Samstag, 7. September 2013

Kirchliche Presseschau

Seit Tagen verfolge ich in den Medien die Pressekommentare über den Bürgerkrieg in Syrien.
Dabei ist in mir der Eindruck entstanden, dass mit Häme die Politik der USA, inklusive des einst so sehr geliebten Obamas, beobachtet wird, die bzw. der sich in einer wahren Zwickmühle befindet. Die Situation ist bekannt: Obama hatte in etwa erklärt, dass er sich aus dem Bürgerkrieg heraushalten wolle, so lange kein Giftgas ins Spiel kommt. Nun wurde Giftgas eingesetzt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch das Assadregime, und Hunderte Zivilisten sind qualvoll gestorben. Obama zögert jetzt schon so lange mit einer Reaktion darauf, dass er in den Augen der Welt, ganz bestimmt aber in der arabischen Welt, bereits an Reputation verloren hat. Ob ein Angriff auf Assad erfolgen wird und in welcher Weise, das werden die nächsten Tage zeigen.

So skeptisch die meisten Kommentatoren einem Kriegseinsatz in Syrien gegenüber stehen, so waren sie sich doch einig, selbst die "taz" und die "Süddeutsche Zeitung", dass man unbedingt auf diesen Giftgaseinsatz reagieren muss, weil sonst nicht nur Assad, sondern allen Potentaten der Erde vor Augen geführt wird, dass ein Giftgaseinsatz auf die eigene - und warum nicht auch auf die Nachbarbevölkerung? - von der Welt toleriert wird.

Auch mir kam es als sinnvoll vor, dass die Intervention zumindest heraus geschoben wird. Wozu Assad in der Lage ist, das war ja deutlich bewiesen. Bei seiner Ankündigung, "zur Vergeltung" Israel anzugreifen, dachte ich an Menschen, die im Norden Israels leben, an deren Leben ich Anteil nehme oder die ich sogar schon einmal besucht habe.

Neugierig war ich aber, was in den zwei kirchlichen Zeitungen, die unseren Haushalt durchlaufen, zu diesem Thema steht.
Die Quintessenz fasst Renke Brahms "Friedensbeauftragter des Rates der EKD" in dem Satz zusammen: "Krieg ist keine Lösung".
Auslandsbischof Martin Schindhütte beklagt, dass bereits Vorbereitungen für eine militärische Intervention in Gange seien.
Der Münchener Erzbischof Marx meint, dass mit Gewalt noch kein einziges Problem gelöst worden sei.
Der griechisch-katholische Pfarrer von Antiochien, Gregor III bezeichnet eine militärische Intervention als einen kriminellen Akt.

Was für eine simple Weltanschauung haben Bischöfe und Friedensbeauftragte? Wie können sie garantieren, dass Assad seine Waffen- und Giftarsenale nicht weiter und vielleicht im noch größerem Umfang einsetzt? Bischof Marx muss in seiner Logik der Meinung sein, dass auch die alliierte Offensive 1944 in Deutschland keine Lösung gebracht hat? (Es scheint, dass nicht nur Bischof Marx so denkt). Wenn man sich die Weltgeschichte anschaut, einschließlich der durch die Kirche initiierten Kreuzzüge, gab es eine Menge Lösungen mittels Krieg. Warum gibt Bischof Marx, der genau weiß, was keine Lösung ist, nicht wenigstens einen Hinweis preis, wie man Menschen vor dem Giftgas retten kann?

Und in welchem Maße fehlt es unseren frommen Männern an Empathie! So lange es nicht Krieg heißt, scheinen ihnen vergaste Zivilisten letztlich gleichgültig zu sein.

Montag, 2. September 2013

Was ist ein Friedenshindernis?

Nicht häufig, aber regelmäßig treffe ich mich mit meiner Bekannten, Frau K., und meist findet dann ein intensives Plauderstündchen statt. Sie reist gern mit ihrem Mann in entlegene Länder. Manchmal erzählt sie mir über ihre Reisen. Fast durch Zufall sind sie eines Tages nach Israel geraten, und seit dieser Zeit schwärmt Frau K. von Israel. Es hat ihr dort außerordentlich gut gefallen, und so kommt es immer wieder dazu, dass wir uns über Israel austauschen. Dieses mal sagte sie zu mir: "Ist es nicht schrecklich, da kann es ja nie Frieden geben, wo Israel immer mehr Siedlungen baut?" Ich war verblüfft und sagte: "Häuser bauen ist doch nicht schlimm im Vergleich zu dem, was da in den arabischen Ländern jetzt abläuft. Häuser können schlimmstenfalls abgerissen werden, oder es können Araber in den Häusern wohnen. Warum sollen Häuser so ein schlimmes Hindernis für den Frieden sein?" Sie sagte: "Ach ja, so kann man es auch sehen, sollen doch Palästinenser in die Häuser einziehen".

