Mittwoch, 3. April 2013

Nachrichten

3. April - Morgennachrichten im Deutschlandfunk
"Das erste mal seit Wochen startete Israel wieder einen Angriff auf den Gazastreifen".
Es folgt eine Beschreibung des Angriffs bis dann das "Kleingedruckte" zum Vorschein kommt: Zuvor waren von palästinensischem Gebiet aus Raketen auf israelisches Gebiet abgeschossen worden. Verletzt wurde niemand. Dass dagegen "Raketen von palästinensischem Gebiet aus" bereits in den Tagen als Obama in Israel weilte, geschossen wurden, war nicht der Erwähnung wert. Wichtig ist nur das "Zurückschießen", die "Rache" oder auch "Zahn um Zahn" - wie man es oft in kirchlichen Kreisen hört.

Es ist so stereotyp, dass niemand mehr hinhört. Was soll man dazu sagen? Verdrehen von Ursache und Wirkung als Prinzip der medialen Berichterstattung! DLF setzt offenbar darauf, dass seinen so genannten seriösen Zuhörern diese Wortfetzen so lange um die Ohren fliegen, bis sie ganz sicher sind, wer in diesem Konflikt "Recht" und wer "Unrecht" hat. Dafür darf ein "seriöser" Sender die Tatsachen schon zurecht arrangieren.

Immer wieder höre ich als anerkennende oder auch befremdete Reaktion auf dieses Blog: Du bist für Israel! Das stimmt aber nicht, denn ich bin nicht für Israel, sondern ich bin dagegen, gegen Israel zu sein. Und dagegen, dass ein kleines Land zum Sündenbock gemacht wird für alle Schlechtigkeiten, die auf Erden begangen werden.

4. April - Mittagsnachrichten im Deutschlandfunk
DLF hat sich diesmal eine neue Variante des Verdrehens von Ursache und Wirkung ausgedacht. Diesmal wurde tatsächlich gemeldet, dass von palästinensischem Gebiet aus Raketen nach Israel geschossen wurden. Und DLF verschwieg auch nicht, wer den Raketenbeschuss ausgelöst hat: Es war der Tod eines Palästinensers in israelischer Haft. Sollte das etwa bedeuten, dass Tote Raketen abschießen können? Oder etwa, dass Palästinenser nach dem Motto: Auge um Auge, Zahn um Zahn handeln? Was der DLF "vergaß" seinen Nachrichten hinzuzufügen war, dass dieser Palästinenser in der Haft an Krebs gestorben ist. Die Todesursache wurde der Phantasie der Hörer überlassen. Das nennt man unredliche Berichterstattung.

Mittwoch, 27. März 2013

Verspätete Todesanzeige

Es ist schon eine Weile her, als ich eine der hinteren Seiten der Zeitschrift "konkret" aufschlug und einen Schrei ausstieß, während ich schnell die Worte überflog: Frau Marianne R. in M. Irgendwie hatte ich auch noch eine nebenstehende Todesanzeige wahrgenommen, und ohne überhaupt weiteres zu lesen, war mir schon alles klar, was sich dann auch bestätigte: Meine Bekannte Marianne hatte in einer Anzeige in der FAZ den Soldatentod ihrer Brüder betrauert . Mit eisernem Kreuz darauf, es wurde von Russland- und Frankreichfeldzug geschrieben und „ihr Tod war nicht umsonst“, ja noch Absurderes, "ihr Anliegen war Völkerverständigung", "konkret" übte dann entsprechned herbe Kritik. Schon früher hatte ich erfahren, dass Anzeigen dieser Art inzwischen immer mehr gesetzt werden. Über diese Anzeige dachte ich nach, versuchte die persönliche Ebene herauszufinden und auch die politische und gesellschaftliche, um dann alles miteinander zu verbinden und in mein Gesellschaftsbild zu integrieren.

Solche Anzeigen, unabhängig davon von wem sie stammen, setzen geradezu den Nazigeist frei. Eisernes Kreuz - Symbol des Krieges, ohne jegliche Distanzierung davon. Russland- und Frankreichfeldzug als Völkerverständigung, und das war sie ja auch - nur hat man sich mit den Völkern eben auf die „deutsche Art“ verständigt. So ist es dann keine Lüge. Wenn ich mir bloß vorstelle, dass diese Anzeige von einer Theologin veröffentlicht wurde!

