Donnerstag, 24. April 2025

Vier ehemalige Diplomaten in der FAZ

Vier ehemalige Diplomaten haben in der FAZ einen Artikel unter der Überschrift „Deutschland darf nicht länger schweigen“ veröffentlicht, der zum Inhalt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland viel zu zögerlich mit Israel umgeht, und dass dieses Verhalten so nicht weitergehen kann. Deutschland wäre ein Land das, gerade wegen seiner Geschichte, sowohl dem Staat Israel verpflichtet wäre, aber auch dem Humanismus. Und da Israel nun mal gegen den Humanismus verstoße, müsse man seinem Handeln im Gaza Krieg energisch entgegentreten. Dass nach dem 7. Oktober überall in der Gesellschaft sehr viel Antisemitismus zum Vorschein gekommen ist, wäre der Tatsache geschuldet, dass in der deutschen Politik und in den Medien nur sehr undeutlich Stellung genommen wurde zu den Geschehnissen in Israel (was immer das bedeuten soll).

In der „jüdischen Allgemeine“ schrieb Daniel Neumann eine Replik darauf, in der er auf die Anschuldigungen gegen Israel einging und viele Tatsachen benannte, die – wie es üblich ist -, im FAZ-Artikel verschwiegen wurden, weil sie zugunsten Israels sprechen bzw. den Leser verstehen lassen könnten, warum Israel so und so handelt.

Nicht, dass der Artikel in der FAZ besonders aufregend wäre. So ähnlich schrieb der Bischof im Gemeindeblatt, ja fast könnte man meinen, die Diplomaten hätten von ihm abgeschrieben: „Die Verhältnismäßigkeit“ zwischen den Toten auf der einen und auf der anderen Seite wird ausgespielt und als Beweis für „völkermörderisches Vorgehen“ Israels herangezogen, wobei sich bezeichnenderweise auf Zahlen bezogen wird, die ihre Quelle in der Hamaszählung haben. Das überzeugt natürlich einen unbedarften Leser. Das Weglassen jeglicher „für“ Israel sprechender Argumente ist Prinzip.

Auch das Argument, Israel dürfe sich nicht so und so verhalten, denn das potenziere den Hass, gehört zu den Routineargumenten. Da schwingt immer mit, wenn Israel sich anders verhielte, dann wäre der Hass nicht da. Es provoziere also den Hass. Dazu kann man nur die Frage stellen: ´Womit haben die Juden in der Nazizeit (und in anderen Zeitaltern) bei den Deutschen den Hass produziert, so dass sie so handeln mussten, wie sie handelten?“

Und dann noch etwas: Wo war uns ist die „bedingungslose Unterstützung“ Deutschlands gegenüber Israel? War „bedingungslose Unterstützung“ das Aussetzen von Waffenlieferungen an Israel? Waren es die Moralpredigten, die Frau Baerbock immer wieder an Israel hielt? Waren es die Resolutionen gegen Israel in der UNO bei jeder Gelegenheit, denen Deutschland zugestimmt hat?

Diplomaten sind gebildete Menschen, die einen weiten politischen Überblick haben. Sie müssen wissen, was sie schreiben und warum sie es schreiben. Was wollten sie mit ihrer einseitig verzerrten Darstellung bezwecken? Wollten sie erreichen, das Deutschland jegliche Beziehungen zu Israel abbricht oder eine Entführung Netanjahus veranlassen oder gar in Israel einmarschieren? Sie müssten wissen, dass dieses alles im Bereich der Utopie liegt. Vielleicht wollten sie den „Kreis des Hasses“ schüren, den Hass also bei Lesern hervorrufen, der angeblich die natürliche Einstellung zu Israel und den Juden sein soll, den diese selbst hervorrufen. So etwas nennt man Antisemitismus. Und der ist bekanntermaßen unabhängig vom Bildungsstand und der politischen Übersicht.

