Freitag, 22. März 2024

„The Zone of Interest“

Schon 2012 schrieb ich https://luftreich.twoday.net/20120722/ über einen Artikel in einer tschechischen Zeitschrift, in dem „Sensationen“ über den Reichsprotektor Heydrich in der deutschen Besatzungszeit „enthüllt“ wurden. Es wurde eine „andere Seite“ von ihm gezeigt, nämlich sein Sohn schwärmt davon, wie schön die Zeit war, als die Familie Heydrich auf Schloss Panenské Břežany über die „Tschechei“ herrschte.

Das fiel mir ein, als ich von dem Film „The Zone of Interest“ hörte. Ein Film über das Vernichtungslager Auschwitz, mal aus einer ganz „anderen Sicht“. Der die „idyllische“ Seite der Familie Höß zeigt und den Zuschauer dazu bringen soll, sich als Gegensatz (bzw. sogar als Spiegelbild, wie eine Kritik schrieb), die Schrecklichkeit und die Bestialität von Auschwitz vor Augen zu halten. Es sollen die Gedanken Hanna Ahrends von der „Banalität des Bösen“ aufkommen. Die Zuschauer sollen zum „Nachdenken animiert“ werden.

Ich weiß nicht. Die Zuschauer können auch dazu gebracht werden, sich den schönen Garten vor Augen zu halten, wenn sie an Auschwitz denken. Die herrlichen Sonnenblumen! Dass Frau Höß Sinn für Schönheit und Natur hatte und eine hervorragende Gärtnerin war. So wie man auch sagt, dass Reinhard Heydrich ein guter Violinist war. Sie können lernen, dass schlimmste Mörder „ganz normale Menschen“ sind, die ihre Kinder lieben und ihre Kinder sie, dass eigentlich jeder das Zeug dazu hat, Kommandant von Auschwitz zu werden, wenn die Umstände dafür vorhanden sind. Man könnte auch sagen, Auschwitz sollte zu einem Pop-Erlebnis gemacht werden.

So wunderte ich mich nicht, als ich las, dass der Regisseur des Films, Jonathan Glazer, anlässlich der „Oscar“-Verleihung eine Rede hielt, die zum Inhalt hatte: Holocaust = Hamas-Überfall vom 7.10. = Israels Krieg gegen die Hamas. Er meinte, dass der Film gar nicht so um die Vergangenheit geht, sondern um die Gegenwart, um die „Entmenschlichung“ in der Gegenwart. Und hier setzt er IDF und Hamas gleich. Also ein Land, das sich dagegen verteidigt, dass seine Bewohner, sowie alle Juden auf der Welt angekündigterweise vernichtet werden sollen (Der „7. Oktober“ wird sich immer wieder wiederholen, verkündetete der Pressesprecher der Hamas), hätte den gleichen Status wie die unsägliche Mörderbande, die diese bestialischen Dinge getan haben. Gleichmacherei, wie man sie öfter erlebt. Der Regisseur sprach sogar davon: ……Israeli kapern sich den Holocaust, um die Besatzung zu rechtfertigen (Da liegt es nahe zu sagen: Glazer kapert sich den Hc. um durch Filme Gewinne und Preise einzuheimsen).

Dass jemand, der einen Film jener Art dreht, so eine Rede hält, passt irgendwie zueinander.

Samstag, 16. März 2024

Erlebnisse mit Israel-Fahne

Die Erlebnisse, die man selbst hat, sind immer interessanter als das, was man In Zeitschriften oder im Internet zu lesen bekommt. Das selbst Erlebte ist ja immer mit allerhand Facetten verknüpft, es weist auf die eigene Vergangenheit, schafft Assoziationen.

