Die Gründung des Staates Israel wäre aus drei Säulen hervorgegangen, er bezeichnete sie als Sekundärfolge der Shoa: Die starken Einwanderungswellen während der Nazizeit und nach dem Krieg. Weiterhin dem schlechten Gewissen der Welt und einer „Überidentifikation“ mit dem Leiden der Juden. Was er unter Überidentifikation verstand, konnte ich mir nur so auslegen, dass es etwas übertrieben war, den Juden wegen des Holocaust einen Staat zu gewähren. Dass die Shoa (wie er es sagte) etwas ganz Schreckliches war, dieser Meinung war er, allerdings begrüßte er die Gründung Israels nicht. Denn die war mit einer Vertreibung der Palästinenser verbunden, nämlich der Nakba. Dass die Palästinenser überwiegend vertrieben wurden und nicht etwa von arabischen Führern zur Flucht aufgerufen worden waren, das würde der israelische Historiker Ilan Pappe belegen, auf andere wissenschaftliche Erkenntnisse stützte er sich nicht. Warum 20 % der israelischen Einwohner Araber sind, ging daraus nicht hervor. Den Juden, die aus den Gebieten vertrieben wurden, die vorher in dem Teil des Landes wohnten, das nicht zu Israel gehören sollte und die dort bedeutende Kulturleistungen erbracht hatten, wurde kein Begriff wie Nakba zugestanden – vielleicht weil sie schon den Holocaust für sich reklamieren konnten. Er war der Meinung, dass es ein Skandal sei, dass die palästinensischen „Flüchtlinge“ bis heute in Lagern leben und von ihren arabischen Brüdern nicht integriert wurden.
Der Bischof vermied es, allzu konkret auf geschichtliche Details einzugehen. Man bekam aber mit, dass dieser Teil der Erde vor dem 1. WK zum Osmanischen Reich gehörte und danach von den Engländern als „britisches Mandat“ verwaltet und beherrscht wurde. Die Engländer hätten nach ihrem Abzug 1948 die Grenzen der Staaten, die neu entstanden, sehr willkürlich gezogen ohne Rücksicht auf die Befindlichkeiten der dortigen Volksgruppen. Das kollidiert meiner Meinung nach mit seiner Aussage, dass Land sowieso keine Erlösung bringt. (In dieser Beziehung wundere ich mich – ebenso wie bei Vorträgen und Aufsätzen anderer -, dass die Gründung anderer Staaten wie z.B. Jordanien (am 25. Mai 1946) als selbstverständlich und nicht der Rede Wert angesehen, während die Gründung Israels (am 14. Mai 1948) mit dem Nimbus von etwas, was sich nicht gehöre umgeben ist. Das hat der Bischof allerdings nicht wörtlich gesagt).
Einige Aussagen fand ich über der Grenze des Vertretbaren. Der Abzug von Gaza erfolgte 2005, und bis heute ginge die Abriegelung weiter! Kein Wort von Raketenbeschuss, kein Wort von der blutrünstigen Herrschaft der Hamas, von den Tunneln. Dann fiel der Ausspruch von den Bewohnern des Westjordanlandes, die nun schon 49 (!) Jahre unter Besatzung leben. Hatten sie vorher einen Staat, der ihnen vor 49 Jahren genommen wurde? Wer hat diesen Staat regiert, wer hat ihn ihnen genommen?
Dann folgte ein Überblick über die drei wichtigen Religionen der Region und ihre Geschichte. Der Islam gelte als antijüdisch, das wäre aber pauschal, denn der Islam hätte allerhand aus dem Judentum übernommen. Später wäre der Islam „kritisch“ gegen die Juden geworden. Ich weiß nicht ob er mit „kritisch“ das Abschlachten der gut 700 Juden durch Mohamed meinte oder die Passagen im Koran, dass man jeden Juden, dessen man habhaft werden kann, töten soll, denn davon wurde nichts gesagt. Dass im Alten Testament Verse stehen, die besagen, man solle alles Nichtisraelische ausrotten, das erwähnte er dagegen ausgiebig, las diese Verse vor und meinte, das Blut bliebe einem dabei stehen. Er sagte, dass später, bei den Propheten überhaupt nicht mehr so gesprochen wurde und dass das Judentum Fremdlinge als gleichberechtigt angesehen hatte. Es war also eine umgekehrte Entwicklung wie im Islam, aber das musste sich jeder selbst denken. Über die Christen im Heiligen Land gab er Auskunft, dass sie vor allen Dingen für ihre Gewaltlosigkeit bekannt wären.
