Mittwoch, 10. Januar 2024

Ist es Antisemitismus, oder was ist es sonst noch? (Teil 1)

Ich denke, eine Erklärung für ein Phänomen kann man in der Regel nicht mit einem Begriff abtun, sondern es besteht aus einem Komplex von Ursachen, die man – so man es möchte -, auseinander dividieren kann. Wenn man ein Phänomen ergründen will, so lohnt es sich, Fragen zu stellen und man sollte es nicht mit einer meist nichts sagenden Erklärung, je nach Belieben, einordnen
.
So frage ich mich, wie man die Haltung der Bundesregierung zu dem augenblicklichen Gaza-Israel Krieg erklären kann. Selbstverständlich wurde der barbarische Überfall der Hamas hier verurteilt. Der Hamas-Überfall erinnerte doch zu sehr an das Verhalten der SS-Einsatzgruppen zur Zeit der Nazi-Herrschaft in Europa. Nicht nur jeden Juden töten, sondern das Maximum an Leiden und Erniedrigung noch in ihrem Sterben auszukosten. (Nicht umsonst wird in Israel der 7. Oktober als Hamas-Holocaust bezeichnet.) Diese Assoziationen sollten möglichst nicht hervorgerufen werden.

Als dann aber der UNO-Generalsekretär zur Kenntnis gab, die Israeli hätten ja selbst Schuld an ihrem Leiden und dabei sogar log, denn er sprach von einer Besatzung, die nicht existierte, da regte sich keine Stimme in der Bundesregierung. Im Gegenteil, Deutschland enthielt sich, bzw. verurteilte mit, als Israel für alles Mögliche verurteilt wurde. Warum verhält sich ein Land so, das von sich behauptet, Israels Sicherheit wäre „Staatsraison“? Gleichzeitig verkündete Deutschland, es würde jetzt seine Zuwendungen an Gaza um 50 Millionen Euro erhöhen. Das kann man angesichts der Zerstörungen in Gaza durchaus verstehen. Aber warum verbindet es die Zuwendungen nicht mit der Herausgabe der Geiseln, wo es doch angeblich die große Zuneigung für Israel hat? Warum will es seine Zuwendungen über die Institution UNRWA vergeben? Warum wird nicht erst einmal aufgearbeitet, wieso mit den üppigen Geldern der UNRWA, bei denen Deutschland einer der größten Geldgeber ist, ein derartiges Tunnelsystem, wie es jetzt zum Vorschein kam, errichtet werden konnte? Das muss mehrere Milliarden Dollar gekostet haben. Wurden diese einfach nur durch Spendensammeln erworben? Will man neue Gelder, nicht etwa für den Aufbau, sondern für einen neuen Unterbau von Gaza spenden? Warum wird so etwas nicht öffentlich und akribisch diskutiert, sondern das Geld wird einfach zugeschoben? Warum soll Israel nicht die Gelegenheit gegeben werden, seine Kriegsziele: Befreiung der Geiseln und Zerschlagung der Hamas zu Ende zu führen? Ja, die arme Bevölkerung von Gaza (die die Hamas immerhin gewählt hat und hinter ihr steht)! Warum macht Ägypten seine Grenzen dicht, obwohl der Gazastreifen einst zu ihm gehört hat (von ihm besetzt war!). Warum werden Gazabewohner nicht, ähnlich wie es mit der Ukraine gehandhabt wurde, für die Dauer des Krieges in anderen Ländern aufgenommen? Was hat A. Baerbock im Nahen Osten zu suchen, wenn sie sich nicht als erstes! für die Herausgabe der Geiseln einsetzt? Was ermächtigt Frau Baerbock zu sagen, jetzt, nach diesem Massaker müssen die Barbaren zur Belohnung einen Staat bekommen (2-Staatenlösung), den diese seit 75 Jahren sowieso ablehnen, und die selbst immer wieder verkünden, sie wollen gar keine 2-Staatenlösung, sie wollen nur einen Staat, nämlich ihren, und sie wollen jeden Juden verjagen und am liebsten töten? Das erklärte Ziel, palästinensischer Führer ist die Vernichtung Israels, und man kann das – wenn man nur hinhört -, immer und immer wieder hören. Und mit diesen Führern soll Israel die „2-Statenlösung“ praktizieren, also seinen eigenen Untergang sehend in Kauf nehmen? Wer so etwas will und so etwas fordert, muss von dem Wunsch bewegt sein, dass Israel vernichtet wird. Israel der einst von der UNO legitimierte Staat der Juden. Was ist Antisemitismus anderes?
(Fortsetzung folgt)