Dieser kurze Dialog zeigt wie sehr - dank medialer Indoktrination - eine allgemeine Werteverschiebung stattgefunden hat: Israel baut Häuser und soll das größte Friedenshindernis im nahen Osten sein. In anderen Ländern dieser Region wird gemordet, gefoltert, Menschen werden vergast, Menschen anderer Religion werden verfolgt und getötet, Kirchen zerstört. Das wird zwar nicht gerade gern gesehen, doch nie habe ich gehört, dass Syrien, Ägypten oder Gaza ein Friedenshindernis wären.

Samstag, 24. August 2013

Warum ich "DIE ZEIT" nicht mehr lese

Als wir uns nach der "Wende" etwas näher mit der westdeutschen Zeitungslandschaft befassten und uns überlegten, welche Zeitschrift wir uns eventuell zulegen wollten, sind wir bald auf die "Zeit" gestoßen. Wir hatten sie dann jahrelang abonniert, und ich freute mich auf den Donnerstag, wo sie mittags mit der Post kam. Damals war ich der Meinung: Nicht alles darin ist nach meinem Geschmack, aber es gibt jede Woche mindestens zwei Artikel oder auch mehr, von denen ich etwas habe. Hätte ich die "Zeit" charakterisieren sollen, dann hätte ich sie wohl als: auf liberal-konservative Weise sozial, vielleicht auch als bildungsbürgerlich bezeichnet. Das ist nun 20 Jahre her.

Inzwischen hat sich in der Zusammensetzung der Redakteure und in ihrer Einstellung wohl einiges geändert. Zeurst misstrauisch wurde ich, als das "magazin", also die Unterhaltungsbeilage, nicht nur (wieder) eine neue Aufmachung, sondern auch völlig neue Inhalte bekam, die man bezeichnen könnte als: Zeitgeist in Häppchen. Oft haben diese Magazine ein Hauptthema, welches auf jeden Fall an eine reiche Leserschaft appelliert: Teure Uhren, Malerei, Design. Noch misstrauischer machten mich die Reiseanzeigen: Kreuzfahrten, kostspielige Studienreisen, Fernreisen in exotische Gebiete. Die passten einfach nicht zu einem Publikum, das eine Zeitung mit sozialer Ausrichtung liest.

Dann gab es wieder eine größere Änderung im Inhalt der Zeit. Einige Ressorts wurden umgestellt. Eine ganze Zeitungsseite wurde den Lesern gewidmet: Die Zeit der Leser. Eine ganze Spalte über berichten Leser über die glücklichen Begebenheiten ihres Alltags : Herzige Aussprüche der Enkelkinder, Nachbarschaftshilfe, Liebesbezeugungen in allen Variationen, Naturerlebnisse, Freundlichkeit im Alltag. Außerdem kann man klassische Gedichte umdichten, Kritzeleien zu Papier bringen und sie abdrucken lassen, Fotos in verschiedenen Zeitepochen nebeneinander stellen und auch mal seinem Ärger über dieses und jenes Luft lassen, als Pendant zur liebevollen Spalte.

Ganz schnell haben wir entschieden: Das wollen wir nicht! Wenn ich eine Zeitung kaufe, möchte ich etwas Interessantes lesen und nicht wissen, was für ein Selbstbild die übrige Leserschaft von sich hat. Außerdem ist mir die Diskrepanz zu groß: Wenn die Leser ihr Interesse und ihre Aufmerksamkeit auf die schönen und teuren Dinge dieser Welt richten (was ich ihnen nicht übel nehme), aber sich nach außen als die liebevollen, herzerwärmenden Geschöpfe darstellen, die ihr Glück hauptsächlich in Dingen finden, die man nicht für Geld kaufen kann, dann hat die Zeitung in ihrer Ausrichtung eine gehörige Schieflage.