Der Vortrag endete ziemlich abrupt. Der gastgebende Pfarrer dankte und lobte die Zuhörer für ihr stilles Zuhören. Die Zuhörer nahmen es sich zu Herzen und blieben weiterhin still, auch nachdem sie zu Fragen aufgefordert wurden. Ich hatte den Eindruck, die vielen Fakten haben sie erschlagen. So meldete ich mich zu Wort, fragte nach der Meinung zu den Gerüchten, dass bei palästinensischen Christen die Bestrebung bestehe, Jesus als einen Palästinenser für sich zu reklamieren. Das verneinte der Bischof kategorisch, er wusste nur, dass Jesus für einen Juden aus Palästina angesehen wird. Als die Zuhörerschaft weiter stumm blieb, fragte ich ob es wahr sei, dass christliche Palästinenser das Westjordanland verlassen und ob das auf Druck der israelischen Regierung geschehe. Der Bischof – immer lavierend – bestätigte die Fluktuation und meinte, dass die Christen starkem Druck von beiden Seiten, der jüdischen und der muslimischen ausgesetzt wären. Die übrigen Zuhörer waren weiterhin nicht zu Fragen animiert, und da ich kein Zwiegespräch halten wollte, enthielt ich mich weiterer Fragen.
Das Publikum klatschte brav und spendete ebenso brav für den Jerusalemverein.
(Ende)
anne.c - 8. Jan, 09:44
Da im letzten Beitrag die Links nicht funktionierten, werde ich den Beitrag, den ich schon vor einigen Jahren schrieb, noch einmal einstellen (in zwei Teilen). Ich empfand die Veranstaltung
damals als symptomatisch für die Einstellung vieler Kirchenvertreter in Deutschland. Der Artikel zeigt auch, dass es nicht der Gaza-Krieg ist, der in evangelischen Kirchen Abneigung gegen Israel hervor gerufen hat, sondern dass diese Abneigung verinnerlicht ist über Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte.
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Wem gehört das Heilige Land?
Diese Frage stellte sich der norddeutsche Bischof Abromeit, und da er anderen Menschen seine Gedanken mitteilen wollte, hielt er in verschiedenen Kirchengemeinden Vorträge darüber. Dank meiner vielfältigen Erfahrungen über die zwiespältige Haltung deutscher Christen zum „Heiligen Land“ hatte ich den Verdacht, bei so einem Vortrag Interessantes zu erfahren und fuhr in den Nachbarort um ihn mir anzuhören.
Die Veranstaltung fand in einem kleinen Kirchlein statt. Es war gut gefüllt, überwiegend mit Urlaubern. Ein Gastpfarrer aus Chemnitz hielt die Begrüßung und erzählte, dass er zu Hause den Vorsteher der jüdischen Gemeinde gebeten hatte, einen Vortrag über Israel zu halten, und dieser hätte abgelehnt, denn er wäre als Chemnitzer Jude nicht für Israel zuständig. Der Bischof, obwohl ein deutscher Christ, hielt sich durchaus berufen, in Deutschland die Geschichte Israels zu beleuchten.
Sein Vortrag war rhetorisch gekonnt, systematisch aufgebaut und vermied jede emotionale Aussage zum „Heiligen Land“. Der Vortrag strotzte von Zahlen und Daten, was die Besucher etwas verwirrte und ermüdete. Ein Fazit, wem nun dieses Land gehören würde, gab es nicht, und das Publikum blieb mit der Erkenntnis zurück: Es gibt keine einfachen Lösungen.
