Sonntag, 12. November 2023

Es ist schon gut ein Jahr her ..... (Teil 1)

Einige Monate nach der ominösen Kunstausstellung „documenta 2022“ sah ich einen Film im Fernsehen, der die Ereignisse rund um den damaligen „Antisemitismusskandal“ aufarbeitete. Mir war damals aufgefallen, dass ich, obwohl schon einige Jahrzehnte Radiohörerin, noch nie so viel an Berichterstattung über die „documenta“ erlebt habe. Normalerweise wird so nebenbei in Kultursendungen über die bekannte Kunstausstellung, zu der viele Kunstinteressierte pilgern, berichtet. Ansonsten interessiert sie die ganz breite Öffentlichkeit nicht besonders. Aber im Jahr 2022 gab es den so genannten Antisemitismusskandal, und schon konnte man sich vor Medienberichten nicht retten. Das muss doch daran liegen, dass das Thema Antisemitismus die Herzen und Köpfe der Menschen sehr in Aufregung bringt.

Schwierig ist die Angelegenheit: So richtig klar definiert ist Antisemitismus nicht. Dafür aber hat sich rund um den Begriff Antisemitismus eine regelrechte Sprach- und Gedankenwelt gebildet. Fast kann man sagen: Antisemitismus ist in aller Munde. Aber nein – das ist er nicht, er ist im Munde der Medienschaffenden und der Politiker, die sich des Antisemitismus so annehmen, dass der normale Bürger schon vor diesem Begriff die Nase voll hat. Das ist kein Zufall, sondern es ist gesellschaftlich gewollt: Der Medienkonsument soll zu der Annahme gelangen, dass die Juden überall stören, sich einmischen und überall Antisemitismus wittern. Das Allgegenwärtigsein von „Antisemitismus“ soll Überdruss produzieren. Diese Annahme kommt in dem Film deutlich zum Ausdruck, als der israelisch-deutsche Journalist Joseph Croituru, der die Position der indonesischen Künstlergruppe vertritt, sagt: „Antisemitismus wird überall gesucht´“ So funktioniert der Mechanismus: Antisemitisches geschieht in Worten oder Bildern. Irgendjemand erkennt Antisemitismus, macht darauf aufmerksam oder protestiert, und schon ist der Beweis erbracht, dass Antisemitismus ´benutzt` oder sogar ´ausgenutzt` wird. Den Ausdruck „Antisemitismuskeule“ habe ich schon gelesen.

Der „Aufklärungsfilm“ folgt dem bekannten Muster, das oft Medien zu erleben ist: Man stellt bei der Bewertung einer Sache gleichwertig alles in eine Reihe: `Gut und Böse`, ` Wahrheit und Lüge`, `Aufklärung und Demagogie`. Man gibt sich scheinbar neutral; der Zuschauer soll sich „seine eigene Meinung bilden“, ungeachtet dessen, dass schon die Dramaturgie und die Auswahl der Befragten des Filmes für sich spricht.

In diesem Film, in dem die Geschehnisse auf der „documenta“ rekapituliert und kommentiert werden, kommen verschiedene mehr oder weniger bekannte Menschen zu Wort. Sie haben verschiedene, oft konträre Meinungen und Ansichten, so dass der Film scheinbar neutral Zeugnis gibt. Sieht man genauer hin, so entdeckt man aber, dass manche der Aussagen nicht hinterfragt werden, dass einiges, was Tatsache ist, nur als Möglichkeit hingestellt wird. Das Monumentalbild der Gruppe Taring Padi wird als „judenfeindlich ablesbar“ bezeichnet. In Wirklichkeit ist es in der Darstellung einiger Figuren durchaus judenfeindlich, was die schließliche Entfernung des Kunstwerks vom Ausstellungsgelände bezeugt.

Man sagt, dass in Wirklichkeit mit dem Monumentalgemälde auf die Militärdiktatur in Indonesien hingedeutet werden soll. Der arglose Zuschauer fragt sich, ob in der Militärdiktatur Indonesiens Soldaten der israelischen Armee mit Davidstern und Schweinegesicht oder ein israelischer „Kapitalist“ mit Raffzähnen und SS-Runen auf dem Hut eine Rolle gespielt haben. Es kam einmal von der ausstellenden Gruppe zur Sprache, man habe eingesehen, dass man in Deutschland viel sensibler mit solchen Darstellungen umgehen muss. Da fragt man sich, ob man in anderen Ländern unbefangener mit Darstellungen jener Art umgehen kann, da diese Länder keinen Holocaust begangen haben?

