Dienstag, 14. April 2020

Das Massaker von Gardelegen (Teil III)

Vom Gelände der Feldscheune Isenschnibbe nach Kloster Neuendorf sind es nur 5 km. Beide liegen auf dem umfangreichen Gelände der ´drittgrößten Stadt Deutschlands` Gardelegen. Kloster Neuendorf ist ein ehemaliges Zistersienserinnen Kloster. Ein malerischer Klosterhof und eine ebenso malerische Kirche sind noch erhalten. Die Kirche ist sehr schön restauriert. Als ich sie das erste mal betrat, fiel mein Blick sofort auf eine auch malerische Tafel in Form eines Triptychons, künstlerisch gestaltet mit einer Schneelandschaft und vielen Kreuzen darauf. Sie trug die Aufschrift:

1939 -1945 „Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“.

krieger

Rechts und links waren die Namen der im zweiten Weltkrieg gefallenen Neuendorfer Soldaten verzeichnet. Ich stieß einen Schrei aus und rief: „Wie kann ein Pastor hier unter dieser Tafel predigen?“. Dafür erntete ich Unverständnis, denn das wären doch nun mal Opfer des Krieges. (Bezeichnenderweise wird in wikipedia- und anderen Beschreibungen der Kirche nicht auf diese Tafel hingewiesen, obwohl sie Kriegstafeln anderer Kirchen in ihrer Ästhetik überragt und zweifellos teuer war).

Das bedeutet, dass wenn einer der hier Verzeichneten zufällig beim Verbrennen der 1016 KZ- Häftlinge mitgewirkt hätte und noch in den letzten Tagen, vielleicht beim Volkssturm, umgekommen wäre, dann gedächte man seiner in der Kirche und demjenigen würde das ewige Leben versprochen und Gottes Schutz zugesagt. Ich frage mich, wer sich überhaupt anmaßt, solche Versprechen zu geben. Normalerweise wird das Versprechen auf das ewige Leben mit Reue und Vergebung der Sünden in Verbindung gebracht, aber ein deutscher Soldat – mag er an den schlimmsten Massakern beteiligt gewesen sein – der bekommt das ewige Leben wohl automatisch?
(Fortsetzung folgt

Samstag, 11. April 2020

Das Massaker von Gardelegen (Teil II)

Diese Situation scheint sich inzwischen sehr geändert zu haben. Es ist ein großes Dokumentationszentrum gebaut worden und eine intensive Pflege zustande gekommen. Und es gibt Menschen, die sich um eine historische Aufarbeitung kümmern und eben auch einen Film darüber drehen. An dem Film war interessant, dass derjenige, der den Befehl zur Verbrennung der mehr als 1000 Menschen gegeben hatte – der Kreisparteileiter von Gardelegen -, es geschafft hatte unterzutauchen, und ein recht komfortables Leben in Westdeutschland geführt hatte. Er pflegte sogar Kontakt zu Angehörigen und starb in den 90-ger Jahren. Im Film gab es Andeutungen, dass Geheimdienste ihre Hand über ihn gehalten haben, was gut möglich, aber nicht belegt ist.

Der Film war zwar interessant, ich würde sagen: besser als gar nichts, aber mit ideologischen Albernheiten durchsetzt, die den Film entwerten. Z.B. dass diese Menschen wegen ihrer „Rasse, Glauben oder sexuellen Identität“ leiden mussten. Es waren Arbeitssklaven aus dem Lager Mittelbau-Dora, auf die möglicherweise Kriterien davon zutrafen. Doch die Ausdrucksweise klang nach heutiger modischer Ideologie

Oder, ein dunkelhäutiger Schüler, der zu der Gruppe der Jugendlichen gehört, die in der Stadt „Stolpersteine“ pflegen, wisse wie es ist, wenn auf einen wegen seiner Hautfarbe (oder Glauben?) herabgeschaut wird, und der sich darum engagiert. Es schien so, dass die Jugendlichen aus dem Gymnasium sich weniger mit der Scheune Isenschnibbe beschäftigen als mit Stolpersteinen, was ehrenwert ist, aber mir schien in dem Film doch einiges durcheinander geraten und nicht systematisch.

