Donnerstag, 26. Dezember 2024

Wie antisemitische Stereotype transportiert werden

Mir flatterte ein Heftchen ins Haus, das heißt „Welt-Blick“ und ist das Magazin der Berliner Mission. In diesem Heft fand ich einen Artikel: „Wer den Frieden will….“, verfasst vom Nahostreferenten, Dr. Simon Kuntze der auch Geschäftsführer des Jerusalemvereins ist. Mit dem Jerusalemverein hatte ich schon meine Erfahrungen gemacht. (Den Vortrag „Wem gehört das Heilige Land?“- eine reine Delegitimierung Israels) Der Artikel dreht sich weniger um Einzelheiten des Gaza-Kriegs, sondern er stellt Überlegungen an, wie mit Hilfe von betenden Christen Verständigung und Frieden geschaffen werden kann.
Der Artikel ist belanglos, man könnte über ihn hinweg lesen, er ist gespickt mit vielen schönen Worten, alles umkreist den Begriff „Frieden“.

Er fängt an mit einer Zeile eines Liedes, das in Israel (wohl nach dem 7.Oktober) oft gesungen wurde, übersetzt heißt es: „Bekriegt sie, schlagt sie“, das als Aufforderung zum Krieg gegen Gaza verstanden werden sollte, „ohne auf Zivilisten Rücksicht zu nehmen“.
So hätte Israel den Krieg gegen die Hamas beabsichtigt: „ohne dabei auf zivile Opfer Rücksicht zu nehmen“

Was dem Krieg voraus ging, das spielt bei Herrn Kuntze keine Rolle, da gab es mal so einen ominösen, nicht näher bezeichneten „7. Oktober“, der führte bei Israelis einfach nur zu Unsicherheit und zur Gleichgültigkeit gegenüber palästinensischen Zivilisten. Dass sich viele palästinensischen Zivilisten an den Massakern beteiligten, spielt wiederum für Herrn Kuntze keine Rolle. Insgesamt werden beide Seiten als etwa gleichwertig geschildert, die sich allerdings als Feinde wahrnehmen. Dass genau in den verwüsteten Orten am Gazastreifen viele „Linke“ Israeli lebten, inzwischen sind sie zum großen Teil tot, die sich ausgesprochen aktiv den Palästinensern zugewendet haben und an gemeinsamen Projekten beteiligt waren, hat Herr Kuntze nicht wahrgenommen, ebenso nicht, dass vor dem 7.10. oft palästinensische Kinder in israelischen Krankenhäusern behandelt wurden, während in Gaza-Krankenhäusern Waffen gelagert und Kommandozentralen der Hamas eingerichtet wurden. Es ist eben einer wie der andere, beide von „Misstrauen und Polarisierung gekennzeichnet“.

Überhaupt wäre der 7. Oktober geschehen, weil die israelische Regierung nicht genug aufgepasst hat. Und nun wäre es Zeit, dass USA und Deutschland mehr Druck auf Netanjahu ausüben, der wohl das personifizierte Böse in der Region ist, denn andere Namen wurden nicht genannt.

Der Beschuss Iran-Israel wird so geschildert: „Israel und Iran beschossen einander mit Raketen“. Israel wird natürlich als erstes genannt, es hatte wohl einfach mal so Lust, Raketen auf Iran zu schießen. Vollkommen verschwiegen werden jegliche Drohungen, Israel auszulöschen, seine Bewohner zu vertreiben und zu töten, den „7. Oktober immer wieder zu wiederholen“. Verschwiegen werden Terrorattentate mit unzähligen jüdischen Opfern, meistens jungen Leuten, und dieser Terror fand in Israel statt in Zeiten, die man als „friedlich“ bezeichnet, verschwiegen werden ebenso die Geiseln.

Dagegen gestellt wird die christliche Praxis, um den Frieden zu beten, zu versöhnen und mit friedensbereiten Personen zusammen zu arbeiten.