Man fragt sich, was Israel denn Schlimmes in Indonesien verbrochen hat- der Davidstern ist ja nicht aus Versehen auf das Bild gekommen. Auch die SS-Runen auf den Hut des „Kapitalisten“, dem noch so was wie Schläfenlocken am Gesicht hängen, hat jemand bewusst gemalt. Soll man daraus ablesen, dass Juden mit SS-Leuten gleich zu setzen sind? Auch wenn es nur zwei Gesichter in dem großen Wimmelbild sind, sie sind vorhanden, und derjenige, der sie malte, hat sich etwas dabei gedacht.

Mittwoch, 8. November 2023

Israelfahne

(Fortsetzung vom 4.11.)
Ich hatte überlegt, ob ich mit einem sichtbaren Zeichen meine Solidarität mit Israel bekunden kann. Außer der Teilnahme an der Großkundgebung und dem Spenden von Geld fiel mir das auffällige Tragen einer Israelfahne ein. Obwohl das Tragen einer Fahne hier ja nicht unbedingt üblich ist. Und tatsächlich: ich habe in Berlin, wo ich mich sehr viel in öffentlichen Verkehrsmitteln aufhielt, niemand anderen mit einer Fahne, geschweige einer Israelfahne gesehen. „Du traust dich was!“ und „Pass bloß auf!“, mit diesen Worten wurde ich auf den Weg geschickt. Ich selbst fühlte mich auch nicht so wohl, denn ich pflege normalerweise keine Erkennungs- bzw. Bekenntniszeichen an mir zu tragen. Neugierig war ich, wie sich meine Mitmenschen zu mir verhalten werden. Zur Abwehr von eventuellen Abreißversuchen, nähte ich die Fahne an die Träger meines Rucksacks, sie hing in ihrer ganzen Länge hinter mir hinunter.

Fahne

Nachdem ich eine ganze Weile herumgegangen und -gefahren war, war mir das Tragen der Fahne kaum noch bewusst. Um es vorweg zu sagen: Es kamen erstaunlich wenige Reaktionen. Kaum jemand kümmerte sich um die Fahne, zumal auf den Bahnhöfen mehr als die Hälfte der Leute mit dem Handy beschäftigt ist. Erst ganz zum Schluss im Bahnhof Gesundbrunnen klopften vier arabisch wirkende Jugendliche ans Fenster aus einem Mc-Donald, sie zeigten auf mich und hielten ihre Finger zu einem V-Siegeszeichen. Dann erlebte ich noch eine Frau, die mich anlachte und den Daumen anerkennend in die Höhe hob.

Doch 3 x wurde ich auf die Fahne hin angesprochen, erstaunlicherweise jedes Mal auf Englisch. Das erste mal war es ein Mann, der mich wohlwollend und eher besorgt anblickte und mir sagte, ich solle doch die Fahne nicht tragen, denn sie könne Terroristen anziehen. Dann sprach mich ein junges Paar an, es waren, glaube ich, Polen, und die Frau fragte, ob sie mir Fragen stellen darf. Sie sprach englisch, der Mann übersetzte ins Deutsche. Sie fragte – obwohl sie es wohl wusste -, welche Fahne das ist. „Die Fahne von Israel“. Weiter fragte sie, warum ich die Fahne trage, und ich sagte: „In Israel sind sehr schlimme Dinge passiert, und ich will meine Solidarität zeigen“. Das konnte sie verstehen, meinte aber, dass in Gaza jetzt Krieg wäre, und warum ich nicht auch die Fahne von Palästina trage. Ich antwortete: „Aus Gaza kamen diejenigen, die die schlimmen Dinge getan haben, und außerdem gibt es kein Land Palästina, ein Staat ist leider nie gegründet worden“. Sie bedankten sich und gingen weiter. Später trat eine junge, europäisch wirkende Frau auf mich zu und überfiel mich mit einem Schwall von Worten. Sie sprach so schnell, dass ich nichts verstand, aber ihre Rede hörte sich missbilligend, streng und hart an. Doch auch hier blieb es bei der kurzen Strafpredigt.