Und wenn ich mir weiterhin vorstelle, wie Mariannes Mann zum Pazifisten wurde, gegen Atombomben kämpfte, an Sitzblockaden teilnahm, wofür er sogar einmal verurteilt wurde, aber auch wie für ihn das jährliche Treffen seiner einstigen Flieger Staffel immer ein Höhepunkt war, was ich ihm nie übel nahm, denn man weiß wie gemeinsame Zeit unter extremen Bedingungen zusammen schweißen kann. Aber trotzdem fragte ich mich manchmal, ob es bei diesen Treffen wohl zu Diskussionen über den Sinn dieser Flieger-Einsätze gekommen sein mag).

Und wie die beiden immer so nett zu mir waren: Sie haben bei Weitem das meiste Geld gespendet, als ich einmal eine Sammlung für einen in Not geratenen, ihnen völlig unbekannten Ausländer machte. Zwei ihrer Kinder sind mit Ausländern verheiratet, ihre Tochter lebte ihr halbes Leben in einem französichen Dorf am Mittelmeer, und die gesamte Familie hat unzählige Urlaube dort verbracht, sie war in dem Dorf wie zu Hause. Sie haben wirklich Völkerverständigung gelebt, aber warum müssen sie ihren im Krieg umgekommenen Brüdern, die freiwillig oder gezwungen an einem Krieg teilnahmen, von dem klar ist, mit welch ungeheuren Verbrechen er verbunden war, bescheinigen: Was sie machten, war auch etwas in diesem Sinne von Verständigung?

Letztlich kann ich es mir nur so erklären, dass die Geschehnisse des Krieges wie bei vielen anderen Deutschen auch, so wenig mit ihrem Weltbild zu vereinbaren ist, dass sie sich ihre eigene „schöne Welt“ zurecht malten, wo sogar ein barbarischer Krieg zum Sinnbild für Völkerverständigung wurde. Und ein Zweites: Ein Krieg ist nicht zu Ende, wenn Friedensvertrag oder Kapitulation unterschrieben sind, denn die Kriegsschatten bleiben, generationenlang.

Mittwoch, 20. März 2013

Kommunismus in der Realität oder: Eine Kapitalistin

Für die marxistische Wirtschaftstheorie ist das Privateigentum an Produktionsmitteln Dreh- und Angelpunkt für das Funktionieren der kapitalistischen Produktionsweise. Das wurde uns in der Schule im Marxismus-Leninismus-Unterricht beigebracht. Man sprach von der Diktatur des Proletariats, dessen Aufgabe es sei, die Grundprinzipien des Marxismus-Leninismus durchzusetzen. In diesem Zusammenhang müsse man nicht zimperlich sein, der Einzelne habe sich der Allgemeinheit unterzuordnen.

Um zu demonstrieren, wie diese großartige Maxime in der Wirklichkeit zur Anwendung gebracht wurde, erzähle ich, wie es einer Frau in der (damaligen) Tschechoslowakei erging. In den 40/50-ger Jahren des letzten Jahrhunderts war sie eine allein erziehende Mutter. In dieser Zeit war das eine absolute Seltenheit, verbunden mit großen Schwierigkeiten und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Aber die junge Frau, Anna, wollte den Vater ihres Kindes nicht heiraten und ihre Tochter auch nicht im elterlichen Haus auf dem Dorf groß werden lassen. Sie zog in die in der nähe liegende Stadt K., mietete sich ein Zimmer und baute sich dort ihre Existenz auf. Eine Nähmaschine wurde zu ihrer Existenzgrundlage, ihre Küche war ihr Produktionsstandort. Sie nähte für die Bewohner der Stadt, und da sie sehr gut nähen konnte und alle ihre Sachen einen besonderen Chic hatten, gab es keinen Mangel an Kunden. Ihre "geächtete" Stellung wurde dabei toleriert. So hätte es lange weiter gehen können: Anna nähte und ihre Tochter Lisa war in ihrer Nähe gut versorgt .