Seit einiger Zeit trage ich gut sichtbar auf meiner Oberbekleidung einen Israel-Aufnäher. Reaktionen darauf sind relativ selten, woraus ich schließe, dass der Israel-Gaza Konflikt im Bewusstsein der Bevölkerung nicht allzu präsent ist. Neulich sprach mich eine ehemalige Lehrerin meiner Kinder an, sie fragte, was der Aufnäher bedeutet. Ich antwortete: „Dort ist Krieg!“. Sie sagte mitleidig: „Ja, meine Mutter (eine Flüchtlingsfrau aus dem Osten nach 1945) hat gesagt: „Kind, Krieg ist das Schlimmste, was es überhaupt gibt!“ An dieser Episode gefiel mir, dass es der Frau überhaupt nicht einfiel, igendwie ideologisch oder aus einer erhöhten Position aus zu antworten, sondern sie sagte spontan, was ihr zum Thema Krieg einfiel.

In Berlin in der S-Bahn beugte sich ein Mann zu mir. Er wirkte etwas abgeschabt, schien Mitte 50 zu sein, er hatte einen osteuropäischen Akzent. Er stellte mir die Frage: „Sprechen sie hebräisch?“ Ich übersetzte für mich im Kopf, dass er mich wohl fragen wollte, ob ich aus Israel komme. „Nein“. Etwas unsicher zeigte er auf meine Fahne. „Aber was …..?“ I Ich sagte: „Sympathie!“. Man merkte, dass in seinem Kopf etwas vorging: „Ach, ich weiß, sie glauben an Jesus und halten zu Israel!“ (Er hielt mich anscheinend für eine evangelikale Christin – wobei er zwar etwas daneben lag, aber immerhin, es war eine Erklärung, und er war zufrieden). Interessant fand ich daran, dass es ein ganz neutrales Gespräch war, dass Dinge oft nicht so eindeutig sind, wie sie scheinen.

Donnerstag, 7. März 2024

Nachbetrachtungen zum Frauenweltgebetstag

In dem Buch „Jahrhundert der Wölfe“ von Nadeshda Mandelstam bemerkte die Schriftstellerin zum Thema „Antisemitismus“, dass dieser nicht von den „kleinen Leuten“ komme, sondern von den oberen Schichten gestreut würde. Ähnliches ging mir durch den Kopf, als ich mich in diesem Jahr mit den Unterlagen zum „Frauenweltgebetstag“ beschäftigte. Der „Frauenweltgebetstag“ wurde in diesem Jahr von christlichen Frauen Palästinas gestaltet. Zufällig, aber doch nicht ganz zufällig, denn der Gebetstag wird in jedem Jahr von Frauen einer verschiedenen Nation gestaltet. Entgegen dieser Regel wurde dieser Tag den palästinensischen Frauen schon ein zweites Mal zugestanden – das, was sie zu sagen haben, muss dem Komitee allzu wichtig gewesen sein. Was sie zu sagen haben war nichts anderes, als wie heftig sie unter der „Besatzung“ Israels leiden.

Nun, ich studierte das große Begleitheft, das vor dem 7. Oktober entstanden war und das kleine Heft, nach dem 7. Oktober noch schnell gedruckt, von dem man vorsichtshalber das Titelbild der Frauen mit Schlüsseln an Hals und Ohren (gezeichnet von einer Künstlerin, die einer Gruppe angehört, die für ihre antisemitischen Karikaturen bekannt ist), entfernt hatte. Der Inhalt der Texte, sowohl der Begleittexte als auch der von Frauen verfassten Texte war eine Dämonisierung Israels. Schikanen, getötete Menschen, die Mauer wurden beschrieben. Wenn es nur das wäre, aber es wurde systematisch alles verschwiegen, was zum Verstehen des Verhaltens Israels hätte beitragen können. Bombenbeschuss, Terrorattentate, Lynchmorde wurden gar nicht oder marginal erwähnt. Sehr viel war von „Nakba“ die Rede, wobei verschwiegen wurde, dass die Flucht und Vertreibung von Arabern 1948 eine Folge des Überfalls von 5 arabischen Staaten auf Israel waren. Der Text war garniert mit schönen Worten vom Frieden und von Liebe.

