), und insbesondere von Deutschland gefördert? Ich erinnere mich an manchen Vortrag und manche Predigt, die ich im Lauf meines Lebens gehört habe: Israel unterdrückt die Palästinenser, es „sperrt sie ein“, der Hass der Palästinenser ist eine ganz natürliche Angelegenheit, eine Reaktion auf das große Unrecht, das ihnen angetan wird. Es kann geschehen, was will, diese Meinung wird nie entkräftet, ja, sie wird sogar bestärkt. Im Jahr 2005 zogen sowohl israelische Siedler als auch jeder israelische Soldat aus dem Gazastreifen aus. „Jetzt haben die Palästinenser endlich Land, das ganz und gar ihres ist, und aus dem sie (wie man sagte) ein neues `Singapur` oder Ähnliches machen können!“ Die Antwort waren Raketen auf Israel noch und noch. Dass Israel daraufhin Grenzen blockierte, damit nicht ganz so viel Waffen nach Gaza geschmuggelt werden, kann jeder verstehen, der sich vorstellt, dass sein eigenes Land ständig von der Grenze aus beschossen wird. Aber nein – das wurde so gedeutet: Gaza ist ein Freiluftgefängnis, die Menschen haben keine Bewegungsfreiheit, also müssen sie hassen und schießen.
Da scheint Hass die selbstverständlichste Angelegenheit zu sein, die nicht nur niemand in Frage stellt, sondern die als zwingend notwendig und verständlich dargestellt wird. Mir sagte eine Bekannte, als ich sie beim Lesen eines Buches über die Juden antraf: „Ich will mich jetzt mit dem Volk befassen, das überall, wo es auf der Welt ist, gehasst wird“. (Es war ein harmloses archäologisches Buch: „Die Quelle“). Ich sagte darauf nichts, aber ich dachte: Vielleicht ist es für das Wohlbefinden von vielen Ländern nützlich, wenn sie jemanden in ihrer Mitte haben, den sie hassen können. Dem sie alles Böse, was aus ihren eigenen Reihen kommt, in die Schuhe schieben können. Vielleicht ist es so, dass seit es Israel als Staat gibt, dass sich der Hass von denjenigen, die hassen wollen, auf Israel als Staat konzentriert. Das liegt keinesfalls an Israel, das liegt am Hass an sich, der sich ausbreiten will, und der sich seine Wege sucht. So z.B. in der Rückkehr alter Ritualmordlegenden. Nicht umsonst durfte Mahmoud Abbas dem Europäischen Parlament erzählen, dass in Israel Rabbiner die Regierung dazu auffordern, palästinensische Brunnen zu vergiften, und das Parlament klatschte heftig nach der Rede, die als „inspirierend“ empfunden wurde. Diejenigen, die gebetsmühlenartig die Ursachen des Hasses auf Israel verkünden, sollten sich hüten, denn sonst werden sie eines Tages gefragt, was denn die Ursache für den Hass der Deutschen war, der zum Holocaust führte.
anne.c - 28. Dez, 09:52