Samstag, 19. April 2025

Karfreitag

Karfreitag – Kreuzigung Jesu. Da fällt mir eine Begebenheit von vor ein paar Jahren ein. Ich nahm an einem Seminar mit der (inzwischen verstorbenen) jüdischen Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide teil. Sie sprach über Frauen in der Bibel. Eine junge Pastorin – gerade mit dem Studium fertig – mischte sich ins Gespräch ein, und sie hatte keine Scheu, zu Frau Lapide zu sagen: „Aber die Juden haben Jesus gekreuzigt“. Ich war konsterniert: so etwas hatte ich auch schon gehört, aber von einer viel älteren Tante, nicht von einem studierten jungen Menschen. Aber Ruth Lapide, eine energische und schlagfertige Frau entgegnete: „Die Römer waren es, die Jesus gekreuzigt hatten, aber Juden wurden 2000 Jahre dafür verfolgt, vertrieben und umgebracht“. Die Pastorin schwieg. Die Antwort war zu überzeugend und war nicht für eine Rechtfertigung geeignet.

Donnerstag, 10. April 2025

Wiederbegegnung

Vor acht Jahren berichtete ich darüber, wie ein Bischof in einer Kirche einen Vortrag hielt unter dem Titel: „Wem gehört das Heilige Land?“ Der Inhalt war, dass Juden nicht unbedingt im Heiligen Land zu Hause sein sollten (Dass deutsche Christen aus dem „Jerusalemverein“, dem er vorstand, schon Jahrzehnte im Heiligen Land wirkten, hat er nicht beanstandet). Aus dem Vortrag war zu schließen, dass es nicht so sehr darum geht, ob Juden im Heiligen Land leben dürfen und wem das Land gehört, sondern dass der Bischof etwas gegen Juden hat. Sein Vortrag beinhaltete präzise und nach allen Seiten abgesicherte Angaben. Wichtiger für mich als Zuhörerin war, was der Bischof nicht sagte und welche Angaben er unterließ.

Nach einigen Jahren bin ich dem Bischof, inzwischen a.D., wieder begegnet, in Form eines Artikels in einem Gemeinde-Infoblatt. Das hatte ich bei einem Besuch auf dem Tisch vorgefunden, und da ein Beitrag des besagten Bischofs darin stand, las ich ihn mir mit Interesse durch. Sujet des Artikels war Dietrich Bonhoeffer, dessen Todestag sich in diesem Monat zum 80. Mal jährt. Dietrich Bonhoeffer wäre ein Theologe gewesen, der ganz auf Gewaltlosigkeit gebaut hat, so war geschrieben, aber angesichts der durch nichts zu stoppenden Gräultaten, die im „3. Reich“ begangen wurden, war er für die Tötung des Diktators Hitler.

Dann machte sich der Bischof darüber Gedanken, wie Bonhoeffer auf heutige Konflikte reagieren würde. Er schob sozusagen Bonhoeffer verschiedene Ansichten in die Schuhe. Er meint, dass Bonhoeffer den Ukrainekrieg selbstverständlich als Angriffskrieg bezeichnen würde, meinte aber dass der Preis des Krieges, die Zerstörung und Vernichtung zu groß wären. Hitler hätte man auch nur durch Inkaufnahme der Zerstörung Europas mit 70 Millionen Toten stoppen können. Da bleibt die Frage, ob die Zerstörung Europas und die 70 Millionen Toten etwa von den späteren Siegermächten ausgegangen sind. Mir erschienen diese Sätze als Kauderwelsch.

Nun ging es aber auf Israel los, und da wusste der Bischof bestens Bescheid. Er wusste, wie wenige Kleinkinder ins Israel getötet wurden, welche große Zahl von Kleinkindern dagegen in Gaza. Er hielt 21 getötete israelische Kinder (!) gegen 17 000 (!) in Gaza getötete Kinder. Er stellte Zahlen von Getöteten gegeneinander, die er durch ´amnesty international` belegte, welche aber mit den Zahlen der Hamas etwa identisch sind. Die Zahlen sollten beweisen, dass es keine Verhältnismäßigkeit gibt, und dass Israel ungleich mehr Menschen getötet hat als die Hamas. Er sprach von Völkermord gegenüber den Palästinensern und wusste genau, dass Bonhoeffer sehr dafür gewesen wäre, Netanjahu vor den internationalen Gerichtshof zu stellen.