Wenn man sich mit den Heften beschäftigte, kam man zu dem Schluss: 1948 wurde der jüdische Staat gegründet und gleichzeitig 750 000 nichts ahnende Araber vertrieben und ihre von Olivenbäumen blühenden Dörfer zerstört. Ein Bild von Israel als Unrechts- und Willkürstaat wurde vermittelt. Dazu stelle ich mir die Frauen vor, die am Weltgebetstag teilnehmen. Ich kenne Frauen jener Art. Sie meinen es gut, sind aktiv und hören gern wohlklingende Worte. Geschichtlich sind sie nicht allzu sehr bewandert. Dazu sind sie sehr geneigt, das zu glauben, was „die da oben“, in diesem Fall also das Gebetstagskomitee ihnen vorgibt.

Selbstverständlich werde ich den teilnehmenden Frauen keinen Antisemitismus unterstellen, denjenigen, die solche Veranstaltungen organisieren aber durchaus. Sie dämonisieren den Staat Israel. Wenn man bedenkt, in welcher Situation das Land im Augenblick ist, wenn man bedenkt, was dem Land von Seiten Palästinenser angetan wurde, ist dieser Weltgebetstag eine Farce und eine böswillige Veranstaltung. Und das von einer Kirche, die von sich sagt, ihre Wurzeln lägen im Glauben des Volkes Israel.

Montag, 26. Februar 2024

Arye Shalicar und die Berlinale

Jeden Abend hören wir den Podcast von Arye Shalicar. Als Sprecher der israelischen Armee berichtet er täglich, wie der Kampf gegen die Hamas-Terroristen in Gaza voran geht. Doch er reflektiert auch, er berichtet, was zu ihm gesagt wurde oder was als X-Twitter zu ihm ´rüber kommt. Zum Teil sind die Ansichten der Leute so absurd, so gemein und unglaublich, dass Arye Shalicar die Erschütterung anzumerken ist. Aus allen möglichen Ecken kriechen heutzutage Antisemiten aus ihren Löchern, sei es hier in Deutschland, sei es in Südafrika oder aus dem fernen Brasilien. Bis hin zum Gebetstag der frommen Frauen, dem internationalen Frauenweltgebetstag, bewegen sich diejenigen, die Israel, die Juden verdammen und sie für die Wurzel alles Bösen erklären.

Ein ganz besonders makabres Ereignis war die Berlinale, das Filmfest in Berlin. In der Hauptstadt des Landes, das vor Jahrzehnten sechs Millionen Juden vergaste oder auf andere bestialische Weise ermordete, da wurde Israel zu anhaltendem Beifall an den Pranger gestellt und zum Mörderland erklärt. Täter-Opfer-Umkehr!

Immerhin – in der Zeit seit dem 7. Oktober, so schlimm sie war und ist, konnte man mehr über Antisemitismus lernen, als in der Zeit vorher. Obwohl der Antisemitismus in der Zeit vorher schon mannigfaltige Blüten trieb. Man wird so müde davon, man möchte sich abwenden, aber sie kriechen wirklich von überall hervor. So haben wir beschlossen, uns weiterhin nicht abzuwenden und haben einen Brief an Claudia Roth verfasst, den ich hier wieder gebe:

An Frau Claudia Roth
Sehr geehrte Frau Ministerin,
es ist unentschuldbar, was da in Sachen No Order Land auf der Berlinale geschah. Wenn ohne jegliche menschlich Hemmung "From the river to the see" gegrölt wird bzw. das Gegröle von den Veranstaltern zugelassen wird, dann ist das Ende der Verständnis-Fahnenstange für die dort tätigen Barbaren erreicht.
Und die Berlinale fällt in Ihren Zuständigkeitsbereich. Sie wird mit 13 Millionen an öffentlichen Geldern finanziert, analog zu der deutschen Finanzierung der Hamas zu Gaza, wie wir es inzwischen wissen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, sollte ich von keiner Stellungnahme Ihrerseits erfahren (wohlgemerkt nach den Documenta-Geschehnissen, ebenfalls von Ihnen mitfinanziert), dann sind Sie damit samt Ihrer Partei unwählbar geworden, und die Regierung, der Sie angehören, gehört dann möglichst bald in die Rumpelkammer der Geschichte.
Es ist unglaublich, was in Deutschland inzwischen möglich geworden ist, auch unter Ihrer Ägide. ………PC

