Freitag, 30. Dezember 2016

Zwei Episoden aus der DDR (Teil II)

Man kann diese eigentlich unbedeutenden Episoden aus der DDR heute gar nicht mehr nachvollziehen oder verstehen. Aber wenn man versucht, sie sich zu vergegenwärtigen kann man vielleicht manches aus der heutigen Zeit verstehen. So sehe ich mich als junge Frau, mit meinem Kind spielend und einem Gespräch zuhörend. Ich war nicht involviert und hatte auch keine Lust mich einzumischen.

Bis zum Ende der DDR und auch darüber hinaus war es üblich, dass Mitglieder westlicher Kirchengemeinden in die DDR reisten und sich um östliche Kirchengemeinden kümmerten. In vieler Hinsicht waren diese Begegnungen wertvoll: Menschen aus Ost und West, die sich sonst nie begegnet wären, lernten sich kennen, veranstalteten und erlebten etwas miteinander und (wie man später so schön sagte): erzählten sich ihre Biografien. Wenn es dabei auch manches Missverständnis gegeben haben mag, so lag doch ein Wert in diesen Beziehungen die eine stabile Grundlage bildeten, als sich später die beiden Teile Deutschlands vereinigten.

Ich hörte also zu, wie eine junge kirchliche Mitarbeiterin aus dem Osten einer gut situierten Frau aus dem Westen erzählte, welchen Schwierigkeiten und welcher Willkür man ausgesetzt ist, wenn man hier seine Kinder kirchlich erzieht und sogar nicht in die staatlich verordneten Kinderorganisationen schickt. Die Westfrau belehrte die Ostfrau: das wäre bei ihnen nicht anders. Denn ihre Tochter würde als Sympathisantin (oder Mitglied ?) der Kommunistischen Partei keinen Beamtenstatus als Lehrerin erlangen können. Obwohl die Ostfrau mit der Bezeichnung Beamtenstatus nicht viel anfangen konnte, hatte sie wohl doch den Eindruck, dass beider Erfahrungen nicht ganz kompatibel seien. Sie war nicht wortgewandt genug, der Frau eine treffende Antwort darauf zu geben, aber befriedigt hatte sie das Gespräch nicht.

Und ich habe den Eindruck, dass die Denkweise einer Frau, die persönlich nie die Gelegenheit gehabt hatte, mit einer totalitären Ideologie in Berührung zu kommen, bis heute ihre Blüten trägt, z.B. im Ausklammern und Umdeuten von Dingen, die nicht genehm sind, vorausgesetzt man muss keine persönlichen Konsequenzen tragen (außer einem erst später erlangten Beamtenstatus).

Sonntag, 18. Dezember 2016

Zwei Episoden aus der DDR (Teil 1)

Unsere Familie hatte es als einzige einer großen Familie in die DDR verschlagen. Wie beneidete ich meine zahlreichen Cousins und Cousinen aus der BRD, dass sie im Westen aufwachsen durften Ich lebte hinter einer Mauer versteckt, während für meine Cousins und Cousinen die Welt offen stand. Es zog mich nicht unbedingt in die weite Welt, wie es bei DDR-Jugendlichen der Fall gewesen sein soll. Aber was konnten sie alles lesen, erfahren, sich Bildung aneignen! Es war die Zeit der „68-ger“. Sie konnten fortschrittlich und revolutionär sein, sie konnten die Vergangenheit bewältigen (ein damals oft benutzter Ausdruck), sie konnten die Welt aufbauen! Bei kirchlichen Jugendtreffen begegnete ich Jugendlichen jener Art, wie ich sie beneidete: eloquent diskutierende Jugendliche, die von sich überzeugt waren, die alles wussten, die politisch informiert waren. (Nur ihr ununterbrochenes Rauchen störte mich). Zwar war ich mit der Literatur von Alexander Solschenizyn, Lew Kopelew, Boris Pasternak und anderen aufgewachsen. Max Frisch war damals aktuell und wurde diskutiert, aber das sah ich nicht als die echte Bildung an, das waren sozusagen die Brocken, die ich abbekommen hatte. (Die Westbücher hatten oft einen Waschmittelgeruch an sich, denn es war üblich, Bücher in Geschenksendungen in Waschmittelpackungen zu verstecken, was in der Regel gut klappte).

