Samstag, 18. November 2017

Volkstrauertag 2017 (Teil 1)

Auf den Volkstrauertag wurde ich erst nach der „Wende“ aufmerksam. An einem Sonntag im November hielten wir uns in Koblenz auf und wunderten uns, warum die Fahnen auf Halbmast wehen. Welcher hohe Politiker ist gestorben? Dann schalteten wir das Autoradio ein: Niemand. Heute ist Volkstrauertag.

Durch eine Verkettung von Umständen gelangen in unsere Post die Werbebotschaften des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. Bevor sie samt dem vorbereiteten Spendenformular verschwinden, schaue ich mir noch ihren Inhalt an. Der Ton hat sich in den letzten Jahren sehr geändert. Öfter ist das Wort „Versöhnung“ zu lesen. Auch gibt es jetzt Werbung für spezielle Sterbegeldversicherungen zu ermäßigten Konditionen. Und Hinweise zur Rechtsberatung für Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen (da denke ich den dummen Spruch: Nachtigall, ich hör dir trapsen!).

Dass der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. 72 Jahre nach Kriegsende noch so eine Bedeutung hat – obschon ihre Hauptklientel mit Patientenverfügungen beschäftigt ist - zeigt, dass der Krieg weiter in den Köpfen spukt. Erinnerung, Rückbesinnung muss nicht schlecht sein, es fragt sich nur, auf welche Art und Weise das geschieht.

So habe ich mich oft gefragt, warum bei den zahlreichen Erinnerungsfotos an die im Krieg gefallenen Familienangehörigen, welche die Wände vieler Menschen in meiner Kindheit bis hinein in mein Erwachsenenalter zierten, diese armen gefallenen Männer immer in ihren Uniformen samt Ehrenabzeichen abgebildet waren. Sie bekamen keine Gelegenheit, der Nachwelt als diejenigen gezeigt zu werden, die sie als Menschen waren. Ihre Existenz als Soldaten war wichtiger! (Und ich erlebte, wie die „kleinen Brüder“, Männer ab etwa Jahrgang 1930, sich die Fotos bewunderungsvoll anschauten und über die Bedeutung jedes Details der Uniform Bescheid wussten).

Es ist nicht leicht, sich der Krieger zu erinnern ohne in problematische Zwickmühlen zu gelangen, denn die hintergründige Frage bleibt bestehen: Was war es konkret, was diese Männer im Krieg taten?

Freitag, 17. November 2017

„Mal eben kurz die Welt retten“ - Weltklimagipfel in Bonn

Heute, am 17. November, ist ein für die Jahreszeit ungewöhnlich warmer Tag. So habe ich einige Assoziationen sowohl an den Weltklimagipfel in Bonn als auch an eigene Erlebnisse.

Vor einigen Jahren hatten wir zu Beginn des Sommers eine sehr warme und trockene Woche. Bei einer Unterhaltung hörte ich wie eine Frau zur anderen sagte: „So könnte es den ganzen Sommer bleiben. Dann würde ich die ganzen Tage lang auf meiner Terrasse sitzen“. Im Stillen stellte ich mir ausgedörrte Felder und Landschaft vor und empfand ihren Ausspruch als ziemlich dumm. Allerdings war es keine Frau von der Sorte, die zusätzlich noch anderen Menschen vorschreibt, was sie zur „Bewahrung der Schöpfung“ beitragen sollten, und so ließ ich sie reden, was und wie sie will.

Anders war es, als ich zum ersten mal auf die Journalistin Anja Reschke aufmerksam wurde. Es war in einem der sehr heißen, trockenen Sommer am Anfang des Jahrhunderts. Anja Reschke und eine andere Journalistin unterhielten sich in einer Informationssendung darüber, dass in Frankreich hunderte Menschen infolge der Hitzewellen gestorben sind. Wie nur könne dieses Sterben beendet werden, wurde gefragt. Die logische Antwort war, dass die Hitze nun aufhören müsse. Da zeigte sich, wie „es“ in Anja Reschke wirklich denkt, denn sie rief in ihrem vermutlich vollklimatisierten Studio entsetzt aus: „Das möchte man sich ja gar nicht vorstellen, dass das schöne Wetter wieder aufhören sollte!“ Die entsprechende Laufbahn einer politisch korrekten Journalistin, deren Wünsche für sich und die Ansprüche an die Gesellschaft gewaltig auseinander klaffen, hat sie als Moderatorin der Sendung „panorama“ ja genommen.