Auch Arye Shalicar bekam eine E-Mail:
Hallo Arye,
wir hören Dir über Deinen Podcast mit meiner Frau zusammen jeden Tag gern zu, obwohl es sehr ernste Dinge sind, die Du dort behandelst.
Für diese authentische Berichterstattung aus Israel sind wir Dir sehr dankbar, denn gerade in Deutschland sind Deine Informationen und Deine persönlichen Ansichten vom hohen Wert!
Gestern fand ich es erschütternd, was Du über die Berlinale erwähnt hast, und das nach Kassel, und ich entschloss mich, sowohl an die Veranstalter als auch an die Ministerin Roth zu schreiben.
Vielleicht interessieren Dich die Zuschriften

Samstag, 17. Februar 2024

Leserbrief in Zeitungen

Der 7. Oktober 2013 war ein Schock. Nicht weniger schockierend war, wie die „Welt“ darauf reagiert hat. Es kommt so viel Bosheit und Gemeinheit zum Vorschein, so viel Judenhass, es scheint, als wäre dem Antisemitismus ein Tor geöffnet worden. Paradoxerweise wird gleichzeitig verkündet, dass man gegen Antisemitismus vorgehen muss und schiebt ihn gleichzeitig sozusagen durch die Hintertür herein. Das kann man besonders in Medien Tag für Tag erfahren. So kam mir ein Exemplar einer lokalen Kirchenzeitung in die Hände, in dem mittels eines Leserbriefs eine bösartige Tirade abgedruckt wird, die das Gleiche aussagt, was Herr Guterres schon verkündet hat: „Selbst Schuld!“ Hier meine Antwort darauf:

Liebe Redaktion der Kirchenzeitung,

Auch wenn ich weiß, dass Leserzuschriften nicht die Meinung der Zeitung widerspiegeln, so transportieren sie Meinungen, Ansichten und auch Gerüchte an ihre Leser. So das „Gerücht über die Juden“, das auch Antisemitismus genannt wird. In der Zuschrift von Herrn Ramm ist einiges enthalten, was weit über eine „Meinung“ hinausgeht. Der Jude als Brunnenvergifter, das war schon seit dem Mittelalter ein antisemitisches Stereotyp. Juden, die so schlimm sind wie die Nazis. Juden, die „selbst Schuld sind“ an dem, was man ihnen angetan hat. Geschichtsklitterung, die ein falsches bzw. unvollständiges Bild über die Entstehung des Staates Israel an die Leser weiter geben.

Nach der „Meinung“ von Herrn Ramm, ist es gut verstehbar, dass jüdische Kinder geköpft, verbrannt, vergewaltigt werden. Es ist die natürliche Folge des Hasses der Hamas-mörder, dessen Ursache Herr Ramm versucht zu erklären. Bitte, liebe Kirchenzeitung, erklären sie auch einmal, warum in der Nazizeit Juden vergast, verbrannt, entmenschlicht wurden. Welche verstehbaren Ursachen hat es damals gegeben? In den „Protokollen der Weisen von Zion“ kann man sicher einiges nachlesen.

Donnerstag, 8. Februar 2024

"Weltgbetstag der Frauen 2024"

Liebe Frau T.-M.