Da frage ich mich bei der Friedfertigkeit von Christen: Warum schreiben sie in ihren Publikationen Artikel, die Israel dämonisieren, warum verschweigen sie punktgenau die Tatsachen, die zum Verstehen von Israel beitragen könnten? Warum verschweigen sie ebenso punktgenau Tatsachen, die ein realistisches Bild von Gaza und von den Palästinensern zeichnen könnten?

Kann man Simon Kuntze als Antisemiten bezeichnen? Wohl nein, und wenn, dann ist er sich dessen nicht bewusst. Aber solche Traktate kann man schon als antisemitisch bezeichnen, weil sie nach dem Motto: ´Steter Tropfen höhlt den Stein´ oder wie unterschwellige Kaufhauswerbung die Botschaft von den „unversöhnlichen“ Juden in die Welt posaunen. (Etwas wird beim Leser schon hängen bleiben).

Donnerstag, 19. Dezember 2024

Positionen von "Idealisten" Teil II

Um wieder auf UNO, Kirche und Linke zurück zu kommen. Sie wissen genau, wie es bei den Palästinensern zugeht, zu sehr verbreitet sind Berichte über ihre Lebensweise und Mentalität. Also ist ihre Liebe zum palästinensischen Volk wissend, bewusst und aus eigenem Antrieb. D.h., sie w o l l e n sich für Menschen einsetzen, die in hohem Maße gewalttätig sind, man könnte auch sagen mit „Schmuddelkindern“, die Terrorismus verherrlichen und ausüben, Kindersoldaten heranzüchten. Sie scheinen sich auch nicht für diese Menschen einzusetzen, um sie dazu zu bringen, eine moralischere und ethischere Lebensweise anzunehmen. Im Gegenteil, sie lassen durchblicken, dass das, was in dem Verhalten der „Schmuddelkinder“ nicht den ethischen Normen entspricht, eine Reaktion auf etwas viel „Schlimmeres“ ist. Jede Gewalttat der „Schmuddelkinder“ ist gerechtfertigt, denn „sie leben nicht im luftleeren Raum“.

Ich sehe den Papst betend vor einer Krippe mit einem so genannten Palästinenserkind, das auf einer Kufiya liegt, einem Symbol für den palästinensischen Kampf, der wiederum durch unzählige Attentate mit tausenden jüdischen Toten gekennzeichnet ist. Der Papst betet nicht ein Jesuskind an, das Stifter einer Religion der Nächstenliebe und Erlösung ist, sondern ein Jesuskind, das auf einem Symbol für Terrorismus liegt, also er betet den Terrorismus an. Das kann kein Versehen sein. Der Papst unterwirft sich dem Zeitgeist und verliert dabei alle Hemmungen.

„Linke“ sind tatsächlich für Gerechtigkeit und Gleichheit. Dass es in der Praxis von Linken in allen Epochen ihres Wirkens so aussah, dass es „Gleiche“ gab, nämlich die Mehrheit der Menschen und diejenigen, die „gleicher als die anderen“ waren und dementsprechend über Privilegien verfügten, das weiß man aus der Geschichte. Dass „Linke“ sich von den Palästinensern angezogen fühlen, kann man auch so erklären, dass bei Letzteren das gleiche Prinzip herrscht, dass diejenigen, die über hohe Privilegien verfügen, erhoben sind über die Masse der verarmten Menschen. Die Liebe zur Gewaltanwendung mag die Linken auch anziehen.

So kann man feststellen, dass diejenigen Vertreter, die sich am meisten vom Verhalten der Palästinenser angezogen fühlen, Gruppen sind, die sich als idealistisch bezeichnen. Warum das so ist, darüber müsste man nachdenken und käme zu dem berühmten Orwell-Zitat: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“

Anmerken möchte ich noch, dass es in all diesen Gruppen, auch bei den Palästinensern, Menschen gibt, die ihre Ideale auch wörtlich nehmen und leben. Sie dringen nur nicht so nach außen.

Samstag, 14. Dezember 2024

Positionen von "Idealisten" (Teil I)

Die UNO ist ein Gremium voller schöner und wohltönender Worte: Menschenrechte, Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit, Frieden, Wohltätigkeit. Das sollte überall auf der Welt verwirklicht werden.

