Samstag, 18. August 2012

Israelsonntag (2)

In jedem Jahr wird er in der evangelischen Kirche im August begangen. Und in jedem Jahr wird er ebenso schnell vergessen, wie er herbei gekommen ist. Ich habe noch nie erlebt, dass von solch einem Sonntag irgendeine Inspiration ausgegangen ist. Ähnlich ist es, wenn man die Publikationen dazu liest. Sie gleichen sich Jahr für Jahr, jedenfalls in unseren heimischen Wochenblättern. Vielleicht fällt den Schreibenden einfach nichts anderes ein. Trotzdem lassen sie sich die Gelegenheit nicht entgehen, hämische Anmerkungen über Israel zu machen, die mehr über sie selbst aussagen, als etwa über Jerusalem oder Israel. Da ich über längere Zeit schriftliche oder mündliche Ereignisse am Israelsonntag beobachte, scheint mir die Häme über Israel fast der eigentliche Zweck der Veranstaltung zu sein.

Warum ich mich solcherart Lektüre überhaupt hingebe? Nun, in unserem Haushalt hat jemand so ein Blatt abonniert, und ich komme nicht umhin, auch darin zu lesen. Außerdem ist es lehrreich zu erfahren, welcher Art Gedankengut es ist, das von kirchlichen Publikationen unter ihre arglosen Leser gestreut wird.

Die beiden Artikel, die in diesem Jahr zum Israelsonntag zu lesen waren, hatten folgende Aussagen:

Der erste: In Jerusalem kann man es nicht mehr aushalten, denn da bestimmen ultraorthodoxe Juden, die nur auf Kosten anderer leben, das Straßenbild. Sie wollen geschlechtergetrennte Busse einführen. Zwischen den Konfessionen herrscht Unfriede. Trotzdem sollten wir uns Jerusalem als Sehnsuchtsziel erhalten, denn man braucht Utopien.

Der zweite: Statt des zweiten Artikels hätte man Günter Grass´Gedicht "Was gesagt werden muss" einfach abdrucken müssen. Der Artikel war sozusagen eine Prosaversion davon. Es stand darin: Israel ist ein Pulverfass. Israel wird demnächst einen Präventivschlag gegen den Iran führen und die halbe Welt mit in den Krieg reißen. Wenn man so etwas aber sage, und wenn man die israelische Regierung, wie fragwürdig sie auch sein möge, kritisiert, werde man sofort verdächtigt, ein Antisemit zu sein. Wir können mit den Juden hier nicht freundschaftlich leben, denn zwei Generationen "danach" wird man immer noch oft unter Antisemitismusverdacht gestellt. Der Schreiber kam dann aus heiterem Himmel zu dem Ergebnis, dass Jesus ein Jude gewesen ist und als Jude gelebt hat. Darin wenigstens unterscheidet er sich von Pfarrer Mitri Raheb aus Bethlehem, der Jesus zu einem Palästinenser gemacht hat, und der auch Zuspruch in kirchlichen Blättern bekam.

Nun ja, die Bestimmung des Israel Sonntags scheint im Wesentlichen darin zu liegen, den Juden die Leviten zu lesen.

Donnerstag, 9. August 2012

Der olympische Geist

Die umstrittene Ruderin Nadja Drygalla kommt ausgerechnet aus unserem Bundesland. Demzufolge ist in den Regionalzeitungen noch mehr über sie zu lesen als in anderen Zeitungen. Man setzt sich intensiv mit der Weltanschauung ihres Freundes auseinander und macht sich Gedanken, ob man sie dafür in "Sippenhaft" nehmen dürfe. (Das Wort Sippenhaft bleibt mir rätselhaft, sie kommt doch nicht etwa ins Gefängnis? Angebracht wäre wohl der Ausdruck "Sippenhaftung"). Die arme Frau Drygalla hat Pech gehabt, und deshalb gibt es für sie kein Pardon. Sie hat eine wichtige Funktion. Sie soll den Blick von anderen Dingen ablenken. Dass z. B. der Funktionär Walter Tröger gesagt hat: Was vor 40 Jahren in München geschah, damit können die jungen Sportler nichts anfangen, und eine Schweigeminute für die ermordeten israelischen Sportler hätte es ja schon einmal gegeben.