Ich wende mich an Sie als Leiterin des Frauenwerks der Nordkirche.

als Mitglied der evangelischen Kirche bekam ich das Vorbereitungsheft für den diesjährigen Weltgebetstag der Frauen in die Hand. Nach ausgiebigem Studieren bin ich zu der Meinung gekommen, dass darin Passagen enthalten sind, die bösartig, fehlinformierend und auch den Antisemitismus, der in der Kirche so beklagt wird, fördernd sind. Dass der Weltgebetstag an sich, aber besonders nach dem 7. Oktober, in dieser Art und Weise, veranstaltet wird, empfinde ich als beschämend. In meinem angefügten Schreiben (Blogeintrag 5.2.) gebe ich nähere Erklärungen dazu. Es wäre schön, wenn mein Schreiben im Frauenwerk Verbreitung finden wird und es eine Diskussion dazu gäbe.
Mit freundlichen Grüßen

Liebe Frau C.

vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme. Seit dem grausamen Überfall der Hamas auf jüdische Zivilist*innen am 7. Oktober 2024 wurde sich in vielen Weltgebetstags-Vorbereitungsgruppen und auf unterschiedlichen innerkirchlichen Ebenen intensiv über den diesjährigen Weltgebetstag ausgetauscht.
Dabei wurde nie das Existenzrecht Israels angezweifelt. Einer solidarischen Haltung mit den Israelis und einer klaren Positionierung gegen jede Form von Antisemitismus wurde stets Ausdruck verliehen. Gern sende ich Ihnen den Link auf unsere WGT-Info, der Sie unsere Stellungnahme entnehmen können.
Der WGT wird am 1. März sicher sehr unterschiedlich begangen – eng an die überarbeitete Gottesdienstordnung angelegt oder ganz unabhängig von der Vorlage als Friedensgebet, dass aller Opfer gedenkt – die jeweiligen Vorbereitungsgruppen entscheiden. Ich freue mich, wenn Sie die für Sie angemessene WGT-Form finden. Bitte melden Sie sich gern, wenn Sie eine Veranstaltung suchen.
Ich bin zuversichtlich, dass das Ziel des Weltgebetstages, sich für Frieden auf der Welt und für Gleichberechtigung für alle einzusetzen, auch in diesem Jahr gelingt.

Liebe Frau T.-M.

vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Anmerkung zum „Weltgebetstag“. Leider bin ich mit Ihrer Antwort nicht zufrieden gestellt. Mir geht es nicht darum, ob die Kirche das Existenzrecht Israels in Frage stellt oder nicht, sondern wie sie für eine breite Masse von Frauen/Menschen, die Informationen über Israel und seine Entstehung weiter gibt. Da gibt es an dem Begleitheft durchaus Zweifel. Die Tatsache, dass eine der betroffenen palästinensischen Frauen über die Bomardierungen in ihrer Kindheit berichtet, und dabei in keiner Weise, entweder von ihr oder über die begleitenden Informationen, zum Ausdruck kommt, wie der neu gegründete Staat 1948 von 5 arabischen Armeen überfallen wurde, sehe ich als Geschichtsklitterung an. Ebenso wird von jahrzehntelangem Terror, kriegerischen Überfällen und Raketenbeschuss auf Israel geschwiegen. So dass für die vielen Teilnehmerinnen am Weltgebetstag das Bild von Israel als brutalem Angreifer und Besatzer transportiert wird. Ich sehe den "Weltgebetag 2024" keineswegs als antisemitisch, aber als einen wackeren Transporteur von Antisemitismus.

Mit freundlichen Grüßen

Montag, 5. Februar 2024

"Weltgebetstag der Frauen" , oder: Wo war Machsom Watch am 7. Oktober?