Die christliche Kirche, evangelisch und katholisch, ist geradezu die Verkörperung des Guten auf der Welt, Ihr Anliegen ist Liebe, Barmherzigkeit, Güte, Erleuchtung, Wohltätigkeit, Zuwendung zum Mitmenschen.

Die linke Bewegung ist für die Gleichheit aller Menschen, Solidarität, Gerechtigkeit. Um so erstaunlicher ist, dass nun gerade diese Gruppierungen ihre große Liebe den Palästinensern erweisen.

Palästinensische Führer sagten, sie wollen „7.Oktober immer wieder wiederholen“, also Israeli erschießen, verbrennen, vergewaltigen. Ist das im Sinne der oben genannten Begriffe? Im Internet kann man Fotos sehen von kleinen Kindern, die schwer bewaffnet sind, die als Kinder in den Ferien zu Soldaten ausgebildet werden. Ist das im Sinne von UNO und Kirche? Demokratie gibt es in Palästinensergebieten nicht, 18 Jahre ist die letzte Wahl her. Ungleichheit herrscht, man kann hier und da Bilder von Villen von Gaza-Prominenz sehen, auch liest man über massive Korruption. Frauenrechte gibt es nicht einmal im Ansatz.
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Eine mögliche Erklärung zu dieser Diskrepanz finde ich in einem kleinen Aufsatz, den ich vor einigen Jahren schrieb:

Ich hörte morgens im Radio eine christliche Ansprache des Theologen F.St.: Er hatte sich zum Thema „Schmuddelkinder“ gemacht, also gewalttätige Jugendliche, die er nicht verurteilen wolle. Er versuchte Verständnis für sie zu wecken, klar zu machen, dass sie Menschen mit Sehnsüchten wären. Er sagte, dass gewalttätige Menschen auch Menschen mit einem Namen sind, die Träume haben, wahrgenommen werden wollen, die Anerkennung suchen. Die sich selbst spüren möchten. Die Menschen, die die Taten der Schmuddelkinder am eigenen Leib spüren müssen, waren ihm keiner Erwähnung wert, sie waren reine Objekte.

F. St. Erweist sich als Ideologe. Mich schaudert es. Diese Geisteshaltung ist der Stoff aus dem Diktaturen hervor gegangen sind. Er hat sich ja nicht für ein bestimmtes Schmuddelkind eingesetzt, das aus diesem oder jenem Grund diese oder jene Gewalttat begangen hat. Das zu seinem Opfer in eine bestimmte Beziehung getreten ist, sich mit seinem Opfer und das Opfer mit ihm auseinandersetzen muss. Im Leben ist es so, dass es eine Verflechtung und Verschlingung der einzelnen Menschen gibt. Aber hier war es so, dass F.St. im luftleeren Raum seine Größe beweisen will, indem er gemeinsame Sache mit Verbrechern macht. Er selbst hat ihnen ja keine Namen gegeben, sondern führt sie unter der Sammelbezeichnung Schmuddelkinder an. Also er stellt sich nicht als Mensch auf die Seite eines Menschen, sondern er stellt sich allgemein auf die Seite von Gewalttätern. Für die Lösung des Problems, wie man mit Gewalt umgeht, fand er die Patentlösung von Linken: Wir brauchen eine andere Gesellschaft.

Solche wie F.St. finde ich schlimm. Die gelten als Koryphäen, sehen sich auch selbst als solche und betreiben Gehirnwäsche. „Ich habe F.St. gehört, es war hoch interessant“. Etwas bleibt immer hängen. Wenn man näher hinschaut, ist F.St. nicht aus sich selbst entstanden, sondern er verinnerlicht eine gesellschaftliche Haltung. Auch die Nazis – sie wurden im Hintergrund auch mal erwähnt -, waren schlimme Menschen. Sie waren Gewalttäter, also Menschen mit einem Namen, mit einer Identität, die sich spüren wollten, Träume hatten. Was für Träume sie hatten und auf welche Weise sie sich spürten, darüber kann man in Geschichtsbüchern nachlesen. Es ist ganz einfach: F.St. sieht nur die Gewalttäter als Menschen an, für die man Verständnis haben muss, die anderen sind Objekte.
(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 5. Dezember 2024