Was fehlte, war ein Hinweis auf die Geiseln, auf das System von Tunneln, auf die immer wiederholten Drohungen, dass sich der 7. Oktober sehr oft wiederholen wird, dass Israel ausgelöscht werden soll, von der ständigen Bedrohung durch Raketen aus vielen Ländern.

Was der Bischof schreibt, ist nicht besonders aufregend. Man kann Ähnliches aus allen möglichen Medien erfahren. Interessant daran ist, dass sowohl die Vorgehensweise im Aufbau seines Artikels als auch seine unverhohlene Haltung Israel gegenüber sich seit dem Vortrag 2016 nicht geändert hat.

Genau genommen verleugnet er sein Christentum, da er Israel dämonisiert. Jenes Land also, in dem der christliche Glaube seinen Ursprung hat und von dem Christentum nicht zu trennen ist, wie es Paulus in Römer 11/18 schreibt: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich“.

Mittwoch, 2. April 2025

Diskrepanz oder Kooperation ?

Schon zu lange dauert der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen. Anfangs fieberten wohlwollende Menschen bei allen Aktionen mit, bewunderten Einfallsreichtum und Kriegskunst der Israeli, wie sie die höchstrangigen Terroristen zur Strecke brachten. Aber inzwischen hat man die Übersicht verloren, immer wieder und aus allen Richtungen wird Israel mit Raketen beschossen, dann gibt es eine Waffenruhe, dann wieder nicht. Und was soll mit den vielen Menschen aus dem Gazastreifen geschehen? Immer wieder aber muss man sich vor Augenhalten, dass die Ursache des ganzen Verderbens im Angriff der Hamas und in der Gefangenschaft von vielen Geiseln in den Tunneln der Hamas liegt. Auch in den Tunneln selbst. Wie schafft es eine Bevölkerung, die angeblich arm, hilflos und auf Versorgung vom Ausland angewiesen ist, den Untergrund des Landes, das sie bewohnt, mit einem hunderte kilometerlangen Netz von Tunneln zu durchziehen? Warum wird im Ausland nicht danach gefragt, woher das Geld dafür kommt? Und das Geld fließt weiter, aus Deutschland und aus vielen anderen Ländern. In zwei Jahren zahlte Deutschland 913 Millionen Euro an Gaza.

Es scheint, dass es gewollt ist, dass Hamas Tunnel baut und dass Hamas hoch gerüstet ist. Wenn das vielleicht auch nicht ausgesprochen wird, so sprechen doch die Tatsachen, also die Tunnel und Waffen von gespendetem Geld für sich. Auch spricht für sich, auf welche Weise in den öffentlichen (von unserem Geld bezahlten) Medien über den Krieg berichtet wird. Nicht, dass über tote Zivilisten und Kriegsschäden in Gaza nicht berichtet werden sollte, aber es werden Ursachen ausgelassen, man beruft sich konsequent auf Zahlen, die die Hamas selbst in die Welt setzt, man verniedlicht die Gefahr, der Israel von allen Seiten ausgesetzt ist. Man bringt Berichte über tote Kinder aus Gaza, lässt aber die getöteten israelischen Kinder aus.

Man berichtet konsequent so, dass Israel in einem möglichst schlechtem Licht da steht. Und dazu ambivalent das große Jammern über Antisemitismus. Ja, in den Nachrichten wurde manchmal über den heroischen Kampf gegen Antisemitismus berichtet, und unmittelbar darauf folgte ein Bericht, wie schlimm es in Gaza zugeht. Diese Widersprüche in der öffentlichen Berichterstattung sind so frappierend, dass man sie eigentlich schon nicht mehr für Widersprüche halten kann, sie scheinen gezielt zu sein. Antisemitismus ist eigentlich schlimm, aber seht, er hat auch seine Ursachen! Jede verzerrte Berichterstattung gibt Lesern/Hörern den Anlass zu sagen: „Ja, es ist doch wirklich etwas dran!“ Und man gibt dem Antisemitismus allerhand Verkleidungen wie: Zionismus, Kritik an Israel, Siedler oder etwa Netanjahu.

