Donnerstag, 19. März 2015

Der Geist von Griechenland II

Mein Blog geriet für einige Tage in aufregendes Fahrwasser, denn ich schickte meinen Artikel über Griechenland an den bekannten und vielgelesenen Blog "achgut" und prompt wurde er dort eingestellt. Es kam dadurch zu einer Art "Shitstorm", ausschließlich empörte Zuschriften erreichten mich, und gar nicht so wenige. Das kann verschiedene Gründe haben. Zum einen könnte ich total daneben liegen - das scheint die Meinung der nicht gerade wohl meinenden Kommentatoren gewesen zu sein. Möglicherweise habe ich aber auch in ein Wespennest gestochen. In dem Fall hätte ich mir selbst Recht gegeben: Nach mehr als 70 Jahren bringt der Krieg die Menschen in schwere emotionale Aufregung, und sie versehen ihn dazu fast mit einer Art Heiligenschein. So wurde ich durch einen Schreiber belehrt: Es gab einmal die tadellos korrekte Wehrmacht, die sich, man weiß nicht so recht warum, auf einmal in Griechenland befand und ab und zu von verbrecherischen Partisanen hinterrücks angegriffen wurde, und da diese zu feige waren, sich dem gerechten Todesurteil zu stellen, war die Wehrmacht gezwungen, Zivilisten im Verhältnis 1:10 zu erschießen, so wie es damals dem Völkerrecht entsprach und beispielsweise auch von dern Allierten zu gern ausgeübt wurde. Solcherlei Aufklärung wurde mir also zuteil.

Die Griechen haben dementsprechend aus dem Malheur anscheinend nichts gelernt und benehmen sich heute gegen die Deutschen ebenso unbotmäßig wie damals. Man konnte es auch in der Sendung von Günther Jauch erfharen , als man Janis Varoufakis bei einer verbotenen Geste Deutschland gegenüber erwischt hatte. Zwar ist das Ganze zwei Jahre her und außerdem war seine damalige Aussage auch nicht falsch, denn jener "Rettungsplan", den er als Ökonomieprofessor für falsch hielt, ist bekantermaßen grandios gescheitert. Varoufakis spricht in diesem Video darüber, wie die griechische Regierung im Januar 2010 hätte handeln sollen: "Mein Vorschlag war, dass Griechenland sich für insolvent erklären sollte, innerhalb der Euro-Zone, im Januar 2010", sagt Varoufakis. "Und es sollte Deutschland den Finger zeigen und sagen: Ihr könnt das Problem jetzt alleine lösen."

So stelle ich mir vor, mit welch diebischem Vergnügen Jauchs Redaktion die Sendung vorbereitet hat, um später den verdutzten Varoufakis bloß zu stellen. Ob Günther Jauch sich hinterher gleichermaßen großartig gefühlt hat, ist nicht überliefert, doch noch einmal nachzutreten, wenn jemand schon so ziemlich auf dem Boden liegt, zumal als Minister eines praktisch insolventen Landes (für dessen Zahlungsprobleme er nichts kann), das scheint mir keine besondere Grandezza zu sein. Selbst Barak Obama meinte kürzlich bezüglich Griechenlands und seiner Behandlung durch die wohlhabenden EU-Nordstaaten: „Sie können Länder, die sich inmitten einer Depression befinden, nicht immer weiter ausquetschen.“ Soll man den US-Präsidenten vielleicht linker Umtriebe verdächtigen?

Aber die Maßstäbe sind schon sehr ambivalent, das haben mich die Leserzuschriften gelehrt – wer mag, kann sich einige davon weiter unten durchlesen.

Freitag, 13. März 2015

Der Geist von Griechenland

Ein seltsames Phänomen gibt es in Deutschland: Es ist die fast manische Fixierung auf den zweiten Weltkrieg. Mir scheint es, dass je länger er her ist, desto inniger wird die Hinwendung. So erinnere ich mich an den Besuch eines jungen Rumäniendeutschen. Als wir zusammen saßen, erzählte er humorvoll, wie er in einem Münchener Hotel abends fernsehen wollte: "...und auf allen Kanälen kam Hitler!". Das war vielleicht übertrieben, aber so war sein Eindruck.