Durch den Wechsel der Besatzungsmächte geriet dieses schlimme Massaker in Vergessenheit, und die DDR nutzte es für ihre Propaganda aus, z.B. indem sie die Ermordeten als „Widerstandskämpfer gegen den Faschismus“ bezeichnete und einen „Überlebenden“, der in Wirklichkeit ein Kapo war und beim Eintreiben in die Scheune mitgeholfen hatte, ebenfalls als „überlebenden Widerstandskämpfer“ hinnahm, obwohl es Hinweise gab, dass seine Rolle eine ganz andere gewesen war.

Interessant waren die dokumentarischen Filmsequenzen, die zeigten, wie die Gardelegener Männer damals mit Schaufeln auszogen und die Gräber gruben. Der amerikanische Kommandeur legte Wert darauf, dass eine würdevolle Begräbniszeremonie stattfand, bei der die Einwohner von Gardelegen anwesend sein mussten. Sie wiesen jedes Grab einer Familie für die Grabpflege zu und zwar für die Lebenszeit der Familie (was bald in Vergessenheit geriet). Ein Ehepaar aus Gardelegen hat sich daran gehalten und die Grabpflege als Erbe ihres Verwandten bis heute weiter geführt.

Die Amerikaner haben diese Tragödie moralisch-pädagogisch behandelt. (es gab auch eine Armee, die die entsprechende Stadt möglicherweise in Schutt und Asche gelegt hätte, und es gab auch eine Armee, die z.B. jeden zehnten Einwohner bei Missverhalten des Ortes erschoss oder Einwohner ebenfalls in einer Scheune oder einer Kirche verbrannte). Das eher generöse und pädagogische Verhalten der US-Amerikaner mag eine Ursache für heutigen Antiamerikanismus sein, denn es ist schwer zu ertragen, von jemanden besiegt worden zu sein, der moralisch höher steht, als man selbst.

Den Antiamerikanismus gab es übrigens schon lange, bevor Trump Präsident wurde. Im Jahr 1988 zeigte mir jemand die Stadt Bad Kreuznach und erregte sich sehr über die „Besatzer“, also die amerikanischen Kasernen, die immer noch da waren. Ich dachte im Stillen: ´freu´dich lieber über deine „Besatzer“, denn sonst hättest du unsere Besatzer, und du könntest all´ die schönen Dinge nicht mehr machen, auf die du so großen Wert legst. Aber ich sprach es nicht aus.

Der Film, die jetzige Gedenkstätte und Erforschung der Tatsachen zeigen, dass die geschichtliche Wahrheit sich – wenigstens bis jetzt – doch immer einen Weg bahnt, und der Wille, sie zu unterdrücken, schlägt sich meistens ins Gegenteil um.
(Fortsetzung folgt)

Donnerstag, 9. April 2020

Das Massaker von Gardelegen (Teil 1)

, fand am 13. April 1945 statt, es war eines der schlimmsten Kriegsverbrechen, das im Zusammenhang mit den Todesmärschen zu Ende des zweiten Weltkriegs verübt wurde. Im MDR-Fernsehen lief am 7.4. dazu eine Sendung, und da ich Gardelegen gut kenne (laut Wikipedia die drittgrößte Stadt Deutschlands!), sah ich mir den Beitrag an. Der Film war: so la la. Immerhin gut, dass man sich damit beschäftigt und die Leute – so sie wollen – darüber nachdenken lässt.

Im Jahr 1986 besuchte ich eine Freundin, die bei Gardelegen wohnt. Sie zeigte mir ihre Kreisstadt, und wir machten einen Abstecher zum Gelände der Feldscheune Isenschnibbe, in der kurz vor Kriegsende - einen Tag bevor die Amerikaner die Stadt einnahmen -, 1016 KZ-Häftlinge bei lebendigem Leib verbrannt wurden. Damals, in der DDR, war das Gelände einigermaßen gepflegt, menschenleer, spärlich beschildert, aber der Grundriss der Scheune, der erhalten und rekonstruiert war und die Zahl derjenigen, die darin umkamen, sagten genug. Ein Gräberfeld mit Kreuzen und einer kleinen Anzahl von Davidsternen war gut in Ordnung.