Diese Dissonanz: Antisemitismus - öffentliches Bewusstsein, was man eben auch als Kooperation bezeichnen kann, ist nicht den vielen Menschen – und ich kenne eine Menge von ihnen – anzulasten, die wirklich und aus vollem Herzen sich für Verständigung und Kooperation mit Israel, mit den Juden einsetzen. Aber es gibt Menschen - in der Politik und in den Medien sind sie besonders häufig vertreten-, die sagen, dass sie gegen Antisemitismus kämpfen und sich so verhalten, dass dieser gefördert wird. (Ich denke daran, wie sich die deutsche Regierung im Gaza-Krieg verhält und an manche sehr seltsamen Antisemitismusbeauftragten).

Dienstag, 25. März 2025

Das hätte ich mir nie vorstellen können.

Diesen Ausspruch hört man oft. Manchmal sind es die belanglosesten Dinge, die man sich nicht vorstellen konnte. Morgens keinen Kaffee trinken, sich im Wald verirren, einen Autounfall haben.

Wenn man sich geschichtliche Ereignisse vor Augen hält, dann passierten in der gesamten Menschheitszeit Dinge, die sich die betreffenden Menschen niemals hätten vorstellen können. Oft von einer Minute auf die andere. Wenn man sich diese geschichtlichen Ereignisse näher betrachtet, stellt man hinterher fest: manches hätte man sich doch vorstellen können, doch die Phantasie dazu und auch das Wissen fehlten.

So lese ich gerade von Alfred Döblin „Schicksalsreise“. In dem Buch schilderte er, der bereits Flüchtling war und sich in Frankreich schon gut eingelebt hatte, wie er vom deutschen Einmarsch 1940 überrascht worden war und von Paris aus eine strapaziöse, abenteuerliche Flucht durch Frankreich zu einem Fluchtpunkt in Südfrankreich unternahm und dabei unzählige groteske und aufregende Situationen erlebte. Zu jedem Erlebnis hätte er sicher sagen können: „Das hätte ich mir niemals vorstellen können!“

Hätten unsere deutschen Flüchtlingslandleute sich vor ihrer Flucht (bzw. Vertreibung) je vorgestellt, dass sie den Rest ihres Lebens außerhalb ihrer Heimat werden leben müssen? Vieles lag außerhalb des Vorstellungsvermögen, aber es fehlte auch die Phantasie, was alles geschehen kann. Das Bewusstsein für geschichtliche Zusammenhänge könnte das Vorstellungsvermögen schärfen.

So war es in Israel am 7. Oktober 2023. Ich stelle mir die Leute vor, die unbefangen zu dem großen Musikfestival aufbrachen, und die Bewohner der südlichen Kibbuzim, die ihr tätiges und friedliches Leben führten. Und dann, mit einem Schlag, passierten Dinge, die sich niemand hatte vorstellen können (Nein, die Dinge passierten nicht, sie wurden grausam ausgeführt). Nach langen Recherchen und Untersuchungen kam man hier aber auch zu dem Schluss: Eigentlich hätte man hier manches voraussehen können. Das Vorstellungsvermögen, zu welch schrecklichen Dingen Menschen in der Lage sind, das Bewusstsein für List, Grausamkeit, Willen zur Brutalität der Nachbarn hinter der Grenze, vielleicht war es sogar vorhanden, aber eingeschlafen. (Dazu muss man sich noch vorstellen, dass gerade in diesen Kibbuzim Menschen lebten, die sich bewusst den Palästinensern zuwandten).