Samstag, 17. August 2013

Epilog - An das Friedenspreiskomitee Aachen

Als Ruven (bzw. Reuven, beide Namen sind bei mir vermerkt) für den Aachener Friedenspreis vorgesehen war, schrieb ich an das Friedenspreiskomitee folgende E-Mail:

An den "Aachener Friedenspreis" e.V., 15.7.2003

Sehr geehrte Damen und Herren,

Aus dem Internet erfuhr ich, dass der diesjährige Aachener Friedenspreis an Reuven Moskovitz verliehen werden soll. Ich weiß nicht viel über den Aachener Friedenspreis, dafür aber Einiges über Herrn Moskovitz. Allen Angaben in den Medien zu dieser Preisverleihung kann man Ähnliches entnehmen: Holocaustüberlebender, Friedensaktivist usw., was darauf hindeutet, dass die Journalisten in Ermangelung näherer Kenntnisse wohl voneinander abgeschrieben, sich aber kaum mit Reuven Moskovitz direkt befasst haben. Aufschlussreicheres könnten sie aber über die Internet-Seite des Schillergymnasiums Münster erfahren, auf der ein Schüler über einen Vortrag von R. Moskovitz in dieser Schule berichtet, und aus der hervorgeht, dass zum Befremden der Schüler Herr Moskovitz "die Vertreibung der Palästinenser mit dem Holocaust vergleicht". Da ich einen Vortrag dieser Art mit genau den gleichen Intentionen auch erlebt habe, und zwar in Aachen, kann ich das, was Reuven Moskovitz in Deutschland umtreibt nicht als "Schritt zur Versöhnung", sondern, so hart es auch klingen mag, als "Hetze gegen Israel" bezeichnen - wobei man bei Vorträgen dieser Art in Deutschland leider oft mit offenen Armen empfangen wird.

Sollte das Friedenspreiskomitee je das schwer lesbare Buch "Der lange Weg zum Frieden" von R. Moskovitz durchgelesen haben, so würde es feststellen, dass auch dort erklärt wird, Israel hätte die alleinige Schuld an allen Kriegen, die er mit seinen arabischen Nachbarn führte. Es stellt sich die Frage, warum, wenn ein israelischer Jude seine "Schritte zur Versöhnung" geht, es ausgerechnet in "schonungsloser Kritik an der israelischen Regierung" getan werden muss, wobei gleichzeitig so gut wie nie von der palästinensische Seite Kritik an eigenen kritikwürdigen Punkten, beispielsweise an Selbstmordattentaten oder an Korruption und Judenhass in Palästinensergebieten geübt wird? Es stellt sich die Frage, ob man in Deutschland auf jeden Fall preiswürdig ist, wenn man öffentlich "schonungslose Kritik" an Israel übt, die übrigens, wenn man sie in voller Konsequenz zu Ende denkt, zur Vernichtung des Staates Israel führen würde?

Wenn Sie sich wirklich als ein Friedenskomitee verstehen, wäre da vielleicht nicht etwas mehr Nachdenklichkeit darüber angebracht, ob wir als Deutsche tatsächlich auserkoren sind, fragwürdige Gestalten zu dekorieren, nur weil sie das in unserem Land weit verbreitete latente Unbehagen an den Juden bedienen? Wenn Sie mir die Beweggründe für Ihre Preisvergabe nennen könnten, wäre ich Ihnen dankbar.

Mit freundlichen Grüßen (AC)

Nicht, dass ich damit den Friedenspreis verhindern wollte. All diese sinnlosen, zeitraubenden Hinweisbriefe, Höreremails, die ich nur schreibe, wenn es einfach nicht anders geht, die haben nur den Sinn, die Empfänger darauf hinzuweisen, dass ihr Tun keinesfalls unbeobachtet ist, und dass sie nie behaupten können, sie hätten nichts gewusst. Wenn ein Friedenspreiskomitee einen Friedenspreis an jemanden verleiht, der Holocaust und "Vertreibung von Palästinensern" miteinander vergleicht, dann weiß es, was es tut. Ich unterstelle ihm sogar, dass es den Preis nicht trotz dieses unverschämten Vergleichs, sondern wegen solcher Vergleiche verleiht.