Mittwoch, 3. Januar 2024

In der Ukraine: Die Synagogenruine von Brody

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In Brody/Galizien traf unsere Reisegruppe auf eine große Ruine, eine Ruine mit dicken Ziegelmauern, Rundbogenfenstern, einem mit Rundbögen verzierten Dachaufsatz. Die Mauern waren zerborsten, ein Dach gab es nicht mehr, der offene Himmel schaute in den imposanten Quader. Im Inneren waren Ansätze von ehemaligen rituellen Gegenständen zu sehen.

Warum beeindrucken Ruinen mehr als schön restaurierte Gebäude, warum denkt man über Menschen mit einer gebrochenen Biografie mehr nach als über Menschen, deren Leben in glatten Bahnen lief, warum regen Zeitepochen, die voller Wirren und schlimmen Ereignissen waren, mehr zum Erinnern, Nachdenken und Überlegen als ruhige, friedliche Zeiten an?
Solche Gedanken hatte ich beim Anblick der Ruine der Synagoge von Brody. Sie muss einst ein mächtiger Bau gewesen sein. Der Mittelpunkt einer großen jüdischen Gemeinde. Jetzt war also nur noch die Ruine da, eine jüdische Gemeinde gab es nicht mehr.

Nach meinen Recherchen wurde die Synagoge 1742 gebaut und eingeweiht. Nach einigen Beschädigungen durch Brand ist sie 1935 noch einmal vollständig renoviert worden. In der Stadt Brody lebten zu Kriegsausbruch etwa 9000 Juden, für die die Synagoge der religiöse Mittelpunkt war. 1941 fielen die Deutschen in die Sowjetunion, also auch in Ostgalizien, das von der Sowjetunion besetzt (eigentlich damals polnisch) war, ein. Wie üblich widmeten sich die Deutschen vor allem der Ausrottung der Juden, wobei sie alles zerstörten, was zu den Juden gehörte. Die 9000 Menschen wurden in ein Getto gepfercht und später getötet. Die Synagoge wurde zerstört, Teile von ihr abgerissen. Nach dem Krieg, als die Sowjetunion in diesem Teil Galiziens herrschte, wurde die Synagoge als Lagerhaus genutzt, und sie zerfiel immer weiter.

Ich sah in der Synagoge nicht nur eine gewaltige Ruine. Ruinen sieht man an vielen Stellen. Gebäude, die nicht mehr benötigt und nicht mehr gepflegt wurden. An denen der Zahn der Zeit nagt: die Wettereinflüsse, das Ausbleiben von Pflege und Reparatur. Sie sind oft losgelöst von der übrigen Umgebung, sie künden von vergangenen Zeiten. Aber sie sind „ein Ding für sich“, das Leben geht ohne sie weiter. Hier aber kündete die Ruine der Synagoge von einer vergangenen und zerstörten Kultur. Von einem in Jahrhunderten gewachsenen Leben mit Ritualen, Religion, einer speziellen Lebensweise und Sprache. Die Ruine zeugt nicht nur von der einst lebendig benutzten Synagoge, sondern sie zeugt von den 9000 ermordeten Menschen, ja von den Millionen ermordeter Juden aus Galizien. Von ihrem einst gewesenen Leben. Liest man Bücher, die in der Zeit vor der Vernichtung spielen, dann erfährt man, wie fest gefügt das Leben der Juden in dieser Gegend war, oft waren es ein Drittel der Einwohner einer Stadt und mehr. Sie lebten nicht abgeschieden für sich, sondern sie waren fest in das gesellschaftliche Leben der Stadt integriert. Sie unterschieden sich durch Religionsausübung, durch Kleidung und durch ihre Sprache von der Umgebung, sprachen aber meistens auch die Sprache der sie umgebenden Menschen. Ihre Lebensweise korrespondierte mit der der Nichtjuden, das Leben war ein festgefügtes Ganzes.