Kontinuierlich schimmerte durch den Vortrag der Eindruck, dass der Vortragende es nicht für gut befindet, dass Juden in Israel leben und ihren eigenen Staat haben, denn „Land bringt keine Erlösung“ und „Gott bindet sich nicht an ein Territorium“, so war seine Aussage. Viele nebenher ausgesprochene Bemerkungen ließen den Eindruck entstehen, dass Juden in dieser Gegend nicht unbedingt zu Hause sein sollten, denn im 19. Jahrhundert lebten dort nur 17 000 Juden, dagegen 400 000 Araber. Nach mehreren Einwanderungswellen lebten bei der Staatsgründung 1948 600 000 Juden auf dem Gebiet. Dass zu Ende des 19. Jahrhunderts die Idee des Zionismus, den er offensichtlich missbilligte, aufkam, sah er in der Entfremdung zwischen Juden und Christen, in der Entfremdung der Ost- und Westkirche und in dem Aufkommen der Nationalstaaten. Ganz logisch waren der Inhalt des Vortrags und die Begründungen nicht. Der Begriff Antisemitismus wurde vermieden.
Der Bischof meinte, der Zionismus hätte einen Geburtsfehler, denn dieser strebe eine jüdische Parallelgesellschaft an in der nur Juden lebten, während in alter jüdischer Zeit, zur Zeit des alten Testaments, viele Völkerschaften auf dem Gebiet gelebt hätten. Wie viele Araber und andere Völkerschaften auch heute in Israel leben, wurde vorsichtshalber nicht erwähnt. Mehrmals fiel der Begriff: „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“, er sagte aber nicht, dass dieser Satz von christlichen Autoren (höchstwahrscheinlich Lord Shaftesbury) geprägt wurde und nicht die Richtschnur für jüdische Einwanderer war.
Obwohl der Bischof seinen Vortrag systematisch mit Punkten und Untergliederungen aufbaute, herrschte innerhalb der Punkte wenig Logik, ja sogar Missverständliches. So erzählte er einfach mal zwischendurch, dass sich die jordanische Königin und Frau Netanjahu auf dem Nahostgipfel 1996 unterhielten, und die Königin meinte, die Israeli würden die Araber nicht anerkennen, worauf Frau Netanjahu antwortete: Wir brauchen doch die Araber als Arbeiter! Das sollte vielleicht eine Begründung dafür sein, dass viele Araber in Israel leben oder eine Begründung für etwaige Missachtung der Araber, uneingedenk der Tatsache, dass viele Araber in Israel freier leben als in jedem arabischen Land, und dort ihren Wohlstand und ihre Lebensgrundlage haben. (Fortsetzung folgt)
anne.c - 4. Jan, 19:15
Mir flatterte ein Heftchen ins Haus, das heißt „Welt-Blick“ und ist das Magazin der Berliner Mission. In diesem Heft fand ich einen Artikel: „Wer den Frieden will….“, verfasst vom Nahostreferenten, Dr. Simon Kuntze der auch Geschäftsführer des Jerusalemvereins ist. Mit dem
Jerusalemverein hatte ich schon meine Erfahrungen gemacht. (Den Vortrag „
Wem gehört das Heilige Land?“- eine reine
Delegitimierung Israels) Der Artikel dreht sich weniger um Einzelheiten des Gaza-Kriegs, sondern er stellt Überlegungen an, wie mit Hilfe von betenden Christen Verständigung und Frieden geschaffen werden kann.
Der Artikel ist belanglos, man könnte über ihn hinweg lesen, er ist gespickt mit vielen schönen Worten, alles umkreist den Begriff „Frieden“.
Er fängt an mit einer Zeile eines Liedes, das in Israel (wohl nach dem 7.Oktober) oft gesungen wurde, übersetzt heißt es: „Bekriegt sie, schlagt sie“, das als Aufforderung zum Krieg gegen Gaza verstanden werden sollte, „ohne auf Zivilisten Rücksicht zu nehmen“.