Samstag, 10. August 2013

Begegnung mit Ruven Moskovic (Teil 6)

Das war also meine Begegnung mit Ruven Moskovic, und ich bezweifle, dass es zu weiteren Begegnungen kommen wird. Nicht weil ich Ruven aus dem Wege gehen möchte. Aber ich kenne Menschen dieser Art, die als selbst ernannte Propheten, Idealisten und Versöhner durch die Lande ziehen. Sie bringen oft Erstaunliches zustande, finden begeisterte Anhänger, Menschen, die ihnen in allen Dingen ergeben sind. Aber untrüglich ist ihr Instinkt, wenn sie auf Leute treffen, die ihnen nicht glauben, die ihr Prophetenamt nicht anerkennen. Mit Ruven habe ich nur einige neutrale und freundliche Worte gewechselt, aber wusste, dass er genau spürte, dass mit mir nichts zu machen ist.

Was mich mehr interessiert als die Person Ruven ist sein Erfolg in Deutschland - wie ihn hier die Leute aufnehmen und als Friedensstifter weiterreichen. Sogar für den Friedenspreis von Aachen ist er im Gespräch. Gerade hat er sich für einen halben Tag in unserem Ort aufgehalten. Er brachte einer Bewunderin eine Kiste seiner Bücher, die sie für ihn vertreiben soll. Es hieß, er wäre schon wieder auf dem Weg in verschiedene deutsche Städte, wo er Vorträge und Buchlesungen halten will, des Weiteren wäre ein Auftritt auf dem Kirchentag geplant.

Außer mir und meinem Mann kenne ich kaum jemanden (aber Ausnahmen gibt es), der Ruven kritisch sieht. Wir haben aus Rücksicht auf unsere Freunde eine zu kritische Diskussion über ihn immer vermieden, denn schon auf leise Zweifel bekamen wir großes Befremden zu spüren. Einmal hörte ich: „An dem Mann muss doch etwas dran sein, wenn so viele kluge und vernünftige Leute von ihm begeistert sind“.

Dass ich mit meiner Meinung ziemlich allein stehe, liegt auch daran, dass die Leute mit dieser Problematik kaum etwas anfangen können. Man weiß zwar, da ist etwas „aufzuarbeiten“, aber das ist so unangenehm, dass man eigenes Nachdenken von sich schiebt. Um so lieber nimmt man ungeprüft alles auf, was einem unter dem Stichwort „Versöhnung“ angeboten wird. Ruven nimmt man so wie er sich selbst darstellt: Als liebenswerten Friedens-Abenteurer. Und dass er an seinem Land Kritik übt, ist höchst lobenswert, jeder Mensch sollte kritisch zu seinem Land sein. Dass er sich in Deutschland überaus wohl fühlt, dazu als Jude, erscheint schmeichelhaft und weckt Assoziationen an das geliebte Wort „Aussöhnung“. Dass er den Deutschen erzählt, Juden können sehr böse Menschen sein, entlastet ein wenig das Gewissen, vielleicht war doch etwas „d´ran“, damals.

Eigentlich hege ich keinen Groll auf Ruven. Ich nehme ihn als den, der er ist, als „balkanischen Schlawiner“. Aber das Denken der Leute, für die er ein einsamer Kämpfer, ein „Friedensabenteurer“ ist, kann ich nicht nachvollziehen. Das kann ich nur so verstehen, dass vielen Leuten ein abstrakteres Reden und Denken als so etwas „Hohes“ vorkommt, dass sie von jedem, der unverständliche Gedankengänge - zudem auch noch zu solch hehren Dingen wie dem Frieden - entwickelt, beeindruckt sind, auch wenn die Kluft zur Realität noch so gewaltig bleibt.

(geschrieben 1997)

Montag, 5. August 2013

Begegnung mit Ruven Moskovic (Teil 5)

Dann las er in nicht zusammenhängender Abfolge Passagen aus seinem Buch vor. Hauptsächlich Abschnitte biografischer Art, weniger die geschichtlichen Abrisse. Dafür um so eindrücklicher seine Gedanken und Ansichten über den Staat Israel und dessen Verhältnis zu den Palästinensern und nicht zuletzt einen Lobgesang auf das deutsche friedensbewegte Volk.