Ja, und dann hielt ich eines Tages eine besondere literarische Kostbarkeit in der Hand: die Mao Bibel. Auf welchen Wegen sie hierher geraten war, weiß ich nicht mehr. Meine vage Erinnerung ist, dass sie rot und etwa die Hälfte einer DIN A 5-seite stark war. Etwas ganz Besonderes sollte sie sein. Fast so etwas wie eine Leitschnur, eine Art Talisman für denjenigen, der sie bei sich hatte.

Nur ein Blick hinein genügte um zu erkennen, dass der Inhalt kompletter Unsinn war, nicht Wert, überhaupt angesehen zu werden. (Durch meine verschiedene Lektüre wusste ich allerdings, dass auch kompletter geistiger Unsinn ungeheure Schäden anrichten kann). Ich nahm diese Mao Bibel nicht ernst, ich hielt sie für einen Scherzartikel. Es dauerte Jahrzehnte bis ich begriff, dass es im Westen tatsächlich Jugendliche gab, die diese Mao Bibel als etwas sehr Wichtiges und als eine Art Richtschnur zum Handeln ansahen. Es gibt auch Leute, die damals mit der Maobibel in der Hand umher zogen und sich heute nicht davon distanzieren! Vielleicht war das der erste Baustein zu erkennen, dass es nicht nötig ist, sich mit Dingen zu befassen, weil sie gerade von einer bestimmten Zeit hervor gebracht und weil sie modisch sind, sondern sich seine eigenen Gedanken über die Dinge zu machen.

Dienstag, 13. Dezember 2016

Perpetuum mobile

Mit zwei Frauen saß ich bei einem Vortrag zusammen. In der Pause plauderten wir, und da ich weiß, dass beide in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind, fragte ich, wie es ihnen damit so ginge. Sie waren etwas reserviert. „Ach, wir haben uns ein wenig zurückgezogen“. Der Grund für dieses Zurückziehen war, dass es inzwischen viele professionelle Angebote für die Flüchtlinge gibt, so dass sie zu der Erkenntnis gelangt waren, dass ihre Arbeit nur noch als zusätzliches Angebot wahrgenommen wird. Mehrmals fiel der Begriff „Dekra“, worüber ich mich wunderte, weil ich mir darunter ein Unternehmen vorgestellt hatte, das für Sicherheit von Fahrzeugen und Anlagen zuständig ist. So wurde ich über die Mechanismen der Marktwirtschaft aufgeklärt: „Du denkst wohl auch, Dr. Oetker wäre ein Lebensmittelproduzent, aber der betreibt auch Reedereien! (?) Jeder sieht zu, dass er etwas bekommt, wo etwas zu holen ist.“ Dekra, die gleiche Dekra die für technische Sicherheit zuständig ist, kümmert sich um Flüchtlinge und betreibt Sprachschulen. „Und die Flüchtlinge“, so wurde mir erzählt, „die sind ja so, das würde jeder andere auch so machen, dass sie alles nehmen, was sie bekommen können“. Und so nutzen viele Flüchtlinge (die man inzwischen Geflüchtete nennt), sowohl die Angebote der Dekra, als auch die der freiwilligen Helfer. Darum sind manche freiwilligen Helfer inzwischen ein wenig auf Distanz gegangen.

Im Stillen fragte ich mich, ob es vielleicht einmal so weit kommen wird, dass die Schulung für die Überwachung technischer Anlagen einmal auf Volkshochschulen und Sprachschulen unterrichtet werden wird. Auch verstand ich eine Notiz, die ich in Zeitung oder im Internet kürzlich las, besser: Die Flüchtlinge hätten zur Steigerung des Bruttosozialprodukts (wo auch immer) beigetragen. In meiner Kindheit hatte mich ein Buch fasziniert, wo ein Vater seine kinderreiche Familie ruiniert hatte, weil er, statt diese zu ernähren, am Perpetuum mobile bastelte. In der Schule, in Physik, lernte ich dann, dass so ein Perpetuum mobile ein Ding der Unmöglichkeit sei. Inzwischen bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass es Perpertum mobile durchaus geben mag, man muss sie nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt betrachten. Aus der Sicht dessen, der nur sein eigenes BSP im Auge hat und dem die Energie oder das Geld, das von Außen zugeführt wird, egal sein kann, der kann die Einwanderung der Flüchtlinge schon als Perpetuum mobile betrachten.