Auf einer Israelreise (II)

Bei meiner ersten Israelreise 1993 mit einer christlichen Reisegruppe war ich umgeben von Pfarrern und christlichen Teilnehmern. Meine Vermutung, dass solche Menschen, deren Profession es ist, mit Begriffen wie Schuld und Vergebung umzugehen, großes Interesse daran hätten, sich dort mit der Vergangenheit und dem Verhältnis zu den Deutschen zu beschäftigen, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil, es war ihnen unangenehm. (immerhin waren sie fast alle in der Nazizeit junge Leute gewesen). Den obligatorischen Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem empfanden sie als Zumutung, was auch darin zum Ausdruck kam, dass hinterher kein einziges Wort darüber gesprochen, sondern munter über allerhand belanglose Dinge gelacht wurde. Die Skulptur von Elia auf dem Berg Karmel missbilligten sie, denn der hat ja immerhin 450 Priester getötet. (Ich fragte mich im Stillen, ob ihnen bewusst sei, wie viele Menschen in ihrer Jugendzeit von ihren Landleuten an einem Tag getötet wurden).


0192

Während dieser Reise hatte ich zwei private Besuche bei Israeli unternommen, die ich noch vor Öffnung der DDR-Grenze kennen gelernt hatte, was die Reisegruppe in einige organisatorische Umstände brachte, aber schließlich hatte alles gut geklappt. Über meine Besuche erzählte ich meinen Mitreisenden nichts, hauptsächlich weil ständig so ein angeregtes Geschnatter in der Gruppe zugange war, dass an meinen Erlebnissen kein großes Interesse bestand. Wahrgenommen hatten die Mitreisenden meine „Ausreißer“ durchaus, und das machten sie mir deutlich klar. Bei der (wie ich später feststellte) üblichen Gruppenindoktrination für christliche deutsche Israelbesucher in der deutschen evangelischen Gemeinde Jerusalem stellte ich einzig und allein die Frage: „Wie war es denn vor der israelischen Besatzung (von der ständig die Rede war), gab es damals einen palästinensischen Staat?“, worauf die Referentin sofort ihre Tonlage abmilderte. Nach dem Vortrag trat eine der Pfarrfrauen auf mich zu und gab mir einen Ratschlag. Und sie sagte: „Wissen sie, bei dieser Angelegenheit dürfen gerade wir als Deutsche uns nicht auf die eine oder auf die andere Seite stellen. WIR haben gleich gemerkt, dass SIE auf der anderen Seite stehen!“

So aussagekräftig dieser Ratschlag auch war - ich muss heute immer noch darüber lachen.

Sonntag, 1. Dezember 2024

Auf einer Israelreise

Meine Blogeinträge sollen nicht immer Auseinandersetzung mit aktuellen Themen sein, sondern sie befassen sich mit Ideologien - wie sie entstehen und wie sie sich auf Menschen auswirken. Möglichst gehe ich dabei von eigenem Erleben aus und spüre nach, wie dieser oder jener Gedanke entstanden ist. Fast mit Erschrecken stellte ich fest, dass sehr vieles, oft ganz Harmloses, mit der eigenen Geschichte bis hin zur Geschichte der Vorfahren zusammenhängt, selbst wenn man sich dessen nicht bewusst ist.

Da das Thema Antisemitismus aktuell ist - es soll ja viele Antisemitismusbeauftragte geben, bei denen mir nicht immer klar ist, ob sie für oder gegen Antisemitismus beauftragt sind, erzähle ich einige Anekdoten, die mir die Augen öffneten.