Meine Freundin erzählte mir, dass die US-Armee nach Entdeckung des Massakers die männlichen Einwohner von Gardelegen gezwungen hatte, jeden Einzelnen der Umgekommenen in einem einzelnen Grab zu begraben, was die Gardelegener noch nach Jahrzehnten als Zumutung und Nötigung empfanden.

Später, wenn ich in der Gegend war, schaute ich immer mal auf diesem Friedhof vorbei. Ich hörte, dass die Stadt Gardelegen, diese Stätte als Makel und Last empfand, dass es Streit gab und dass die Stadt keine Gelder für den Ausbau einer Gedenkstätte ´rausrücken wollte. Anfang der 2000-er Jahre war ich das letzte mal da. Vor dem inzwischen etwas herunter gekommenen Gelände saßen 3 Burschen im Wachhäus´chen, anscheinend ABM-er (Arbeitsbeschaffungsmaßnahme), die so aussahen, als sollten sie das Gelände vor sich selbst schützen`. (Fortsetzung folgt)

Samstag, 28. März 2020

"Was in der Zeitung steht " (Teil II)

Am 26.3. hatte ich darüber geschrieben, dass man vorsichtig sein soll bei dem, was man in der Zeitung (bzw. öffentlichen Medien) liest und deutete dabei auch an, dass in diesen oft zu erfahren ist, was in anderen Ländern „falsch“ gemacht wird, wenn jedoch die gleiche Aktion in Deutschland durchgeführt wird, dann ist sie „richtig und notwendig“. Bei den Grenzschließungen, über die sich z.B. ZDF (Claus Kleber) sehr echauffierte: das wäre nicht das, was mit „Europa“ gemeint ist, und die er zweit Tage später, als Deutschland die Grenzen schloss, für notwendig erklärte.

In einem Kommentar in den Tagesthemen beklagte ein Tim Herden einmal wieder die Europafeindlichkeit der Polen, die in Deutschland arbeitende Pflegekräfte erst in eine 14-tägige Quarantäne schicken, bevor diese wieder zurück nach D. dürfen, d.h. sie können über längere Zeit nicht arbeiten, obwohl sie dringend benötigt werden. Vielleicht hätte Tim Herden darüber räsonieren können, warum osteuropäische Dienstleister in Deutschland arbeiten, obwohl sie in Polen u.a. auch gebraucht würden (dort erledigen solche Arbeiten Ukrainer) und schlussfolgern: ein großer Vorteil der EU und der offenen Grenze ist es auch, dass wir Heerscharen von billigen oder schwer zu bekommenden Arbeitskräften hierher bekommen. Das ist für uns die positive Kehrseite zu dem, was Osteuropäern gern unterstellt wird: „dass die nur das Geld von der EU haben wollen“. (Und nicht mit Angela Merkels eigenmächtig gefassten Beschlüssen kooperieren wollen) Tim Herden macht also negative Propaganda gegen Polen. Währenddessen macht der „Spiegel“ negative Propaganda gegen Israel. Beides Völker, die besonders grausame Erfahrungen mit Deutschland gemacht haben.

Zum Lamento gegen Polen fand ich einen bezeichnenden Artikel von einem belgischen, in Polen arbeitenden Historiker. Dieser Artikel war ebenso wie der Artikel, der über des „SPIEGELS“ Ansichten zum „Demokratieverlust in Israel“ aufklärt - der ja kein anderer Demokratieverlust ist, wie der, der gerade in Deutschland praktiziert wird -,auch nicht in öffentlichen Medien zu lesen. Man sollte also wirklich hier und da ins Internet schauen.

