Freitag, 22. April 2016

Hommage an Hans Koschnik

Oder: Gespräche eines älteren Ehepaars beim Frühstück sind nicht immer ganz so trocken, wie man es in Sketchen von Loriot erleben kann.

So schildere ich jetzt einen Dialog an einem zufälligen Tag, dem 21. April, beim Frühstück. Die Protagonisten werde ich der Einfachheit halber X und Y nennen. Die Logik des Gesprächs stimmt nicht immer 100 %-ig, und ein gender spezialisierter Mensch wird wohl herausfinden, wer der Mann und wer die Frau ist:

Im Hintergrund laufen die Nachrichten:
X: „Was, der Koschnik ist gestorben? Der war doch Bürgermeister in Bremen. Ich kann mich an nichts Nachteiliges von ihm erinnern, der war in Ordnung!“
Y: „Ja, außer dass er Bürgermeister von Bremen war, das ist schon eine Unanständigkeit für sich. Ein Bürgermeister von Bremen kann nur anständig werden, wenn er daran arbeitet, sich und seinen Regierungsapparat abzuschaffen. Was meinst du, was es an Steruergeldern kostet, wenn man den Staat Bremen mit seinem Senat, Parlament, Staatsgerichtshof etc. finanzieren muss!“
X: „War nicht Dohnany auch Bürgermeister von Bremen?“
Y: „Niemals, der würde sich mit so einem vermickerten Bremen nicht zufrieden geben, denn der ist ein echter Hanseat!“
X: „Aber Bremen gehört doch auch zur Hanse, und außerdem war die Hanse ein reputierliches und wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen.“
Y: „Ein echter Hanseat kann nur aus Hamburg kommen. Und der wirtschaftliche Erfolg eines Hanseaten funktioniert so: Er spaltet am liebsten jeden Cent noch dreimal auf, und aus dem, was er dabei einspart, baut er sich die Elbphilharmonie“
X: „Das mag wohl so sein, aber der Koschnik, der war doch auch in Bosnien und hat da so viel gemacht, und ich habe nur Gutes über ihn gehört“.
Y: "Das stimmt, da hat er seine bremischen Sünden gut gemacht."

Nachtrag 1: Hans Koschnik war nicht nur in Bosnien aktiv, sondern er wurde dort auch tätlich angegriffen, er hat also nicht nur aus der Ferne für und mit den Bosniern gebetet, sondern stand mit seiner ganzen Person für sein Werk ein.

Nachtrag 2: Abends in den Tagesthemen holt die Frühstsücksteilmehmer die Realität ein. Das Leben von Hans Koschnik wird, mit schwarz-grauem Portrait abgebildet, blitzschnell gewürdigt. Danach darf der Zuschauer erfahren, welche nun wirklich bedeutende Persönlichkeit unsere Welt dank übermässigen Drogenkosums - dieses wurde aus Pietätsgründen verschwiegen -, verlassen hat, nämlich der Popsänger Prince. Dazu lieferte man einen Extrabeitrag mit viel Bunt und Glitter. Nicht verschwiegen wurde, dass er auch einmal unter widrigsten Bedingungen gesungen hat, dass er kompromisslos war, und dass er nach eingehender innerer Prüfung herausgefunden hat, dass seelisches Wohlbefinden für ihn viel wichtiger als Ruhm wäre. Der Beitrag endete mit: „Gänsehaut pur!“

Anschließend dachte ich darüber nach, ob die Tagesthemen diese beiden Persönlichkeiten in der geschilderten Weise gewichtet hatten, weil sie entweder davon überzeugt waren, dass die Wichtung stimmt oder weil sie meinten, ihr Publikum wolle das so sehen oder um die Menschen auf diese Weise vom Nachdenken abzuhalten. Oder weil sie es einfach nicht besser wussten. Oder weil ihnen alles egal ist, hauptsache Posten und Finanzen stimmen, was oft kein unerheblicher Gesichtspunkt des Handelns ist?

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