Da ich das Buch gründlich gelesen hatte, fiel es mir schwer zu beurteilen, wie diese isolierten Ausschnitte auf einen unvoreingenommenen Menschen wirken mussten. Für mich war es weniger interessant, was uns Ruven vorlas, sondern vielmehr wie es auf die Besucher wirkte, wie sie reagierten. Das kam besser in der anschließenden Fragestunde zum Vorschein. Meine Augen gingen ständig in der Runde herum. Die Leute hielten sich bedeckt, vielleicht konnte man Verwunderung in ihren Blicken lesen, sie konnten Ruven nicht einordnen. Vergeblich suchte ich nach skeptischen Blicken oder nach Empörung oder wenigstens jemanden, der sich lustig machen würde. In der Runde fand ich niemanden, der mir gleichgesinnt schien, und das hatte zur Folge, dass ich selbst an meinem Verstand zu zweifeln begann. So schrieb ich Fragen und Antworten auf.

Wenn Ruven sich nicht ganz in der Kontrolle hatte, kamen teilweise absurde Dinge zutage wie: „Uns (den Israeli) hätte das gleiche passieren können wie den Deutschen, d. h. der Holocaust ist etwas, was den Deutschen „passiert“ ist und könnte den Israeli mit den Arabern genauso „passiert“ sein, wenn nicht einige friedensliebende Menschen wie er das Schlimmste verhindert hätten. Hierzu muss man anmerken, dass aus Ruvens Buch hervorgeht, dass er sich in Israel mit allen Gruppen und Bewegungen einschließlich der Friedensbewegung verkracht hat. Den ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem, Teddy Kollek bezeichnete er als „Einäugiger unter den Blinden“, und es gab keinen Zweifel daran, dass es in ganz Israel nur einen „Zweiäugigen“ gab, nämlich Ruven selbst…

Die Fragen der Zuhörer waren brav, beeindruckt und ehrfurchtsvoll: „Nennen sie uns Beispiele, wie man den ewigen Teufelskreis der Schuldzuweisung durchbricht.“, „Sind sie auch schon einmal auf unverbesserlich „Böse“ zugegangen?“ - „Wie begegnet man Hass und Menschen, die davon überzeugt sind, ausschließlich im Besitz der Wahrheit zu sein?“ - „Spielt nicht die Angst im israelisch-arabischen Konflikt eine Rolle?“ - "Wie konnte aus so einer harten Kindheit ein „Mann des Friedens“ hervorgehen?“

Die Antworten schüttelte Ruven leicht aus dem Ärmel. Es war eine Sammlung von wohltönenden Bekenntnissen, die die Realität vergessen lassen, dafür aber irgendwie wonnevoll und unbestimmt in die Herzen fallen, die sich nach dem Guten, nach Versöhnung und vor allem nach Frieden sehnen. Aber selbst bei diesen rhetorischen Bekenntnissen fand ich keinen einzigen Satz, der mich gefesselt hätte. Hinter allem, was von Ruven kam, spürte ich eine Leere, bzw. dass das Gesagte eigentlich etwas ganz anderes meinte. Vermutlich etwas Triviales, Persönliches wie: „Seht, was für einen wunderbareren Menschen Sie vor sich haben!“ Ruven bezeichnete sich gern als einen „verrückten Träumer“.

So fragte ich meine Freundin, was das wohl für Menschen im Publikum seien. Sie hatte mehrere Leute aus evangelischen Kreisen erkannt, einige Lehrer, Leute aus dem christlich-jüdischen Forum und aus Friedenskreisen. Die Sympathisanten der palästinensisch-deutschen Gesellschaft waren heraus zuerkennen. Sie hatten einen deutlich anderen Gesichtsausdruck und blieben allesamt stumm. Die Fragen und das Auftreten der ergriffenen Zuhörer ließen keine Abneigung gegen Juden oder gegen Israel erkennen. Es herrschte einfach ein beeindrucktes Staunen. Ruven hatte schnell erkannt, dass keiner von den lästigen „Schwärmern“ im Publikum war. Solche Menschen gibt es nämlich auch in Deutschland. Besonders oft war er ihnen auf Kirchentagen begegnet, wenn er seine privaten „Friedensforen“ abhielt, in denen er die Leute über den Unrechtsstaat Israel aufklärte, und die hatten ihm mit „unkritischer Schwärmerei für Israel“ manchmal hart zugesetzt. Doch er hatte sie immer eines Besseren belehren können.