Am 9.2. schrieb ich eine kleine Anekdote, die ich vor 40 Jahren erlebte, als ein junger, unbedarfter Mann einen Ausländer als „Polski, den man gegen die Wand stellen sollte“, bezeichnete und stellte die Hypothese auf, dass Vergangenes noch über Generationen seine Wirkung entfalten kann. Die Artikel auf die ich hier hinwies, bestätigen die Vermutung des belgischen Professors, dass in Deutschland die Zeile „An deutschem Wesen soll die Welt genesen“ noch tief verinnerlicht ist – jedenfalls bei denen, die den Ton in den meinungsbildenden Medien angeben.

Donnerstag, 26. März 2020

„Was in der Zeitung steht“

……… Text eines Liedes von Reinhard Mey. Der Inhalt ist, dass auf Grund eines falschen Berichts, einer Namensverwechslung ein Mensch gesellschaftlich isoliert wird, weil seine Umgebung alles ungeprüft glaubt, „was in der Zeitung steht“.

In der jetzigen Situation, der Corona Krise, scheint es mir, dass viele Menschen umso mehr darauf zurückgreifen „was in der Zeitung steht“. Damit meine ich nicht nur die Zeitungen, sondern alle öffentlichen Medien. Ich selbst informiere mich weitestgehend im Internet, auch wenn man oft hört (besonders von denen, die öffentliche Medien betreiben), dass man dort viele fake news lesen kann. Schon in so einer Aussage ist eine Missachtung des Konsumenten enthalten, denn man hat im Internet genug Möglichkeiten zu überprüfen, ob etwas „fake new“ ist oder nicht. Erweitert man jedoch die von öffentlichen Medien erhaltenen Informationen nicht im Internet, gerät man tatsächlich in die Gefahr, auf fake new hereinzufallen. Da denke ich an empörte Berichte, die auch Bekannte von mir kolportierten, dass Donald Trump die deutsche Biotech Firma Tübinger CureVac aufkaufen wollte, und nicht mitbekommen hatten, dass diese Nachricht nichts war als: fake new.

Was mich erschreckt ist, dass von vielen Menschen nicht nur die Tatsachen gläubig hingenommen werden, sondern auch die Meinungen, die verbreitet werden. Nun würde jeder sagen: ´ich habe meine eigene Meinung!`, aber warum ist diese so oft deckungsgleich mit den im Fernsehen vorgegebenen Meinungen? Was wurde auf die Polen geschimpft, als diese die Grenzen schlossen:

Claus Kleber im zdf am 14.3. Das eine Land schützen durch Abgrenzung gegen die Viren im anderen, indem man Grenzen schließt, obwohl das Virus längst alle Grenzen überwunden hat. Heute Nacht in einer Stunde schließt Polen seine Grenze gegen Deutschland, das ist nicht irgendeine Grenze, denn es ist ein Teil des Wunders von Europa, dass diese Grenze nach der Wiedervereinigung offen stand.
Claus Kleber im zdf am 15.3.: Alle anderen tun es, nun schließt auch Deutschland seine Grenzen. Nicht gegen Viren an sich, das wäre vergeblich, aber doch wegen des Corona-Virus, wegen seiner gefährlichen Folgen für Gesundheit, Wirtschaft und Politik im Land.

„Deutschland ist gut aufgestellt“ für die Bekämpfung des Corona Virus, verkündeten Jens Spahn und viele andere Politiker. Ich selbst kann es nicht beurteilen, wie Deutschland insgesamt aufgestellt ist, ich höre nur die verzweifelte Klage einer Verwandten, die zuständig für die Organisation mehrerer Sozialstationen und geriatrischen Einrichtungen ist: „Wir Mitarbeiterinnen haben überhaupt nichts, keine Schutzkleidungen, keine Schutzmasken“, und einige Tage später: „Nun haben wir endlich Schutzmasken bekommen, jede eine, die sollen wir abends desinfizieren und lüften“. Dass die Mitarbeiterinnen der Sozialstationen trotz ihrer täglichen Patientenbesuche getestet werden, davon ist keine Rede. Von Ärzten hörte ich übrigens die gleiche Aussage.