Ich stieg in den Regionalzug nach Hause. Der war so drückend voll, ich stand darin wie ein Hering in der Konservendose. So konnte die Fahne nicht weiter zur Wirkung kommen. Die Erlebnisse rund um die Fahne waren so interessant, dass ich Lust bekommen habe, öfter mal durch Berlin mit einer Israelfahne zu gehen.
(Schluss)

Samstag, 4. November 2023

Eine Kundgebung (Teil 2)

Dann sprach der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. Von ihm war mehr Klartext zu hören als von seinen offiziellen Vorgängern. Er sagte klipp und klar, dass es nicht etwa „normal“ wäre,wenn muslimische Horden durch die Stadt laufen und Sprechgesänge gegen Juden rufen oder Häuser, in denen Juden wohnen, mit Davidstern gekennzeichnet werden, und dass man sich so einem Tun entgegen stellen muss. Und dass es im Kampf gegen die Hamas kein „Ja - Aber“ geben darf und dass es fatal wäre, etwa Hamas und Israel auf eine Ebene zu stellen. Und man solle nicht denken, Israel wäre weit weg: der Terror wird sich überall hin ausbreiten, wenn man in nicht energisch bekämft. Hamas ist eine Gefahr für uns alle. Wenn wir zu diesen Untaten schweigen, lassen wir das Böse gewinnen. Er
sagte auch offen, dass er das Schweigen zu den Untaten von manchen Seiten wahrnimmt, das wäre besonders das Schweigen der Muslime und das Schweigen der linken Szene.
Es sprachen weitere Vertreter von Organisationen, z.B. der Geschäftsführer der jüdischen Verbände. Dieser forderte, Menschen, die auf der Straße den Terror der Hamas bejubeln, wenn sie keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, die sollten ausgewiesen werden. Darauf setzte heftiges Klatschen von Seiten der Kundgebungsteilnehmer ein. Und ich dachte so bei mir: „Ja, wenn solch sichtbare Zeichen gesetzt würden, wie die Ausweisung wenigstens einiger gewaltaffiner und gewaltverherrlichender Ausländer, dann könnte man glauben, dass hinter den wohltönenden Worten ein echter Wille steckt, ansonsten erschien mir vieles Reden als aufgesetzt und hohl. „Wir stehen an der Seite Israels“, das war immer wieder zu hören! (und darum verstärken „wir“ unsere „Hilfe“ für Palästinenser gleich um einige zig-
Millionen Euro, ziehen aber nicht in Betracht, oder vielleicht doch, dass diese Gelder direkt bei der Hamas landen, diese benötigt ja viel Geld um die (in deutschen Medien so genannten) „Kämpfer“ für ihre Untaten vom 7. Oktober zu entlohnen. Und Treibstoff für ihre Raketen auf Israel! Zwischendurch gab es Musikeinlagen, das berühmte „Halleluja“ wurde gesungen und das ebenso berühmte „Jerusalem aus Gold“

Der Bundesvorsitzende der Grünen Omid Nouripur, ein iranischer Muslim, forderte energisch die Freilassung der Geiseln und machte den Teilnehmern noch einmal sehr klar, dass es tatsächlich so etwas wie „das Böse“ gibt, gegen das man sich zur Wehr setzen muss, die Taten der Hamas wären inder Art ihres Bösen mit der Naziherrschaft zu vergleichen. Und wenn man sie gewähren ließe, dann würde sich der Terror nach Europa ausbreiten (was er ja bereits kräftig getan hat). Besonders bejubelt wurde Nouripur von den Teilnehmern der
iranischen Kommunität, die sich an einerStelle des Zuges versammelt hatte. Sie hatten
große iranische Fahnen bei sich, die sie gleichzetig mit israelischen Fahnen heftig
schwenkten.

Iraner

Die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Anette Kurschuss, beteuerte, dass die
evangelische Kirche auf der Seite Israels steht und gab zerknirscht zu, dass der
Antisemitismus seine Wurzeln auch in der
christlichen Kirche habe. Ihre Kernaussage war: Massenmord ist Gottlosigkeit. Sie klagte
besonders an, dass diese betialischen Mörder ihre Taten im Namen ihres Gottes
begingen.