Ihr Leben wurde weitgehend von der Religion bestimmt, und da war die Synagoge das Hauptsymbol, der Stolz der jüdischen Einwohner. Für jeden einzelnen Juden hatte die Synagoge seine spezielle Bedeutung. Jeder, der dort lebte, hatte seinen Platz, so wie für jeden Menschen alles an der Synagoge, das Innere wie das Äußere, so wie alle Details wichtig waren. Der Platz davor, der Weg dorthin, die Details der rituellen Gegenstände waren ebenso wichtig wie die Aufstellung und Reihenfolge der einzelnen Beter, welche im Stadtleben verankert waren und ihre Probleme und Anliegen mit in die Synagoge brachten.

Die Ruine ist nicht nur eine zerstörte und zerfallene Synagoge. Sie steht für eine zerstörte Welt, für eine unwiederbringliche Lebensform. Stellen wir uns die Zeit vor, als die Synagoge Mittelpunkt einer jüdischen Welt war, die mit der Ermordung ihrer Menschen für immer untergegangen ist.

Aber was ist über den Bruchteil der Menschen zu sagen, der nicht der Todesmaschinerie zum Opfer gefallen ist? Die wenigen Übriggebliebenen haben sich über viele Länder der Erde verstreut. Ein großer Teil von ihnen zog in das neu gegründete Israel. Aus der Asche, aus den Ruinen ist neues Leben erwacht. Wer auch immer den Staat Israel als „nicht gehörig“ ansieht, muss sich vor Augen halten, wie das Leben einst zerstört wurde, aber in ganz anderer Form neu erwacht ist.

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Synagoge im israelischen Kibbuz Ein Hanatziv

Donnerstag, 28. Dezember 2023

Hass – eine natürliche Empfindung, die der Beweis für die Schlechtigkeit des Gehassten ist

So scheint es mir, wenn ich mich über den Krieg: Israel-Gaza informiere. Ich erfahre: seit Jahren werden palästinensische Kinder zum Kampf und zum Hass gegen Israel trainiert. Ihnen wird eingeimpft, dass die Erfüllung des Lebens im Märtyrertot im Kampf gegen Israel läge. In so genannten Sommercamps werden die Kinder geschult. Im Umgang mit Gewehren, in Kampftechniken, z.B. im Kehle durchschneiden. Wenn man sie befragt, geben sie unverhohlen zu, dass sie „Märtyrer“ im Kampf um ihre Heimat sein wollen. Voll Erstaunen erfährt man, dass diese Schulungslager von internationalen Organisationen gefördert werden, besonders vom UNRWA, dem Hilfswerk der UNO einzig für Palästinenser, das märchenhafte Summen an Geld verschenkt, einer der größten Geldgeber ist Deutschland. Nicht nur in Lagern werden die Kinder geschult, sondern in ganz normalen Schulen, die zum großen Teil vom UNRWA betrieben werden, und in denen es Schulbücher gibt, deren Inhalt der „heldenhafte“ Kampf der Palästinenser gegen Israel ist.