Mittwoch, 30. November 2016

Verschiedene Welten

Im Sommer saß ich mit einer freundlichen, netten Kollegin im Garten zusammen. Über uns ratterte mit ohrenbetäubendem Lärm ein großer Militärhubschrauber, und wir schauten in den Himmel. Da sagte ich: „Ja, wenn sie Wahlkampf macht, landet sie immer bei uns nebenan auf dem Sportplatz“ „Wer?“ „Na, Angela Merkel“. Meine Kollegin - sie ist im Westen aufgewachsen - war außer sich vor Ehrfurcht. „Was, Angela Merkel sitzt in diesem Hubschrauber?! Ich bewundere diese Frau!“ Darauf antwortete ich nicht weiter, es gibt genug angenehme Themen, die uns miteinander verbinden.

Mir fiel ein, wie ich das erste Mal - lange ist es her - eine Neujahrsansprache Angela Merkels gehört hatte. Spontan rief ich aus: „Die spricht ja wie eine Pionierleiterin zu den Kindern am Beginn des Schuljahres!“. Wahrscheinlich muss man mit Propaganda aufgewachsen sein um Propaganda erkennen zu können. Vor einigen Tagen gingen Bilder und Videos von einer CDU-Regionalkonferenz durch die Presse. Ein afghanischer Flüchtlingsjunge dankte Angela Merkel unter Tränen. Er erzählte, dass er vor vielen Jahren, als er noch in einem Flüchtlingslager lebte, ein Bild von Angela Merkel gesehen und von danach keinen anderen Wunsch gehabt habe, als zu ihr, in ihr Land zu kommen, was inzwischen gelungen war. Vor fünf Jahren, also noch vor der Selfiehype, hat der damals schätzungsweise höchstens siebenjährige Junge ( angeblich soll er 9 Jahre gewesen sein, das Verändern von Kinderalter gehört auch zur Propaganda ) anhand eines Fotos von ihr die Eingebung gehabt, dass diese Frau die Rettung für ihn bedeuten würde. Er hatte seinen Vater – selbstverständlich nur den Vater, in dessen Begleitung er nun auch da war, nicht etwa die Mutter -, daraufhin so lange bearbeitet, bis er es geschafft hat, nach Deutschland zu kommen. Wie, das wurde nicht erwähnt, ob Schleuser bezahlt wurden oder etwa Pässe vernichtet. Das Propagandavideo dazu, auf einem Spielplatz in der Herbstsonne gedreht, war eindeutig in Vorbereitung auf diese Huldigung hergestellt, also inszeniert worden.

Das Parteivolk jubelte. Angela Merkel kanzelte gleichzeitig noch einen anderen Parteigenossen ab, der vorher eine kritische Ansage gemacht hatte und machte ihm klar, dass nicht nur er unter die Bezeichnung Volk fiele, sondern dass alle (also sie selbst) das Volk wären. Führer, die Kinder liebkosen, das ist doch ein uraltes Propagandamittel. Sah man nicht sowohl Hitler als auch Stalin öffentlich Kinder liebkosen? Ulbricht und Honecker im Kreis von jungen Pionieren, das waren die Bilder mit denen ich aufgewachsen bin, übrigens ebenso wie Angela Merkel. Und das dazu frenetisch klatschende Parteivolk sowieso.

