Sonntag, 14. Juni 2020

Pfingsten in Vorpommern (Teil IV - Ende)

Dorf-am-Trebel

Zur letzten Erkundung hielten wir in einem kleinen Straßendorf an einem kleinen Kirchlein. Es sah aus, als wäre es schon nicht mehr in Betrieb. Das Kuriose an diesem Dorf war, dass weder Häuser noch Kirche ein Lebenszeichen von sich gaben, und wenn man nur 3 km weiter fuhr, war man auf der Autobahn. Zum Abschied grüßte ein überdimensionaler Heldenstein auf dem Kirchplatz: Mit einem Relief eines Stahlhelmträgers und der Aufschrift: „Den Gefallenen zur Ehr, den Lebenden zur Lehr! Weltkrieg 1914-1918 und 1939-1945“

Ein „normaler“ Heldenstein auf einem „normalen“ Kirchenplätzchen. Man könnte darüber nachdenken, warum diese Heldensteine ausgerechnet auf den Kirchplätzen stehen und nicht vielleicht auf einem Dorfplatz. Man könnte auch überlegen, warum Menschen gerade geehrt sind, oder ihnen das ewige Leben versprochen wird, oder nicht von der Liebe Christus geschieden werden können, weil sie im Krieg zu Tode kamen. Was sie als Soldaten gemacht haben, zählt überhaupt nicht, sondern einfach die Tatsache, dass sie in Kriegen die mit unzähligen Toten und mit unzähligen Kriegsverbrechen verbunden waren, gefallen sind, erhebt sie über normale, ebenfalls sterbliche Menschen. Mehrmals habe ich an Pfarrer und Kirchengemeinden geschrieben und um eine Erklärung dafür gebeten, aber eine Antwort bekam ich nie.

Zum Glück war der Tag in vieler Hinsicht erlebnisreich, hätten wir ausschließlich in Kirchen den „Geist des Lebens“ erkundet, dann hätten wir feststellen müssen, dass wir kaum dem Geist des Lebens begegnet sind, umso mehr dem Geist der Erstarrung und des Todeskultes.

Dienstag, 9. Juni 2020

Pfingsten in Vorpommern (Teil III)

Der nächste Halt galt einem kleinen Städtchen, so eins, wie man es früher als Marktflecken bezeichnete. Aus den umliegenden Dörfern fuhren damals die Menschen mit Kleinbahn und Bus dorthin zum Einkaufen. Die Stadt hat eine wunderbare Lage, weit über eine Ebene zu sehen, ist sie auf einer Art Tell gelegen, 2 alte Stadttore und eine schlichte, sehr große Kirche in Backsteingotik prägen die Silhouette. Die Struktur des Städtchens ist so schön, dass sie nach der Wende zur Modellstadt erklärt wurde und besondere städtebauliche Förderung genoss. So begeistert ich immer wieder von dem Städtchen bin, ebenso deprimiert bin ich jedes mal wenn ich es verlasse. Die Stadt ist tot. Mehrmals durchfuhr ich sie in ihrer ganzen Länge und sah nicht einen einzigen Menschen auf der Straße. So ein leeres, verlassenes Städtchen kann man sich gar nicht vorstellen. Sicher führt die Stadt im Verborgenen auch ein Eigenleben, man müsste sich länger dort aufhalten, um dieses zu entdecken.

St-Thomas

Dafür hielten wir nicht lange genug. Wir parkten auf dem vor Kurzem für ca. 100 000 € sanierten Kirchenplatz. Vor der Sanierung war der Kirchenplatz ein lauschiger Ort, der im Einklang mit der gotischen Backsteinkirche war. Jetzt war der Kirchenplatz ein von stadtarchitektonischer „Meisterhand“ gestalteter fremder Platz, der nichts mit der Kirche gemeinsam hat. Verschiedene Pflasterungen edler Art gab es und Stelen, die zu nichts taugten. Die in coronamäßigen Abständen gereihten Würfel sollten wohl Sitzgelegenheiten sein. Ein riesiges metallenes „Kunstwerk“ bildete das Ende des Platzes. Zu Glück war die Bezeichnung des Kunstwerks mitgeliefert, es hieß „Der Bassist“. Leider bin ich nicht bibelkundig genug, um mich an einen Bassisten aus der Bibel zu erinnern, mir kam nur König David mit der Harfe in den Sinn, vielleicht hatte eine Verwechslung der Musikinstrumente vorgelegen. Mit einigem Entsetzen stellten wir fest, dass wir gerade zuvor das idyllische Atelier des Künstlers besucht hatten, auf dem sehr schöne Kunstwerke zu sehen waren.