Das kann man alles recherchieren, zur Kenntnis nehmen, sich vielleicht erinnern, dass es auch zeitweise in einigen afrikanischen Staaten modern war, dass Kindersoldaten töteten, es also kein Alleinstellungsmerkmal für palästinensische Kinder ist. Aber warum werden diese palästinensischen Aktivitäten monetär so von der ganzen Welt (repräsentiert von der UNO), und insbesondere von Deutschland gefördert? Ich erinnere mich an manchen Vortrag und manche Predigt, die ich im Lauf meines Lebens gehört habe: Israel unterdrückt die Palästinenser, es „sperrt sie ein“, der Hass der Palästinenser ist eine ganz natürliche Angelegenheit, eine Reaktion auf das große Unrecht, das ihnen angetan wird. Es kann geschehen, was will, diese Meinung wird nie entkräftet, ja, sie wird sogar bestärkt. Im Jahr 2005 zogen sowohl israelische Siedler als auch jeder israelische Soldat aus dem Gazastreifen aus. „Jetzt haben die Palästinenser endlich Land, das ganz und gar ihres ist, und aus dem sie (wie man sagte) ein neues `Singapur` oder Ähnliches machen können!“ Die Antwort waren Raketen auf Israel noch und noch. Dass Israel daraufhin Grenzen blockierte, damit nicht ganz so viel Waffen nach Gaza geschmuggelt werden, kann jeder verstehen, der sich vorstellt, dass sein eigenes Land ständig von der Grenze aus beschossen wird. Aber nein – das wurde so gedeutet: Gaza ist ein Freiluftgefängnis, die Menschen haben keine Bewegungsfreiheit, also müssen sie hassen und schießen.

Da scheint Hass die selbstverständlichste Angelegenheit zu sein, die nicht nur niemand in Frage stellt, sondern die als zwingend notwendig und verständlich dargestellt wird. Mir sagte eine Bekannte, als ich sie beim Lesen eines Buches über die Juden antraf: „Ich will mich jetzt mit dem Volk befassen, das überall, wo es auf der Welt ist, gehasst wird“. (Es war ein harmloses archäologisches Buch: „Die Quelle“). Ich sagte darauf nichts, aber ich dachte: Vielleicht ist es für das Wohlbefinden von vielen Ländern nützlich, wenn sie jemanden in ihrer Mitte haben, den sie hassen können. Dem sie alles Böse, was aus ihren eigenen Reihen kommt, in die Schuhe schieben können. Vielleicht ist es so, dass seit es Israel als Staat gibt, dass sich der Hass von denjenigen, die hassen wollen, auf Israel als Staat konzentriert. Das liegt keinesfalls an Israel, das liegt am Hass an sich, der sich ausbreiten will, und der sich seine Wege sucht. So z.B. in der Rückkehr alter Ritualmordlegenden. Nicht umsonst durfte Mahmoud Abbas dem Europäischen Parlament erzählen, dass in Israel Rabbiner die Regierung dazu auffordern, palästinensische Brunnen zu vergiften, und das Parlament klatschte heftig nach der Rede, die als „inspirierend“ empfunden wurde. Diejenigen, die gebetsmühlenartig die Ursachen des Hasses auf Israel verkünden, sollten sich hüten, denn sonst werden sie eines Tages gefragt, was denn die Ursache für den Hass der Deutschen war, der zum Holocaust führte.

Freitag, 22. Dezember 2023

Ein "Gaza-Monolog"

Der Krieg Israel-Gaza nimmt seinen Lauf. Täglich hören wir die Podcast-Berichte von Arye Shalicar, dem Sprecher der israelischen Armee, der in Deutschland aufgewachsen ist und dementsprechend auch deutschsprachige Berichte verfasst. Kombiniert mit anderen deutschsprachigen Berichten aus Israel im Internet können wir uns ein umfassendes Bild von den Ereignissen machen, wohl wissend, dass man in Wirklichkeit wohl kaum die Geschehnisse nachfühlen oder nachvollziehen kann.