Die Veranstaltung fand einen krönenden Abschluss. Ein arabisch aussehender Mann saß im Publikum, er hatte etwas auf dem Herzen, und das sprach er nun aus: Er sei ein in Deutschland lebender Palästinenser, und habe kürzlich versucht, von Amman aus eine Einreiseerlaubnis in den Gaza-Streifen zu bekommen. Das sei ihm aus formellen Gründen verweigert worden. Mein Eindruck war, dass der Mann Ruvens Anliegen gar nicht durchschaut hatte, dass er einfach einem Israeli sein Unrecht klagen wollte. Es war ein guter Anlass und genau das richtige Stichwort, um Ruven in eine solche Empörung ausbrechen zu lassen, dass er jede Vorsicht vergaß und sich in eine regelrechte Hasstirade gegen Israel steigerte, wobei ch merkte, dass das nicht gespielt war. Er endete mit einer Anekdote, die von einem stinkenden Fisch handelte, und dieser Fisch war für ihn das Symbol für die Gerechtigkeit im Staat Israel.

Tief beeindruckt schwiegen die Zuhörer. Gleich darauf wurde es aber lebhaft, denn die Leute beeilten sich, um ein Exemplar von Ruvens Buch zu erwerben. Ein Mann lief besonders schnell zum Rednertisch. Der Zuhörer, der neben mir gesessen hatte, wollte eine witzige Bemerkung machen und sagte zu mir: „Das ist einer von denen, die auf der Autobahn immer rechts überholen“. Ich fragte ein wenig provokativ: „Meinen sie, er will Herrn Moskovic rechts überholen?“ Der Mann konnte mit dieser Bemerkung gar nichts anfangen und sagte: „Wie meinen sie das, das ist doch ein wunderbarer Mensch, wenn es bloß recht viele von dieser Sorte gäbe.“

Es war mir klar, dass ich in dieser Runde keine Chance habe, und so machte ich mich schnellstens auf den Weg nach Hause. Meinem Mann konnte ich bis in alle Details, die ihn nicht besonders überraschten, die Begebenheiten des Abends erzählen.

Fortsetzung folgt

Dienstag, 30. Juli 2013

Begegnung mit Ruven Moskovic (Teil 4)

Zu Ruvens „Auftritt“ ging ich mit meiner Freundin allein. Für die Veranstaltung war ein Saal in einem katholischen Begegnungszentrum gemietet worden. Eine Regionalzeitung hatte an dem Tag einen längeren Artikel mit der Zusammenfassung von Ruvens Lieblingsthesen veröffentlicht. Die Leiterin des christlich-jüdischen Forums, eine Lehrerin, hatte die ganze Sache organisiert und war auch diejenige, die später mit ihm am Vortragstisch saß.

Wir waren schon eine Weile vorher dort und stellten die Stühle fürs Publikum auf. Kurz vor dem Beginn der Veranstaltung begann sich der Saal zu füllen, so dass schließlich etwa 50 Menschen zusammen gekommen waren. Jeder, der den Raum betrat, trug ein gelbes Faltblatt vor sich her. Ich bemerkte, dass auch ich solch ein Blatt in der Hand hatte. Es war ein Werbeblatt für eine Städtepartnerschaft Aachen-Jericho. Die Stadt Jericho wurde vorgestellt, die Anliegen, die sich mit solch einer Partnerschaft verbinden, und darauf folgte ein „geschichtlicher Abriss von Krieg und Frieden im Nahen Osten“, der ausschließlich als Terror von „Zionisten“ gegen das palästinensische Volk dargestellt wurde. Als ich den Ursprung dieser Faltblätter erkundete, traf ich auf zwei Männer vor der Tür, die sehr engagiert jeden, der auch nur in ihre Nähe kam, mit diesen Blättern bestückten. Vom christlich-jüdischen Forum waren sie nicht. Trotzdem konnte ich nicht einen der Veranstaltungsteilnehmer entdecken, der über diese Blätter irritiert wäre. Es war geradezu grotesk, wie jeder, der den Vortragssaal betrat, diese Flyer schwenkte. So beobachtete ich eine Weile die Verteiler: Sie sprachen einige ihrer Bekannten an, man hörte so etwas wie: „Den Artikel in der AZ habe ich gelesen, der Mann interessiert mich, endlich mal jemand aus Israel, der sich wagt, diese Dinge auszusprechen.“ Doch Anhänger Ruvens schienen sie trotz des Artikels in der AZ nicht zu sein - „Kaufst du dir das Buch?“, „Nein, ich habe gar kein Geld mit“, „Dann kannst du auch keinen Schaden nehmen“. Die Blätter-Verteiler besuchten die anschließende Veranstaltung nicht, ich konnte aber ihre „Vertrauten“ gut herauserkennen, ihren gespannt-misstrauischen Gesichtsausdruck, der sich dann im Lauf des Abends ganz entspannte.