Meine erste Reise nach Israel machte ich 1993. Des Reisens ungewohnt wagte ich keine Individualreise, außerdem hatte eine gute Freundin, eine Pfarrerin, die Reise organisiert. Demzufolge waren Pfarrer und Kirchenmitglieder Teilnehmer der Gruppe. Viel Merkwürdiges habe ich dabei erlebt, viele Gesprächsfetzen, die an mein Ohr drangen. Eine Reiseteilnehmerin, ältere Pfarrfrau, die ich gern mochte und von der ich viel Gutes im Leben erfahren habe, stammte ursprünglich aus dem Sudentenland und war 1946 vertrieben worden. Diese Tatsache war ihr Lebensthema, auf das sie bei Unterhaltungen nach einer gewissen Weile immer wieder zurückkam. Unsere israelische Reiseleiterin war eine Jüdin, die 1938 gerade noch so mit ihren Eltern, ebenfalls aus dem Sudetengebiet, hatte nach Palästina fliehen können. Was ihr ohne die Flucht bevorgestanden hätte, weiß jeder. Auch unsere wirklich liebe Pfarrfrau wusste es und sprach es wohlwollend gegenüber der Reiseleiterin aus: „Da haben sie aber Glück gehabt, dass sie rechtzeitig geflohen sind“. Ich glaube, dieser Ausspruch war es, der mir für vieles die Augen öffnete und eine Kette von Gedanken in Bewegung setzte, die immer noch wirken.

Die gleiche Tatsache, die Heimat, das Land, in dem man aufgewachsen ist, verlassen zu müssen, soll für die eine ein großes Unrecht, für die andere „ein Glück“ gewesen sein. Zweierlei Maßstäbe anlegen nennt man das. Solch zweierlei Maßstäbe sind in der Gesellschaft so verinnerlicht, dass man sie kaum wahrnimmt.

Samstag, 23. November 2024

Ein Abend mit dem Schriftsteller Marko Martin

In der nahe gelegenen Stadt wurde zu einem Leseabend mit den Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In seinem neuen Buch „Und es geschieht jetzt“ hat er sich mit jüdischem Leben nach dem 7. Oktober beschäftigt. Ich kannte den Schriftsteller nicht, mir fiel aber ein, dass ich seinen Namen manchmal über Zeitungsartikeln gelesen hatte. So machte ich mich neugierig auf den Weg.

Der Schriftsteller – 54 Jahre alt -, stammte aus der ehemaligen DDR. Kurz vor dem Mauerfall war er mit seinen Eltern nach Westdeutschland übergesiedelt als so genannter Totalverweigerer. Das waren die Männer, die nicht nur den Wehrdienst in der Volksarmee verweigerten, sondern auch den Ersatzdienst. Wenn man in der DDR bewandert ist, weiß man, dass ein Totalverweigerer eine große Ausnahme dargestellt hat, und man nimmt ihm seine DDR-oppositionelle Haltung auf jeden Fall ab. Er kam in die Bundesrepublik mit „linken“ Idealen von Demokratie, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Ökologie und hatte aus der Ferne mit den linken westdeutschen Intellektuellen sympathisiert. Sehr schnell wurde er ernüchtert, diese Leute empfand er als oberflächlich, ideologisch und empathielos gegenüber dem Osten und gegenüber Israel. Die große Ernüchterung kam im Golfkrieg 1991. Er konnte es nicht fassen, dass der irakische Präsident Hussein angedroht hatte, Israel mit Giftgas zu überziehen (wozu deutsche Firmen Zutaten geliefert hatten) und gleichzeitig deutsche Jugendliche durch die Straßen zogen, die mit dem Motto „Kein Blut für Öl“ gegen den Golfkrieg protestierten, sich aber nicht im Geringsten um Saddam Hussein, sein Giftgas und seine Absicht, Israel zu vernichten, kümmerten. Genauso hatte ich es damals auch erlebt.

Marko-M-

Marko Martin, der sehr kontaktfreudig ist, lernte dann jüdische Schriftsteller kennen, durch sie kam er Berührung mit Leuten aus Israel, und er fühlte sich genau mit diesen Menschen auf einer Wellenlänge. Er hält sich oft in Israel auf. Der 7. Oktober und seine Folgen beschäftigen ihn unaufhörlich, so dass er schließlich ein Buch darüber schrieb.