Natürlich verfolgen wir auch, was „im Allgemeinen“ dazu gesagt wird. Die „Weltmeinung“, besonders in der westlichen Welt, insbesondere in den Universitäten positioniert sich – wenn man es so bezeichnen kann – für Gaza und gegen Israel. Im vorherigen Beitrag deutete ich ja schon an, dass dieses eindeutige „Für“ und „Gegen“ so seine Schwachstellen hat. Im Fall dieses Krieges wird jeder mitfühlende Mensch Mitleid mit der einfachen Bevölkerung des Gazastreifens haben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wo diese armen Leute hin sollen, wenn die Gegend nur aus zerstörten Häusern besteht. (Wobei ich mich immer frage, warum denn die „Brüder“ in Ägypten ihnen nicht ein wenig Platz machen können). Wenn ich Mitleid mit den Menschen in Gaza habe, dann bedeutet das aber nicht, dass ich nun „gegen“ Israel bin. Wenn ich mir vorstelle, dass das Land seit fast zwei Jahrzehnten ständig unter Raketenbeschuss liegt, vorwiegend aus dem Gazastreifen, dann verstehe ich vollkommen, dass die IDF konsequent dagegen vorgehen muss, und dass das, was im Augenblick geschieht, wahrscheinlich die einzige Antwort ist, die von der Hamas anerkannt wird.

Was ich überhaupt nicht verstehe, ist die große Liebe der westlichen Intellektuellen zu den Palästinensern. Denn – selbstverständlich mit Ausnahmen -, die Palästinenser entsprechen so gar nicht dem Idealbild, das sich friedens- und naturbewegte und oft linke Vertreter machen. Wenn man eine Weile im Internet „blättert“, dann entdeckt man palästinensische Führer mit hassverzerrten, dumpfen Gesichtern. Man sieht, wie Kleinkinder in Uniformen gesteckt sind, starrend von Spielzeugwaffen, und die schon im Kindergarten und erst recht in der Schule in Militärlagern im Kriegshandwerk geschult werden. Alle Frauen sind in Hijabs gehüllt, das ist auch nicht das, was dem Frauenbild eines freiheitlich gesinnten Menschen entspricht.

Einmal nahm ich an einer Veranstaltung von Studenten der Universität Greifswald teil. Einige junge Palästinenser trugen so genannte „Gaza Monologe“ vor, vier verschiedene Rezitatoren, die in ihren „Monologen“ viel über „Unrecht“, das ihnen geschah, klagten. Einige Araber, ausschließlich junge Männer, möglicherweise aus Gaza, waren eingeladen worden. Wenn sie von den Studenten nicht gerade mit weit ausholenden Umarmungen begrüßt wurden, waren sie in der Wartezeit meistens ihrem Smartphone überlassen. D.h., die Studenten schienen kein allzu großes Interesse an den von ihnen betreuten Rezitatoren zu haben.

Das nach außen gezeigte Mitleid, scheint mir einen anderen Hintergrund zu haben. Wenn es echtes Mitleid wäre, würde man Klagen und Monologe auch über schlimme Geschehnisse anderswo auf der Welt hören, vielleicht „Armenier-Monologe“ oder „Sudan-Monologe“. Mein Verdacht, die große Liebe zu den Palästinensern könnte eine Spätfolge des Holocaust sein: Jetzt zeigen wir, wie schlimm Israel handelt (dieses Argument habe ich schon mehrmals gehört)! Andererseits kann man die Argumente auch anderswo auf der Welt hören, nicht nur in Deutschland. Es muss mehr mit der Einstellung von „linken“ Vertretern zusammen hängen, die einen Sündenbock brauchen, auf den sie zeigen, weil sie die Ansprüche, die sie an die Welt stellen, selbst nicht verwirklichen wollen.

Freitag, 15. Dezember 2023

Auf der einen oder auf der anderen Seite

Das ist so eine festgefahrene Meinung: steht man auf der „Einen Seite“, dann hält man in jedem Fall zu dieser Seite, steht man auf der „anderen Seite“, dann findet man alles richtig, was die andere Seite tut und verkündigt. Irgendwann ist es so weit, dass man nichts mehr hinterfragt, was die jeweilige Seite tut. Wenn man sich die heutige Politik anschaut, dann kann man als Beispiel die AfD nehmen, die sagen kann, was sie will, und wäre es, dass die Erde rund ist, man muss auf jeden Fall ablehnen, was ihre Vertreter sagen. Und sei es ein Gesetz zum Schutz des Thüringer Waldes vor dem Bau von Windrädern, das AfD und CDU gemeinsam beschlossen, worauf der CDU ein Ruf zugewiesen wurde, als wäre sie die AfD höchstpersönlich. Es wurde als Skandal in den Nachrichten gebracht, dass beide Parteien gemeinsam gestimmt haben.