Aber in der Tschechoslowakei - sie lag nun einmal im Einzugsbereich der Sowjetunion - brach 1948 "unvermutet" der Kommunismus aus. Ein Kennzeichen dieser Staatsform und darüber hinaus aller totalitärer Herrschaften ist es, dass jeder Mensch sich bis in die letzten Winkel seiner Privatsphäre dem Staat unterordnen muss. Schon bald entdeckten die Machthaber, dass in der Stadt ein subversives Element lebte: Eine Kapitalistin mit Privateigentum an Produktionsmitteln, nämlich Anna mit ihrer Nähmaschine. Das musste schnellstens unterbunden werden. Anna wurde in eine Konfektionsfabrik geschickt, wo sie wie am Fließband an der Fabrik-Nähmaschine saß und die Weisungen ihrer Brigadierin zu befolgen hatte. Was das für eine selbständige Frau ihres Formats bedeutete, kann man nur erahnen. In K. gab es nun keine vernünftige Schneiderin mehr und die Frauen mussten sich mit der Kleidung aus der Konfektionsfabrik begnügen. Die kleine Lisa musste zeitweise in einem Kinderheim untergebracht werden. Nach der Einschulung besuchte sie den Hort. Und Hort war in der damaligen Zeit ein Mittags- und Aufbewahrungsort für Kinder, die kein richtiges zu Hause hatten, und wo man die Zeit einfach absaß, bis man gehen durfte. Und die Zeit, als sie noch mit ihrer Mutter zu Hause sein durfte, erschien der kleine Lisa wie ein vergangener Traum.

Die Geschichte ist nicht weltbewegend, dafür sagt sie viel aus über totalitäre Staatsformen, zu denen der Kommunismus zweifellos gehört. Sie ist ein unbedeutendes aber alltägliches Beispiel, das aber ein wesentliches und erhellendes Licht auf die komplexe Realität des Kommunismus im 20. Jahrhundert wirft.

Donnerstag, 14. März 2013

Leserzuschriften in "ZEIT"-online

Nachdem der venezolanische Präsident Chávez gestorben war, sah ich mir die Online-Leserzuschriften einiger großer Medien zu diesem Thema an. Nicht dass ich etwa heraus bekommen wollte, was für eine Figur Chávez gewesen ist, sondern ich wollte wissen, wie normale deutsche Bürger über ihn und sein Regieren denken. "Zeit"- Leser erschienen mir für so eine Studie durchaus repräsentabel.

Die in "ZEIT"-online veröffentlichten Artikel hatten eine ziemlich realistische Betrachtungsweise. Schon in den Überschriften war die Quintessenz enthalten: "Chávez hat das System erhalten und das Land ruiniert" und "Der Comandante hat das Erdöl benutzt, um sein sozialistisches Experiment in Venezuela zu finanzieren. Mit Chávez' Tod ist das System am Ende".

Man kann nicht behaupten, dass die besagten Artikel polemisch oder böse über Chávez berichteten. Sie versuchten, seiner Persönlichkeit gerecht zu werden, und das
Charisma zu hinter fragen, das auf seine Landsleute wirkte. Sie konnten und wollten aber nicht übersehen, dass das Land dank Chávez´ einerseits ideologischen und andererseits auch eigenwilligen Herrschaftsweise über eine vollkommen marode Infrastruktur verfügt und auf vielen Gebieten sehr herunter gekommen ist.

Von den vielen Leserzuschriften waren es knapp 20 %, die den Intentionen der Artikel zustimmten. Wenn man einige Zuschriften abzieht, die einen undefinierbaren Inhalt hatten, kann man sagen, dass gut 2/3 empört über das "ungerechte" Bild waren, das angeblich von Chávez gezeichnet wurde. An einigen Stellen hieß es: Über Tote darf man nicht schlecht schreiben!

Bezeichnend war schon die allererste Zuschrift, die ich vorfand:
"Wann werden die Deutschen aufhören den Hintern der USA und Israels zu küssen?" Eine Grundlage für diese Feststellung konnte man keinem Satz im Artikel entnehmen. Von Israel war dort überhaupt nicht die Rede (Das erinnerte mich an Tuvia Tenenbom, der bei seinem Deutschland-Aufenthalt festgestellt hatte: Wie abwegig auch das Thema sein mag, auf Israel kommen die Diskutanten immer!).