So hätte Israel den Krieg gegen die Hamas beabsichtigt: „ohne dabei auf zivile Opfer Rücksicht zu nehmen“
Was dem Krieg voraus ging, das spielt bei Herrn Kuntze keine Rolle, da gab es mal so einen ominösen, nicht näher bezeichneten „7. Oktober“, der führte bei Israelis einfach nur zu Unsicherheit und zur Gleichgültigkeit gegenüber palästinensischen Zivilisten. Dass sich viele palästinensischen Zivilisten an den Massakern beteiligten, spielt wiederum für Herrn Kuntze keine Rolle. Insgesamt werden beide Seiten als etwa gleichwertig geschildert, die sich allerdings als Feinde wahrnehmen. Dass genau in den verwüsteten Orten am Gazastreifen viele „Linke“ Israeli lebten, inzwischen sind sie zum großen Teil tot, die sich ausgesprochen aktiv den Palästinensern zugewendet haben und an gemeinsamen Projekten beteiligt waren, hat Herr Kuntze nicht wahrgenommen, ebenso nicht, dass vor dem 7.10. oft palästinensische Kinder in israelischen Krankenhäusern behandelt wurden, während in Gaza-Krankenhäusern Waffen gelagert und Kommandozentralen der Hamas eingerichtet wurden. Es ist eben einer wie der andere, beide von „Misstrauen und Polarisierung gekennzeichnet“.
Überhaupt wäre der 7. Oktober geschehen, weil die israelische Regierung nicht genug aufgepasst hat. Und nun wäre es Zeit, dass USA und Deutschland mehr Druck auf Netanjahu ausüben, der wohl das personifizierte Böse in der Region ist, denn andere Namen wurden nicht genannt.
Der Beschuss Iran-Israel wird so geschildert: „Israel und Iran beschossen einander mit Raketen“. Israel wird natürlich als erstes genannt, es hatte wohl einfach mal so Lust, Raketen auf Iran zu schießen. Vollkommen verschwiegen werden jegliche Drohungen, Israel auszulöschen, seine Bewohner zu vertreiben und zu töten, den „7. Oktober immer wieder zu wiederholen“. Verschwiegen werden Terrorattentate mit unzähligen jüdischen Opfern, meistens jungen Leuten, und dieser Terror fand in Israel statt in Zeiten, die man als „friedlich“ bezeichnet, verschwiegen werden ebenso die Geiseln.
Dagegen gestellt wird die christliche Praxis, um den Frieden zu beten, zu versöhnen und mit friedensbereiten Personen zusammen zu arbeiten.
Da frage ich mich bei der Friedfertigkeit von Christen: Warum schreiben sie in ihren Publikationen Artikel, die Israel dämonisieren, warum verschweigen sie punktgenau die Tatsachen, die zum Verstehen von Israel beitragen könnten? Warum verschweigen sie ebenso punktgenau Tatsachen, die ein realistisches Bild von Gaza und von den Palästinensern zeichnen könnten?
Kann man Simon Kuntze als Antisemiten bezeichnen? Wohl nein, und wenn, dann ist er sich dessen nicht bewusst. Aber solche Traktate kann man schon als antisemitisch bezeichnen, weil sie nach dem Motto: ´Steter Tropfen höhlt den Stein´ oder wie unterschwellige Kaufhauswerbung die Botschaft von den „unversöhnlichen“ Juden in die Welt posaunen. (Etwas wird beim Leser schon hängen bleiben).
anne.c - 26. Dez, 19:23
Um wieder auf UNO, Kirche und Linke zurück zu kommen. Sie wissen genau, wie es bei den Palästinensern zugeht, zu sehr verbreitet sind Berichte über ihre Lebensweise und Mentalität. Also ist ihre Liebe zum palästinensischen Volk wissend, bewusst und aus eigenem Antrieb. D.h., sie w o l l e n sich für Menschen einsetzen, die in hohem Maße gewalttätig sind, man könnte auch sagen mit „Schmuddelkindern“, die Terrorismus verherrlichen und ausüben, Kindersoldaten heranzüchten. Sie scheinen sich auch nicht für diese Menschen einzusetzen, um sie dazu zu bringen, eine moralischere und ethischere Lebensweise anzunehmen. Im Gegenteil, sie lassen durchblicken, dass das, was in dem Verhalten der „Schmuddelkinder“ nicht den ethischen Normen entspricht, eine Reaktion auf etwas viel „Schlimmeres“ ist. Jede Gewalttat der „Schmuddelkinder“ ist gerechtfertigt, denn „sie leben nicht im luftleeren Raum“.