Mit der Zeit bin ich nicht mehr so erbittert darüber, dass nach dem Krieg Ost- und Südosteuropa dank der deutschen Invasion unter kommunistische Knute geraten sind. Und vom Westen behandelt wurden, als wären sie zurückgebliebene Hinterwäldler. Der technologische Vorsprung wird ausgeglichen, der Mangel an Reichtum muss nicht immer schlecht sein, aber dass diese Länder leidend erfahren mussten, was Ideologie ist, das kann ein großer Vorteil für sie sein - ich denke, in einem ehemaligen Ostblockland kann man über eine solche Propaganda nur lachen.

Freitag, 25. November 2016

Gibt es einen postfaktischen Arbeitslltag?

Das Mädchen, mit dem ich mich vor kurzem unterhielt, war 11 Jahre – ich spürte etwas Wichtiges in ihrer Überlegung. Wir bastelten zusammen, die Situation war entspannt, und bei solchen Gelegenheiten fangen Kinder oft an zu erzählen, was ihnen durch den Kopf geht. Das Mädchen sagte zu mir: „Wissen sie, was meine Mutter mir erzählt hat?“. In ihrem Gesicht spiegelten sich das Entsetzen ihrer Mutter und auch das ihrige wieder. „Die Reinemachefrau, die unser Zimmer sauber macht, muss um 3 Uhr nachts aufstehen, damit sie hier sauber machen kann!“ Ich musste mir diese Tatsache erst einmal durch den Kopf gehen lassen: Ja, sie steht um 3 Uhr auf, fährt eine Stunde mit dem Auto und muss um 5 Uhr mit der Arbeit in dieser medizinischen Einrichtung beginnen, damit die öffentlichen Räume um 7 Uhr benutzt werden können. Ich sehe, dass die Reinigungskräfte sich immer gegen 14 Uhr auf den Weg nach Hause machen. Es wird wohl so sein.

Über die Reinemachefrau weiß ich nichts. Vielleicht ist sie froh, dass sie überhaupt Arbeit hat. Ihre familiäre Bindung wird so sein, dass sie in ihrer Gegend wohnen bleibt und nicht näher hierher zieht. Wahrscheinlich kann sie sich nicht einmal die Miete hier leisten. Vielleicht hat sie sich daran gewöhnt und findet ihren Arbeitsalltag normal. Garantieren kann ich dafür, dass ihr Verdienst so sein wird, dass sie später eine äußerst geringe Rente bekommen wird.

Was sagte diese kurze Aussage des Mädchens? Sie sagte, dass Kinder mitfühlend sein und einen Blick für Wesentliches haben können. Gefreut hat es mich, dass das Mädchen nicht „das Elend der Welt“, sondern das eines konkreten Menschen in ihrer Umgebung wahrgenommen hat. Weiter hatte ich das diffuse Gefühl, dass an der Gesellschaft etwas falsch ist, wenn Reinemachefrauen um 3 Uhr Nachts aufstehen müssen, um an der Ostsee für wenig Geld Häuser säubern zu dürfen. Es erinnert mich an Berichte über Kreuzfahrtschiffe, wo Menschen in mehr oder weniger Luxus von einer Art Sklavenvolk bedient werden, das vielleicht froh ist, dass es Arbeit hat und die Familie ernähren kann. Ich dachte daran, dass diejenigen, die hier die öffentliche Meinung tragen, steuern und beeinflussen oft und gern moralische und soziale Statements von sich geben. Weniger als Mitgefühl für Menschen, die es schwer haben, höre und lese ich von Verachtung für die AfD. (Vom Wahlverhalten der Reinemachefrauen habe ich selbstverständlich keine Ahnung). Ich stelle mir vor, dass so eine Frau, die um 4 Uhr bei jeder Wetterlage übers Land fährt um Zimmer zu reinigen, zu denen gehört, die „abgehängt“ ist und denen „wir“ versäumt haben, die Dinge nur richtig zu erklären. Postfaktisch kann man so einen Arbeitsalltag nicht bezeichnen, der ist harte Realität.