Diese Fixierung scheint nicht aus der bewussten Entscheidung: "Wir wollen uns mit unserer Vergangenheit auseinander setzen um Lehren für die Zukunft zu ziehen" zu resultieren, sondern der Gedanke an den Krieg beherrscht die Menschen unabhängig von ihrem Willen. Manchmal scheint mir der Satz zu gelten: "Der Geist des Krieges schwebt über dem Land". Wahrscheinlich war dieser Krieg eine derartige Zäsur, dass man heute - 70 Jahre nach seinem Ende - nicht umhin kommt, immer wieder darauf zurückzukommen. Ob die Begebenheiten des Krieges so übermächtig waren oder die geistige Vereinnahmung der Menschen durch den Krieg so stark bleibt, dass man immer wieder Zusammenhänge zu erkennen meint, das ist kaum zu ergründen.

So begab es sich, dass ich aus Unmut über die arrogante bis hin verächtliche Behandlung der Griechen hier in Deutschland, sei es in Talksendungen, sei es auf der politischen Ebene, anfing mich mit dem Thema: "Der zweite Weltkrieg in Griechenland und die Reparationszahlungen danach" zu beschäftigen. Was dabei zu Tage kam, war so unfassbar, dass ich es immer noch fast nicht glauben kann. Die Wehrmacht hat dort so gewütet, wie sonst nur in der Sowjetunion. Allein 30.000 Griechen kamen bei Massakern ums Leben, ganze Dörfer wurden ausgelöscht. Acht mal so viele Zivilisten wie Soldaten, insgesamt 15 % der griechischen Bevölkerung, sind getötet worden und 83 % der griechischen Juden, ihr geraubtes Eigentum wurde nie erstattet.

Nach dem Krieg wurde Deutschland äußerst erfinderisch, Reparationszahlungen abzuwehren. Wo es nur ging, wurden Reparationszahlungen ausgesetzt - mit allgemeiner internationaler Zustimmung, denn man wollte, dass Deutschland ohne Störung wieder aufgebaut werden kann bis es - wie es hieß - zu einem Friedensvertrag mit einem vereinten Deutschland kommt. Als sich die beiden Deutschlands dann vereinigten, die Reparationszahlungen also wieder drohten akut zu werden, kamen Kohl und Genscher auf den genialen Einfall, den begleitenden Vertrag nicht Friedensvertrag zu nennen, sondern ihn als 2+4-Vertrag zu deklarieren. So wurden viele Milliarden an noch ausstehenden Reparationen für nichtig erklärt. Zur Verdeutlichung sei das absurde Missverhältnis angeführt zwischen dem, was Griechenland nach dem Krieg bekam, insgesamt waren es 115 Millionen D-Mark, und dem, was Griechenland allein im Jahr 2014 an Deutschland an Zinsen bezahlt hat, es waren laut Bundesregierung 360 Millionen €! manchmal sollte man aufrechnen: Pro eigener Einwohner bezahlte Deutschland an Griechenland einmalige Reparationen in Höhe von etwa 0,70€. An Zinszahlung bezahlte nur im Jahre 2014 jeder Einwohner Griechenlands 33,00€. http://www.linksnet.de/de/artikel/28768

Wenn man sich den Tonfall anhört, mit dem Griechen bei öffentlichen Auftritten bedacht werden, dann hat es den Anschein, als schwebe der Geist von Griechenland 1943 noch über allem. Aber nicht weil die Deutschen einst mit den Griechen brutal umgegangen sind, sollte Deutschland den Griechen entgegen kommen, sondern weil es noch die ganze Geschichte danach gab, die gern verschwiegen wird: Auf ein Minimum herunter gehandelte Reparationszahlungen unter Vorwand späterer Nachzahlung, die dann ausblieb und einst erpresste perverse Kredite, die durch ihre Nichtzurückzahlung noch perverser wurden, der Trick mit dem 2+4-Vertrag. Und später Verkauf - vermutlich unter Zuhilfenahme korrupter Anbahnung - aberwitzig umfangreicher Kriegsgüter wie U-Boote, Panzer und Kampfflugzeuge an Griechenland im klaren Wissen darüber, dass sie das kleine Land absolut nicht braucht, und später massiver politischer Druck, als die Griechen in Zahlungsschwierigkeiten kamen.