Im Vorbereitungsheft auf den Weltgebetstag der Frauen 2024 (Frauen aus Palästina) werden verschiedene Aspekte des Lebens christlicher palästinensischer Frauen aufgezeigt. Eine Seite des Heftes ist dem Projekt Machsom Watch gewidmet, das sind israelische Frauen, die die Grenzübergänge zwischen Israel und palästinensischen Gebieten überwachen, um „Menschenrechtsverletzungen“ israelischer Grenzposten gegenüber Einwohnern von palästinensischen Gebieten zu dokumentieren. Wenn man sich das Vorbereitungsheft zum Weltgebetstag anschaut, dann kann man feststellen, dass das, was an der Grenze u Gaza am 7. Oktober geschah, Machsom Watch nicht als Menschenrechtsverletzung dokumentiert hat. Ein unbeschriebener „unfassbarer, grausamer“ Terroranschlag wurde im Heft erwähnt, während die so genannten „Menschenrechtsverletzungen“ von Israelis, zum Beispiel Tippfehler im Computer der israelischen Grenzsoldaten, ausführlich beschrieben werden.

Der noch andauernde Militäreinsatz Israels wird in dem Heft mit dem „unfassbar grausamen Terroranschlag“ auf eine Stufe gestellt. Nicht erwähnt dagegen werden die vielen Geiseln, die weiterhin in Hamas-Tunneln leiden, darunter sind kleinste Kinder. Lieber nicht beschrieben wird, was die Hamas mit Israelis (und auch anderen Volksangehörigen) angestellt hat: Verbrennen von Menschen bei lebendigem Leib, Köpfen von Babys, Verbrennen von Babys in Backöfen, Vergewaltigungen, Abschneiden von Gliedern und Genitalien, teilweise vor den Augen ihrer Angehörigen. Die Tatsache, dass im Vorbereitungsheft zum Weltgebetstag etwaige Schikanen von israelischen Grenzbeamten ausgiebig Beachtung finden, was am 7. Oktober in Israel begangen wurde, wie nebenbei und marginal erwähnt wird, kann ich nur so interpretieren, dass Juden für „Weltgebetstag“ keine Menschen sind, nicht der Erwähnung wert. Machsom Watch hat am 7. Oktober versagt, wird aber sein Versagen in Zukunft durch „höhere persönliche Risiken“ wieder gut machen, in dem es auf die Juden weiter aufpasst. (S.24)

Das Heft wurde größtenteils vor dem 7. Oktober verfasst, danach wurde es korrigiert. Gar nicht wissen möchte ich, was zuvor im Heft stand. Das Titelbild, mit der Frau mit dem Schlüssel, gezeichnet von einer Frau, die in einer Gruppe arbeitet, die für ausgesprochen antisemitische Karikaturen bekannt ist - man kann sie im Internet betrachten -, spricht für sich. Aber erwähnt wird im Heft weder vor noch nach dem 7. Oktober: ständiger Raketenbeschuss aus Gaza auf Israel, ständig wiederholte Terroranschläge innerhalb Israels. Das kann ich ebenfalls nur so interpretieren, dass diese Dinge für den Weltgebetstag keine Rolle spielen, weil sie ja Juden angetan werden.

Im Heft ist viel von Liebe und Frieden die Rede. Dagegen nicht von Wahrheit und Wahrhaftigkeit, die vollkommen zu vermissen sind. Ein falsches, verschwommenes und unvollständiges Bild zu zeichnen ist auch eine Lüge! So ist mehrmals von „Nakba“ die Rede. Die Sprecherin im Heft erzählt von schwerem Beschuss und Bombardierung in ihrer Kindheit (im Unabhängigkeitskrieg), was die Vorstellung hervorruft, dass Juden aus reiner Bosheit Araber bombardierten. Jeder, der die Geschichte nur ein wenig kennt, weiß, dass der auf UNO-Beschluss neu gegründete Staat Israel am Tag nach seiner Gründung von fünf arabischen Armeen angegriffen wurde und sich seiner bloßen Existenz wehrte. Warum wird diese Tatsache nicht benannt? Auf Seite 19 ist zu lesen, dass die Staatsgründung Israels für Palästinenser Vertreibung und Verlust von Heimat brachte. Hat die UNO den Arabern nicht etwa ebenso einen Staat zugesprochen, sie lehnten ihn aber ab und zogen den Krieg vor? Das bleibt bis heute so. War es nicht so, dass Araber damals in großen Mengen flüchteten, weil sie meinten, nach einem gewonnenen Krieg wieder zurückkehren zu können? Warum werden in dem Heft vollkommen unscharfe und verschwommene Geschichtsbilder geliefert oder kreiert? Zur Dämonisierung von Israel!