Weiter hieß es: Die Artikel seien unfair. Die USA könnten von einer Verfassung wie sie Venezuela hat, nur träumen. Vorher sei es in Venezuela auch nicht besser gewesen, und jetzt haben wenigstens die Armen etwas vom Ölreichtum, das sei wichtiger als eine intakte Infrastruktur. Eine absolute Gerechtigkeit sei ja sowieso nicht möglich. Wartet erst mal ab, bis sich heraus stellt, dass Chávez sehr viel Bleibendes geschaffen hat! Und so weiter. Die Leserschaft von "Zeit"-online outete sich als sozialistisch und als Verächter der USA, ja auch als links ideologisch. Oder wie soll man es sonst bezeichnen, wenn über einen verstorbenen linken Staatsmann nicht geschrieben werden darf, in welchem Zustand er sein Land hinterlassen hatte?

Wohl wissend, dass die Leser der "ZEIT" und ihrer online Ausgabe nicht identisch sein müssen und dass nicht jeder Schreiber einer Leserzuschrift den Charakter einer Zeitschrift widerspiegelt, so gibt es doch aufs Ganze gesehen Zusammenhänge. Wenn ich mir die Reklamen in der "ZEIT" vor Augen halte, die exquisiten Kreuzfahrtreisen in entlegene Teile der Welt, die ZEIT-Beilagen, in denen sich alles um exquisiten Schmuck, Mode, Lifestyle oder teure Autos dreht, die also alle an ein reiches Leserpublikum appellieren, dann ist die Begeisterung eines beträchtlichen Teils der Leserschaft für einen Beglücker der Armen nur schwer nachzuvollziehen.

Mittwoch, 6. März 2013

Gedanken über den Kommunismus

Gerade las ich etwas über Äthiopien. Ein Mitglied der ehemaligen kaiserlichen Familie schilderte, wie nach Machtergreifung durch die Kommunisten nicht nur in Äthiopien, sondern auch in anderen afrikanischen Staaten, in denen der Sozialismus/Kommunismus eingeführt werden sollte, gewaltige Umsiedlungsaktionen in Gang gesetzt wurden, was dann zu vollkommen desolater Wirtschaft und zu Hungersnöten führte. Die Missachtung des Menschlichen war Kennzeichen des Kommunismus. Das Gleichmachen auf allen Gebieten, was eine Negierung des Menschlichen zwangsläufig einschließt. Als Ausführungsmittel der Umsiedlungsaktionen diente die Bürokratie. So wurden die Menschen willkürlich nach bürokratischen Kriterien bestimmten Gebieten zugeordnet. Auch die DDR trug ihren Teil zum "Aufbau des Sozialismus" in Äthiopien bei. Sie half dort mit ihren Erfahrungen eine äthiopische Variante der Staatssicherheit zu installieren.

In Rumänien war es ähnlich mit der Umgestaltung des Lebens mittels Bürokratie. In den letzten Jahren der Ceausescu-Herrschaft fing man an, die Dörfer einzuebnen und die Landbevölkerung in Wohnblöcken anzusiedeln. Den Gipfel dessen, was Kommunismus ist, kann man sich in Nordkorea sehen.

Wenn ich an die DDR denke: Man sollte genau ansehen, was typisch für die DDR war, was kennzeichennd für ihr Wesen war. Also müsste man sich die Neubauwohnungen ansehen, die für alle gleich eingerichtet waren, und die Gesichter der Stasileute, die keinesfalls so sensibel aussahen, wie Ulrich Mühe an seinen Abhörapparaten. Die Plakate und Parolen, die Demonstrationszüge, das Werben von Kindern für die Volksarmee, das Bestehen darauf, dass jeder das Gleiche sagt. Und die Druckmittel, die gegen alle eingesetzt wurden, die sich der Gleichmacherei entzogen. Das, was die DDR ausmachte, es war stumpf und dumpf, und wenn es anderes gab, war es ein Aufbäumen dagegen. Die Tatsache, dass das „Menschliche“ sich letztlich doch durchsetzt. Schönes und Nostalgisches, was man hier zur Wende vorfand, war das, was die DDR nicht geschafft hatte zu zerstören: Alte Substanz, altertümliches Verhalten….