Ich konnte mir nur vorstellen, dass dieser „Bassist“ aus dem Fundus des Künstlers stammte von Kunstwerken, die er loswerden wollte. Dass der „Bassist“ wirklich Kunst war, konnte man an dem daneben aufgestellten Schild ersehen:

18
"Das Kunstwerk ist kein Spielgerät"

Nun ist der Bassist so stabil, dass kein kletterndes Kind ihm etwas zuleide tuen kann, möglicherweise hat diese drohende Aufschrift mit Sicherheitsvorschriften zu tun.
Ich dachte, es wäre wahrscheinlich wirklich sinnvoller gewesen, hier einige nette Spielgeräte aufzustellen, und eine Atmosphäre zu schaffen, wo Kinder sich wohl fühlen. Die Stadt macht einen Eindruck, dass sie um jedes einzelne Kind ringen sollte, damit Kirchengemeinde und Stadt eine Zukunft haben. Wenn an dieser Stelle zu Pfingsten ein Geist walten sollte, dann könnte man ihn als Geist der Absurdität bezeichnen.

Samstag, 6. Juni 2020

Pfingsten in Vorpommern (Teil II)

Wir kamen in ein schönes Dorf. Da es nicht zerschnitten von einer Durchgangsstraße war, gruppierten sich die gut erhaltenen Bauernhäuser rund um die Kirche, die mitten im Dorf stand. Den gepflegten Friedhof prägte eine mächtige Linde, die in schönstem Grün war.

Linde-Bisdorf

Trotz wieder geschlossener Kirche waltete hier der Geist, es war aber ein anderer als der Heilige Geist. Ein modernes, künstlerisch gestaltetes Kriegsdenkmal ließ die Gedanken auf Kriege richten. Ganz genau konnten wir es nicht herauszufinden. Es war nicht vermerkt, dass die vielen Männernamen, geordnet nach verschiedenen Gemeinden rundherum, Namen von im Krieg gefallen Soldaten sein sollten, man ahnte es aber. Ob erster oder zweiter Weltkrieg? Wohl beide Kriege, wie man anhand der Namen vermutete, die teilweise sehr altertümlich und teilweise weniger altertümlich klangen.

Krieger-Bisdorf2

Zwei ums Leben gekommene "namenlose" landwirtschaftliche Arbeiter sind auf einer Stele aufgeführt. Ob das etwa Menschen aus dem Dorf waren, die im Ausland Landwirtschaft betrieben hatten, so wie die anderen dort wohl den Krieg betrieben hatten? Oder etwa Landarbeiter, - woher auch immer -, die im Ort gearbeitet hatten? Wie mögen sie ums Leben gekommen sein? Es mutet befremdlich an, dass, alle Männer mit Namen verzeichnet die Landarbeiter dagegen als „namenlos“ aufgeführt waren. Entweder hat man sich nicht die Mühe gemacht, ihre Namen zu erforschen oder man hielt es nicht für Wert, etwa fremde Namen unter die der Dorfbewohner zu mischen.
Kurz gesagt: Die Gedenkstätte ließ viel Raum für Phantasie.

Egal, ob Namensinhaber und Namenlose, sie standen alle unter den gleichen Bibelversen:

„Lass dich nicht von Bösem überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“

„Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“

Die Bibelstellen könnte man auf viele Weisen interpretieren, doch die Mühe nahmen wir uns nicht, denn es warteten weitere Künstlerquartiere auf uns. Im gleichen Dorf gab es einen Keramiker, der ansonsten Keramiken dieser Art herstellte:

Kunst-Bisdorf
Es ist zu hoffen, dass Namensplatten und Keramikfiguren des Kriegerdenkmals ihm einen Verdienst eingebracht haben.


(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 4. Juni 2020

Pfingsten in Vorpommern

Der Pfingstausflug gilt traditionell der Kunst und der schönen Landschaft Vorpommerns. Morgens im Radio war aus einem Sender der Pfingstvers zu hören: „Komm, oh komm, du Geist des Lebens……“. Warum also nicht auch noch außer Kunst und Landschaft, sich den kleinen und größeren Kirchen widmen und an Pfingsten zu erleben, wie es mit dem „Geist des Lebens“ an einem Pfingstsonntag aussieht, und was darunter zu verstehen ist.