Als ich das hörte, fielen mir zwei Begebenheiten ein. Als Schülerin musste ich einen Aufsatz zu einem Zitat von August Bebel schreiben. Das Thema war: „Wenn mich meine Feinde loben, dann kann ich sicher sein, einen Fehler gemacht zu haben“. Ich schrieb dazu, dass ich mich nie von der Meinung meiner Feinde abhängig machen würde, und dass ich selbst entscheiden wollte, was richtig oder was falsch ist.

Eine sehr lustige Begebenheit, die dieses Thema streift, erlebte ich auf einer Israelreise 1993. Ich hatte mich einer christlichen Reisegruppe angeschlossen. Die Reise hatte ich auch dazu genutzt, 2 ältere deutschsprachige Juden, die bei uns Vorträge gehalten hatten, zu besuchen. Ansonsten hielt ich mich brav an das Programm der Reisegruppe und folgte ihr auch in die deutsche evangelische Gemeinde, um wiederum einem Vortrag zu lauschen bei dem es um die Arbeit der Kirchengemeinde in Jerusalem ging. Am meisten kam darin das Wort „Besatzung“ vor. Schließlich meldete ich mich und fragte, ob Palästina vor der „Besatzung“ ein eigener Staat gewesen sei oder wie das damals war. Die Vortragende, die wohl schon Erfahrung mit solchen vorlauten Fragen hatte, redete von da an viel gemäßigter.

Ich hatte damit wohl irgendein Stichwort gegeben, denn nach dem Vortrag trat eine Pfarrfrau aus der Reisegruppe an mich heran und sagte: „Wissen sie, wir als Deutsche dürfen uns da auf keine Seite stellen! WIR haben gleich gemerkt, dass SIE auf der anderen Seite stehen“.

0140

Samstag, 9. Dezember 2023

Guterres - oder das Gerücht über die Juden

Diesen seinen Ausspruch hörte ich direkt im Fernsehen, und mir lief es kalt den Rücken hinunter: „Die Angriffe der Hamas auf Israel erfolgten nicht im luftleeren Raum. Die Palästinenser leiden seit 56 Jahren an einer erstickenden Besatzung“. Ob Guterres nun ein Antisemit ist, weiß ich nicht, und es ist mir auch egal. Das, was er gesagt hat, hat aber eine antisemitische Tendenz: Die Juden haben selbst Schuld an dem Unglück, das ihnen widerfährt.

Eine Definition von Antisemitismus ist auch: `Er ist das Gerücht über die Juden´. Ein Mann in dieser Position wie Guterres muss über eine gewisse politische und historische Bildung verfügen. Wenn er in der Lage ist, so einen Satz vor einer großen Öffentlichkeit zu sagen, muss also Böswilligkeit dahinter stecken, er verbreitet Gerüchte über die Juden.

56 Jahre unter Besatzung? Warum 56 Jahre? War Palästina vor 56 Jahren ein Staat, den Israel überfallen hat? Wer herrschte vor 56 Jahren im Westjordanland, in Ostjerusalem, in Gaza? Waren Jordanier und Ägypter keine Besatzer? Und davor? Im gewissen Sinne England und davor war es die Türkei über Jahrhunderte. Warum wird das normalerweise verschwiegen, erst ab Israels Sieg im 6-Tagekrieg wird die Besatzung gezählt. Warum sind mehrere Ansätze zu einer Staatsgründung der Palästinenser nach den Friedensgesprächen 1993-95 in den Wind geschlagen worden? Wegen der Ablehnung der Palästinenser, die zu keinem Kompromiss bereit waren und Maximalforderungen stellten. In Medienberichterstattung wird meistens Israel unterstellt, es würde „immer wieder“ eine Staatsgründung Palästinas blockiert haben.