Es sprach noch eine ganze Reihe von Menschen, auch der regierende Bürgermeister
von Berlin Kai Wegner. Dass es in Berlin keinen Platz für Antisemitismus gäbe
und wie froh er darüber sei, dass eine jüdische Gemeinde in Berlin ist, und dass er alles dafür
tun wolle, dass Juden in Berlin in Sicherheit und Frieden leben, das waren seine Aussagen. Sein Reden nahm er in diesem Augenblick tatsächlich ernst, denn die Berliner Polizei sorgte zum gleichen Zeitpunkt dafür, dass eine propalästinensische Demonstration ganz in der Nähe, am Potsdamer Platz, aufgelöst wurde.

Die Reden hörte ich mir wohlwollend an, allerdings mit dem Hintergedanken: „Die Botschaft hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Wie wird der Bundespräsident lavieren, wenn dann tatsächlich ein heftiger Krieg in Gaza stattfinden wird, mit welchen Worten wird er seine muslimischen Untertanen besänftigen? Wo werden sie alle sein, die immer wieder behaupten: „Wir stehen an der Seite Israels?“.

Tatsächlich bewahrheiteten sich nur einige Tag später meine skeptischen Gedanken: Hat ein deutscher Diplomat etwa protestiert, als der Generalsekretär der UNO Guterres die Meinung kund tat, Israel wäre selbst Schuld an seinem Unglück? Im Gegenteil, ein anderer deutscher Diplomat Heusgen gab Israel Anweisungen, wie es sich verhalten solle.

Wie ich von anderen Demonstrationsteilnehmern hörte, gab es zum Abschluss der Veranstaltung einfeierliches Kerzenanzünden an einem anderen Ort. Ich empfand mein „Kundgebungsabenteuer“ als anregend und lohnend: die vielen Menschen zu erleben, die in dem gleichen Sinn zusammen gekommen waren, die Art und Weise, wie so eine Kundgebung organisiert und durchgeführt wird. Solche kleinen Erlebnisse „am Rande“, wie der Mann, der wie ein „Alt-68-ger“ aussah und der eine sorgfältig gestaltete Tafel trug mit der Aufschrift (u.a.): „Stop Hamas and Bibi“ oder das Zusammentreffen mit solchen Spezies wie „Omas gegen rechts“.
(Fortsetzung folgt)

Montag, 30. Oktober 2023

Eine Kundgebung

Berlin

Am Sonntag, den 22.10. nahm ich an einer Demonstrtation „gegen Antisemitismus“ in Berlin am Brandenburger Tor teil. Mir wurde abgeraten, dorthin zu fahren, 300 km mit dem Zug: „was willst du dahin fahren, da kommen doch genug, ob du nun da als Einzelne bist oder nicht, ist doch egal!“ Doch da ich an der ersten, spontanen Demonstration am Brandenburger Tor, gleich am Sonntag nach dem Massaker in Israel nicht hatte teilnehmen können, war es mir wichtig, diese erneute Gelegenheit wahrzunehmen. „Auch wenn ich da als Einzelne keine Rolle spiele, ich werde mich besser fühlen, wenn ich dabei gewesen bin“.

Mir gefiel die Ausrichtung der Kundgebung nicht so sehr, sie war allzu offiziell organisiert: hochrangige deutsche Politiker und Kirchenvertreter standen auf der Rednerliste. Der Bundespräsident Steinmeier: da fällt einem natürlich sofort seine Verneigung vor dem Grab des Palästinenserführers Arafat ein, also vor einem Menschen, der für Mord und Terror an vielen Juden verantwortlich ist, sowie Steinmeiers Glückwünsche an den Iran zum
40. Jahrestag der „Revolution“, einem Land, in dem eine „Uhr“ steht, welche die Tage bis zum
Untergang Israels zählt. Vielleicht wird der 7.Oktober 2023 ja auf der Uhr als ein besonders
erfolgreicher Tag markiert. Dass Herr Steinmeier weder den Kranz an Arafats Grab noch die iranische Uhr auf seiner Rede erwähnen würde, das war mir klar, denn es scheint mir, dass Herr Steinmeier einen Hang zur Beliebigkeit hat. Weiterhin war die höchste Repräsentantin der evangelischen Kirche angesagt, die zwar nicht verantworten kann, was jeder einzelne ihrer
untergebenen Pfarrer sagt, mir gingen aber leider allzu viele Szenen durch den Kopf, bei denen evangelische Pfarrer sich nicht nur „israelkritisch“, sondern israelfeindlich geäußert haben. Und so machte ich mich mit meiner Israelfahne auf den Weg. Da man wirklich kaum etwas tun kann, was den Schmerz der Israeli über das furchtbare Gemetzel, das über sie gekommen ist, auch nur im Geringsten lindern könnte, dachte ich: ich werde das machen,was bei solchen Gelegenheiten pathetisch oft gefordert wird: symbolisch handeln, Zeichen setzen, ja – Flagge zeigen! Welche Funktion hat eine Flagge? Sie ist Symbol, und sie setzt Zeichen. Also befestigte ich meine israelische Fahne am Rucksack und trug sie weit sichtbar 1 ½ Tage durch Berlin. (Davon später mehr).