Ein Bekannter erzählte mir, wie gut man in England mit dem Auto fährt. Die Straßen in Südengland sind voll, aber es gibt eine Höchstgeschwindigkeit, an die sich alle halten, und jede Veränderung in Verkehrsgeschehen wird langfristig angezeigt, so dass - infolge der Geschwindigkeitsbegrenzung - ein gleichmäßiges und sicheres Auf- und Abschwellen des Verkehrs stattfindet. Die Engländer halten sich ja sowieso gern an Regeln. Im Geiste sah ich vor mir einige Situationen auf unserer deutschen Autobahn, als ich zum Überholen ansetzen wollte, und zum Glück rechtzeitig bemerkte, dass von hinten in einer ungeahnten Geschwindigkeit ein Auto angebraust kam und fast schon auf meiner Höhe war.

Diese Verkehrsregeln mit der begrenzten km-Geschwindigkeit wären nicht nur der Vernunft im Straßenverkehr geschuldet, sondern sie hätten ein gewaltiges Einsparpotential an Kraftstoff. Denn, wie bekannt, der Kraftstoffverbrauch steigt mit hoher Geschwindigkeit rapide an.
Aber auf eine so wirtschaftsfeindliche Idee (angeblich dient die unbegrenzte Geschwindigkeit auf Autobahnen dem Zweck, der Welt die Potenz deutscher Autos zu demonstrieren) wie es die Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit wäre, würde nicht einmal die klimafreundlichste Klimakanzlerin kommen, und sei es als ein Symbol des guten Willens.

So habe ich weiter die Vermutung, dass es nicht das „klimafeindliche“ Verhalten der Menschen ist, welches das Leben auf der Erde gewaltig schädigen kann. Sondern es ist die Diskrepanz, die Ideologen und Weltverbesserer an den Tag legen, indem sie hohe Ansprüche an andere stellen und in ihrem eigenen Verhalten das Gegenteil davon vorleben.

Donnerstag, 9. November 2017

9. November: Schicksalstag der Deutschen

1918: Novemberrevolution
1923: Hitlerputsch in München
1938: Reichs-Progromnacht
1989: Fall der Mauer
2016: Wahl von Präsident Trump in den USA

Dienstag, 7. November 2017

100. Jahrestag der Oktoberrevolution

Es ist keine Erinnerung an den Tag vor 100 Jahren, der zum Tag der Oktoberrevolution wurde, aber immerhin an den 50. Jahrestag der Oktoberrevolution. Zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution sah sich ein Schüler das Feuerwerk an, das zu diesem Gedenken in der Stadt veranstaltet wurde. So ein gewaltiges Feuerwerk hatte er noch nie erlebt. Noch heute kann er sich genau erinnern, wie ihm der Gedanke kam: ´Wenn zum 50. Jahrestag so ein Feuerwerk veranstaltet wird, wie wird dann erst das Feuerwerk zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution sein werden?´ Ob heute irgendwo so ein gewaltiges Feuerwerk veranstaltet wurde?

Eine ähnlich gelagerte Erinnerung – nicht an diesen Tag – ist folgende: Im Atlas konnte ich als Schülerin den Fortschritt der Verwirklichung des Sozialismus auf der Erde verfolgen. Die Länder, in denen der Sozialismus in der jeweiligen Epoche verwirklicht worden war, waren rosa gekennzeichnet. (Wie wir gelernt hatten, würde - das wäre wissenschaftlich bewiesen -, bald darauf der Kommunismus folgen). So sah ich 1917 einen breiten Streifen rosa auf der Nordhalbkugel, 1948 gab es beträchtlich viel rosa, und in den 60-ger Jahren noch mehr. Etwas traurig dachte ich: ´Es wird wohl nur noch einige Jahrzehnte dauern, dann wird alles rosa sein´.

Im Augenblick erleben wir eine Zeit, wo man die Ausbreitung einer Ideologie auf der Erde wohl eher mit grün kennzeichnen würde. Jetzt habe ich keine Sorge mehr, dass es ein wissenschaftlich bewiesenes Gesetz ist, dass sich eine Farbe/Ideologie immer mehr ausbreiten muss. Ideologien sind immer gegen den Menschen gerichtet, und der Mensch ist bis jetzt noch so, dass er sich eines Tages gegen seine eigene Vernichtung oder Versklavung zur Wehr setzt. Mich entsetzt der Gedanke, wie viel Schreckliches noch geschehen kann, bis die Menschen sich gegen das Fortschreiten der Ideologie zur Wehr setzen.