Das muss man sich einmal vorstellen: Bei olympischen Spielen, ausgerechnet in Deutschland, dringen Terroristen ins olympische Dorf ein und ermorden 11 Sportler und einen Polizisten. Wo, wenn nicht dort wurde der olympische Geist, von dem ja immer einmal die Rede ist, mit Füßen getreten, bzw. mit Gewehren erschossen? Das war in der Frühzeit des internationalen Terrorismus, und der ist inzwischen zur Blüte gelangt und treibt weitere Blüten. Genau 10 Olympiaden später findet man es überflüssig, an das Morden vor 40 Jahren zu denken.

Und ein Sportfunktionär aus Deutschland denkt sich so eine seelenlose, man könnte schon sagen, den olympischen Geist mit Füßen tretende Ausrede aus. Anstatt zu sagen, dass er den Nötigungen der Funktionäre aus arabischen Ländern nicht hat widerstehen können, die wahrscheinlich die Ermordung von Spielern während olympischer Spiele ganz gut mit ihrer Art von olympischem Geist vereinbaren können. In den Geist der Spiele schleicht sich das Gift ein, Israel und seinen Menschen eine pariaartige Sonderstellung zu geben. Wie anders sollte man es bezeichnen, wenn arabische Sportler (in diesem Fall war es ein Libanese), sich weigern, mit israelischen Sportlern zu trainieren, und es wird ihnen Recht gegeben? Es wurde sogar ein Sichtschutz zwischen die Sportler gestellt, damit der Libanese auf keinen Fall auch nur den Anblick des Israeli ertragen muss. Wie bringt man solch eine Handlungsweise mit dem olympischen Geist, der angeblich Völkerverständigung beinhaltet, in Einklang?

So lange skandalöse Aussprüche von Sportfunktionären und die Hinnahme der Diskriminierung von Sportlern durch andere Sportler kein Thema für die Zeitungen sind, interessiert mich die Geisteshaltung von Frau Drygalla nicht, insbesondere wenn sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Man sollte sich vorstellen, Frau Drygalla hätte sich geweigert, Boote zu besteigen, in denen schon vorher ein farbiger Sportler gesessen hätte, und die Veranstalter hätten sofort ein neues Boot herausgerückt. So könnte man es vergleichen, dass der Libanese nicht mit dem Israeli auf eine Matte wollte. So anständig und ernsthaft die Auseinandersetzungen um die deutsche Ruderin sich anhören: Sie verbergen, was die wirklichen Skandale im olympischen Sport sind, und man schafft sich so selbst ein Gefühl moralischer Erhabenheit.

Mittwoch, 1. August 2012

Im Fernsehen

Es ist eine Weile her, da schaltete ich den Fernseher nicht aus, als eine alte Jüdin von ihrer Zeit im KZ erzählte (sonst schalte ich oft aus, weil mir die Motive, aus denen das Fernsehen die so genannte Geschichtsaufarbeitung bringt, fragwürdig erscheinen).

Eine mitfühlende Reporterin vom Bayrischen Rundfunk befragte die alte Frau. Fast hatte ich Mitleid mit der Reporterin, ihre Erleichterung, als dann endlich das Kriegsende da war, übertrug sich auch auf mich. Wenn so ein Mensch - fast emotionslos, anders geht es nicht - über diese Grausamkeiten berichtet, die nicht zu überbieten sind, weil sie in solcher Massenhaftigkeit geschahen und dann noch in einem nicht zu überbietenden perversen Geist, dann ist es nur schwer auszuhalten. Zu denken: das ist wirklich alles geschehen! Aber das sind nur vordergründige Gedanken, hinter denen sich ein unendlicher Hintergrund auftut: Dieser Geist ist weiter vorhanden. Man kann nicht so tun, als wäre das nicht geschehen, man hat nur die Wahl, sich damit auseinander zu setzen oder nicht. Man soll ihm nicht hinterher laufen, aber man soll ihn wahr nehmen. Er ist in der Gesellschaft vorhanden!