Deutschland wurde ein riesiger Teil seiner Kriegsschulden erlassen (wer den Krieg angefangen und wie in ihm gehandelt wurde, ist bekannt), und jetzt geht es mit seinen Schuldnern um wie in jenem biblischen Gleichnis wo einem Reichen eine große Schuld erlassen wird und dieser dann prompt seinen eigenen armen Schuldner ins Gefängnis werfen lässt. Im restlichen Teil der Welt wird sicher mit Interesse zur Kenntnis genommen - und auch für die Exportwirtschaft spielt es eine große Rolle - wie die Mitgliedsstaaten der EU miteinander umgehen, und in welchem Geist die Starken die Schwachen behandeln.

Donnerstag, 5. März 2015

Was ist deutsche Arroganz?

Der Abgeordnete des Deutschen Bundestages Klaus Peter Willsch bei der Aussprache über die Verlängerung des Hilfsprogramms an Griechenland über den griechischen Ministerpräsidenten Tsipras und den griechischen Finanzminister Varoufakis:

"Schauen sie sich Tsipras an, schauen sie sich Varoufakis an: Würden sie von denen einen Gebrauchtwagen kaufen?"

Diese beiden sind immerhin frei gewählte Repräsentanten der griechischen Bevölkerung und wichtigste Mitglieder der Athener Regierung. Mit so einem Spruch sind also nicht nur diese beiden Männer gemeint, sondern das Misstrauen bezieht sich auch auf die griechische Bevölkerung. Herr Willsch würde sicher von keinem Griechen einen Gebrauchtwagen kaufen. Ganz bestimmt aber würden er und auch die Bundesregierung jedem Griechen einen Gebrauchtwagen verkaufen. Und nicht nur diesen. So wie die Deutschen in den letzten Jahren - als jedem nur halbwegs Eingeweihten Griechenlands finanzieller Zustand bekannt sein musste - deutsche Leopard Panzer, deutsche Kampfflugzeuge und deutsche U-Boote im Wert von vielen Milliarden Euro verkauft haben. Zum Teil auch unter lobbyistischer Tätigkeit des damaligen grünen Außenministers Joschka Fischer und später auf Drängen der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die heute den Griechen streng die Leviten liest. Bei wem und wofür die Griechen ihre horrenden Schulden angehäuft haben, das sollte man sich näher ansehen. Und sich dann fragen, ob man etwa von einem Mitglied der regierenden deutsche Parteien einen Gebrauchtwagen kaufen würde.

http://www.zeit.de/2012/02/Ruestung-Griechenland

Freitag, 27. Februar 2015

Der Volksbund deutsche Kriegsgräber e.v.

Regelmäßig erreichen meinen Briefkasten Briefe in den Farben weiß, schwarz und türkisgrün, die gleich im Ofen landen. Neugierig bin ich doch, und so öffne ich manchmal eines der Schreiben vom Volksbund Deutsche Kriegsgräber e.V. Dieser Verein ist ein fast unsichtbarer Staat im Staate, ausgestattet mit märchenhaftem Reichtum, der angeblich aus Spendengeldern erbracht wird. Wie die Unsummen, über die der Volksbund verfügen muss, kontrolliert werden, möchte ich gern wissen., oder vielleicht lieber auch nicht.

Diesmal öffnete ich also wieder einmal einen Brief, und entgegen schlugen mir die Worte: "Kriegsgräberstätte in Berjosa in Belarus".

Weißrussland, Minsk - das war doch eine Hochburg der Schlächterei an den Juden! Vor dem Zweiten Weltkriegs lebten 940.000 Juden in Weißrussland. Rund 800.000 wurden während des Kriegs ermordet. In der Umgebung von Minsk befand sich Trostenez, das größte NS-Vernichtungslager auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion.