Und der Abend begann damit, dass Ruven von der Vorsitzenden des christlich-jüdischen Forums den Besuchern vorgestellt wurde. Ruven selbst begann den Vortrag mit einem Spiel auf seiner Mundharmonika, die er einst von zwei arabischen Kindern geschenkt bekam, und die ihn sein Leben lang in seinem Kampf für den Frieden begleitet hatte. Dann erzählte er eine kleine chassidische Geschichte, bei der es um einen Vergleich zwischen zwei Rabbinern ging. Es war zu entscheiden, wer von ihnen der „größere Geist“ sei: Der eine kannte die ganze Thora auswendig, der andere kannte nur einen Vers, den er aber bis in die tiefsten Tiefen ausgelotet hatte. Ruven ließ keinen Zweifel daran, dass er dem Letzteren ähnlich sei und seine Gastgeberin bescheinigte ihm auch sogleich den „großen Geist“, während sie nur ein „kleines Licht“ sei. Ruven machte aus seiner Bescheidenheit keinen Hehl: „Auch viele kleine Lichter können einen Raum erhellen“, tröstete er sie.

Fortsetzung folgt

Donnerstag, 25. Juli 2013

Begegnung mit Ruven Moskovic (Teil 3)

Bezeichnend ist Ruvens Haltung zu Deutschland, die eine zentrale Stelle in seinem Leben einnimmt. Seine Liebe zu Deutschland kann er nie verbergen. Er spricht vom „anderen Deutschland“, dem „guten“, aber ein anderes als das gute ist bei ihm nirgends zu entdecken. Deutschland besteht für ihn aus wunderbaren, friedliebenden Menschen. Schlimme Erlebnisse im Krieg hatte erlitt er durch nebulöse rumänische „Antisemiten“, während er die deutschen Soldaten, die er persönlich erlebte, bewunderte, denn sie waren "„sauber“ und „großzügig“ und schenkten den Kindern gern Süßigkeiten.

Bemerkenswert ist Ruvens zusammenfassende Bewertung über die Zeit der Allianz zwischen Rumänien und NS-Deutschland. Nachdem er lustige Erlebnisse mit deutschen Soldaten schilderte, die Schokoladenbonbons an jüdische Kinder verteilten und sie gegen rumänische Antisemiten schützten - eine Idylle war es nach seinen Worten -, heißt es: „Im Vergleich zu dem Leiden der Juden in der Sowjetunion, in Polen und Ungarn und überall dort, wo die deutsche SS und Eichmann ihr Unwesen trieben, war unser Leiden nicht der Rede wert.“ Dass in dieser Zeit ein Drittel der rumänischen Juden umgebracht wurde, an die 300.000 Menschen, das entging dem „Historiker“ Moskovic.

Ruvens Logik und die Schilderung der Zusammenhänge waren zum Teil so absurd, dass ich nicht glauben konnte, ein vernünftiger Mensch wäre bereit, so etwas zu galuben. So kann ich mir nur vorstellen, dass Ruvens „deutsche Freunde“ von seinem Charisma derart entzückt sind, dass sie widerspruchslos alles bewundern, was seinem Geist entspringt. Überlegt habe ich, ob es instinktive Schläue, bewusste Berechnung oder die Auswüchse eines chaotischen Geistes sind, die seine Aufzeichnungen hervorgebracht haben. Wahrscheinlich ist es alles zusammen, aber viel an Berechnung scheint mir dabei zu sein. Er gibt den christlichen, friedensbewegten und von einem schlechten Gewissen geplagten Deutschen das Futter, das sie brauchen, und sie rücken dafür die Spenden für seine fragwürdigen Projekte heraus. Er sonnt sich in ihrer Bewunderung, und sie haben wiederum ein Objekt für ihre Zuwendung und ihren unbestimmten Willen, etwas „wieder gut zu machen“. Er hat für jede Geisteshaltung etwas dabei, die Widersprüchlichkeiten benutzt er dazu, jedem Recht zu geben, und auch jeden eventuellen Einwurf zu entkräften. Es ist so viel von Frieden und Versöhnung die Rede, dass es nur ein böser Mensch sein kann, der irgend etwas missbilligt, was Ruven sagt, denkt oder schreibt.