Sonntag, 13. November 2016

„Gaza Monologe“ im Theater Greifswald im Rahmen der „Entwicklungspolitischen Tage“

Am 11.11. 2016 besuchte ich im Theater Greifswald eine Veranstaltung, die den Titel „Gaza Monologe“ trug. Sie fand im Rahmen der Entwicklungspolitischen Tage (was immer das auch sein mag) des Eine-Welt-Landesnetzwerk M-V statt. Dieses Netzwerk ist ein Dachverband von Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen aus Mecklenburg-Vorpommern, die für weltweite Gerechtigkeit und zukunftsfähige Entwicklung einstehen. Immer schon interessierte ich mich mehr für Dinge in der Nähe, als für die, die in der „großen Welt“ stattfinden. Netzwerke, von denen man zwar kaum etwas weiß, die aber vor Ort agieren, können interessant sein. Immerhin hatten die Flyer zu dieser Veranstaltungsreihe, die unter der großen Überschrift „Krieg und Frieden“ stand, in einer evangelischen Kirche ausgelegen. Der Titel „Gaza-Monologe“ verhieß nichts Gutes. Aktuell schien das Stück nicht zu sein, da im Augenblick Kriege in anderen Regionen und in ganz anderen Dimensionen stattfinden. Mein Verdacht, dass sozusagen der Prototyp des Kriegs dem Staat Israel zuzuschreiben ist, hat sich durch den Theaterabend erhärtet.

Der Anfang der Veranstaltung musste um etwa eine halbe Stunde verschoben werden, da es technische Probleme gab. So hatte ich Gelegenheit, mir das Publikum anzuschauen. Der „kleine Saal“ war voll besetzt, d. h., es müssen etwa 90 Zuschauer gekommen sein, die wieder zu ca. 80 % aus studentischem Publikum und Angehörigen des „Netzwerkes“ zu bestehen schienen. Einige Araber, ausschließlich junge Männer - wahrscheinlich „Flüchtlinge“, waren eingeladen worden. Wenn sie nicht gerade mit weit ausholenden Umarmungen begrüßt wurden, waren sie in der Wartezeit meistens ihrem Smartphone überlassen. Zu Beginn der Veranstaltung gab es eine Begrüßung durch eine Angehörige des „Netzwerkes“. Zu dem Stück gab es leider weder Programm noch irgendwelche nähere Hinweise. Die Herkunft und Namen der vier jungen arabisch sprechenden Schauspieler wurde nicht bekannt gegeben, zu ihren arabischen Monologen lief aber eine deutsche Übersetzung als Einblendung. Die Schauspieler lieferten neben akrobatischen Einlagen hauptsächlich verbal Eindrücke, die ein Jugendlicher im Krieg haben kann: den Tod von Verwandten, die Zerstörung von Gebäuden, Angst. Interessanterweise bezeichneten sie die umgekommenen Verwandten nicht etwa als unschuldige Opfer, sondern als Märtyrer, also als Menschen, die bewusst wegen ihres Glaubens oder ihres Bekenntnisses zu Tode kamen. Dass die Jugendlichen nicht zum Ausdruck brachten, dass die Gaza-Kriege aus jahrelangem Raketenbeschuss Israels aus Gaza, sowie dem Missbrauch der internationalen Hilfe zum Bau von Terrortunneln entstanden sind, muss man ihnen nicht anlasten. Ich erinnere mich, dass sich in früheren Zeiten und auch heute noch Menschen in Deutschland bitterlich über alliierte Bombenangriffe beklagten (meine eigene Tante ist ihnen zum Opfer gefallen), und sich wenig darum scherten, was das deutsche Heer in der Welt angerichtet hat. So geht es im Leben zu. Jeder nimmt sich selbst als das Wichtigste wahr.

Es ist möglich, dass ich im Publikum als eine Subversive identifiziert wurde, denn Klatschen brachte ich zu Ende des Stückes nicht übers Herz, während ich um mich herum Begeisterungsrufe vernahm. Als ich das Theater verließ, warteten unten einige weitere Flüchtlinge, von denen ich den Eindruck hatte, dass der Besuch eines Theaters auch wenn das Stück arabischsprachig war, sie langweilen würde. Vielleicht hatten sie aber Angst, dass das Thema traumatische Erinnerungen hervorrufen könnte.

