Deutsche Selbstgespräche zu Israel und Palästina (Teil 2)
Nach einer ausgiebigen Bewirtung kam es zum letzten Punkt der Veranstaltung, einer Podiumsdiskussion zum Thema: wie sieht es hier und heute mit dem Antisemitismus aus, und was wird dagegen getan? Daran nahmen teil: der moderierende Pastor, weiter ein Theologe, der Beauftragter der Kirche für jüdisches Leben ist, die Leiterin des Begegnungshauses, der Landesrabbiner, und eine ukrainische Jüdin, die in einer Meldestelle für antisemitische Vorfälle arbeitete. Aktiv machte bei der Diskussion ein Polizist mit, der eigentlich zum Schutz des Hauses abgestellt war, der sich aber interessiert unter die Teilnehmer mischte (was mir gut gefiel). Die Leiterin des Begegnungshauses, die auch Führungen für Schulklassen veranstaltet, erzählte, dass unmittelbar nach dem 7. Oktober die Anmeldung von Schulklassen rapide zurückgegangen war, offensichtlich weil man Angst mit der Berührung mit allem „Jüdischen“ hatte, und auch weil Lehrer aus Hilflosigkeit, keine eigene Meinung zum Konflikt zu haben, auf die Führungen verzichteten. Das hätte sich sehr geändert, denn inzwischen bestehe ein großes Interesse nach Informationen. Auch von der Universität kämen Anfragen. Der Polizist und ein Lehrer mischten sich ein. Die Frage kam, was denn die ganze Aufklärung nütze, wenn die Kinder zu Hause später etwas ganz anderes hörten. Dabei fiel der fragwürdige Satz des Lehrers, dass – wenn es nach ihm ginge – alle Kinder von AfD-Wählern in ein Internat gesteckt werden sollten. Vielleicht sollte es ein Scherz sein, in meinen Ohren klang es nach Totalitarismus. (In der DDR war die Internatserziehung Jugendlicher sehr verbreitet, weil man meinte, so besseren Einfluss auf sie zu haben.) Jemand sprach das gerade aktuelle Thema UNIFIL-Soldaten an und meinte, die UNO dürfe sich nicht so „auf der Nase herum tanzen lassen“. Ob er damit das Nicht-Handeln dieser Soldaten in den letzten Jahren meinte oder die Tatsache, dass die IDF mit UNIFIL ins Gehege kommt, war nicht ersichtlich.
Die beiden jüdischen Teilnehmer der Runde meinten, dass der Antisemitismus sehr zugenommen hätte. Sie erzählten von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen. Eine „Meldestelle“ für antisemitische Vorfälle, die die Frau leitete, darüber kann man geteilter Meinung sein. Da bin ich zu sehr DDR-geschädigt. Mir wäre statt einer Meldestelle lieber, tagsüber die antisemitischen Ergüsse in den öffentlichen Medien (übrigens auch in kirchlichen Medien) zu hören/lesen, zu dokumentieren und diese zu sanktionieren. Und Vorfälle in den Schulen: da sollten die Lehrer nicht „hilflos“ sein, sondern in der Lage, mit den Jugendlichen über eventuelles Fehlverhalten zu sprechen und nicht den Weg über Meldestellen zu nehmen.
Was überhaupt nicht zur Sprache kam, war eventueller Antisemitismus von Muslimen. Man hatte doch den Eindruck, sich in eine sterile Welt begeben zu haben, in der es politisch korrekt zugeht. Da sprach man lieber nicht Dinge an, die eventuell Ärger bringen würden, da die Veranstaltung von verschiedenen Fördertöpfen gesponsert wurde.
Insgesamt war es ein interessanter Abend, die vier Stunden vergingen wie im Fluge. Auch wenn der Inhalt nicht ganz zum versprochenen Thema passte, so ist es doch immer interessant zu erfahren, was verschiedene Leute zu solchen brisanten Angelegenheiten denken.
(Ende)
anne.c - 29. Okt, 08:34