Der Weltgebetstag ist dem Leiden der christlichen Palästinenser unter israelischer Herrschaft gewidmet. Von eventuellen Leiden unter der Hamas, unter muslimischen Mitbürgern ist keine Rede, so kann man aus dem Heft nur schließen, dass das Zusammenleben zwischen Muslimen und Christen völlig unproblematisch ist. Warum ist die christliche Bevölkerung von Bethlehem im Lauf der Zeit von 80% auf 20 % gesunken? Hat Israel sie aus dem Land verjagt? Warum widmen die tapfer klagenden Christinnen in dem Vorbereitungsheft solchen Tatsachen kein Wort? Tragen Christinnen aus Bethlehem, nun in der Welt verstreut, auch einen Schlüssel um ihren Hals? Oder haben sie gar nicht erst die Hoffnung, wieder in das Haus ihrer Vorfahren zurückzukommen? Warum trage ich selbst eigentlich keinen Schlüssel um den Hals, um in das Haus meines Großvaters in Stettin zurückzukommen? Die ursprüngliche Fassung des Heftes mit dem Schlüssel am Hals der Palästinenserin spricht eindeutig die gleichen Drohungen wie die der Hamas an Israel an: „Wir kommen zurück und jagen euch ins Meer!“

Mit diesem moralischen Desaster macht der „Weltgebetstag“ gemeinsame Sache! Und verbreitet genau das, was als Antiisraelismus definiert wird (auch wenn er das bestreitet): Dämonisierung, Delegitimierung und das Anlegen doppelter Standards an Israel. An jenes Land also, in dem der christliche Glaube seinen Ursprung hat und von dem Christentum nicht zu trennen ist, wie es Paulus in Römer 11/18 schreibt: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“.

Mittwoch, 31. Januar 2024

Holocaustgedenktag 2024

Seit vielen Jahren ist es ein jährliches Ritual für mich, am 27.1. ins nahe Städtchen zu fahren, um an einer Holocaust-Gedenkstunde teilzunehmen. Auch wenn so etwas von manchem als leeres Ritual empfunden wird, als eine stereotype Kranzablegung. Das kann es durchaus sein. Besonders bei staatlich-offiziellen Veranstaltungen mag das der Fall sein. Aber was wäre, wenn es diese Rituale nicht gäbe? Wenn ich mit unserer kleinen Schar am Mahnmal in der kleinen Stadt stehe, stelle ich mir vor, wie viele Menschen dort in den Häusern sind, und sich nicht im Geringsten für die Gedenkstunde interessieren. Schon das ist eine Motivation, daran teilzunehmen. Außerdem bin ich neugierig, wie so etwas stattfindet, wer dabei ist, welche Beweggründe er dazu hat. Gerade in so einer kleinen Stadt, wo die Menschen sich kennen, ist das gut möglich.

Jedes Jahr am 27. Januar findet sich also eine kleine Schar von Menschen am Mahnmal des ehemaligen KZ-Außenlagers des Städtchens zusammen. Man ist wie eine Familie, die sich einmal im Jahr zum Familientag trifft. Die Schar der Teilnehmer ist geringer geworden, viele sind zu alt oder gar gestorben. Meistens wird die Kundgebung von dezenter Musik oder von Klezmermusik beschallt. Reden werden gehalten, Kränze an der Stelle wo viele Häftlinge begraben sind, und wo sich heute künstlerische Stelen und Namenstafeln befinden, niedergelegt.

