Ein deutscher Medienpreis

Pfarrer Mitri Raheb erhielt gestern den Deutschen Medienpreis. Und eine Laudatio von Roman Herzog. Bezeichnenderweise haben weder Spiegel- noch Zeit-online gestern darüber berichtet, obwohl wieder im vornherein die Wogen hoch geschlagen waren. Pfarrer Raheb, palästinensischer Pfarrer aus Bethlehem, dem Bethlehem, aus dem die christlichen Bewohner reihenweise flüchten.

Raheb berichtet zielsicher nicht etwa darüber, unter welchem Druck Christen unter einer muslimischen Mehrheit leben, sondern er macht Israel für alles Unheil verantwortlich, das in seiner Nähe geschieht. Er verkündet z. B.: „Wir haben Hochachtung vor allen, die ihr Leben für unsere Nation hingegeben haben." Palästinenser, die ihr "Leben für ihre Nation gegeben haben" können nichts anderes sein als Terroristen, deren Tat für das Leben ihrer Nation es war, sich inmitten unschuldiger Menschen, auch Kindern in die Luft zu sprengen und Tote und Verstümmelte zurück zu lassen. Weiter behauptet Pastor Raheb, dass Jesus in Wirklichkeit ein Palästinenser war, was DNA-Analysen beweisen können, wenn man sie denn durchführen würde (wovon man vorsorglich Abstand nimmt und dass Jesus gen Himmel gefahren ist, erschwert zusätzlich jedwede Analyse). Die Juden in Israel seien - wie einst die Römer - eine Besatzungsmacht. Daraus ist wohl der Schluss zu ziehen, dass sie dort nichts zu suchen haben. Geschichts- und Religionsverfälschung, Rassentheorie samt konfuser Mutmaßungen über DNA-Analysen - das kann man mit Fug und Recht als starken Tobak bezeichnen. Es ist so starker Tobak, dass selbst Spiegel-online diesen Preis "unter den Tisch" fallen lässt.

Neugierig studierte ich einige Zuschriften in evangelischen Foren. Es erwies sich, dass eine ganze Reihe von Menschen recht entsetzt über die Preisverleihung waren. Es gab aber auch viele Verteidiger: Hatz, Verleumdungskampagne, Antisemitismuskeule - all das wurde denjenigen vorgeworfen, die Pfarrer Raheb nicht zustimmten. Sie mahnten "Sachlichkeit" an, und: Dieses oder jenes sei aus dem Kontext gerissen und dadurch verfälscht oder wie Pfarrer Raheb selbst es ausdrückte: "Diese Leute wollen keinen sachlichen Dialog führen, sondern die Menschen gegen mich aufhetzen, weil sie wissen, dass ich ein Ansehen in Deutschland genieße". Also, das übliche Schema: das eigene Verhalten wird den anderen vorgeworfen. Keiner der Anhänger führte "sachlich" Jesu und Pfarrer Rahebs DNA-Analyse aus. Manchmal wurde die Verteidigung von Herrn Raheb mehr zu einer Abstrafung Israels, das ähnlich wir früher die Juden, immer an allem Schuld ist.

Altbundespräsident Herzog hat trotz Hinweisen von mehreren Seiten seine Laudatio auf Raheb gehalten. Mit dem verschämten Hinweis: Pfarrer Raheb habe große Verdienste in Bethlehem, und in die politischen Dinge wolle er sich nicht einmischen. Altbundespräsidenten sind anscheinend zuweilen ebenso windige Typen wie die Neubundespräsidenten.

Im Luftreich des Traums

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