Wenn ich daran denke, so erzählte es die Frau, wie diese Massen von entkräfteten KZ-Häftlingen noch zu Kriegsende durch Europa getrieben wurden und sich täglich in Appellen abgleichen lassen mussten und in jeder Stadt wieder in irgendwelche Hallen zum Entlausen getrieben wurden: der Hygiene wurde Genüge getan. Mir fällt dann Uta R-H. ein, die ich in einer Diskussion sagen hörte: Hitler habe auch sympathische Seiten gehabt, er sei nicht einfach nur eine Bestie gewesen, z. B. sei ihr sehr sympathisch, dass er Nichtraucher war. Es war auch sehr sympathisch, wie die übrige Bevölkerung vor diesen verlausten KZ-Häftlingen geschützt wurde!

Sonntag, 22. Juli 2012

Heydrich hat es nicht gewollt!

In einem tschechischen Gästezimmer fand ich einen Stapel Zeitschriften. Ausgerechnet die oberste davon hatte auf dem Titelbild den ehemaligen stellvertretenden Reichprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, der auch als "Schlächter von Prag" bezeichnet wird. Er war umgeben von zwei goldigen blonden Jungen, und das gesamte Foto zierte ein großer goldener Rahmen.

Die Überschrift des Titelbildes dieser Zeitschrift REFLEX Nr. 43-2011 (man könnte sie mit dem STERN vergleichen) lautete: Mein Papa, Reinhard Heydrich. Als ich diese Zusammenstellung sah, dachte ich: "Wenn wir schon einen Schlächter hatten, dann sollte er wenigstens ein Pop-Star gewesen sein!", also ein interessanter Mann, schillernd, mit vielen Gesichtern, eins davon das des liebenden Vaters. Mir fiel mein Blogeintrag vom 6.10.2011 ein, und ich fand, dass er ganz lebensecht war.

Wie es bei Illustrierten oft der Fall ist, hielt der Inhalt nicht, was die reißerische Überschrift versprach. Der Sohn mit dem Vornamen Heider, der einer tschechischen Journalistin ein Interview gegeben hatte, worauf diese ungeheuer stolz war, sprach so gut wie gar nicht über seinen Vater, sondern erzählte seine Kindheitserinnerungen an das glückliche Leben im tschechischen Schloss Panenské Břežany. Illustriert war der Artikel mit herzigen Familienfotos, dabei fehlte nicht der Heiders Bruder tätschelnde Adolf Hitler.

Die Schlussfolgerung aus dem gesamten Interview war, dass ein Kind nichts für seinen Vater kann, und dass er, Heider Heydrich, nun als Erwachsener eine strenge Trennung ziehe zwischen seinen glücklichen privaten Erinnerungen an seinen liebevollen Vater und seinem Vater als politische Person, dessen Verhalten er missbillige. Ansonsten entpuppte er sich als freundlicher Durchschnittsbürger, der sein erwachsenes Leben als Flugzeugingenieur in der Bundesrepublik verbracht hatte, und dem nichts geschenkt wurde. Außerdem war er ein guter Großvater und überhaupt ein Mensch, der nie jemanden etwas zuleide getan hatte, ja er organisierte sogar Hilfstransporte nach Polen.