Genau zur Eröffnung der Kundgebung traf ich am Brandenburger Tor ein. Es schien große Aufregung unter den Veranstaltern zu herrschen, die U-Bahn-Station am Tor war geschlossen, ebenso war der direkte Weg dorthin gesperrt, man musste eine Umleitung gehen. Dazu unzählige Polizisten. Ausgeschildert war nichts. Doch es war einfach, der Masse der Menschen zu folgen. Zuerst stellte ich mich in eine nicht enden wollende Schlange, wo jeder Mensch gründlich abgetastet wurde, bis ich merkte, dass die untersuchten Leute nur diejenigen waren, die direkt vor der Tribüne sein wollten. Auf einen Platz an der Tribüne verzichtete ich lieber, und ich mischte mich in Menge der Menschen ein. Diese Menge war ziemlich groß, sie staute sich noch weit in den Tiergarten hinein. Allerdings wie die
Veranstalter angaben: 25 000 Teilnehmer, das halte ich für übertrieben, so weit ich es überblicken konnte, schätze ich, waren es 10 000 Teilnehmer. Die Beschallung war ausgezeichnet, man konnte an jeder Stelle alles gut verstehen.

Die Conférenciére eröffnete die Veranstaltung mit den Worten: „Wie können wir schweigen?........“ (zum Massaker der Hamas an Juden), und sie sagte auch, dass wir „keine Chance für Relativierung lassen…. (was mich skeptisch werden ließ). Das Wort wurde an Volker Beck, Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft erteilt. Er betonte Israels Recht auf Selbstverteidigung und die Notwendigkeit unserer Solidarität, zuletzt schilderte ziemlich entsetzt die Art und Weise, wie ein in Deutschland lebender Imam mit ihm über das Massaker gesprochen hat.

Dann übernahm Dr. Frank-Walter Steinmeier das Wort. Er sprach über das Grauen, das in Israel herrscht, rief den Juden bzw. Israeli zu: „Ihr seid nicht allein!“ und mahnte, die Geiseln frei zu lassen. Er betonte auch, dass jeder, der „neu“ hierher kommt, wissen müsse, was „Auschwitz“ gewesen sei. Er fand es schade, dass in diesen Tagen der Schutz jüdischer Einrichtungen in Deutschland verstärkt werden müsse, denn in Wirklichkeit wäre Deutschland doch ein vielfältiges und freies Land. Auch beschwichtigte er eventuelle Wut auf Palästinenser, denn es gäbe auch unschuldige Palästinenser.

Letzteres rela􀆟vierte die Conférenciére, als sie verkündete, dass sicher noch mehr Teilnehmer hierher gekommen wären, aber es gäbe in Berlin Menschen, die Angst hätten, zu so einer Veranstaltung zu kommen. Sie konkretisierte die Aussage nicht, aber man hatte das Gefühl, das müssten muslimische Menschen sein, die Angst vor ihren Glaubensbrüdern haben.

Sie übergab das Wort an zwei Bürger Israels, deren nahe Angehörige jetzt Geiseln der Hamas sind, und die durch ihren Einsatz im Ausland für ihre Nächsten die Chance für eine Freilassung erhöhen wollen. Sie erzählten von ihren Angehörigen, von ihrem Schmerz, dass sie von ihnen nichts wissen, von ihrer Angst um sie. Es war ein Vater, dessen Frau und kleine Kinder in den Händen der Hamas sind und eine Frau, deren Schwester gefangen ist. Die gefangene Schwester hatte gerade heute Geburtstag, und deshalb sang die Menge der Kundgebungsteilnehmer „Happy Birthday“ für sie.
Fortsetzung folgt

Auf ein Neues!