An diesem Abend las er einige Passagen aus diesem Buch, erzählte über sein Leben und über seine jüdischen Freunde in Berlin und seine Freunde in Israel. Das Fazit war, dass diese Leute ziemlich resigniert sind. Die Juden in Berlin sind meistens in einem großen Freundeskreis vernetzt, aber jetzt wurden sie von vielen Leuten gemieden, keiner fragte, wie es ihnen geht, ja sogar Freundschaften wurden aufgekündigt (sie wurden für Gaza verantwortlich gemacht). Seine Freunde erzählten von ihren Ängsten, öffentlich hebräisch zu sprechen, ihre jüdische Identität vor dem arabischen Taxifahrer verbergen zu müssen, ihre Kinder zum Kindergarten zu schicken. Der Schriftsteller mischt in die persönlichen Erlebnisse auch Ereignisse, von denen er gehört hat, die sich in Berlin zugetragen haben, z.B. wie ein jüdischer Student von einem arabischen Studenten krankenhausreif verletzt wurde und die Universität sich schützend vor den Schläger stellte. Auch kommen immer wieder Reminiszenzen an die Mordtaten der Nazis in den 40-ger Jahren auf, die über die Vorfahren der Protagonisten noch deutlich im geschichtlichen Gedächtnis sind.

Der Lesung anschließend wurden Fragen gestellt. Das Schweigen der Gesellschaft gegenüber Juden wurde thematisiert: dem Schweigen folgt die Dämonisierung. Das schlechte Gewissen über den deutschen Völkermord an den Juden, lässt manche Deutsche zu dem Urteil kommen, dass diejenigen, die dem Völkermord entronnen sind, gemeint sind die Menschen in Israel, „auch nicht besser“, bzw. auch „Völkermörder“ sind. Marko Martin hatte zu allem eine entschiedene Haltung, verbarg aber nicht, dass er und die meisten seiner israelischen Freunde „Linke“ sind, die gegen die Netanjahu-Regierung protestieren.

Das Publikum, das aus etwa 30 Personen bestand, war zufrieden, es klatschte und kaufte sich das besprochene Buch. Man kann sagen: ein kleiner, positiver Punkt in dem schlimmen Spektakel. Wenn sich diese positiven Punkte nur häufen würden!

Donnerstag, 14. November 2024

Pogrom in Amsterdam

Es geschehen täglich Ausschreitungen und Hasskundgebungen gegen Juden oder gegen Israeli. Angeblich sind das alles Reaktionen auf den Gaza/Libanonkrieg, aber ich habe das Gefühl, das sind Handlungen, die ihren Selbstlauf nehmen. Auch wenn der Krieg vorbei sein wird, wird es diese Ausschreitungen weiter geben. Der Geist ist sozusagen aus der Flasche gelassen. Das liegt auch daran, dass antisemitischen Ausschreitungen sehr viel Toleranz von Seiten Regierung und Medien entgegen gebracht wird.

Die Ausschreitungen, das Pogrom in Amsterdam nach einem holländisch-israelischen Fußballspiel sind schon fast wieder in Vergessenheit geraten. Wenngleich dieser oder jener Politiker behauptete, er wäre „fassungslos“ darüber. Israelische Fußballfans, die ihrer Mannschaft nach Amsterdam hinterher gereist waren, wurden nach dem Fußballspiel gejagt, geschlagen, getreten, sogar in eine Gracht geworfen.

Es wird berichtet, dass die israelischen Fans durchaus auch nicht unschuldig waren. Eine palästinensische Fahne wurde von den Fans von einer Wand heruntergerissen, auch gab es Beschimpfungen gegen muslimische Jugendliche. In einer Zeitung wird das so bezeichnet:
Die antiisraelischen Ausschreitungen hatten eine „Vorgeschichte“. Die Jagd auf Israeli könnte man so eher verstehen.

Zufällig wurde ja zwei Tage später der 9. November als Gedenktag des Novemberpogroms 1938 begangen mit den üblichen betroffenen Reden von Politikern. Ob sich da einer vielleicht auch zu der Aussage verstiegen hat: ´Das Novemberpogrom hatte eine Vorgeschichte. Ein polnischer Jude hat den deutschen Diplomaten Ernst von Rath ermordet´?