Also, mag Deutschland gut aufgestellt sein oder weniger gut, rechtzeitig hat es sich auf keinen Fall auf die Krise vorbereitet. Aber es wäre auf jeden Fall angebracht, nicht nur auf die Versäumnisse anderer Länder hinzuweisen, sondern sich auch mit den eigenen zu befassen, denn sonst verliert man vollkommen das Vertrauen zu dem, „was in der Zeitung steht“.

Donnerstag, 12. März 2020

Nachwirkungen der Vätergeneration (Teil 2)

Wie sehr das, was eine Generation verinnerlicht hat, auch in der nächsten Generation noch wirkt, kann ich an einer Anekdote schildern, die ich vor Kurzem erlebte. Ich war in ein Gespräch mit zwei 8-jährigen Jungen verwickelt. Jungs in diesem Alter können sehr gesprächig sein, und was sie erzählen ist ziemlich authentisch und ungefiltert. So fragte mich der eine Junge: „Wissen sie, dass Deutschland mal aus zwei Teilen bestand?“ „Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern“, antwortete ich. „Und dazwischen war eine ganz hohe Mauer. Manche versuchten auch, über die Mauer zu klettern“. Ich sagte: „Das konnte sehr gefährlich sein. Manche sind dabei auch tot geschossen worden oder mussten ins Gefängnis“. Da meldete sich der zweite Junge zu Wort: „Ja, aber dann hätten sie selbst Schuld gehabt, sie hätten ja nicht über die Mauer klettern brauchen“.

Mir stockte fast der Atem: Das war genau das, was in der DDR-Zeit immer einmal zu vernehmen war, wenn in den (West)-Nachrichten von einem gescheiterten Fluchtversuch die Rede gewesen war. Der Satz: „Er hätte ja nicht abhauen brauchen“. So ein Satz fiel vereinzelt, aber ich habe ihn mehrmals vernommen, und er bedeutete nicht, dass derjenige dem Fluchtwilligen Tod oder Gefängnis gewünscht hätte. Es war eine Art Schuldabwehr: Hier im Land ist etwas nicht in Ordnung, und eigentlich müsste man sich damit auseinanderersetzen, aber es ist doch bequemer, die Schuld bei dem zu suchen, der sich am wenigsten wehren kann.

Freitag, 6. März 2020

Klimawandel

Dass sich das Klima verändert, müsste jeder wissen, der in den letzten Jahren das Wetter beobachtet hat. Hier sind es trockene Sommer und ungewöhnlich milde Winter, die uns lehrten, den Schnee zu vermissen. Woran es liegt? Wir wissen es nicht genau. Ich stelle mir vor, dass das Klima eine so komplexe Angelegenheit ist, dass es ein Zusammenspiel vieler Faktoren ist, die die Veränderung des Klimas bedingen. Wird die Veränderung des Klimas in den Ländern rund um den Äquator zu schlimmen Dürreperioden führen, in anderen Gebieten wieder zu Überschwemmungen? Ist es möglich, mit Hilfe von Wissenschaft und Technik, Methoden zu finden, die in den jeweiligen Gebieten die Auswirkungen des Klimawandels beherrschen oder sogar nutzen zu lassen? Aus Tschechien weiß ich, dass die Winzer begeistert von den neuen Möglichkeiten des Weinanbaus sind und Sorten anbauen, die bis jetzt nur im tiefen Süden möglich waren. Gleichzeitig klagen die Bauern über eklatanten Wassermangel und suchen nach möglichen Methoden, um Abfluss und Verdunstung von Wasser zu verhindern.