Meinen letzten Blogbeitrag schrieb ich vor 2 ¼ Jahren. Der Grund war eine Erkrankung, und ich hatte vor, es bei 12 Jahren Blogschreiben zu belassen. Manchmal überlegte ich, ob ich den Blog fortsetze. Aber ich hatte mehrmals Blogs erlebt, wo der Autor nach einer längeren Pause wieder Anlauf genommen und dann nicht lange durchgehalten hatte. So etwas soll mir nicht passieren! In letzter Zeit ist aber einiges in der Welt geschehen, und manches hat mich zum Schreiben gebracht. So möchte ich, in der Absicht, nicht schnell wieder nachzulassen, nach einer gut zweijährigen Pause meinen Blog fortsetzen.

Sonntag, 5. September 2021

Nachbetrachtung zu "Kultur in der Kirche"

Das ästhetisch aufgearbeitete Foto des brennenden Flüchtlingslager Moria ließ meine Gedanken zu dem kleinen ertrunkenen Kurdenjungen Aylan Kurdi schweifen. Das Bild des ertrunkenen Jungen hatte damals angeblich Europa sensibilisiert für das Leid der Flüchtlinge. Ästhetisch war auch dieses Fotos gewesen: Blau und rot, wie drapiert, wie komponiert lag er da am Strand, man sah nur seinen Rücken, er hätte auch schlafen können. Später wurde in Variationen diese Szene von anderen nachgestellt, angeblich auch um „aufzurütteln“.

Schon damals, als es aktuell in den Medien war, sagte ich: „Wenn das Kind als Wasserleiche gezeigt wäre, das schon 3 Tage im Wasser getrieben hätte, dann wäre Europa wohl nicht so erschüttert gewesen, die Welt hätte sich angewidert abgewandt. Mir fielen Reaktionen ein, auf Fotos von der Befreiung der KZs. Man sah „Leichenberge“. Man konnte solche Fotos in Schulbüchern oder auch zu „Aufrüttlungszwecken“ hier und da erblicken. Die Reaktion der Zuschauer war in den meisten Fällen: angewidert sein, dass ihnen so ein Anblick zugemutet wurde. Mir schien es oft, dass das die Verstimmung den „Leichenbergen“ galt, nicht etwa denjenigen, die diese produziert hatten. Diese „Leichenberge“ hatten nichts Ästhetisches, jede Leiche lag da, wie sie durch die Umstände irgendwie zusammen gestapelt war. (Was man sich nicht dazu vorstellen wollte, war der Gestank, das Stöhnen hier und da, der Schrecken derjenigen, die lebend um sie herumstanden). Ob diese Fotos Menschen „aufgerüttelt“ haben?

Ich fürchte, dass man sich heutzutage schon gar nichts mehr anderes vorstellen kann unter „Menschen aufrütteln“, indem man ihnen einen so genannten ästhetischen Genuss vor die Augen setzt. Unicef mit seinen Preis gekrönten Fotos beweist es (ich stelle mir nebenbei noch die festlichen Banketts anlässlich solcher Preisverleihungen vor). Mein kleines Erlebnis anlässlich der „Kultur in der Kirche“ spricht auch dafür.

Mittwoch, 1. September 2021

Kultur in der Kirche

Vor Kurzem befand ich mich anlässlich eines kulturellen Ereignisses in einer Kirche. Dass Kirchen inzwischen von Kult- zu Kulturstätten umgewandelt werden, kann man an vielen Orten erleben – so auch in dieser. Außer, dass man schöne Musik hören konnte, hingen die Wände voll kulturvoller Bilder. Meistens weiß man nicht, wozu sie da hängen, aber einen triftigen Grund kann man immer angeben: Die Menschen aufzurütteln.