Ja, und dann gab es in Weißrussland auch gewaltige Schlachtfelder. Etwa 150.000 deutsche Soldaten sind während des zweiten Weltkrieges gefallen, gab uns der Volksbund bekannt. Wie viele sowjetische Soldaten dort gefallen sind, war für den Volksbund ohne Interesse. Und dass eine Anzahl dieser deutschen Soldaten direkt in die Ermordung jener 800.000 Juden verwickelt war, davon schweigt der Volksbund selbstverständlich auch.

Man kann darüber streiten, ob es eine Störung der Totenruhe ist, wenn die verblichenen Soldaten aus ihren bisherigen Ruhestätten herausgerissen werden oder ob sich ihre Gebeine wohler fühlen, wenn sie in gemeinsamen Stätten inmitten Gleichgesinnter lagern. Das Kreuz oder die Kreuze, die unweigerlich zur Ausstattung der Friedhöfe gehören, sollte einen Christen nachdenklich stimmen: Ob Jesus den Kreuzestod auch für jene 150.000 deutschen Soldaten gestorben ist und ob diese vor ihrem Tod noch Zeit gehabt haben, ihre Sünden zu bereuen? Und ist die Ermordung von 800.000 Juden und ebenfalls unzähligen weißrussischen Zivilisten wohl als Sünde anzusehen, oder doch eher nicht?

Eins ist sicher: Es besteht der Wille, dass die sterblichen Überreste deutscher Soldaten möglichst identifiziert und im ewigem Ruherecht gepflegt und gehegt werden. Dagegen sind die Überreste ermordeter Juden, wenn sie nicht in Industrie oder Straßenbau verwendet worden sind, zur Ununterscheidbarkeit in Massengräbern vermischt und können bestenfalls mit einem Denkmal versehen werden. Dieses umtriebige Aufspüren und Ausgraben von Überresten deutscher Soldaten, soll die Position der Schlächter und ihrer Opfer bis in die Ewigkeit festsetzen: Die "ewig ruhenden" Soldaten und die zu Asche pulverisierten Opfer.

Freitag, 20. Februar 2015

Arsenij Jazenjuk

Wenn es nicht belegt wäre, hätte ich es nicht geglaubt. Es kam in den "Tagesthemen" und man konnte den eigenen Ohren nicht trauen. Darum kann ich Pina Atalay, der Moderatorin, keinen Vorwurf für ihre ausgebliebene Reaktion machen. Sie muss es auch für einen Aussetzer ihres eigenen Verstandes gehalten haben, als der Ministerpräsident der Ukraine Arseni Jazenjuk zu ihr im Interview in den Tagesthemen am 7. Januar 2015 (ab 1:11) sagte: "Wir können uns noch alle sehr gut an den sowjetischen Einmarsch in die Ukraine und nach Deutschland erinnern".

Jedem, der das hörte und wahrnahm, muss es erst einmal im Kopf gekreist haben: ´Moment, was meint er damit? Wann war denn das? Meint er etwa den zweiten Weltkrieg? Ja, etwas anderes wäre doch gar nicht möglich!´ Er hat tatsächlich gemeint, dass die sowjetischen Armee, nachdem die Wehrmacht die Schlacht um Stalingrad verloren hatte, erst die Ukraine und dann Deutschland eingenommen hat und dieses müsse wenigstens heute vermieden werden, wenn es bedauerlicherweise damals nicht abzuwenden war. Das hält Jarzenjuk für einen guten Grund, um sich Deutschland jetzt eng verbunden zu fühlen. Was für eine unheilige Allianz!

Für Pina Atalay habe ich Verständnis, nicht aber für die "Tagesthemen" insgesamt, die es nicht für nötig hielten, wenigstens später noch einmal auf diesen merkwürdigen Vorgang zurückzukommen und sich von Jazenjuk zu distanzieren!

Samstag, 14. Februar 2015

Warum Dresden?

Warum nicht Köln, Kassel oder Rostock? Wie viele Städte wurden zu Ende des zweiten Weltkriegs weitgehend zerstört? Warum hält Bundespräsident Gauck hier eine Rede und in anderen Städten nicht? Warum werden überhaupt Reden gehalten, und warum wird nicht ein "Schlussstrich" gezogen, wie es allenthalben auf anderen, ähnlichen Gebieten gefordert wird? Dresden wird in der Erinnerung und in Reden bis in alle Ewigkeit von einem Feuer wie ein Heiligenschein umlodert. Andere Städte dürfen sich nicht in so einen Schein schmiegen.