Auf weitere Besuche von Veranstaltungen des Netzwerkes werde ich verzichten, und so bleibt mir der Abend über das „bunte Bild des vielfältigen Iran“ in Güstrow, der Workshop mit islamischen Frauen in dem ein möglichst lebensechtes Bild der Frauen im Islam gezeigt wird sowie ein Workshop über die Wasserfrage und Kriege, beides in Rostock, vorenthalten. Über Letzteres bin ich durch die ARD, Martin Schulz und Mahmoud Abbas bereits genügend aufgeklärt.

Mittwoch, 9. November 2016

Ein kleiner Ausflug in die Politik - nach der Wahl in den USA.

Nach meinem Vorstellungsvermögen sieht ein Präsident nicht unbedingt wie Donald Trump aus. Über ihn möchte ich nichts sagen, denn das ist Sache der US-Amerikaner, die ihn gewählt haben. Wer ihn nicht gewählt hat und wer leider auch keine Befugnis hatte, ihn zu wählen, sind deutsche Politiker und Journalisten. Dafür meinen anscheinend deutsche Politiker und Journalisten die Befugnis zu haben, Trump zu verachten und sie haben nicht einmal den diplomatischen Anstand, diese Verachtung wenigstens so lange zu verbergen, bis Donald Trump einen triftigen Anlass dazu gibt, selbst Angela Merkel lehrte ihn jetzt, nur dann mit ihm zusammen zu arbeiten, wenn er die von ihr schulmeisterlich aufgezählten Werte respektiert.

Schlimmer jedoch empfinde ich es, dass etwa die Hälfte der US-Bürger, die Trump-Wähler sind, de facto als minderbemittelt dargestellt wird. Vielleicht haben sie nicht in erster Linie Donald Trump gewählt, als dass sie Hillary Clinton nicht gewählt haben. Und warum sollten sie sie wählen? Am 11.9.2001 wurden die USA bekanntlich von einem Trupp skrupelloser Terroristen angegriffen, ja direkt „ins Herz getroffen“. Wenn auch in Europa dieser oder jener seine Schadenfreude darüber nicht verbergen konnte, so könnte es doch sein, dass der Großteil der US-Bürger nicht so gute Erinnerungen daran haben wird. Es stellte sich heraus, dass Hillarys engste Vertraute und Beraterin sowie Vizevorsitzende der Präsidentschaftskampagne, Huma Abedin, die sogar Aussicht hatte, im Fall eines positiven Wahlausgangs Außenministerin zu werden, Verbindungen nach Saudi Arabien, zu den Muslimbrüdern und zur Hamas hat. Diese Verbindung Huma Abedins läuft zwar nur über mehrere ihrer Familienmitglieder, aber woher sollen die unbemittelten Amerikaner wissen, dass Sippenhaftung nicht zu den allgemeinen „Werten“ gehört?

Die Amerikaner sind nicht so großherzig und aufgeklärt wie die Deutschen, die eine Staatsministerin Aydan Özoğuz haben, deren Brüder sogar die berüchtigte Internetseite Muslim-Markt betreiben, womit sie selbstverständlich nichts zu tun hat, außer ihrer Meinung, nicht unbedingt gegen Kinderehen zu sein. Die Amerikaner ticken einfach anders als wir oder als die Spanier, die unmittelbar nach dem schlimmsten Terroranschlag ihres Landes (2004) mit fast 200 Toten einen den Terroristen genehmeren Präsidenten (Zapatero) wählten. Trotz allem sollen wir die US-Amerikaner nicht so sehr verachten, sie haben auch Menschenrechte, wenn es auch schwer fällt, das einzusehen.