Sonntag, 24. Februar 2013

Ein Abend mit Tuvia Tenenbom

Nach meinem Eintrag vom 1.1.2013 über Tuvia Tenenbom. hatte ich Gelegenheit, den Schriftsteller persönlich kennen zu lernen. Aus der "Bloggergemeinde" kam ein Hinweis, dass T.T. in Berlin im jüdischen Gemeindehaus eine Buchvorstellung geben wird. In Berlin angekommen, stellte ich fest, dass am Abend zuvor schon eine Veranstaltung mit T.T. in Berlin stattgefunden hatte und dachte, in einer nichtjüdischen Umgebung wäre es vielleicht spannender und kontroverser zugegangen.

Im großen Saal des jüdischen Gemeindehauses waren nach und nach etwa 80 Personen zusammen gekommen. Auf dem Podium nahmen Platz: Tuvia Tenenbom, dazu zwei junge Leute, die als Lesende und Übersetzer fungierten und der Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen, der als Conferencier wirkte. Die jungen Leute lasen das Kapitel 7, in dem T.T. verschiedene religiöse Gemeinschaften, einschließlich der jüdischen, besucht. Wie der Chefredakteur erzählte, wäre es eines der wenigen Kapitel, bei dem sich noch keine Anwälte gemeldet hätten.

Anschließend gab es eine Diskussion. T.T. wurde gefragt, wieso er gerade auf das Thema Antisemitismus in D. gekommen wäre. Er beteuerte, dass das überhaupt nicht seine Absicht gewesen wäre, im Gegenteil, als er noch wenig von Deutschland wusste, wäre er derjenige gewesen, der in New York die Deutschen gegen solche Anschuldigungen verteidigt hätte. Nachdem er sich dann aber lange in D. aufgehalten hat und bei allen möglichen Gelegenheiten mit Deutschen sprach, muss er sagen: die Deutschen sind besessen von dem Gedanken an Juden und den Holocaust. Seine Erlebnisse wären zufällig gewesen, nicht mit Absicht herbei geführt, aber es dauerte nie lange, bis von den verschiedensten Menschen etwas in dieser Hinsicht geäußert wurde, meistens Absurdes. So traf er im KZ Buchenwald auf den Direktor der Gedenkstätte, der ein T-Shirt von einer Jerusalemer Bar an hatte, die die Auswanderung der israelischen Juden nach Uganda propagierte. Der Leiter für Gedenkstättenpädagogik war einst bei einem Hilfseinsatz in einem arabischen Krankenhaus nach Nablus geraten um sich über die Situation der Palästinenser zu informieren. Prompt wurde ihm dort eine Bombe unters Auto gelegt, bei deren Explosion sein Bruder starb und er ein Auge verlor. Trotzdem demonstriert er für die Rechte der Palästinenser und betreibt zugleich Gedenkstättenpädagogik über den Holocaust.

Während T.T. ins Plaudern geriet, änderte sich die Stimmung im Saal. Ein Tuscheln und Murmeln war zu hören, das in den Satz mündete: "Was reden Sie hier für Blödsinn?" Ein Ehepaar verließ aufgebracht den Saal, kam aber später zurück. Wie sich herausstellte, war der wütende Herr ein verdientes Mitglied der jüdischen Gemeinde, und als er später wieder da war, konkretisierte er seinen Unmut: T.T. würde die gute Zusammenarbeit, die in Jahren mit den Gedenkstätten aufgebaut wurde, torpedieren. Er kenne nicht viele Orte, wo so viel für die Geschichte getan wird. Und der Herr Tenenbom wäre einfach nur stolz und oberflächlich. T.T. ließ sich nicht beirren und meinte, für ihn wäre Deutschland ein Land mit vielen Masken, und der Gedenkstättenleiter hätte keine Scham. Daraufhin verließ wieder jemand den Saal.

Ein junger Mann stellte die Frage, die auch mich interessierte: Wie konnte T.T. als englisch sprachiger Mensch so viele intensive und sprachlich subtile Gespräche mit Deutschen führen. T.T. antwortete, dass viele Gespräche auf Englisch stattfanden und dass oft auch seine Frau als Dolmetscherin fungiert hätte.