Der Zufall wollte es, dass ich sehr bald darauf die Gelegenheit hatte, Ruven persönlich kennenzulernen. Wir verlebten ein paar Urlaubstage in Aachen. Gerade in diesen Tagen war eine Veranstaltung beim christlich-jüdischen Forum angekündigt, wo Ruven sein Buch vorstellen wollte. Meine Freundin ist eine Bewunderin von Ruven. Sie hat ihn in die evangelischen Kreise von Aachen eingeführt und schon mehrere Veranstaltungen mit ihm organisiert. So war ich neugierig darauf, Ruven in Aktion zu erleben, ihn mit seinem Buch zu vergleichen, während mein Mann sagte, er wisse genug von Ruven und werde zu der Buchvorstellung nicht gehen. Aber auch er kam dann nicht umhin, Ruven zu begegnen. Wir saßen mit mehreren Leuten bei unserer Freundin beim Abendbrot, als Ruven vom Bahnhof her anrief und bat, abgeholt zu werden. Unsere Freundin lief sofort los und kam nach einer Weile mit ihm zurück. Erst einmal war ich überrascht. Durch seine Briefe, das Buch und durch die Erzählungen meiner Bekannten hatte ich gleich den Eindruck, ihn schon lange zu kennen. Er war keineswegs unsympathisch, wirkte fröhlich, ein wenig zerknautscht, tatsächlich etwas „balkanisch“. Er war wortgewandt, sagte jedem etwas Nettes und war besonders freundlich zu dem Kind, das in der Runde saß. Wir ließen den ersten Eindruck auf uns wirken und verabschiedeten uns dann, um nach Hause zu gehen.

Fortsetzung folgt

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Noch einmal über Medien
Die Welt besteht nicht nur aus Medien und das Leben...
anne.c - 29. Jul, 11:13
Noch ein Schreiben, diesmal...
12.07.2025 Infos am Morgen im DLF: „Immer wieder verzerrte,...
anne.c - 16. Jul, 17:16
Apartheit im Ökumenischen...
1 .Ein abgeschickter Brief an Bischof a.D. Bedfort-Strohm Herr...
anne.c - 8. Jul, 05:51
Reaktionen nach dem Angriff...
Dieser Beitrag wird ein wenig veraltet wirken, zu rasch...
anne.c - 1. Jul, 22:28
Presseclub
Vor der Fortsetzung der Reaktionen des Angriffs Israel...
anne.c - 24. Jun, 21:21
Reaktionen nach dem Angriff...
Die Reaktionen von offiziellen Medien und Bevölkerung...
anne.c - 21. Jun, 15:11
Nachtrag zu den Stolpersteinen
Vor Kurzem spazierte ich durch die kleine böhmische...
anne.c - 19. Jun, 23:09
Stolpersteine
Das sind diese kleinen quadratischen, messingfarbenen...
anne.c - 5. Jun, 21:28
Die Einschläge kommen...
Bis jetzt waren wir im Bekanntenkreis einigermaßen...
anne.c - 29. Mai, 14:39
Eine Zuschauermail
"Sehr geehrter Herr Prantl, als ich Sie heute bei...
anne.c - 22. Mai, 10:23

Links

Suche

 

Status

Online seit 5097 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Jul, 11:18

Disclaimer

Entsprechend dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.05.1998 gilt für alle Links und Kommentare auf diesem Blog: Ich distanziere mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller verlinkten Seitenadressen und aller Kommentare, mache mir diese Inhalte nicht zu eigen und übernehme für sie keinerlei Haftung.

Impressum

Anne Cejp
Birkenstr. 13
18374 Zingst