Kampf gegen Windmühlen

oder:
Warum wende ich mich ausgerechnet gegen eine unscheinbare Notiz in der berlin-brandenburgischen Kirchenzeitung?

Bei der Feststellung gesellschaftlicher Phänomene habe ich einen Leitspruch, und der heißt:
“In unscheinbaren Episoden ist ein Kennzeichen einer komplexen gesellschaftlichen Realität zu erkennen.“ Allerdings soll in einer solchen Betrachtung keine Beliebigkeit herrschen, und man sollte in der Lage sein, die Kennzeichen zu deuten.
Wenn in einer Zeitung (Die Kirche Nr.20), die immerhin einen speziellen Leserkreis in einem breiten Einzugsgebiet hat, solch „unscheinbare“ Notiz zu lesen ist: „Jüdische Gemeinde: Dialogbeauftragter der bremischen Kirche ist Antisemit“, dann kann ich darin tatsächlich Antisemitismus erkennen.

Der Philosoph und Sozialforscher Theodor W. Adorno bezeichnet den Antisemitismus auch als „das Gerücht über die Juden". Genau dieses Phänomen ist in dieser Zeitungsnotiz zu erkennen: Eine Begebenheit, die nur unzureichend geschildert wurde, die aber beim Leser ein unbestimmtes, unangenehmes Gefühl den Juden gegenüber hervorruft. Darum habe ich mir die Mühe gemacht und ein zweites Mal an die Zeitung geschrieben. Denn ich möchte wissen, warum sie dieses und nicht etwas anderes in ihrer Rubrik schrieb oder ob es sowieso gleichgültig ist, womit sie ihre Seiten füllt.


An die Redaktion „die kirche“
Sehr geehrte Damen und Herren,

Am 15.5.2016 schickte ich einen Leserbrief an Sie. Es handelte sich um die Notiz in der Rubrik „Vermischtes“, die davon kündete, dass die „jüdische Gemeinde“ den Dialogbeauftragten der Bremischen Kirche für einen Antisemiten halte. In meinem Leserbrief habe ich mich dagegen ausgesprochen.

Nun erwarte ich nicht, dass jeder Leserbrief abgedruckt wird, also auch nicht der meinige. Das Thema Antisemitismus, das in der Rubrik etwas flapsig, dafür verschwommen angesprochen wird, sollte aber von Ihnen sensibel behandelt werden. Ich stelle es noch einmal fest: in der Rubrik wird ohne die geringste Hintergrundinformation unterstellt, dass die „jüdische Gemeinde“ - wen auch immer man sich darunter vorstellen mag -, einen „bremischen Dialogbeauftragten“, also einen honorigen kirchlichen Vertreter, als einen Antisemiten bezeichnet. Dass jener Dialogbeauftragte sich zuvor selbst in einem Brief als Antisemiten bezeichnet hatte, verschweigen Sie. Für mich ist so eine unscharfe Information selbst ein Stück Antisemitismus. Denn als Reaktion wollen Sie beim die Zusammenhänge nicht kennenden Leser hervorrufen: Was sich die Juden schon wieder erdreisten!

Falls es andere Beweggründe für die betreffende Notiz in Ihre Zeitung gibt, lassen Sie es mich bitte wissen. Ansonsten möchte ich Sie bitten, etwas vorsichtiger mit dem Thema Antisemitismus umzugehen, das Sie immerhin in diesem Fall selbst herauf beschworen haben.

Mit freundlichen Grüßen

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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