Montag, 30. Oktober 2017

Zum Reformationsgedenken

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Eine Sonderausgabe der evangelischen Zeitschrift „Chrismon" zum 500. Reformationsgedenken wurde kostenlos an die Kirchengemeinden zum Weitergeben versandt. Beim Durchblättern stößt man auf eine Doppelseite, die eigentlich jedem, der sich nur halbwegs mit der nationalsozialistischen Willkürherrschaft und der Judenvernichtung beschäftigt hat, den Atem rauben müsste. Auf der linken Seite das Abbild Martin Luthers, und als dazu gehörender Text „die Zukunft gehört denen, die die Zeichen der Zeit erkennen“. Auf der rechten Seite eine Werbeannonce der Firma „Degussa-Goldhandel“, die für den Kauf von „Jubiläumsthalern 500 Jahre Reformation“ mit der Prägung eines Abbilds von Martin Luther in Gold oder Silber wirbt. Der Werbeslogan lautet: „Zeigen Sie ihrer Familie und guten Freunden, welche Werte Ihnen wichtig sind“.

Im Zuge des Reformationsgedenkens wurde auch über Martin Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ diskutiert. In diesem Traktat nimmt er die Zeichen der vor ihm liegenden Zeit vorweg und bereitet letztendlich den Weg dazu. Sowohl Nationalsozialisten als auch ihre Unterabteilung Deutsche Christen legitimierten damit Jahrhunderte später die staatliche Judenverfolgung.

Martins Luthers „zukunft-zeichen-zeit“ wird im „Chrismon“ optisch komplettiert mit einer Werbung für Degussa, eine Firma die „… wie kaum ein anderes Wirtschaftsunternehmen mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird. Als Lieferant des tödlichen Giftes „Zyklon B“, das zur Ermordung von Millionen Menschen in den Gaskammern der Nationalsozialisten verwendet wurde, ist Degussa zum Inbegriff der Verwicklung der deutschen Wirtschaft in die Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes geworden. Auch ein Großteil des von den Nazis geraubten Edelmetalls ging durch die Schmelzöfen der Degussa“. (Quelle:Peter Hayes C.H. Beck-Verlag, Rezension)

Die Werbung für Degussa ist im „Chrismon“ verbunden mit einem Bekenntnis zu „Werten“. Der Aussagekraft dieser Seiten ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Doch die Vorstellung, dass in den Jubiläumsthalern, die zum 500. Reformationsgedenken von der Firma Degussa geprägt wurden (in wessen Auftrag überhaupt?), Zahngold von ermordeten Juden enthalten sein kann - denn Gold ist ewig beständig uns seine Herkunft ist kaum zu ermitteln -, erscheint einem wie ein elender Traum und nicht als evangelische Wirklichkeit 2017, die es leider ist.

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Die Vertriebenen aus der Tschechoslowakei (Teil 2)

Das Denkmal über die Vertriebenen in Sedlčany legte eine Spur, zu weiteren Entdeckungen. Anlass zu jenem Spaziergang in Sedlčany war ein Konzert der in Tschechien legendären Sängerin Marta Kubišová, die ihre Abschiedstournee gab. Da ihre Konzerte restlos ausverkauft sind, bekamen wir nur noch Karten für das uns bis dahin unbekannte Örtchen Sedlčany. Es war reiner Zufall, dass wir dort gelandet sind. Während unsere Gastgeber eine Verabredung wahrnahmen, machten wir – mein Mann und ich – den Spaziergang bei dem wir auf das Denkmal stießen.

Nachdem wir die Geschichte der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung 1942-44 für den berüchtigten "SS-Truppenübungsplatz Böhmen“ erkundet hatten – die Fakten sind selbst in Tschechien kaum bekannt -, stellten wir fest, dass eine berühmte Adlige, Baronin Sidonie Nádherná von Borutín, Freundin von Rainer Maria Rilke und Geliebte von Karl Kraus – welcher auf Sidonies Schloss Janovice seine berühmte Tragödie „Die letzten Tage der Menschheit“ verfasste, direkt von dieser Vertreibung betroffen war.