Diese umwerfende "Neuigkeit", dass Menschen, die sich anderen Menschen gegenüber wie Bestien verhalten, zu ihren eigenen Kindern nett waren, ist in Wirklichkeit so geläufig, dass der Journalistin da keine große Enthüllung gelungen ist. Interessanter ist, was sich hinter und zwischen den Zeilen erkennen lässt. Heiders Mutter habe noch im Alter davon erzählt, wie herrlich die Zeit, 1941-1945 in Schloss Břežany gewesen sei, obwohl sie ja in diesen Jahren ihren Mann durch das Attentat und einen weiteren Sohn bei einem Verkehrsunfall verloren hatte. Also muss das Leben als Schlossherrin, umgeben von Dienstpersonal und Sklaven, die aus dem KZ Theresienstadt rekrutiert wurden, diese Verluste aufgewogen haben (später musste sie eine Weile ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, bis sie dann ihre Pension als "Generalswitwe" erstritten hatte). Auch erwähnte Heider, dass seine Mutter den Tod keines einzigen Menschen verschuldet habe, und trotzdem sei sie von den Tschechen in Abwesenheit zu "lebenslänglich" verurteilt worden. Sie selbst sah Zeit ihres Lebens das Wirken ihres Mannes im Protektorat als positiv. Dem schloss sich Heider nicht unbedingt an, sondern beklagte mehr, wie das wunderschöne Schloss Břežany nach dem Krieg verkommen sei. Dass dieses zuvor einem jüdischen Fabrikanten abgenommen worden war, ließ er dagegen lieber unerwähnt. Auch befanden es der junge Heydrich und ebenfalls die Journalistin für unfair, dass sein geheim gehaltener Besuch auf Břežany im Frühjahr, der ja nur dem Grab seines Bruders gegolten habe, an die Öffentlichkeit geraten sei und einige Zeitungen in nicht freundlicher Weise darüber geschrieben haben.

Inmitten von Rührseligem und Privatem erhielten die Leser aber zusätzlich eine wichtige Botschaft. Die alte Mutter hatte es erst ganz zuletzt dem Sohn erzählt: Reinhard Heydrich habe ihr noch auf dem Sterbebett den Wunsch anvertraut, dass er keinesfalls Racheakte für seinen gewaltsamen Tod wolle. Dieser Wunsch sei auch fast respektiert geworden. Karl Hermann Frank, nach dem Tod Heydrichs der mächtigste Mann im Protektorat, habe dafür noch einen handfesten Streit mit Hitler in Kauf genommen - doch vergeblich. So sind Lidice und Ležáky und die Leben unzähliger Menschen ganz umsonst vernichtet worden: Heydrich hat es nicht gewollt. Wieder war der Führer an allem allein Schuld!

Dienstag, 17. Juli 2012

Reisen

Es ist Urlaubszeit. Ein beträchtlicher Teil des privaten Interesses gilt dem Reisen. Wenn Leute zusammen kommen, ist es immer ein Thema, wer wo gewesen ist oder wer wo noch hinfahren will. Ich staune oft, welche entlegene Teile des Globusses dieser und jener, dessen Fehlen ich manchmal noch gar nicht bemerkt hatte, seit dem letzten Zusammentreffen bereist hat. Das Reisen ruft jedenfalls große Begeisterung hervor.

In diesem Teil Deutschlands, der einmal DDR war, ist die Begeisterung fürs Reisen wahrscheinlich besonders groß. Angeblich versuchten die Leute nach der Wende, all das an Reisen nachzuholen, was ihnen bis jetzt verwehrt war zu sehen. Auch ich besuchte einen großen Teil der Nachbarländer und auch noch weitere Länder. Dabei sagte ich mir oft: Eigentlich müssten die ehemaligen DDR-Bürger doch voller Wut und Erbitterung denen gegenüber sein, die ihnen bis November 1989 das Reisen verwehrt haben. Um welche Lebenserfahrungen sie gebracht worden sind! Man hörte zwar in der Wendezeit manchmal die Aussprüche: "Wir sind 40 Jahre lang betrogen worden!" oder sogar: "40 Jahre lang umsonst gelebt!". (Was sich schnellstens wandelte in den Spruch: "So haben wir uns die Einheit nicht vorgestellt!") Von direkten Vorwürfen oder einer Auseinandersetzung mit denjenigen, die diese Reisegesetze ausgearbeitet hatten, habe ich nicht gehört.

Samstag, 7. Juli 2012

Der Einzelne und die Allgemeinen

Neulich las ich einen Bericht, in dem ein Mann schrieb, dass seine Mutter gestorben ist, eine Holocaustüberlebende, die in Frankfurt sehr geehrt worden war, u. a. mit dem Bundesverdienstkreuz.