Und hätte man sich vorstellen können, dass die Welt, repräsentiert von der UNO, nach all dem schrecklichen Geschehen sich ziemlich unverhüllt auf die Seite der Barbaren stellt? Mir fehlt dazu die Phantasie, aber mein Vorstellungsvermögen wird durch diese Einsicht geschärft. Die Vorstellung, dass die UNO nicht ein hehres Gremium ist, sondern Partikularinteressen und Eigennutz auch diese Institution antreiben. Möge Israel zu dem Schluss kommen, dasss es nichts gibt, „was man sich nicht vorstellen kann“ und sein Handeln danach ausrichten.

Samstag, 15. März 2025

Ich fühle mich nicht mehr wohl in Deutschland

In einem „Spiegel“-Exemplar vom Januar konnte ich ein Gespräch eines Redakteurs mit arabischstämmigen Menschen, die in Deutschland leben, lesen. Der Artikel ist zwar einige Wochen alt, aber es hat so etwas Allgemeingültiges, dass das Geschriebene weiterhin aktuell ist. Das Fazit des Gesprächs ist: Menschen mit arabischen Wurzeln werden in Deutschland diskriminiert, sie trauen sich nicht, in der Öffentlichkeit ihre Muttersprache zu sprechen, sie haben Angst, ihre Arbeitsstelle zu verlieren oder nicht eingebürgert zu werden. Islamophobie ist allgegenwärtig. Sie spüren einen gewaltigen Rechtsruck in der Politik, den sie darauf zurückführen, dass die Politiker sich von der AfD „gejagt“ fühlen. Israel hätte sozusagen Narrenfreiheit und dürfe machen, was es wolle. Deutsche Politiker hätten Angst, als „Antisemiten“ stigmatisiert zu werden, wenn sie Israel kritisieren. Sie zeigen einseitige Solidarität mit Israel und blenden das Leid der Palästinenser aus. Von Palästinensern würde „ständig“ verlangt, dass sie Empathie gegenüber Israel bekunden. Mir fiel das Zitat aus einem „Spiegel“ ein: „: »Israel hat die Erzählung verbreitet, dass jede Kritik an Israel antisemitisch ist. Israel kann also tun und lassen, was es will.« Eine Übereinstimmung des „Spiegels“ mit den Arabern in Deutschland ist also vorhanden. Die Begriffe Genozid und Völkermord kamen auch vor, natürlich in Beziehung von Israel zu Gaza.

Die deutsche Regierung wäre völlig unkritisch Israel gegenüber, und wer Kritik an Israel übe, würde als Antisemit gehandelt. Die Ägypterin hatte die Erfahrung gemacht, dass sie Kopftuch tragend ständig für irgendetwas verdächtigt und sogar angespuckt wird, bis sie schließlich ihr Kopftuch abgelegt hat. Sie hatte Furchtbares erlebt, nämlich als sie im Bus ihrem kleinen Sohn etwas vorlas, wurde sie von einer Buspassagierin für das Vorlesen gelobt. Was für eine Herablassung, sie empfand das schlimmer als Hassbemerkungen!

Der „Spiegel“-Redakteur warf manchmal zurückhaltend eine Bemerkung über den 7. Oktober ein, der aber nicht weiter beachtet wurde.

Und immer so weiter, man hatte den Eindruck, in einem israelhörigen und vollkommen islamophoben Staat zu leben. Das deckt sich überhaupt nicht mit meinen Beobachtungen und Erfahrungen. Im Geiste sah und hörte ich so manche Nachrichtensendung im Fernsehen oder im Radio. Ich stellte mir vor, was in Universitäten geschehen ist, ich sah Frau Baerbock die Leute in Israel belehren. Ich sah die Demonstrationen für Gaza und die relativ kleinen Demonstrationen von Israelfreunden und Juden für die Freilassung der Geiseln.