Sidonie Nádhernás Schloss Janovice wurde 1942 von den Deutschen zwangsenteignet, und 1944, in der zweiten Etappe zur Errichtung des "Truppenübungsplatzes SS-Böhmen“ zwangsgeräumt. Sidonie musste in einer kümmerlichen Kate ohne Strom und fließendes Wasser hausen. Das Schloss wurde als Mannschaftskaserne zweckentfremdet. In Janovice gab es ein Außenlager des KZ Flossenbürg, in dem insgesamt bis zu 3000 Häftlinge Zwangsarbeit leisteten. Die Toten des Lagers wurden zuerst in Prag, später im Schlosspark verbrannt. Nur das Kriegsende verhinderte, dass auf dem Gelände eine geplante Gaskammer errichtet wurde.

Das Schloss erhielt Baronin Nádherná, die ihren ganzen Lebenssinn auf die Erhaltung dieses Schlosses gerichtet hatte und beharrlich um die Erhaltung des Schlosses und seines Parks bei den jeweiligen Machthabern kämpfte, 1945 vollkommen verwüstet zurück, nachdem es noch eine Weile der Roten Armee als Reparaturwerkstatt für Panzer gedient hatte. 1948 erlitt Sidonie das Schicksal vieler Tschechen. Sie wurde erneut enteignet - diesmal von den Kommunisten, die sie zugleich in absurder Weise der Kolaboration mit den deutschen Besatzern bezichtigt haben. Die Baronin starb nach einer Flucht aus dem Lande 1950 mittellos in England. Später diente das Schloss als Lagerhaus. Dem Nationalmuseum in Prag ist es zu verdanken, dass es im miserablen Zustand überhaupt erhalten blieb. Einen großen Verdienst um die Restaurierung hatte in den 90-ger Jahren Michael Naumann, der damals als deutscher Staatssekretär für Kultur eine Million DM für den Neuaufbau des Schlosses zur Verfügung stellte.

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Wie es der Zufall will: Jene Marta Kubišová, zu deren Konzert wir nach Sedlčany gefahren waren, spielte und sang in ihrem „Theater Ungelt“ in Prag in einem Musical mit dem Titel „Sehnsucht namens Einodis“, worin Szenen aus dem Leben der Baronin Nádherná lebendig wurden. Die Sängerin machte das Leben einer bemerkenswerten Frau wieder lebendig und schuf dadurch auch eine Brücke zur Erinnerung an die Vertreibung von 30 000 Tschechen, die einem „Volk ohne Raum“ Platz machen sollten.

Das Leben der Marta Kubišová ist ebenso bemerkenswert wie das der Sidonie. Es wäre nicht verwunderlich, wenn es eines Tages auch zu einem Musical verwendet würde.

Freitag, 20. Oktober 2017

Die Vertriebenen aus der Tschechoslowakei (Teil 1)

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In der kleinen südböhmischen Stadt Sedlčany entdeckten wir bei einem Spaziergang ein Denkmal, das eine Figurengruppe von Vertriebenen darstellte: Mann und Frau mit einem Kleinkind. Der Mann hatte ein Bündel mit Habseligkeiten geschnürt, sie wirkten notleidend. Der Titel der Skulptur war: „Menschen ohne Heimat“

„Oh, schau mal, hier haben sie den Vertriebenen schon ein Denkmal errichtet, hier in der Stadt sind sie ja ganz fortschrittlich und politisch korrekt!“, sagte ich. Beim näheren Hinsehen, konnte man die Jahreszahl 1978 sehen. „Das kann nicht sein, 1978 hätten sie für die Vertriebenen niemals ein Denkmal errichtet, das muss etwas anderes bedeuten“.

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Die Inschrift am Denkmal lautet: Die Statue „Menschen ohne Heimat" erinnert an die gewaltsame Vertreibung der Menschen von Sedlčany während des zweiten Weltkriegs in den Jahren 1943-45

Ach, es gab also auch Vertriebene anderer Art. Unter Vertriebenen in Böhmen habe ich mir immer die Sudetendeutschen vorgestellt. Als ich mich bei Wikipedia auf Deutsch über vertriebene Tschechen informieren wollte, war von nichts anderem als von Sudetendeutschen die Rede. Bestenfalls fand man Beiträge über tschechische Sozialdemokraten und Juden, die „aus eigenem Antrieb“ das Sudetengebiet nach September 1938 verlassen haben (oder gleich in den Kellern der Gestapo landeten).