Darüber wundere ich mich immer: Die e i n z e l n en Juden werden geehrt. Wenn über jemanden aus Israel berichtet wird, war das meistens ein interessanter oder beeindruckender Mensch. Die Leute, die in Schulen oder öffentliche Einrichtungen gehen und über ihr Leben erzählen, werden als beeindruckend empfunden. Manchmal ist es sogar so, dass die Gesellschaft sich mit ihnen schmückt: wir waren auf der und der „Holocaust“-Veranstaltung, der und der hat gesprochen, es war sehr bewegend! (Obwohl ich auch bei solchen Gelegenheiten erlebte, dass diese Menschen sehr unverschämt angesprochen wurden und sich für irgendetwas aus Israel verantworten sollten, aber meistens – je nach Gelegenheit – wird das von den anderen irgendwie unterdrückt).

Ein Beispiel: wie der Herr Mannheimer, der schon jahrzehntelang in Schulen geht und über Dachau berichtet erst für sein Engagement gelobt wurde und ihm unmittelbar darauf von denselben, die ihn lobten, gesagt wurde: Das zu viel „darüber“ reden, schüre die Abneigung. (siehe 18.4.2012)

Das ist typisch. Den Juden im Allgemeinen wird unterstellt, sie gäben keine Ruhe, sie wollen kassieren, wir müssen wegen ihnen „immer noch bluten“ (der Phantasie sind im Erfinden grotesker Metaphern in dieser Hinsicht keine Grenzen gesetzt). Die gesamte Bevölkerung von Israel wird als wahres Monster dargestellt, das einen „neuen Holocaust an den Palästinensern“ durchführen möchte. Außer dem Einzelnen, den man gerade traf: Das war ein interessanter Mensch, ganz anders als die anderen. Je nach Bildung und bei welcher Gelegenheit und je nachdem wie öffentlich es ist und wer zuhört, wird das mehr oder weniger stark zum Ausdruck gebracht.

Inzwischen hat man eine hervorragende Lösung gefunden, wie man gleichzeitig "Versöhnung" betreiben, von sich selbst ein gutes Gefühl haben kann, dazu seine Abneigung gegen Juden zum Ausdruck und das noch alles unter einen Hut bringen kann: Man ehrt "israelkritische" Juden. Gibt ihnen Preise, lässt sie Reden halten: Man weiß ja, was zu sagen ihre Obsession ist und demütigt dazu noch die Juden, die damit nicht einverstanden sind, also die "bösen" Juden.

Sonntag, 1. Juli 2012

Diese unselige Anekdote von Heinrich Böll,

die Lieblingsgeschichte in Predigten: Einmal habe mir vorgenommen künftig zu schreien, wenn ich sie im kirchlichen Zusammenhang noch einmal vorgetragen bekomme. Wie oft ich sie in Predigten hörte oder in Gemeindebriefen las, weiß ich gar nicht. Anfang der Ferien erscheint sie mit Sicherheit in kirchlichen Ferienratgebern. Sie wird mit Eifer und in humoristischem Duktus vorgetragen. Sie schildert einen Fischer am Mittelmeer, der nach seinem Fischfang dösend am Strand liegt, und ein Tourist versucht ihn vergeblich zu überreden, dass er mehrmals am Tag zum Fischen fahren und sich dann eine Fischereiflotte zulegen solle, durch deren Arbeit er so einen Gewinn habe, dass er viel Zeit hätte, um beispielsweise im Hafen herumzusitzen. "Aber das tue ich doch jetzt auch", belehrt ihn der Fischer.

