Der Professor aus Heidelberg (Teil 1)

Ob Heidelberger Professoren eine besondere Affinität zur Beschäftigung mit den Auswirkun-gen der Finanzwirtschaft entwickelt haben? Der als der „Professor aus Heidelberg“ bekannte Paul Kirchhof, Finanz- und Steuerrechtler, war 2005 für den Posten des Finanzministers vor-geschlagen und wollte das deutsche Steuerrecht radikal reformieren. Der andere, seines Zeichens ebenfalls Professor aus Heidelberg und zwar im Fach Theologie, Ulrich Duchrow, möchte am liebsten das Geld überhaupt abschaffen und sieht in ihm die Wurzel allen Übels in der Welt. Zu einem Studientag, den dieser hier in der Nähe in einem kirchlichen Bildungszent-rum hielt, fuhr ich trotz Warnungen von verschiedener Seite hin.

Ulrich Duchrow, der mich im Aussehen und Duktus an einen gezähmten und geglätteten Hans Christian Ströbele erinnerte, bestritt seinen Vortrag in mehreren Abschnitten, die jeweils von kleinen Fragerunden aufgelockert wurden. Sein Status war der eines Befreiungstheologen. Das zentrale Wort Jesu im Neuen Testament sei, man könne entweder Gott oder dem Mam-mon dienen. Um diese These rankte sich der gesamte Vortrag.

Der Vortrag beinhaltete erst einmal eine Auseinandersetzung mit Luther und seiner 2-Reiche Lehre. Darüber hinaus spielte das Thema „Befreiung“ eine Rolle. Der Gedanke an Geld durchwob die gesamten Ausführungen mit Sätzen wie: „In der Bank regiert der Gott Geld!“ oder Luther habe gesagt „Die Thora ist heilig, Mammon ist tödlich.“ oder mit Begrif-fen wie „gierige Raubtiere des Kapitalismus“, „Herrschaft des Geldes“. Das Aufkommen des Geldes vor Jahrtausenden sei eng verquickt mit der Professionalisierung des Kriegswesens. „Gier ist in Geld institutionalisiert“, damit meinte er insbesondere das Geld, das verbunden ist mit den Banken, den Zinsen und der Finanzwirtschaft. In dieser Hinsicht fühle er sich dem Propheten Mohamed verbunden, der das Zinswesen angeprangert habe, und überhaupt - wir, die wir das Gute wollen (worunter wohl das Gute in verschiedenen Religionen gemeint war), sollten zusammen halten. Als Demonstration lag auf einem Tischchen neben der „Bibel in ge-rechter Sprache“ ein Koran aus. Außerdem lagen da verschiedene Bücher aus, die man ausgerechnet für Geld kaufen konnte, einige (wohl des Professors Habilitationsarbeit in mehreren Bänden) waren mit jeweils 24,90 € ausgepreist, während sein Buch „Gieriges Geld“ stark verbilligt angeboten wurde.

Manches, was ich vernahm, ließ in mir Erinnerungen an den Inhalt des Staatsbürgerkundeun-terrichtes meiner Schülerzeit aufkommen. Beispielsweise verkündete U. D. folgende These: Der Kapitalismus könne historisch überwunden werden, weil er ja auch historisch gewachsen sei. Die „antiimperiale Zuspitzung“ des Neuen Testaments wurde betont, was mich wiederum an den proletarischen Internationalismus erinnerte. Interessant war die Annahme, dass die Abschaffung des Geldes nicht radikal und auf einmal erfolgen könne, sondern dass sie ein Fernziel in mehreren Etappen sei (so dass er seine Bücher noch für Geld verkaufen müsse, schlussfolgerte ich). Auch so etwas hatte ich im Schulfach „historischer Materialismus“ gehört. Demnach befanden wir uns damals in der Vorstufe namens Sozialismus, der nach wissen-schaftlicher Erkenntnis zwangsläufig in den Kommunismus münden werde.

Die Bemerkung des Professors, dass er mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung (welche der Partei der „Linken“ sehr nahe steht) zusammen arbeite, ließ mich manches besser verstehen. Interessant fand ich die Tatsache, dass sich der Vortragende kritisch bis hin zu abfällig über die Partei der Grünen äußerte: Grüne Ökonomie sei verlogen, weil sie kurzfristige Verbesserungen anbiete, die Menschen dadurch von einer radikalen Umkehr abhalte und deshalb das System stabilisiere. Das waren genau die Argumente, die Kommunisten einst gegen Sozialdemokraten angewandt hatten und sie deshalb Sozialfaschisten nannten. Auch der Anstrich von Wissenschaftlichkeit im Vorgehen - immerhin war der Referent ein Professor - erinnerte mich an die Wissenschaftlichkeit, die wir über den Marxismus vernommen hatten.

Kurzum, die Ausführungen schienen mir wie pure Ideologie zu sein.
(Fortsetzung folgt)

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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