Wir beschlossen, auf dem Weg auch an Kirchen zu halten, an denen wir vorbeifuhren, so wie es sich gerade ergibt. Wir hielten in einem Dorf, in einem sehr kleinen Dorf, in einer kleinen Kleinstadt und in einer 12 000-Einwohnerstadt, die lange Zeit Kreisstadt war. Um es vorweg zu sagen: Nicht eine einzige der Kirchen war geöffnet. Der Geist des Lebens hatte möglicherweise vormittags noch gewaltet, als wir nach 12 Uhr dort vorbeikamen, war nichts mehr vom Geist des Lebens zu spüren. Man kann sagen, er hatte sich verflüchtigt. Wohin? Vielleicht in die Künstlerquartiere, in denen es unterhaltsam und lebendig zuging.

Turm-Demmin

Die erste Kirche war die Hauptkirche einer Probstei. Die Türen waren fest verschlossen, irgendwo erfuhr man, dass man die Kirche an vier Tagen der Woche für drei Stunden besichtigen kann. Leider war gerade Pfingstsonntag, der nicht zu Tagen der Besichtigung oder der inneren Einkehr gehörte. Ansonsten wirkte rundherum alles ausgestorben, auf pfingstlichen Schmuck, in meiner Erinnerung sind es Birken, hatte man verzichtet, vielleicht wollte man die Umwelt schonen. Dafür zierte die Kirche ein gelbes Banner mit der Aufschrift:

Banner-Demmin

"Gott hat uns nicht den Geist der Verzagtheit gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit" - "Hoffnungsläuten täglich um 12 Uhr"

Hoffnung konnten wir nicht mehr schöpfen, 12 Uhr war vorbei. Möglicherweise sollte die Angst vor Corona durch Hoffnung vermindert werden, denn in einem Schaukasten wurde dazu aufgerufen, jeden Abend um 19 Uhr eine Kerze ins Fenster zu stellen und ein Vaterunser zu beten.
(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 28. Mai 2020

Die Mao Bibel

Eines Tages sagte uns ein westdeutscher guter Freund, wie er es für uns bedauert, dass wir nicht im Westen aufwachsen und unsere Jugend genießen konnten. Das Westdeutschland der 70-ger Jahre schien die Maßstäbe für ein gutes Leben gesetzt zu haben.

Ich erinnerte mich, dass ich das damals auch so empfand: was meine Cousins und Cousinen alles lernen und kennenlernen konnten! Sie durften in alle möglichen Länder reisen, in der Schule Bildung genießen, alle Bücher lesen, die sie lesen wollten. Und sie waren nicht – so wie wir -, nur auf die Bücher angewiesen, die sich hierher verirrt hatten, in Waschmittelpackungen versteckt und von Westverwandten geschickt, z.B. Bücher von Solschenizyn und Kopelew. Sie konnten ´revolutionär` und fortschrittlich sein, aufmüpfig, wie man es nannte. Sie konnten ´die Vergangenheit bewältigen´, - so sie wollten -, sie hatten die freie Wahl. (Sehr wunderte ich mich später, als ich mitbekam, dass das Interesse gleichaltriger Westjugendlicher oft darin lag, zu diskutieren, wer zur Beatles- oder wer zur Stones-fraktion gehörte) Aber egal – bei Ost-West Jugendtreffen, die von der Kirche, auf allerhand Arten und Weisen organisiert waren, saßen wir mit ununterbrochen rauchenden Westjugendlichen diskutierend zusammen und bewunderten ihre Eloquenz und ihre Fortschrittlichkeit.

Mit einem fast verschwörerischen Gesichtsausdruck wurde mir bei so einer Gelegenheit einmal ein „ganz besonderes“ Buch in die Hand gedrückt. Es war eine Mao Bibel. Ein rotes Büchlein, in kleinem Format, nicht besonders dick, aber auf feinstem Papier, so wie manche „richtige“ Bibeln, gedruckt. Später schaute ich hinein, las einige Passagen, die mir einfach nur lächerlich vorkamen, und dachte, das wäre ein Scherz gewesen.