Wem soll man vertrauen bei Prognosen über das Klima? In den Medien wird viel darüber erzählt, aber die einzelnen Medien enthalten so viele Widersprüche in sich, dass sie sich selbst unglaubwürdig machen. So stellt unser Regionalfernsehprogramm beispielhafte Initiativen wie „Unverpackt-Läden“ oder junge Baumpflanzer usw. vor. Der gleiche Sender aber gerät außer sich vor Begeisterung, wenn vier Kreuzfahrtschiffe an einem Tag in Warnemünde anlegen. Und sie jammern, wie viel weniger Einnahmen Geschäftsleute haben, wenn wegen des Corona-Virus eine Messe ausfällt. Die Kirchenzeitung lässt verkünden: man solle statt nach Mallorca zu fliegen an die Ostsee fahren und bringt genau in dieser Ausgabe eine Einladung zur „Leserreise“, die mehrere Flüge einschließt. Der Deutschlandfunk macht ganze Sendungen, in denen „Klimaschonendes“ besprochen wird, lässt man ihn aber noch eine Weile weiter dudeln, dann ist auf einmal die Wirtschaftssendung dran, und da ist nichts mehr mit Klima. Da werden alle Dax-Verluste mit Entsetzen berichtet. Dass die große Autoproduktion wegen des Corona-Virus ins Stocken geraten ist, wird als ein nicht wieder gut zu machender Verlust betrauert. Es wird nicht einmal eine Ahnung eines Gedanken daran verschwendet, dass man es für verrückt halten könnte, dass Autos aus Teilen, die in Ländern rund um den Globus produziert werden, zusammen gebaut und die einzelnen Elemente mehrmals hin und her quer durch Europa transportiert werden. Heute hörte ich, welch hohe Anzahl von Flügen ausfallen und wie schlecht das für die Aktien der Fluggesellschaften sei. Jeder, der den Klimawandel ernst nimmt, müsste doch in Jubel ausbrechen. Man könnte sogar diese Gelegenheit als Anlass ansehen, zu prüfen, wie viele Flüge für alle Zeit reduziert und gestrichen werden können. Ich kann mir diese Vorgehensweise der Medien nur mit einer Art von Schizophrenie erklären: wenn Klimawandel dran ist, dann kämpfen wir gegen den Klimawandel, wenn Wirtschaft dran ist, dann stehen wir voll hinter einer ungebremsten Wirtschaft. Zusammenhänge scheint zumindest in den öffentlichen Medien niemand wahrzunehmen.

Mittwoch, 26. Februar 2020

Ein Sommererlebnis oder: wie alles immer schlimmer wird

In L. hatten wir mit Christine und ihrem Vater beim Mittag zusammen gesessen. Die Rede kam darauf, wie „alles immer schlimmer wird“. Da waren sich beide einig. Besonders die Gier nach Geld, die Selbstbezogenheit, der entschwundene Zusammenhalt unter den Menschen. Jeder denkt nur noch an sich und an seinen Vorteil.

Ich hatte den Wunsch geäußert, mit dem Rad nach Wollenhagen zu fahren, wo es mir vor neun Jahren gut gefallen hatte. Christine hatte angerufen, und Herr M. samt seiner neuen Frau luden uns zum Kaffeetrinken ein. Sie backten extra eine Erdbeertorte von den selbst angebauten Erdbeeren. Etwa 1 ½ Stunden waren wir da beim intensiven Plaudern. In der Zeit kamen zwei mal Nachbarinnen vorbei. Die eine brachte befruchtete Hühnereier zum Setzen für die Glucke. Die andere brachte Schiffskarten für Ehepaar M. Diese Frau hatte – zusätzlich zu ihrem Haus in Wollenhagen, wo es so abgelegen und verwunschen ist, wie man es sich kaum vorstellen kann -, auch noch ein Haus in Norwegen, denn sie ist mit einem Norweger verheiratet. Sie führen eine Ehe, die in den verschiedenen Ländern stattfindet. Ihre behinderte Tochter hatte sie dabei. Die war ein Pflegekind, denn neben Haus in Wollenhagen und in Norwegen betreute die Frau Pflegekinder. Jedenfalls hatte sie Ehepaar M. zu einer gemeinsamen Reise zu sich nach Norwegen in ihr Haus eingeladen. Eifrig wurde alles besprochen und beschwatzt.

kloster-Medium-

Die Diskrepanz zum Lamentieren darüber „wie schlimm alles sei und wie jeder nur an sich selbst denkt“ fiel niemanden auf.

PS: Falls sich jemand fragt, was hat das mit dem Titel des Blogs „Im Luftreich des Traums“ zu tun? Man kann sich auch in einem bösen Traum wähnen, während die Wirklichkeit ganz angenehm ist.

Im Luftreich des Traums

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