Ich sehe den Papst betend vor einer Krippe mit einem so genannten Palästinenserkind, das auf einer Kufiya liegt, einem Symbol für den palästinensischen Kampf, der wiederum durch unzählige Attentate mit tausenden jüdischen Toten gekennzeichnet ist. Der Papst betet nicht ein Jesuskind an, das Stifter einer Religion der Nächstenliebe und Erlösung ist, sondern ein Jesuskind, das auf einem Symbol für Terrorismus liegt, also er betet den Terrorismus an. Das kann kein Versehen sein. Der Papst unterwirft sich dem Zeitgeist und verliert dabei alle Hemmungen.
„Linke“ sind tatsächlich für Gerechtigkeit und Gleichheit. Dass es in der Praxis von Linken in allen Epochen ihres Wirkens so aussah, dass es „Gleiche“ gab, nämlich die Mehrheit der Menschen und diejenigen, die „gleicher als die anderen“ waren und dementsprechend über Privilegien verfügten, das weiß man aus der Geschichte. Dass „Linke“ sich von den Palästinensern angezogen fühlen, kann man auch so erklären, dass bei Letzteren das gleiche Prinzip herrscht, dass diejenigen, die über hohe Privilegien verfügen, erhoben sind über die Masse der verarmten Menschen. Die Liebe zur Gewaltanwendung mag die Linken auch anziehen.
So kann man feststellen, dass diejenigen Vertreter, die sich am meisten vom Verhalten der Palästinenser angezogen fühlen, Gruppen sind, die sich als idealistisch bezeichnen. Warum das so ist, darüber müsste man nachdenken und käme zu dem berühmten Orwell-Zitat: „Krieg ist Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist Stärke“
Anmerken möchte ich noch, dass es in all diesen Gruppen, auch bei den Palästinensern, Menschen gibt, die ihre Ideale auch wörtlich nehmen und leben. Sie dringen nur nicht so nach außen.
anne.c - 19. Dez, 12:03
Die UNO ist ein Gremium voller schöner und wohltönender Worte: Menschenrechte, Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit, Frieden, Wohltätigkeit. Das sollte überall auf der Welt verwirklicht werden.
Die christliche Kirche, evangelisch und katholisch, ist geradezu die Verkörperung des Guten auf der Welt, Ihr Anliegen ist Liebe, Barmherzigkeit, Güte, Erleuchtung, Wohltätigkeit, Zuwendung zum Mitmenschen.
Die linke Bewegung ist für die Gleichheit aller Menschen, Solidarität, Gerechtigkeit. Um so erstaunlicher ist, dass nun gerade diese Gruppierungen ihre große Liebe den Palästinensern erweisen.
Palästinensische Führer sagten, sie wollen „7.Oktober immer wieder wiederholen“, also Israeli erschießen, verbrennen, vergewaltigen. Ist das im Sinne der oben genannten Begriffe? Im Internet kann man Fotos sehen von kleinen Kindern, die schwer bewaffnet sind, die als Kinder in den Ferien zu Soldaten ausgebildet werden. Ist das im Sinne von UNO und Kirche? Demokratie gibt es in Palästinensergebieten nicht, 18 Jahre ist die letzte Wahl her. Ungleichheit herrscht, man kann hier und da Bilder von Villen von Gaza-Prominenz sehen, auch liest man über massive Korruption. Frauenrechte gibt es nicht einmal im Ansatz.
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Eine mögliche Erklärung zu dieser Diskrepanz finde ich in einem kleinen Aufsatz, den ich vor einigen Jahren schrieb:
Ich hörte morgens im Radio eine christliche Ansprache des Theologen F.St.: Er hatte sich zum Thema „Schmuddelkinder“ gemacht, also gewalttätige Jugendliche, die er nicht verurteilen wolle. Er versuchte Verständnis für sie zu wecken, klar zu machen, dass sie Menschen mit Sehnsüchten wären. Er sagte, dass gewalttätige Menschen auch Menschen mit einem Namen sind, die Träume haben, wahrgenommen werden wollen, die Anerkennung suchen. Die sich selbst spüren möchten. Die Menschen, die die Taten der Schmuddelkinder am eigenen Leib spüren müssen, waren ihm keiner Erwähnung wert, sie waren reine Objekte.