Später informierten wir uns über das Aussiedlungsprogramm, das für die Bewohner eines großen Gebiets im nördlichen Südböhmen auf einer Fläche von ca. 400 km2 in den Jahren 1942-1944 stattgefunden hatte, und das gleichzeitig als Versuchsprogramm für spätere Aussiedlungsaktionen an slawischen Menschen dienen sollte, die Platz für das bekannte „Volk ohne Raum“ schaffen sollten.

Schon 1939 hatten die Deutschen ein Programm für die „endgültige Lösung der tschechischen Frage“ aufgestellt, das vorsah, dass die tschechische Bevölkerung der deutschen weichen sollte. In der weiteren Umgebung gerade von Sedlčany begann man 1941 mit der Aussiedlung tschechischer Bewohner und intensivierte sie in den Jahren 1942-1944. Geschaffen werden sollten in diesem Areal ein SS-Truppenübungsplatz und ein SS-Musterstädtchen mit Namen „SS-Böhmen“. Bei allem ging man akribisch und mit detaillierten Anweisungen und Erlassen vor. So durften anfangs die ausgesiedelten Menschen noch ihre bewegliche Habe mitnehmen, später nicht mehr. Die neuen Unterkünfte mussten sich die vertriebenen Menschen selbst suchen, was vor allem die Bauern hart traf, da sie meistens nicht das entsprechende Land zum Wirtschaften finden konnten. Es gab Entschädigung für den erzwungenen Umzug, z. B. 1500 Kronen und 2% des Schätzwertes des Besitzes und mit Einbußen auch für den Wert des Besitzes. 180 Gemeinden und ca. 30 000 Menschen wurden asugesiedelt, die verlassenen Dörfer anschließend oft völlig zerstört. Nach dem Krieg kamen etwa 75 % der Bewohner wieder zurück. Von denjenigen, die nicht zurück kommen wollten, weil ihre ehemaligen Häuser komplett dem Erdoben gleichgemacht waren, zog ein Teil in die Gebiete der Tschechoslowakei, aus der die deutschen Bewohner inzwischen auch vertrieben waren.

(Fortsetzung folgt)

Samstag, 7. Oktober 2017

Was ist „ein Körnchen Wahrheit“?

Im Sommer dieses Jahres nahm ich an einer Tagung mit dem Thema „Antisemitismus in den Medien“ teil. Diese Tagung habe ich vom 1. bis 18.Juli.beschrieben. Eine Aussage von einem der Referenten, er ist am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin tätig, kommt mir immer wieder einmal in den Sinn. Und zwar sagte er wörtlich: „Manchmal gibt es in antisemitischen Aussagen auch ein Körnchen Wahrheit“. Darauf hatte ich die Frage gestellt, auf welches „Körnchen Wahrheit“ man sich denn in der Nazizeit berufen hat, um die Juden umzubringen. Die Frage ging im Verlauf der Diskussion unter, vielleicht wurde sie als unpassend empfunden.

Aber ich fragte mich doch, was man in einem „Zentrum für Antisemitismusforschung“ so den ganzen Tag treibt, und ob man die „Körnchen Wahrheit“, die in antisemitischen Aussagen vorhanden sein sollen, analysiert. Eigentlich hatte ich angenommen, dass ein Antisemitismusforscher im Wesentlichen nach den Ursachen sucht, warum Menschen Antisemiten sind, was Antisemiten bewegt und wozu sie fähig sind. Antisemitismus ist doch kein Ding an sich, zu ihm gehört ein Mensch oder Menschen, die eine bestimmte Einstellung zu Juden haben. Juden selbst müssen nicht unbedingt zum Antisemitismus gehören, denn es gibt Antisemiten, die keinen einzigen Juden kennen. Vielleicht hat der Referent aussagen wollen, dass Juden manchmal zum Antisemitismus Veranlassung geben, hat sich dann aber nicht getraut, es direkt auszusprechen. Denn schon in der Fragestellung, ob Juden zum Antisemitismus Veranlassung geben, gehört Antisemitismus, da der Fragesteller nicht auf die Idee kommt, bei Vertretern anderer Völker nach dem Körnchen Wahrheit zu suchen, auf Grund dessen man sich gegen sie stellt.

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