Israel wird als Besatzer dargestellt. Verschwiegen wird dagegen, dass es seit Jahrzehnten Terrorangriffen mit vielen Toten ausgesetzt ist, durchgeführt von Palästinensern. Dazu Raketenangriffe, hauptsächlich aus dem Gazastreifen, so dass eine Abriegelung von Gaza durchaus einen verstehbaren Hintergrund hat. Im Übrigen stellt sich die Frage: Wer hatte Gaza (vor dem Überfall der Hamas und dem darauffolgenden Krieg) besetzt? Wo haben sich die Besatzer aufgehalten, was haben sie bei der Besatzung angestellt? Meines Wissens hat sich seit 2005 kein Israeli mehr im Gazastreifen aufgehalten.

Guterres arbeitet also bei seinen öffentlichen Reden und Verlautbarungen mit Gerüchten. Er unterstellt Israel, dass es durch seine Existenz, die es auf „Besatzung“ gründet, die bestialischen Taten der Hamas (u.a. das Abschlagen von Köpfen von Babys) herausgefordert hat. Er verschweigt, dass die Hamasführer öffentlich erklären, dass ihr Hauptziel die Vernichtung Israels ist, und dass sich der „7. Oktober“ noch oft wiederholen wird. Es wäre geradezu selbstmörderisch, wenn Israel seinen Kampf gegen die Vernichtung der Hamas, die sich bewusst inmitten der palästinensischen Zivilgesellschaft aufhält, aufgibt. Das weiß Guterres, und darum ist das, was er öffentlich verbreitet „ein Gerücht über die Juden“.

Sonntag, 3. Dezember 2023

Über Rassismus

Wie manch anderes Schlagwort, so ist auch der Begriff Rassismus allgegenwärtig. Das ist aus dem Grund verständlich, weil inzwischen viele Menschen aus anderen Erdteilen in Deutschland leben. Wenn man sich im öffentlichen Raum bewegt, erlebt man ein „buntes“ Völkergemisch, besonders wenn man sich in Städten aufhält. Das trägt einerseits dazu bei, dass Vorbehalte abgebaut werden: ich erlebe oft Kinder verschiedener Hautfarben sehr unbefangen miteinander umgehen. Auch haben sich viele Menschen daran gewöhnt, dass ihre Arbeitskollegen eine andere Hautfarbe haben, und sie lernen sie als Arbeitskollegen schätzen. Es ist aber sicher so, dass es zu Situationen kommt, wo das „Andersartige“ in der fremden Persönlichkeit Anlass zu Streit und Auseinandersetzungen führt.

Ich denke jetzt nicht an den Rassismus, den man manchmal im Fernsehen erlebt, wenn sich gut geschminkte junge Frauen, manchmal mit Kopftuch, darüber beschweren, dass jemand sie gefragt hätte: „Wo kommen sie her?“ und sie über diesen „Rassismus“ untröstlich waren.

Neulich hatte ich ein Erlebnis, das mich sehr zum Nachdenken anregte, und bis heute habe ich es nicht verstanden. Ich fuhr im Bus. Alle Sitzplätze waren besetzt bis auf einen. Der Platz daneben wurde von einem ca. 12-jährigen Jungen belegt, der eindeutig ein schwarzes Elternteil hatte. Er gehörte zu einer Klasse, die anscheinend einen Klassenausflug machte. Mir fiel auf, dass die Kinder der Klasse munter schwatzten und kicherten. Der farbige Junge war davon ausgeschlossen. Im nächsten Ort stiegen weitere Kinder der Klasse ein. Keiner setzte sich neben den farbigen Jungen, sondern die neu Zugestiegenen setzten sich auf die Schöße ihrer Klassenkameraden. Der Junge wurde nicht etwa geärgert, es wurde nur nicht mit ihm gesprochen, er war einfach nicht vorhanden. Ob das an seiner Hautfarbe lag, weiß ich nicht, er mag ja auch gerade neu in die Klasse gekommen sein. Trotzdem fand ich es unmöglich, dass er wie eine Unperson behandelt wurde, zumal die Lehrerin ganz in der Nähe saß. Sie schien nichts mitzubekommen, weil sie ständig mit ihrem Handy beschäftigt war. Irgendwann raffte sie sich aber auf, und wies die auf dem Schoß sitzenden Kinder darauf hin, dass noch ein Platz frei ist. Jemand setzte sich dann dort hin, richtete aber seine Aufmerksamkeit ganz auf die anderen Klassenkameraden.