F. St. Erweist sich als Ideologe. Mich schaudert es. Diese Geisteshaltung ist der Stoff aus dem Diktaturen hervor gegangen sind. Er hat sich ja nicht für ein bestimmtes Schmuddelkind eingesetzt, das aus diesem oder jenem Grund diese oder jene Gewalttat begangen hat. Das zu seinem Opfer in eine bestimmte Beziehung getreten ist, sich mit seinem Opfer und das Opfer mit ihm auseinandersetzen muss. Im Leben ist es so, dass es eine Verflechtung und Verschlingung der einzelnen Menschen gibt. Aber hier war es so, dass F.St. im luftleeren Raum seine Größe beweisen will, indem er gemeinsame Sache mit Verbrechern macht. Er selbst hat ihnen ja keine Namen gegeben, sondern führt sie unter der Sammelbezeichnung Schmuddelkinder an. Also er stellt sich nicht als Mensch auf die Seite eines Menschen, sondern er stellt sich allgemein auf die Seite von Gewalttätern. Für die Lösung des Problems, wie man mit Gewalt umgeht, fand er die Patentlösung von Linken: Wir brauchen eine andere Gesellschaft.
Solche wie F.St. finde ich schlimm. Die gelten als Koryphäen, sehen sich auch selbst als solche und betreiben Gehirnwäsche. „Ich habe F.St. gehört, es war hoch interessant“. Etwas bleibt immer hängen. Wenn man näher hinschaut, ist F.St. nicht aus sich selbst entstanden, sondern er verinnerlicht eine gesellschaftliche Haltung. Auch die Nazis – sie wurden im Hintergrund auch mal erwähnt -, waren schlimme Menschen. Sie waren Gewalttäter, also Menschen mit einem Namen, mit einer Identität, die sich spüren wollten, Träume hatten. Was für Träume sie hatten und auf welche Weise sie sich spürten, darüber kann man in Geschichtsbüchern nachlesen. Es ist ganz einfach: F.St. sieht nur die Gewalttäter als Menschen an, für die man Verständnis haben muss, die anderen sind Objekte.
(Fortsetzung folgt)
anne.c - 14. Dez, 21:29
Bei meiner ersten Israelreise 1993 mit einer christlichen Reisegruppe war ich umgeben von Pfarrern und christlichen Teilnehmern. Meine Vermutung, dass solche Menschen, deren Profession es ist, mit Begriffen wie Schuld und Vergebung umzugehen, großes Interesse daran hätten, sich dort mit der Vergangenheit und dem Verhältnis zu den Deutschen zu beschäftigen, bestätigte sich nicht. Im Gegenteil, es war ihnen unangenehm. (immerhin waren sie fast alle in der Nazizeit junge Leute gewesen). Den obligatorischen Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem empfanden sie als Zumutung, was auch darin zum Ausdruck kam, dass hinterher kein einziges Wort darüber gesprochen, sondern munter über allerhand belanglose Dinge gelacht wurde. Die Skulptur von Elia auf dem Berg Karmel missbilligten sie, denn der hat ja immerhin 450 Priester getötet. (Ich fragte mich im Stillen, ob ihnen bewusst sei, wie viele Menschen in ihrer Jugendzeit von ihren Landleuten an einem Tag getötet wurden).