So ein Aufrütteln erlebte ich also in dieser Kirche, in der eine Ausstellung der von Unicef im Jahr 2020 preisgekrönten Fotos zu sehen waren. Mehrere kleine Fotoserien gehörten zu der Ausstellung, so auch die eines jungen griechischen Fotografen über den Brand im Flüchtlingslager Moria. Ein Foto hob sich von den anderen ab, denn es wirkte von weitem wie ein altes holländisches Gemälde. Im Vordergrund sah man verschwommen verschreckte Menschen, in der Dunkelheit loderte der heftige Brand.

moria

Ich trat näher zu dem Bild (das im Gegensatz zu den anderen kein Passepartout hatte), um mich zu vergewissern, ob es wirklich ein Foto sei. „Sehr beeindruckende Bilder“, sagte eine mir bekannte Frau zu mir. „Ich finde es unmoralisch, aus dem Leid von Menschen ästhetischen Genuss zu ziehen“, antwortete ich. Die Frau war verunsichert. „Meinen sie das wirklich?“ Ich bestätigte meine Meinung, und der sie begleitende Herr wurde wütend. „Dann erklären sie mir bitte, wie man den Menschen das sonst nahe bringen könnte?“. „Verbrannte Menschen zeigen“, antwortete ich. Es erstaunte mich, dass die Frau sagte: „Da haben sie Recht“. Der Mann konnte zu keiner Antwort finden, was ihn wütender zu machen schien. Das Gespräch war dann aber beendet, weil die wahren wichtigen Dinge des Tages ausgesprochen werden mussten: „Heute hat bei dem schlechten Wetter doch eine Weile die Sonne geschienen, wir konnten tatsächlich eine ganze Weile am Weststrand verbringen!“. Ich verkniff mir die Frage, welcher Eindruck denn der stärkere gewesen wäre, die Erschütterung über das brennende Lager oder die Freude an der Sonnenstunde.

Donnerstag, 26. August 2021

„So habe ich mir die Einheit nicht vorgestellt!“,

war eine der meist benutzten Floskel in der Zeit nach der deutschen Vereinigung. Fast jeden Tag hörte man sie irgendwo, manchmal auch in Variationen (Ich dachte dann: „Wann und wie magst du dir die Einheit je vorgestellt haben?“.

Es war und ist üblich, dass für eine gewisse Zeit modische Floskeln im Schwang sind, die dann sehr schnell wieder vergessen werden. In meinem aktiven DDR-Leben kann ich mich nicht erinnern, dass jemand von der deutschen Einheit träumte, außer einigen „Ewiggestrigen“. Ich erinnere mich noch an das erschrocken-fragende Gesicht einer Freundin, als nach dem Mauerfall und den ersten Rufen nach „Einheit“ ich zu ihr sagte: „Na, nun wird es wohl nicht mehr lange mit der DDR weiter gehen“, und sie sagte „Meinst du wirklich?“. (Später bekundete sie fast täglich ihre Freude über die deutsche Einheit und mischte aktiv in der Kreispolitik mit).

Eine lustige Episode habe ich zu dem Thema noch. Am 3. Oktober 1990 war das ganze Land am Jubeln. Ich jubelte nicht mit, denn mir war es zwar nicht egal, was an dem Tag passierte, sah es aber als einen Schritt im Gang der Geschichte an, der mein privates Leben mehr mittelbar als unmittelbar berührte. Da bekam ich einen Brief von meiner Tante, die als konservativ galt. Sie schrieb mir: `Das ist für mich ein sehr trauriger Tag. Deutschland ist jetzt so klein geworden!` (Erst dann musste sie den Gedanken an das ganz große Deutschland beiseite legen).

Noch einmal zu den Floskeln. Eine davon war: „Es war nicht alles schlecht!“. So war ich einmal, etwa um das Jahr 2008 herum, Gast auf einer Konfirmation. Das nachmittägliche Feiern fand in dem kleinen Dorf im jetzigen Dorfgemeinschaftshaus statt. Das war die frühere „Schulspeisung“ der inzwischen still gelegten Schule. Mit einer Tischnachbarin, die in der DDR eine gute Genossin gewesen war, unterhielt ich mich über das Ambiente des Gebäudes. Ich sagte: „Es hat für mich den Charme eines DDR-Kulturhauses“. Wie aus der Pistole geschossen, kam die Antwort: „Na und, es war nicht alles schlecht!“ Eine Weil musste ich über die Aussage nachdenken. Ich hatte ja keine Kritik an irgendetwas geübt. Mit meiner gewissen DDR-Nostalgie fühlte ich mich in diesem „Kulturhaus“ gar nicht einmal unwohl.