Später hörte und las ich, dass in manchen Kreisen diese Mao Bibel sehr ernst genommen wurde, sie galt, ebenso wie das bekannte Konterfei von Ché Guevara zum Kennzeichen eines fortschrittlichen westdeutschen Jugendlichen. Ich nehme an, den Inhalt der besagten Bibel kannte wohl kaum einer, ebenso wie Näheres aus dem Leben Ché Guevaras. Das ist ja auch egal. Meine Bewunderung für eloquente fortschrittliche westdeutsche Jugendliche war dahin. Ebenso wie eine etwaige Sehnsucht, dort aufgewachsen zu sein.

Nachtrag: Als ich dieses Erlebnis einmal meinem Mann erzählte, stellten wir fest, dass er in der Jugend fast identisch das gleiche Erlebnis gehabt hatte. Auch er - im Kommunismus aufgewachsen - hatte so eine Mao Bibel in die Hand bekommen und konnte sich vor Lachen ausschütten als er hörte, dass es im Westen Menschen gibt, die diese als etwas „Großes“ ansahen.

Donnerstag, 21. Mai 2020

Corona

Ein Bekannter rief eben an, es ging um eine Geburtstagsfeier. Sie hatten eigentlich vor zu kommen, aber nun haben sie erfahren: das und das……. Irgendwie sind die gesetzlichen Bestimmungen so, dass er und seine Frau doch nicht ins Schema fallen, und irgendwo, er weiß nicht genau wo, soll die Pandemie wieder sehr aufgeflammt sein. Es ist höchst interessant, wie sich die Leute verhalten, wie im Verhältnis zur eigenen sozialen Sicherheit und zum Alter die Angst größer ist, dazu die Gesetzestreue a la: ´als wären Pandemiegesetze, in steinerne Gesetzestafeln gemeißelt´. Die so genannten Gesetze werden ja ohne Begründung und ordentliche Grundlage verkündet. Man nimmt es hin, oft geht es nicht anders, oft hat man seine eigene Methode damit umzugehen. Ich finde es schon lustig, rege mich nie über jemanden auf, außer wenn andere beschimpft oder abwertet werden. Ansonsten informiere ich mich so viel wie möglich in Medien, die ich durch lange Erfahrung für glaubwürdig halte.

Freitag, 15. Mai 2020

(K)ein Tag mit Lew Koppelew

Normalerweise lebe ich nach der Devise: Wenn man etwas versäumt, erlebt man dafür etwas anderes, also versäumt man eigentlich nichts. Besonders in der jetzigen „Corona-Zeit“ trifft das zu, in der ich einige kleine Reisen und Besuche versäumte, dafür aber schöne Erlebnisse mit Menschen aus meiner Umgebung hatte.

Manchmal versäumt man aber wirklich eine Gelegenheit, weil sie einmalig ist und unwiederholbar. Das war für mich ein Tag mit Lew Kopelew. Es war in den bewegten Tagen der Wende, als ich diesen Tag versäumt habe. Mein ´kleiner` Bruder hatte sich politisch engagiert und war als einer der ersten in die neu gegründete SDP (DDR-analog zur SPD) eingetreten. Eines Tages meldete sich Lew Kopelew bei der SDP und äußerte den Wunsch, Näheres über die in der DDR neu gegründete Partei zu erfahren und die Stadt Potsdam zu besichtigen. Allzu groß war die Reserve der neuen Partei noch nicht, dazu wohnte mein Bruder in Potsdam. So trug man die Bitte an den jungen Studenten heran, sich Lew Kopelews zu widmen.

Das Problem war, dass er kein Auto hatte. Er wandte sich an seine Mutter, die über ein Auto verfügte (es war sogar dem Anlass gemäß geeignet, ein VW-Golf, der durch „Genex“-Einkauf erworben worden war – ob damit heute noch jemand etwas anfangen kann?) Die Mutter war selbstverständlich bereit, mit dem Auto nach Potsdam zu fahren. Für mich wäre es kein Problem gewesen mitzukommen. Von Lew Kopelew hatte ich viel gelesen. Aber ich hatte keine Lust, mir den Tag frei zu nehmen. Der Bruder und die Mutter sind einen ganzen Tag lang mit Lew Kopelew in Potsdam herumgefahren, haben viel besichtigt und viel erzählt. Später sagte ich manchmal: „Ich habe in meinem Leben nicht so viel versäumt, aber eins habe ich versäumt: Dass ich nicht die Gelegenheit genutzt habe, einen Tag mit Lew Kopelew zu verbringen“. Meines Bruders politisches Engagement brachte ihm ein, dass er ca. ein halbes Jahr Mitglied der einzigen frei gewählten DDR-Volkskammer war.