Während dieser Reise hatte ich zwei private Besuche bei Israeli unternommen, die ich noch vor Öffnung der DDR-Grenze kennen gelernt hatte, was die Reisegruppe in einige organisatorische Umstände brachte, aber schließlich hatte alles gut geklappt. Über meine Besuche erzählte ich meinen Mitreisenden nichts, hauptsächlich weil ständig so ein angeregtes Geschnatter in der Gruppe zugange war, dass an meinen Erlebnissen kein großes Interesse bestand. Wahrgenommen hatten die Mitreisenden meine „Ausreißer“ durchaus, und das machten sie mir deutlich klar. Bei der (wie ich später feststellte) üblichen Gruppenindoktrination für christliche deutsche Israelbesucher in der deutschen evangelischen Gemeinde Jerusalem stellte ich einzig und allein die Frage: „Wie war es denn vor der israelischen Besatzung (von der ständig die Rede war), gab es damals einen palästinensischen Staat?“, worauf die Referentin sofort ihre Tonlage abmilderte. Nach dem Vortrag trat eine der Pfarrfrauen auf mich zu und gab mir einen Ratschlag. Und sie sagte: „Wissen sie, bei dieser Angelegenheit dürfen gerade wir als Deutsche uns nicht auf die eine oder auf die andere Seite stellen. WIR haben gleich gemerkt, dass SIE auf der anderen Seite stehen!“
So aussagekräftig dieser Ratschlag auch war - ich muss heute immer noch darüber lachen.
anne.c - 5. Dez, 09:55
Meine Blogeinträge sollen nicht immer Auseinandersetzung mit aktuellen Themen sein, sondern sie befassen sich mit Ideologien - wie sie entstehen und wie sie sich auf Menschen auswirken. Möglichst gehe ich dabei von eigenem Erleben aus und spüre nach, wie dieser oder jener Gedanke entstanden ist. Fast mit Erschrecken stellte ich fest, dass sehr vieles, oft ganz Harmloses, mit der eigenen Geschichte bis hin zur Geschichte der Vorfahren zusammenhängt, selbst wenn man sich dessen nicht bewusst ist.
Da das Thema Antisemitismus aktuell ist - es soll ja viele Antisemitismusbeauftragte geben, bei denen mir nicht immer klar ist, ob sie für oder gegen Antisemitismus beauftragt sind, erzähle ich einige Anekdoten, die mir die Augen öffneten.
Meine erste Reise nach Israel machte ich 1993. Des Reisens ungewohnt wagte ich keine Individualreise, außerdem hatte eine gute Freundin, eine Pfarrerin, die Reise organisiert. Demzufolge waren Pfarrer und Kirchenmitglieder Teilnehmer der Gruppe. Viel Merkwürdiges habe ich dabei erlebt, viele Gesprächsfetzen, die an mein Ohr drangen. Eine Reiseteilnehmerin, ältere Pfarrfrau, die ich gern mochte und von der ich viel Gutes im Leben erfahren habe, stammte ursprünglich aus dem Sudentenland und war 1946 vertrieben worden. Diese Tatsache war ihr Lebensthema, auf das sie bei Unterhaltungen nach einer gewissen Weile immer wieder zurückkam. Unsere israelische Reiseleiterin war eine Jüdin, die 1938 gerade noch so mit ihren Eltern, ebenfalls aus dem Sudetengebiet, hatte nach Palästina fliehen können. Was ihr ohne die Flucht bevorgestanden hätte, weiß jeder. Auch unsere wirklich liebe Pfarrfrau wusste es und sprach es wohlwollend gegenüber der Reiseleiterin aus: „Da haben sie aber Glück gehabt, dass sie rechtzeitig geflohen sind“. Ich glaube, dieser Ausspruch war es, der mir für vieles die Augen öffnete und eine Kette von Gedanken in Bewegung setzte, die immer noch wirken.
Die gleiche Tatsache, die Heimat, das Land, in dem man aufgewachsen ist, verlassen zu müssen, soll für die eine ein großes Unrecht, für die andere „ein Glück“ gewesen sein. Zweierlei Maßstäbe anlegen nennt man das. Solch zweierlei Maßstäbe sind in der Gesellschaft so verinnerlicht, dass man sie kaum wahrnimmt.
anne.c - 1. Dez, 21:36
In der nahe gelegenen Stadt wurde zu einem Leseabend mit den Schriftsteller Marko Martin eingeladen. In seinem neuen Buch „Und es geschieht jetzt“ hat er sich mit jüdischem Leben nach dem 7. Oktober beschäftigt. Ich kannte den Schriftsteller nicht, mir fiel aber ein, dass ich seinen Namen manchmal über Zeitungsartikeln gelesen hatte. So machte ich mich neugierig auf den Weg.