Mahnmal

Der Bürgermeister der Stadt begann die Veranstaltung mit einer Rede. Er war ein distinguierter, recht sympathischer Herr, er wirkte glaubwürdig. Er sprach sehr persönlich zu den Leuten: schwer wäre ihm die Rede gefallen, eine schlaflose Nacht hätte sie ihn gekostet, seine Rede wäre ihm ein wichtiges Anliegen. Dabei könne er von sich behaupten, dass seine Familie in keiner Weise ins Nazigeschehen involviert gewesen sei, wenngleich Vater und Großeltern, nahe beim KZ Ravensbrück wohnend, sehr genau mitbekommen haben, was für schlimme Dinge damals geschehen sind. Er sprach von den „schlimmen Dingen“, die ja auch dieses Städtchen nicht unberührt gelassen haben, und es wäre sehr schlimm, dass nun schon wieder Schlimmes in Israel geschehe. Und auch in Gaza. Das, was in Gaza geschieht, wäre unverhältnismäßig

Dann betonte der Bürgermeister seine „bewusst christliche Haltung“, und aus dieser heraus müsse er sagen, dass man nicht nach dem Spruch. „Auge und Auge, Zahn um Zahn“ handeln darf. Man soll Versöhnung anstreben. Die Verurteilung des Rachegedankens (wie er es meinte) beschäftigte ihn sehr, er widmete ihm mehrere Sätze. Wie er die Rede beendete, weiß ich nicht mehr, denn ich war zu konsterniert. Das am 27.1.2024 ! Die Rede wurde mit verhaltenem Schweigen quittiert, was daran lag, dass wirklich nur wenige, ca. 40 Personen, der Rede zugehört hatten.

Später sprach der Pfarrer – mehr so in philosophischer Weise – und erwähnte einen Satz von Alexander Mitscherlich (in Abwandlung von Hölderlin), in dem vorkommt: „Die Deutschen sind Denker, aber keine Menschen“. Ich flüsterte meinem Begleiter zu: „Der Bürgermeister ist ein Mensch, aber kein Denker!“

Das muss man sich vorstellen: am Holocaustgedenktag, der dazu da ist, nicht zu vergessen, was einst Schreckliches Juden angetan wurde, belehrt der Redner die Juden, dass sie sich nicht wehren dürfen, dass sie alles über sich ergehen lassen müssen. Und das nach diesem Massaker, nach dieser furchtbaren Verwundung des Staates Israel. Man kann die Rede als eine Ermunterung zu einem neuen Holocaust interpretieren! Dazu der Hinweis, dass die Juden mit dem Gedanken der Rache leben (Auge um Auge), und da müssen wir ihnen sagen, dass wir als Christen da ganz anders handeln. Davon abgesehen hat er, auch wenn er sein Christentum betont, keine Ahnung, was diese Aussage „Auge um Auge“ bedeutet, nämlich damals die Abkehr von der Blutrache.

Alles, was er sagte, sagte er in tiefem Ernst, so wie jemand, der nach reiflicher Überlegung zu hehren Gedanken gekommen ist. Die Rede war ein eindrucksvolles Beispiel, wie jemand, der wohl kein böser Mensch ist, den Geist des Antisemitismus in sich aufnimmt und auch weiter verbreitet. So funktioniert es! Und dem Bürgermeister, der in einer schlaflosen Nacht nachgedacht hat, dem war nicht bewusst, dass er gar nicht gedacht hat, sondern dass „es in ihm gedacht hat“. Wirklich ein Musterbeispiel.

Später trat eine Bekannte auf mich zu, um mich zu begrüßen. Mit einem Blick auf meinen Israel-Aufnäher auf der Jacke, sagte sie spontan: „Du bist mit der Rede vom Bürgermeister doch sicher nicht einverstanden!“ , was ich bestätigte. Das heißt: Die Botschaft war eindeutig und gut erkennbar.

Warum ich nach dieser Rede ruhigblieb und nicht widersprach? Ich musste die Rede erst einmal „verdauen“, mir bewusst machen, was er da eigentlich gesagt hat. So kann ich nur mit einiger Verspätung auf die Rede reagieren.

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