Ich kann es mir nur so vorstellen, dass es wichtig ist, dass das deutsche Volk sich in Konkurrenz mit anderen Völkern Mythen schaffen muss. Sicher kommen in Dresden gewichtige Faktoren zusammen, dass man seine Zerstörung als etwas vor allen anderen Städten Herausragendes deuten kann.

Während ich für diesen Beitrag recherchierte, traf ich prompt auf eine Überschrift des "Focus", der meine Überlegungen bestätigte: "Feuersturm vor 70 Jahren: Bombenangriff auf Dresden: Wie Goebbels Propaganda-Mythos bis heute wirkt." Sogar der Schöpfer dieses Mythos ist also bekannt. Kein Wunder, dass bei diesem Schöpfer der Mythos so hingebungsvoll gepflegt wird!

Samstag, 7. Februar 2015

Buchrezension "Ari heißt Löwe", (Ari Rath, Erinnerungen ) Paul Zsolnay Verlag 2012

Dieses Buch bekam ich geschenkt. Ich hatte in keiner Werbung darüber gelesen, nichts davon gewusst. Auch den Namen Ari Rath hatte ich nie gehört. So vertiefte ich mich in dieses Buch und lernte nicht nur eine interessante jüdische Biografie kennen, sondern bekam ein farbiges, plastisches Bild über den Beginn der Nazizeit in Österreich, über die Jugendaliyah (Einwanderung in Palästina), über die Gründung und den Aufbau des Staates Israel. Für Menschen, die Schwierigkeiten mit nüchternen historischen Fakten haben, könnte es fast ein Lehrbuch über Israel sein, denn Aris Raths Leben rankt sich geradezu um die israelische Geschichte.

Ari Rath, geboren 1925, stammt aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in Wien. Durch die Drangsalierungen, die die Juden nach dem "Anschluss" 1938 erleiden mussten, wandten er und sein Bruder sich der zionistischen Bewegung zu und konnten noch 1939 nach Palästina emigrieren. Nach Lehrjahren und Arbeit in einem Kibbuz studierte er Zeitgeschichte und Volkswirtschaft und hatte so ein ausgezeichnetes Rüstzeug für den Beruf seines Lebens:

Von 1957 bis 1989 war er Redakteur der "Jerusalem Post", davon viele Jahre Chefredakteur. In diesen Jahren erlebte Israel stürmische und prägende Jahre. Kriege wurden geführt, historische Verträge wurden geschlossen, diplomatische Beziehungen wurden aufgenommen. Bei wichtigen Verhandlungen war Rath dabei. Mit bedeutenden Persönlichkeiten Israels und des Auslandes war er gut bekannt oder sogar befreundet. So wurde er 1965 von seiner Zeitung frei gestellt, um den Wahlkampf von Ben-Gurion zu begleiten.

Das Buch ist in einem nüchternen, informativen Stil geschrieben. Mit sehr vielen Fakten, während Emotionen nur angedeutet sind. So wie man es bei einem Journalisten erwartet. Dafür gelingen ihm lebendige Schilderungen, und hinter allem, was man liest, erkennt man eine starke, unbändige Persönlichkeit..

Natürlich interessierte es mich besonders, was er von den deutschen Politikern, mit denen er in Berührung kam, hält. Um es ehrlich zu sagen: meine eigene Beurteilung der meisten wäre kritischer. Er übergeht aber gewisse Randbemerkungen nicht und übersieht es nicht, wenn er Jahre später in den Protokollen des ersten deutschen Botschafters in Israel hämische Bemerkungen über Juden liest. Als links eingestellter und der Arbeiterpartei verbundener Mensch neigt er dazu, neben jeder Persönlichkeit auch ihr Idealbild zu sehen, das ein Trugbild sein kann. Das trifft auf einen noch nicht lange verstorbenen deutschen Politiker zu, hinter dessen berühmtester Rede, die Ari Rath sehr lobt - wenn man näher hinschaut - sich ein Abgrund auftut. Das zu durchschauen war allerdings nicht Raths Aufgabe, denn er war genug mit den widersprüchlichen Charakteren israelischer Politiker beschäftigt.