Man kann natürlich sagen, dass eine Meinung im Auge des Betrachters liegt. Die Urteile über die Stimmung in Deutschland sind ganz subjektiv, und vielleicht haben die Leute es tatsächlich so empfunden. Hört man z.B. einen Satz, den man als islamophob empfindet, so hört man plötzlich ständig solche Sätze. (So ähnlich hat es schon der gute Paul Watzlawick formuliert). Man kann es auch so sehen: Wenn man nicht 100% zustimmt zu allem, was aus Gaza kommt, dann empfinden Palästinenser das als feindlich und als Verurteilung. Wenn man Israel nicht zu 100 % ablehnt, so wird das als Unterwerfung unter Israel betrachtet. Unter solchen Voraussetzungen, kann so eine Stimmung durchaus entstehen, wie sie im „Spiegel“-Gespräch kolportiert wird.

Dass so ein Artikel in einer großen auflagenstarken Zeitung escheinen kann, also ein Artikel, der die allgemeine Islamophobie und die bedingungslose Israelhörigkeit in Deutschland anklagt, ist schon ein Zeichen, dass es so schlimm mit diesen Erscheinungen nicht sein kann. Aber wahrscheinlich hält der „Spiegel“ sich und die Protagonisten den „Spiegel“ für todesmutig und waghalsig, dass er sich allein dem gesellschaftlichen Trend gegenüber stellt.

Samstag, 8. März 2025

No other Land

Zufällig las ich eine Nachricht in einem Nachrichtenportal, die mich eigentlich nicht besonders interessierte. Bei der Oscar-Verleihung hatte ein „Dokumentarfilm“ einen Oscar bekommen. Ach, der hatte ja schon einmal von sich reden gemacht, der israelisch-palästinenische Film „No other Land“, bei der letzten Berlinale. So richtig wundern konnte ich mich darüber nicht, der Film ist ein Symbol dafür, wie heutzutage auch die Kunst dafür benutzt wird, Propaganda zu machen.

Über den Inhalt ist nicht viel zu sagen: Es gibt zwei Versionen über den Inhalt, die sich grundsätzlich voneinander unterscheiden. Im Süden Israels innerhalb, bzw. an der Grenze der Palästinensergebiete sind einige Palästinensersiedlungen. Das Gebiet, auf dem sie angelegt sind, ist von Israel für einen Truppenübungsplatz vorgesehen. Die Bewohner weigern sich, ihre Häuser zu verlassen und werden von der israelischen Armee vertrieben.

Die andere Version ist, dass dieses Gebiet zu den so genannten C-Gebieten gehört, die laut Osloer Vertrag von 1993 unter der Oberhohheit von Israel stehen und schon lange für den besagten Truppenübungsplatz vorgesehen sind, dass es diese Siedlungen noch in den 90-ger Jahren gar nicht gegeben hat, und dass Häuser und Gebäude illegal errichtet wurden, z.T. mit EU-Geldern. Und dass die „Bewohner“ von Masafer Yatta durchaus in den weiter nördlichen Gebieten über Häuser und Infrastruktur verfügen.

Ja, es gibt sogar noch eine Version über den Inhalt, dass fanatische Israelfeinde, Leute von der BDS-Bewegung, diesen Film verurteilen, weil sich „kritische“ Israeli und Palästinenser zu sehr annähern, was den Prinzipien der BDS-Bewegung widerspricht.

Doch um den Inhalt des Films geht es nicht so, es geht um die Frage: Warum wird Israel in Zeiten, wo es in höchster Bedrängnis ist, wo es ununterbrochen beschossen wird, von vielen Seiten aus, warum wird Israel als das eigentliche „Böse“ dargestellt. Die Bezeichnungen Genozid und Apardheit fallen in den Besprechungen immer wieder. In einer Zeit, wo Israeli in Tunneln gefangen gehalten werden. Wo „gleich nebenan“ ein hunderte Kilometerlanges Tunnelsystem für kriegerische Zwecke errichtet wurde, auch mit Geldern, die Deutschland und Europa (angeblich für humanitäre Zwecke) an die Palästinenser überwiesen hat? Stoff fürDokumentarfilme noch und noch. Und warum wird in keiner der Rezensionen, die diesen Film überschwänglich loben, erklärt, was ein C-Gebiet ist oder erbringt den Beweis, wann und wie die Häuser in Masafer Yatta errichtet wurden?

