Sonntag, 16. Februar 2025

„Gerade wir als Deutsche ……………“

Ein oft gehörter Satzanfang, meistens eine Plattitüde, eine Floskel. Man hört sie immer wieder einmal, oft im politischen Betrieb oder im Journalismus. Oft ist er in Leserbriefen zu lesen, oft in Politikerreden zu hören. Das Ende des angefangenen Satzes kann dann so oder so ausfallen. Meistens hat dieser Satzanfang etwas mit der deutschen Vergangenheit zu tun, und meistens weist er in die Zukunft. Seltsamerweise wird das: `gerade wir als Deutsche` nie erklärt, man weiß wohl schon, was es zu bedeuten hat.

Was ist mit dem Satzanfang ´Gerade wir als Deutsche ´ gemeint? Eigentlich, so sollte man denken: ´Wir Deutschen haben einst unsägliche Verbrechen an Juden begangen, nun sollte das Einzige sein, was wir jetzt tun können, dafür zu sorgen, dass die Juden, die jetzt da sind, sicher und geschützt sind, dass wir uns für die Sicherheit des Staates, den sie sich nach dem Holocaust aufgebaut haben, einsetzen und helfen, diesem Staat eine friedliche Existenz zu gewährleisten.

Das hört sich gut an. In der Realität ist das Ende dieses Satzes oft ganz anders. Der Phantasie sind bei den Schlussfolgerungen aus dem Satzanfang keine Grenzen gesetzt. Z.B. „Gerade wir als Deutsche haben erfahren, zu welch bösen Dingen der Mensch fähig ist. Wir haben daraus gelernt, und darum lassen wir jetzt nichts Böses zu, schon gar nicht, dass Juden etwas „Böses“ anstellen“ (Oder, wie Henryk Broder sagen würde: …..gerade wir als Deutsche müssen Bewährungshelfer dafür sein, dass der Jude nicht rückfällig wird…“)

Oder: „Gerade wir als Deutsche sind die Ursache davon, dass so viele Juden in das „Land der Palästinenser“ „eingefallen“ sind, und darum haben wir die moralische Verpflichtung, den Palästinensern zur Seite zu stehen“.

Mir selbst wurde dieser Satz auf einer Israelreise gesagt, nämlich: „Gerade wir als Deutsche dürfen uns nicht auf die eine oder auf die andere Seite stellen. Wir haben gleich gemerkt, dass Sie auf der anderen Seite stehen! “, nachdem ich eine kritische Frage stellte nach einem Vortrag, der die „Unterdrückung“ der Palästinenser zum Inhalt hatte. Das war ausgerechnet in der deutschen evangelischen Gemeinde von Jerusalem. Schon seltsam, was deutsche Christen für Anliegen haben.

Jedenfalls wurde ich belehrt, dass „gerade wir als Deutsche“ da ganz neutral sein müssen. Aber warum? Ich konnte die Logik nicht erkennen, außer wenn man schon oft unlogische Sätze jener Art gehört hat. Es ist die Logik des Antisemitismus, der mehr oder weniger in manchen Leuten schlummert.  

Im Luftreich des Traums

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