Als ich diese als "Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral" bezeichnete Erzählung das erste Mal im Gottesdienst hörte, war ich befremdet. Mir schien, dass zu viel Missachtung von Arbeit darin lag. Als ich dann aber erlebte, was für große Begeisterung sie in kirchlichen Kreisen auslöst - sie war gut genug dafür, in beliebige Predigten eingebaut zu werden -, wurde ich ungehalten. Ich sah mir genauer an, was für ein Mensch es ist, der diese Geschichte vorträgt. Es waren kirchliche Beamte, die egal ob sie einmal oder mehrmals am Tag "hinausfahren" oder auch gar nicht, pünktlich ihre Besoldung oder ihre Pension beziehen, die weit mehr beträgt als der Lohn eines Fischers. Die Anekdote spricht - wenn sie vom Pfarrer in einer Predigt angeführt ist - von Ignoranz und Missachtung der Arbeit einfacher Menschen. Jeder Pfarrer, der diese Geschichte vortrug, machte den Eindruck, als hätte er eine einmalige Entdeckung gemacht. Er weidete sich am Lachen und Schmunzeln einiger Leute, die das hörten. So sah ich Kirchenmitglieder, die schwer arbeiten, und die nach getaner Arbeit nicht dösen, sondern bei anderen Leuten sauber machen, um über die Runden kommen zu können. Möglicherweise saß sogar ein Fischer der nach dem Fang noch seine Netze flickt oder seine Fische ausfährt, unter den Zuhörern (es gibt hier noch Fischer). Falls ich diese Geschichte noch einmal im kirchlichen Zusammenhang erlebe, werde ich vielleicht doch nicht schreien. In welcher Diskrepanz der Vortragende zu der Welt seiner Zuhörer lebt, das weiß ich dann aber genau.

Sonntag, 24. Juni 2012

Ein Hörerbrief von Dezember 2008

Ihre Berichterstattung über Israel

Sehr geehrte Redaktion des DLF,

bereits mehrere Male habe ich mich an Sie gewandt, um auf Missstände in Bezug auf Ihre Sendungen hinzuweisen, die den Staat Israel betreffen. Auf meine letzten Zuschriften habe ich von Ihnen zwar keine Antwort erhalten, ich höre aber weiterhin aufmerksam Ihre Sendungen und erlaube es mir, ggf. darauf hinweisen, wenn die von mir nicht in Frage gestellte „Israelkritik“ sich in das wandelt, was meiner Meinung nach als „Israelhetze“ zu bezeichnen ist. Dass diese Haltung für Ihren Sender durchaus symptomatisch sein könnte, ergibt sich daraus, dass sie in Sendungen verschiedenster Art anzutreffen ist, z. B. im „Politischen Buch“, in der allgemeinen Berichterstattung (mein Schreiben vom 21.05.2008) sowie heute wieder in der Sendung „Aus Religion und Gesellschaft“ (08.12.2008, gegen 10 Uhr).

In dieser Sendung wurde ein Kommentar zu den Menschenrechtskonventionen ausgestrahlt, in dem darauf hingewiesen wurde, dass heutzutage diese Konventionen weiterhin gebrochen werden. Hierzu führte der Kommentator bezogen auf die ganze Welt nur drei Beispiele auf: 1. die „Menschenverachtung“ Israels gegenüber den Palästinensern, 2. Die Taten der „Hamas“, 3. die israelische Siedlungspolitik.

Eine solche Aussage kann den Eindruck entstehen lassen, dass 2/3 aller Menschenrechtsverletzungen vom jüdischen Staat ausgehen und das letzte Drittel eine Reaktion darauf ist. Selbst wenn man diese Assoziationen nicht hätte, so sollte sich der Kommentator vor Augen halten, wo überall in der Welt und in welchem Maße Menschenrechte verletzt werden und in welchem Verhältnis die Dinge, die er anprangert, dazu stehen. Welcher Eindruck bei den Hörern durch Herausfiltern der für ihn bedeutendsten „Verletzungen der Menschenrechte“ entsteht, dessen scheint sich der Kommentator bewusst zu sein, weil er damit der seit Langem bestehenden Tendenz des DLF folgt.

Ich rechne nicht damit, dass sich in absehbarer Zukunft an Ihrer Haltung etwas ändern wird, werde Sie aber weiterhin darauf hinweisen, wenn ich die Grenze zwischen „Israelkritik“ und „Israelhetze“ überschritten sehe und bin auch gern bereit, mich mit den jeweiligen Redakteuren oder Kommentatoren über dieses Thema auseinanderzusetzen.

Mit freundliche Grüßen


Anmerkung: Für diesen Hörerbrief ist das Datum nebensächlich, denn er ist zeitlos. Die Art der Berichterstattung des Deutschlandfunks ist auf stereotype Weise israel-feindlich, woran auch kein Hörerbrief etwas ändern wird.

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