So wünsche ich, dass Ari Rath seinen 90. Geburtstag vor wenigen Wochen gebührend gefeiert hat und dass es ihm vergönnt ist, den Aufbruch zum ersehnten Frieden in seiner Heimat noch zu erleben.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Holocaustgedenktag 2015 II

Am 27.1. vormittags traf eine Schar von etwa 60 Leuten an einem KZ-Mahnmal zusammen. Während des Krieges hatte sich hier ein Außenlager des KZ Ravensbrück befunden. Mehr als zweitausend Menschen waren an diesem Ort zwischen Ende 1943 und Mai 1945 unter schlimmsten Umständen zu Tode gekommen.

An der Stelle, an der ein Teil der ehemaligen Häftlinge bestattet ist, befindet sich heute ein Denkmal mit einem Turm im Stil der 60-ger Jahre, Reliefplatten eines bekannten Bildhauers und Namenstafeln, auf denen die Namen der Getöteten aufgezeichnet sind, die man herausfinden konnte. Wo, wenn nicht hier, sollte die Gedenkfeier anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz stattfinden?

Als ich zu dieser Veranstaltung eintraf, setzte sich gerade die versammelte Schar in Bewegung, um gemeinsam vom Treffpunkt bis direkt vor das Mahnmal zu schreiten. Klezmer-Musik empfing uns - es war diesmal keine Lifemusik, sondern die Töne kamen aus den Lautsprechern.

Unter den Teilnehmern sah ich Lehrer vom Gymnasium und eine Gruppe von Schülern, Leute aus den Kirchengemeinden, der Heimatverein war vertreten, Anhänger der Linkspartei, ein weiterer Verein, der sich mit der Geschichte dieses Lagers befasst, ein Teil der Stadtverwaltung, und etliche Einzelpersonen. Die letzten waren vielleicht die interessantesten Teilnehmer, weil man über den Grund ihrer Anwesenheit nachdenken konnte. "Wir sind doch so wenige", flüsterte mir eine Frau zu, aber mir schien es, für eine kleine Stadt wäre es eine beachtliche Menge an Menschen. Viele von ihnen treffen nur einmal im Jahr zusammen, eben an dieser Stelle und haben Freude daran, sich wieder zu sehen. So hatte ich das Gefühl, eine Art religiöse Gemeinschaft sei hier zusammen gekommen, und vielleicht lag ich damit gar nicht so ganz daneben.

Die Schülerinnen des Gymnasiums eröffneten die Veranstaltung mit Gedichten von Selma Meerbaum-Eisinger. Der Bürgermeister und die Pastorin hielten eine Rede. Zwischendurch hörte man wieder Musik, und Blumengebinde wurden nieder gelegt. Bald ging man dann wieder auseinander.

Man hört und liest manchmal über solche Veranstaltungen, dass es Pflicht- oder Routineveranstaltungen seien. Aber ich würde es mir nicht anmaßen, etwas solches anderen zu unterstellen. Es weiß jeder für sich allein am besten, ob und warum er an so einem Gedenken teilnimmt. Den Reden, die gehalten wurden, hörte man an, dass die Redner sie selbst verfasst hatten. Die Mädchen aus dem Gymnasium rezitierten die Gedichte so, dass man ihnen ihre Aufregung nur wenig anmerkte, vor diesem Publikum die nicht gerade einfache Thematik darzubringen. Und wenn ich mir die Teilnehmer anschaute und über die Beweggründe ihres Kommens nachdachte, so war mir gleichzeitig klar, wer alles nicht dabei war, sich also nicht der Spekulation über Pflicht oder Routine aussetzte oder aus sonstigen Gründen fernblieb. Mir schien es, so eine "kleine Veranstaltung in der Provinz" hat einen Wert für sich, und ich möchte mir nicht vorstellen, wie es im ganzen Land aussehen würde, wenn es diese "kleinen" Veranstaltungen nicht stattfinden würden.

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