Donnerstag, 7. Mai 2020

Zum 8.Mai 2020 (75 Jahre Kriegsende) Zwei Kriegsveteranen

Da ich nach dem Krieg geboren bin, aber unmittelbar unter Leuten aufwuchs, die den Krieg selbst miterlebt hatten, interessieren mich die Nachkriegsgeschichten und das Nachkriegsverhalten mehr als der Krieg selbst. Vieles erlebte ich nicht bewusst, bekam es aber nebenbei mit. Bei meinem kindlichen und jugendlichen Wissen über den Krieg wäre es mir niemals in den Sinn gekommen, dass sich die ehemaligen Kriegskameraden weiterhin treffen würden.

In der DDR war es verboten, vermutlich fanden solche Treffen heimlich statt, und sobald jemand den glücklichen Zustand des Rentnerdaseins erreicht hatte, war wahrscheinlich die heimliche Teilnahme beim jährlichen Kameradentreffen ein Höhepunkt des Lebens. Wir beherbergten nach der Wende jährlich einen väterlichen Freund, der auf dem Weg zum Treffen der ehemaligen U-Bootbesatzung in Norddeutschland war - auch ein Höhepunkt im Jahr für ihn. Wir fanden das nicht verwerflich, weiß doch jeder, wie eine gemeinsam erlebte schwere oder aufregende Zeit Menschen aneinander bindet. Dass er zu Hause als Friedensaktivist an Sitzblockaden teilgenommen hatte, sogar einmal verhaftet worden war, ist kein Widerspruch. Ich fragte mich nur, ob bei den U-Boot-Treffen die Verwerflichkeit des Krieges je zur Diskussion gestanden hat.

Mir fällt ein anderer Kriegsveteran ein, der auch jährlich am Veteranentreffen teilnahm, aber aus einer anderen Perspektive. Das war mein Schwiegervater. Ich erlebte manchmal mit, wie er zu einer Versammlung des „Bundes der Antifaschisten“ ging. Er kam zufrieden zurück: verschiedene organisatorische Dinge waren beraten worden, z.B. ob man in Zukunft weiterhin frei mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren darf oder ob es einen pauschalen finanziellen Zuschuss für das Fahrgeld geben wird. Es ging zu wie in einem Verein mit Vereinsvorsitzenden und Kassenwart, wie es hier vielleicht auch ist, wenn sich die alten Wehrmachtssoldaten zu ihren Vereinssitzungen begeben. Die alten Heldentaten kamen wohl kaum zur Sprache, mehr aber die Probleme, die in der Gegenwart alte Menschen haben. Bei den Antifaschisten in Tschechien kommt hinzu, dass zwischen antifaschistischem Kampf und der Gegenwart die unendlich lange und bittere Zeit des Kommunismus gelegen hat, wo das Geschichtsbild verfälscht wurde, wo mein Schwiegervater als Antifaschist nicht akzeptiert wurde, obwohl er während des Totaleinsatzes Sabotage begangen hatte, einen 300 km langen Fußmarsch hinter sich gebracht und ein Jahr lang illegal in einem Verlies gelebt hatte. Und wo so mancher Antifaschist dann als Kommunist Unrecht begangen hat. Aber egal, nun waren es alte Leute um die 80, und es ging um Freifahrscheine und verminderte Telefongebühren. Sie kamen miteinander zurecht. Ähnlich wird es wohl bei den Zusammenkünften unserer „alten Kämpfer“, der Fall sein. Es wird wahrscheinlich auch über Familiäres, über Renten und solche Sachen gesprochen werden. Es eint sie hauptsächlich die Tatsache des gemeinsamen kriegerischen Zusammenseins und nicht ihre jetzige Lebenseinstellung.

Doch ich bin sehr dankbar, dass der Lauf des Lebens es gebracht hat, dass ich einen Schwiegervater hatte, der in seinen alten Tagen in eine Versammlung des Bundes der Antifaschisten ging und nicht in eine Versammlung der Veteranen der Wehrmacht

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