Aus der Schule geplaudert

Da die Geschichte schon etwa 30 Jahre her ist, und manche Protagonisten nicht mehr leben, kann ich ein wenig aus der Schule plaudern. Unsere Familie befleckte die Schule mit einem unverzeihlichem Makel. Unsere Kinder waren keine Pioniere. Das belastete weniger uns als die Schule, die sich ja für „Aufmüpfige“ vor höheren Instanzen verantworten musste. Mit verschiedenen Tricks versuchte man uns dazu zu bringen, den Entschluss zu revidieren. Um ein paar Ecken herum wurde mir mitgeteilt, dass man unser Verhalten nur akzeptieren könne, wenn wir ein öffentliches Bekenntnis ablegen würden, dass wir aus „religiösen Gründen“ so handeln. Das ignorierte ich, denn es gab keine religiösen Gründe, sondern wir wollten unseren Kindern vermitteln, dass man auch leben kann, wenn man etwas „nicht mitmacht“.

Doch eines Tages hielt es die Lehrerin nicht mehr aus. In der Elternversammlung fragte sie mich, wann denn nun unsere Tochter endlich in die Pioniere einträte. Ich antwortete, dass ich keine Veranlassung sähe, hier darüber zu sprechen. Umgehend ging ich zum Direktor und beschwerte mich wegen Nötigung. Da die Ära der DDR sich schon dem Ende zuneigte – es grummelte schon in der Bevölkerung - , war der Direktor gezwungen, die Lehrerin zurecht zu weisen. Sie musste in Begleitung des Elternratsvorsitzenden, einem Offizier, zu einem Elternbesuch bei uns erscheinen, und sich entschuldigen. Das Gespräch war hoch interessant, lief aber in Wirklichkeit auf eine erneute Anklage gegen uns hinaus. Der Offizier war ungleich einsichtiger als die Lehrerin. Unser Standpunkt war, dass man sich nicht rechtfertigen muss für etwas, was man nicht macht, sondern dass man, im Gegenteil, mit einem Eintritt in eine Organisation ein Bekenntnis ablegt oder eine Entscheidung trifft. Ohne gegenseitiges Verständnis aber in freundlicher Manier gingen wir auseinander.

Schon ein Jahr später war alles obsolet, Pioniere gab es nicht mehr. Nachdem sich Grund- und Realschule voneinander trennten, wurde die besagte Lehrerin Direktorin der Grundschule. Wir hatten inzwischen schon nichts mehr mit der Grundschule zu tun, aber es kam doch noch einmal zu einer Begegnung. Diesmal waren wir Delinquenten. Unser unbändiger Sohn hatte mit einem Freund in einem Anfall von Vandalismus (vielleicht wollte er sich auch an der Schule rächen) den Schulgarten, der zur Grundschule gehörte, zerstört. Beete zertrampelt, Bohnenstangen ausgerissen. Wir mussten zu einer Aussprache mit dem Ordnungsamt, der Grundschuldirektorin und Lehrern, Insgesamt wurden wir sehr milde behandelt, unserem Sohn wurden soziale Strafstunden aufgebrummt.

Nie werde ich aber meine Verblüffung vergessen, als die ehemalige Klassenlehrerin unserer Tochter folgendes sagte: „So lange haben wir uns die Freiheit gewünscht! Jetzt haben wir sie. Aber man darf sie nicht missbrauchen.“

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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