Der Schriftsteller – 54 Jahre alt -, stammte aus der ehemaligen DDR. Kurz vor dem Mauerfall war er mit seinen Eltern nach Westdeutschland übergesiedelt als so genannter Totalverweigerer. Das waren die Männer, die nicht nur den Wehrdienst in der Volksarmee verweigerten, sondern auch den Ersatzdienst. Wenn man in der DDR bewandert ist, weiß man, dass ein Totalverweigerer eine große Ausnahme dargestellt hat, und man nimmt ihm seine DDR-oppositionelle Haltung auf jeden Fall ab. Er kam in die Bundesrepublik mit „linken“ Idealen von Demokratie, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Ökologie und hatte aus der Ferne mit den linken westdeutschen Intellektuellen sympathisiert. Sehr schnell wurde er ernüchtert, diese Leute empfand er als oberflächlich, ideologisch und empathielos gegenüber dem Osten und gegenüber Israel. Die große Ernüchterung kam im Golfkrieg 1991. Er konnte es nicht fassen, dass der irakische Präsident Hussein angedroht hatte, Israel mit Giftgas zu überziehen (wozu deutsche Firmen Zutaten geliefert hatten) und gleichzeitig deutsche Jugendliche durch die Straßen zogen, die mit dem Motto „Kein Blut für Öl“ gegen den Golfkrieg protestierten, sich aber nicht im Geringsten um Saddam Hussein, sein Giftgas und seine Absicht, Israel zu vernichten, kümmerten. Genauso hatte ich es damals auch erlebt.
Marko Martin, der sehr kontaktfreudig ist, lernte dann jüdische Schriftsteller kennen, durch sie kam er Berührung mit Leuten aus Israel, und er fühlte sich genau mit diesen Menschen auf einer Wellenlänge. Er hält sich oft in Israel auf. Der 7. Oktober und seine Folgen beschäftigen ihn unaufhörlich, so dass er schließlich ein Buch darüber schrieb.
An diesem Abend las er einige Passagen aus diesem Buch, erzählte über sein Leben und über seine jüdischen Freunde in Berlin und seine Freunde in Israel. Das Fazit war, dass diese Leute ziemlich resigniert sind. Die Juden in Berlin sind meistens in einem großen Freundeskreis vernetzt, aber jetzt wurden sie von vielen Leuten gemieden, keiner fragte, wie es ihnen geht, ja sogar Freundschaften wurden aufgekündigt (sie wurden für Gaza verantwortlich gemacht). Seine Freunde erzählten von ihren Ängsten, öffentlich hebräisch zu sprechen, ihre jüdische Identität vor dem arabischen Taxifahrer verbergen zu müssen, ihre Kinder zum Kindergarten zu schicken. Der Schriftsteller mischt in die persönlichen Erlebnisse auch Ereignisse, von denen er gehört hat, die sich in Berlin zugetragen haben, z.B. wie ein jüdischer Student von einem arabischen Studenten krankenhausreif verletzt wurde und die Universität sich schützend vor den Schläger stellte. Auch kommen immer wieder Reminiszenzen an die Mordtaten der Nazis in den 40-ger Jahren auf, die über die Vorfahren der Protagonisten noch deutlich im geschichtlichen Gedächtnis sind.
Der Lesung anschließend wurden Fragen gestellt. Das Schweigen der Gesellschaft gegenüber Juden wurde thematisiert: dem Schweigen folgt die Dämonisierung. Das schlechte Gewissen über den deutschen Völkermord an den Juden, lässt manche Deutsche zu dem Urteil kommen, dass diejenigen, die dem Völkermord entronnen sind, gemeint sind die Menschen in Israel, „auch nicht besser“, bzw. auch „Völkermörder“ sind. Marko Martin hatte zu allem eine entschiedene Haltung, verbarg aber nicht, dass er und die meisten seiner israelischen Freunde „Linke“ sind, die gegen die Netanjahu-Regierung protestieren.
Das Publikum, das aus etwa 30 Personen bestand, war zufrieden, es klatschte und kaufte sich das besprochene Buch. Man kann sagen: ein kleiner, positiver Punkt in dem schlimmen Spektakel. Wenn sich diese positiven Punkte nur häufen würden!
anne.c - 23. Nov, 13:34