Es ist politisch gewollt. Ich frage mich, ob es eine kleine politische Kaste ist, die solche „Kunstwerke“ aussucht, öffentlich macht, zur Praimierung bestimmt? Der Film würde sicher nicht so viel Aufmerksam auf sich ziehen, wenn er nicht tief sitzende Hass Gefühle gegenüber Israel bedienen und schüren würde. Es muss ein „Welt-Prinzip“ sein, denn der Antisemitismus springt aus verschiedenen Gegenden hervor, wie aus einer Schachtel, die manchmal auch eine Weile verschlossen war.

Sonntag, 2. März 2025

Lager Svatobořice

Svato (Bildunterschrift: Hier begannen sie diejenigen aus der ganzen Republik zu sammeld, deren Verwandte.........)

Wie oft bin ich, meistens mit dem Bus, durch den kleinen Ort Svatobořice in Südmähren gefahren. Dort war mir eine kleine Textilfabrik mit großen Hallen aufgefallen. Jemand sagte zu mir: „Dort war früher ein KZ“. (Immerhin waren diejenigen, die mir das erzählten, aus einer Zeit, wo sie das als lebendige Tatsache wussten). Aber ich war auch nicht auf die Idee gekommen, an Ort und Stelle genauer hinzuschauen, zu harmlos sahen die paar Baracken aus.

Nun sah ich aus reinem Zufall einen Film über eine ehemalige tschechische Häftligsfrau. Sie erzählte über ihr Leben, und wie sie in das Lager Svatobořice geraten war. Svatobořice: der Ort, durch den ich so oft gefahren oder als Ausgangspunkt für Wanderungen genutzt habe. So konnte ich etwas über das Lager erfahren, im Film, nicht in der direkten Anschauung.

Es wurde als KZ-Außenlager erst im September 1942 (nach dem Attentat auf Heydrich) in Betrieb genommen. Man richtete es extra ein, um Verwandte von Leuten zu internieren, die entweder in der Auslandsarmee kämpften oder die aus politischen Gründen verhaftet oder geflohen waren (die so genannte Sippenhaft). Wenn die verhafteten Menschen jüdisch waren, war das Lager Ausgangspunkt für eine weitere Deportation nach Theresienstadt oder nach Auschwitz.

Auch in dem kleinen Ort Svatobořice hat man die Vergangenheit nicht einfach zur Seite gelegt. Der Ort, der hauptsächlich für seine Weinkeller bekannt ist, richtete zum 70 Jahrestag der Befreiung des des Lagers einen großen Empfang aus mit vielen geladenen Gästen. Die wichtigsten Gäste waren ehemalige Gefangene, die gerade noch das Alter hatten, mobil und sogar mit eigenen Vorträgen daran teilzunehmen. Die konnten über die Zeit ihres Gefangenendaseins den Zuhörern, insbesondere Schülern, berichten. Das ehemalige Häftlingsmädchen Věra Destacellová, nun eine Frau, die auf die 90 zuging, wurde im Film auf mehreren Stationen begleitet. Sie war eingesperrt, weil ihr Bruder in der Auslandsarmee kämpfte. Mit ehemaligen Kamaradinnen zusammen erzählte sie über Unfreiheit, Angst, Hunger, Deportationen. Doch das Lager hatte auch etwas Gutes: es hatte einmal ein Ende. Und Frau Destallecová drückte es so aus: „Ich bin so froh, dass ich nicht hier im Lager den Tod fand“.

Wenn man die damaligen Zeiten bedenkt, ist das eine verständliche und plausible Aussage. Mir fielen dabei aber die vielen anderen ein: die einfach durch ihr Dasein dazu verurteilt waren, in so einem Lager den Tod zu erleiden. Für die das Lager Svatobořice ein Durchgangslager auf dem Weg in das endgültige Vernichtungslager war.

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