Inzwischen hört man d i e s e Floskeln nicht mehr, dafür aber andere. Wenn manches, was wie eine Floskel klingt, sich oft wie `so daher gesagt` anhört, so lohnt es sich doch immer, darüber nachzudenken und die Ursache für die Floskel versuchen zu ergründen.

Donnerstag, 19. August 2021

Zwei verschiedene Meinungen zu dem Thema: `Als Deutschland geteilt war`

Auf einer Fährüberfahrt nach Dänemark unterhielten sich zwei Freundinnen, was sie für Gedanken hatten, damals – als Deutschland noch in zwei Teile getrennt war. Man muss sich vor Augen halten, dass außer rund um Westberlin fast nicht einmal ein Blick auf „das andere Deutschland, bzw. den Westen“ möglich war. Doch die eine konnte von ihrem Heimatort an manchen Stellen die Türme Lübecks sehen – der Ort in dem ihr Vater einst in die Schule gegangen war. (Sie lebte kurz vor dem eigentlichen „Grenzgebiet“). Die andere konnte bei außergewöhnlich klarer Sicht von ihrem Heimatort die Kreidefelsen Moens erblicken. Oder man fuhr ins östliche Ausland, wo es Stellen gab, wo man direkt an die Grenze gelangen konnte, um einen Blick auf den „Eisernen Vorhang“ zu werfen. (Ich hatte einmal gehört, dass die DDR verlangt hatte, auch in der Tschechoslowakei eine Art unzugängliches Grenzgebiet zu errichten, aber das war wohl nur ein Gerücht). Jedenfalls war wohl fast in jedem DDR-Bürger der Gedanke an den Westen in irgendeiner Form übermächtig.

vorhang1
Blick auf den "Eisernen Vorhang in Mikulov (Nikolsburg)
(Grenzübergang am Ende des Sträßchens)

So erzählten sich die Freundinnen über die `damalige Zeit`. Die eine sagte, dass sie sich nie damit abfinden konnte, dass sie viele Stellen der Welt nicht erleben durfte. Dass sie die Ungerechtigkeit darüber empfand, dass sie nicht `auf den Spuren ihres Vaters` gehen konnte Und welche Wut sie überkam, wenn sie um Westberlin herumfuhr.

Die andere Freundin erzählte, wie sie es damals empfand: „Ich empfand gerade die Teilung Deutschland als interessant und geheimnisvoll. Wenn ich Westberlin sah, dann war mir bewusst, dass es so in der Nähe noch eine ganz andere Welt gibt, von der wir kaum etwas wissen. Dass sich da lebendiges Leben abspielt, und wir können es nur ahnen". (Als wir es dann selbst erlebten, erschien es eher als belanglos, das Interessante ergab sich ja gerade aus der Teilung).

Beide Meinungen kann ich als berechtigt ansehen. Gerechterweise muss man hinzufügen, dass die Trennung nicht ganz so hermetisch war, wie sie im Nachhinein dargestellt wird. Das Fernsehen, die Besuchsreisen der Rentner, und was diese alles mitbrachten und erzählten. Die Freunde und Verwandten aus dem Westen, die uneigennützig auf Auslandsreisen in den Ferien verzichteten und dafür ihre Ferien mit den Kindern in der DDR verbrachten (-eine Familie hatte an ihrer Pin-Wand immer ein Verzeichnis, wann sie einen Besuchsantrag rechtzeitig stellen muss, und wie die aktuellen Einreisebestimmungen waren). Von dem "kleinen Grenzverkehr", der für viele Menschen sehr wichtig war, ist kaum noch die Rede. (Er machte ab einer bestimmten Zeit spontane Reisen von Westlern ((die Bezeichnung Wessi und Ossi gab es damals nicht)) in die nähere DDR-Umgebung, ich glaube es waren 50 km ab Grenze, möglich. Die Besuchsreisen von DDR-Bürgern, die schon ab den 70-ger Jahren zu „dringenden Verwandtenbesuchen“ möglich waren. Über all das gäbe es unendlich viele Geschichten zu erzählen. Das war es, was die eine der Freundinnen an der Teilung Deutschlands interessant empfinden ließ und die heutige Zeit als recht trist empfinden lässt.

Im Luftreich des Traums

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