Donnerstag, 31. Oktober 2024

Arye Sharuz Shalicar

Arye Shalicar ist Deutscher – Israeli – Iraner - ein Pressesprecher der israelischen Armee (IDF) und Podcaster über den leidigen Krieg in Israel für das deutsche Publikum
Sehr viele Menschen kennen ihn, manche sogar persönlich, viele haben seine Bücher gelesen, in denen er beschreibt, wie er als eingewanderter iranischer Jude in Berlin unter Arabern und Türken aufgewachsen ist. Wie er als Jude in Deutschland von verschiedenen Seiten Antisemitismus erfahren hat und schließlich nach Israel auswanderte. Seine Sprache ist einfach und direkt, er versteckt sich nicht hinter Floskeln, hat aber so viel erlebt, dass er Floskeln und geheuchelte Sprache erkennt.

Nachdem die Hamas am 7.10.2023 Israel barbarisch überfallen hat, wirkte er als Reservist, jedenfalls für einige Monate, in der Armee als Pressesprecher. Zu seiner Arbeit gehörte, dass er dank seiner Sprachkenntnisse und dank seiner Beziehungen zu Deutschland jeden Tag eine Sendung über die täglichen Kriegsereignisse für das deutschsprachige Publikum veranstaltete. Einige Monate berichtete er jeden Tag, was im Krieg zwischen Israel und seinen Feinden passierte, als der Krieg sich nun unendlich in die Länge zog, verlängerte er die Abstände zwischen den Berichten auf ca. 3 Tage. Ab und zu fliegt er in den deutschsprachigen Raum, hält Vorträge und erzählt authentisch über den Krieg in Israel.

Nicht nur, dass er den Hörern sehr detailliert über den Verlauf der Kämpfe zwischen der IDF und Hamas/Hisbollah berichtet, er versteht es sehr emotional, die Hintergründe nahe zu bringen, die Lage der Menschen in Israel zu beschreiben., und vor allem, die Situation der Geiseln lässt ihn nicht los. Durch Aries Berichte erfährt man, wie vielen einzelnen Menschen zumute ist, man ist sozusagen am Geschehen dran.

Nicht weniger emotional schildert er sein Erschrecken, seinen Abscheu und sein Unverständnis über das Verhalten vieler ausländischer Politiker und Presseleute gegenüber Israel. Dazu kann ich sagen, dass – so weit weg ich auch vom Geschehen entfernt bin -, ich dieses Entsetzen ganz und gar teile. Arye Shalicar (und ich und andere mit ihm) erkennt insbesondere im Verhalten der UNO nicht nur eine starke Israelfeindschaft, sondern auch eine Affinität zum Terrorismus (jedenfalls zum Terrorismus gegen Juden). Nie werde ich mein Entsetzen vergessen, gleich nach dem 7.10., als UNO-Generalsekretär Guterres erklärte, dass der Hamas-überfall „ja nicht im luftleeren Raum stattfand“, d.h., das Verbrennen von Menschen, Köpfen von Babys, Vergewaltigen hätte schon alles seine Ursache gehabt. Das macht man eben so, wenn man sich als „besetzt“ empfindet (wobei Gaza, woher Hamas den Angriff unternahm, nun einmal wirklich nicht "besetzt" war). Die Liste der „prominenten“ Namen von Antisemiten ist unendlich lang: Albanese, Borrell, Baerbock, Kouchner …….. Alle mit hohen politischen Ämtern ausgestattet, d.h. entsprechend sieht ihre Politik aus.

Mir gefällt, dass Arye Shalicar die Dinge so anspricht ausspricht, wie sie sind. Er versteckt sich nicht hinter einem Schleier von wohltönenden Worten. Er steht mit seiner ganzen Person hinter dem, was er sagt. Darum ist er für mich integer und glaubwürdiger als das, was man öffentlich rechtlichen Medien erfährt.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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