Irgendwann stieg die Klasse aus. Der farbige Junge stand auch draußen abseits, und die Klasse sammelte sich zum Ausflug. Das Rätsel habe ich nicht gelöst. Es gibt mehrere Gründe, warum der Junge von allen, einschließlich der Lehrerin, gemieden wurde (vielleicht war er stumm, aber dann hätte man sich gerade um ihn kümmern müssen). Aber einen latenten Rassismus, auch wenn er unbewusst war, konnte ich bei diesem Erlebnis doch erkennen.

Montag, 27. November 2023

Antisemitismus

So viel ist neuerdings vom „Antisemitismus“ die Rede, den es nicht geben darf. Mit dem Begriff Antisemitismus wird wie mit einem Gegenstand umgegangen, den man hin und her schiebt. Vorsichtshalber wird der Begriff nicht irgendwie definiert, so dass er beliebig eingesetzt werden kann. So viel steht nur fest: Dass der Titel „Antisemit“ eine große Beleidigung ist, die man weit von sich weist, egal was und wie man über Juden denkt und wie man handelt. Ein gutes Beispiel war der verstorbene Politiker Möllemann, der wie gebannt und fixiert auf Juden starrte (er ließ sich auf einem Wahlkampfplakat neben Ariel Scharon und Michel Friedmann abbilden), der auf die Frage, ob er Antisemit sei, sagte: wie könne er es sein als Präsident der deutsch-arabischen Freundschaft, die Araber wären doch Semiten. Diese Aussage lässt den Begriff „Antisemit“ in einem anderen Licht erscheinen.

Vielleicht kann man nach dieser Logik verstehen, warum Deutschland in der UNO am 9.11. 2023 an geradezu einem Verurteilungsmarathon gegen Israel teilnahm. Bei verschiedenen Resolutionen, die vom Verhältnis zu Palästinensern handelten, (immerhin die Palästinenser, die gut einen Monat zuvor ein grausamstes Massaker gegen Israel durchgeführt und 240 Geiseln in ihrer Gewalt hatten), stimmte Deutschland acht mal gegen Israel und einmal enthielt es sich der Stimme. Selbst als Ende Oktober in der UNO-Vollversammlung gegen Israels Krieg gegen Gaza gestimmt werden sollte - der Massenmord in Israel wurde nicht einmal erwähnt -, konnte Deutschland sich nicht dazu entschließen, dagegen zu stimmen. Es enthielt sich und war sehr stolz auf diese Haltung. Obwohl hier mehrmals gesagt wurde, dass Israel das Recht hat, sich zu verteidigen, konnte sich Deutschland nicht dazu entschließen, sich an Israels Seite zu stellen. Nach Möllemanns Logik wäre das so, weil Deutschland ja nicht antisemitisch ist, also ebenfalls auf der Seite der Semiten in Gaza steht.

Eine andere Erklärung wäre, dass sich die Voraussagen von George Orwell auf manchen Gebieten bereits durchgesetzt haben: - Krieg ist Frieden -, - Freiheit ist Sklaverei -, - Unwissenheit ist Stärke –

Das würde bedeuten: Israels Krieg gegen Gaza ist Krieg – Hamas (aus Gaza) Überfall auf Israel ist Frieden, Palästinenser, die in Selbstverwaltung leben, leben in Sklaverei - Gefangene der Hamas leben in Freiheit, palästinensische Kinder, die ihre Ferien in Militärlagern verbringen und in der Schule zum Mord an Israeli aufgerufen werden, erhalten Bildung - israelische Kinder mit ausgezeichneter Schulbildung leben in Unwissenheit,

Wenn man die Resolutionen der UNO verfolgt, dann kommt man durchaus zu dem Schluss, dass Orwells Prophezeiung sich erfüllt hat.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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