Mittwoch, 2. November 2016

„Kleine Leute“

Von einer Bekannten hörte ich: „Bei uns ist niemand für Flüchtlinge“. Wer ist mit „uns“ gemeint? In diesem Fall waren es die Mitglieder einer Wandergruppe, die in einer größeren Stadt organisiert ist. Und warum ist aus dieser Gruppe „niemand“ für Flüchtlinge? In der Gruppe fanden sich ausschließlich Menschen zusammen, die man landläufig als „kleine Leute“ bezeichnet. Ihre Gehälter und Rente sind so bemessen, dass sie gerade über die Runden kommen. Es sind Menschen dabei, die regelmäßig Zeitungen austragen, um ihr Salär etwas aufzubessern. Sie sind nicht arm, müssen sich aber anstrengen, damit sie nicht unter die Armutsgrenze rutschen. Zu ihren Wanderungen reist die Gruppe nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Die Teilnehmer haben in den letzten Jahren erlebt, wie immer weitere Bahnstrecken still gelegt wurden, so dass sich das Gebiet für die Wanderungen sehr verringert hat. Gleichzeitig vernehmen sie: hier „sprudeln“ die Steuern. Dass „sprudelnde“ Steuern zur Erhaltung der Infrastruktur eingesetzt werden könnten, zumal angeblich Klimaschutz ganz groß geschrieben wird, ist kaum zu bemerken. Bei ihren Zugfahrten erlebten sie mehrmals, wie Flüchtlinge ohne Fahrkarte mit sofort ausgestellten Ersatzfahrkarten ausgestattet wurden, während sie selbst sich ihre Fahrkarten haben kaufen müssen.

Die Ansichten in meinem Bekanntenkreis über die „Flüchtlingsproblematik“ sind breit gefächert. Es gibt dort Menschen, für die es die Erfüllung ihres Daseins ist, sich um Flüchtlinge zu kümmern, insbesondere sind es allein stehende Frauen, und sie berichten von beglückenden Erlebnissen. Weiterhin kenne ich auch Menschen, die aktiv in der Flüchtlingsarbeit sind, aber die Tatsache von zu vielen Flüchtlingen in ihrer Heimatstadt als unangenehm empfinden. Eins kann ich mit Sicherheit sagen: je weniger begütert bzw. abgesichert die Menschen sind, desto skeptischer sind sie der Flüchtlingspolitik gegenüber. Das ist natürlich: Sie sehen in ihnen Konkurrenten um einfache Arbeitsplätze und billige Wohnungen und erleben in ihrer städtischen Umgebung eine weit geringere Sicherheit als vor dem Flüchtlingsstrom. Die weit geöffneten Arme von Bischöfen jeglicher Couleur, die sich sicher sein können, dass kein Flüchtling ihnen ihr Bischofsamt streitig machen kann und dass ihre Beamtenpension um keinen Euro geschmälert wird, kann man als Hohn gegenüber diesen „kleinen Leuten“ interpretieren. Überzeugend würden Bischöfe, Politiker, Medienmacher, Theater- und Filmleute, die ihr großes Herz für die Flüchtlinge zur Schau stellen nur dann, wenn sie für jeden nachvollziehbar einen großen Teil ihres Einkommens für die Flüchtlinge zur Verfügung stellen, und zwar nicht als beliebige Spende, sondern als einen für sie dauerhaft nicht mehr zur Verfügung stehenden Teil ihres vormaligen Wohlstandes.

Welche Parteien sind es, die sich am vehementesten für die Flüchtlinge einsetzen? Es sind die Parteien der „kleinen Leute“, die PDS, die angeblich eine Partei der Arbeiterklasse ist und die Grünen, die sich auch die soziale Gerechtigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat. Ähnlich steht es mit der SPD, die auch angeblich für die „kleinen Leute“ da sein will. (Dass die CDU nicht etwa hinter der Flüchtlingspolitik, sondern hinter ihrer Führerin Angela Merkel steht und allen undurchschaubaren Wendungen ihrer Politik folgt, ist eine politische Kuriosität, die sicher ihre Ursachen ehemaligen DDR hat, dem Ort wo sie ihren Arbeitsstil erwarb). Da die Parteien sich über die Interessen der „kleinen Leute“ so vehement hinweg setzten und diese politisch keine Wahl haben, ist der große Zustrom für die AfD gut nachvollziehbar. Die etablierten Parteien – anstatt dass sie sich die Frage stellen: Wie können wir die Interessen der „kleinen Leute“ besser wahrnehmen, stigmatisieren sie die Wähler der AfD, also in erster Linie die „kleinen Leute“.

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