Später trat eine Frau vors Mikrofon, die T.T. dankte und sagte, sie wäre auch der Meinung, dass der Antisemitismus hier verbreitet wäre, aber sie könnten ja nicht in ihre eigene Suppe spucken, doch sie findet es toll, dass T.T. gespuckt hätte. Das gefiel wieder einer anderen Frau nicht, denn es gäbe auch gute Deutsche und der erboste Herr F. würde es gut meinen, weil es ihm um die gute Zusammenarbeit mit den Gedenkstätten gehe. Aus den verschiedenen Ausführungen konnte man sich ein gute Vorstellung über die jüdischen Gemeinden in Deutschland, über ihre Animositäten und Zwänge machen.

Der Abschluss war versöhnlich: Ein junger Mann lobte das Buch sehr und unterstrich besonders die Wärme zu den Menschen, die man trotz aller Schwierigkeiten mit ihnen, spürt und bewunderte T.T., wie er es geschafft hatte, so ein akkurates Bild hinzubekommen.

Montag, 18. Februar 2013

Foto-Award

Eine Aufnahme zweier bei einem israelischen Luftangriff getöteter palästinensischer Kinder ist zum besten Pressefoto 2012 gekürt worden. Das Bild des schwedischen Fotografen Paul Hansen zeigt eine große Gruppe trauernder Männer in einer engen Gasse, welche die Kinder in Totengewändern zur Beisetzung tragen.

Dieses Foto löste in mir tatsächlich großes Erschrecken aus. Es ist ein Foto einer Trauergemeinde, aber zugleich ist es ein Propagandafoto und zwar ein sehr unangenehmes, bedrohliches! Und deshalb hat das Bild etwas Verkommenes an sich. Es sagt, es schreit direkt: "Seht Israel den Kindermörder! Seht, die Weisen von Zion, sie morden, wie sie seit 2000 Jahren morden. Schon immer haben die Juden Kinder gemordet." Diese Botschaft wird man in alle Welt senden und sie wird auch so verstanden werden.

Dieses Foto ist nicht einfach nur das Foto zweier im Krieg getöteter Kinder. In Syrien wurden tausende Kinder getötet. In Israel gibt es hunderte Kinder, die bei Selbstmordanschlägen verstümmelt wurden oder ihr Augenlicht verloren. Tote oder verstümmelte Kinder und ein qualitativ hochwertiges Foto bekommt man an vielen Stellen zusammen. In Syrien gäbe es dazu genug Gelegenheiten.

Aus den originalen israelischen Berichten weiß man, dass Israel alles Mögliche tut, damit es im Krieg so wenig zivile Opfer wie möglich gibt. Dass die Hamas aber ihre eigenen Lager und Abschussrampen zwischen Kindereinrichtungen und Krankenhäuser versteckt, damit Israel entweder diese Stellen meidet oder aber wenn es die Lager und Rampen vernichtet, es möglichst zivile Opfer, am liebsten Kinder gibt, die sie dann der Welt als israelische Opfer präsentiert.

Dieses Foto wurde nicht von einigen Palästinensern für ihre Propaganda ausgesucht. Es wurde von einer internationalen Jury aus mehr als 100.000 Fotos gekürt. Es ist unangreifbar. Darum empfinde ich es als erschreckend und bedrohlich. Es zeigt, wie breit die Basis ist, die um jeden Preis, auch um den Foto-Award, zeigen will, dass Israel ein über alle Maße schreckliches Regime ist. Daraus folgt im Selbstlauf, dass immer mehr unbeteiligte Menschen ohne Kenntnis der näheren Umstände sagen: "Ja, wenn so viele davon überzeugt sind, dann muss ja etwas daran sein."

Mittwoch, 13. Februar 2013

Fußballrandale aus aller Welt

An die Redaktion der Tagesthemen, am 11.2.2013:

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den gestrigen Tagesthemen berichteten Sie unter "Fanatische Fans" über nationalistisch gesinnte Anhänger eines israelischen Fußballclubs.

Wenn man Ihren Bericht mit
diesem (nur als Beispiel aus einer möglichen Reihe) vergleicht, muss man zwangsläufig nach Ihren Beweggründen fragen, dem im Vergleich harmlosen Tatbestand aus Israel (vermutlich in jedem deutschen Stadion findet man vergleichbare Fans) eine prominente Stelle in Ihrer Sendung einzuräumen, während wirklich dramatische Fußballereignisse in Deutschland eher außer Acht gelassen werden.

Meinem Eindruck nach ist es bezogen auf Israel (das Land scheint der alleinige Grund für Ihren Bericht zu sein) eine verzerrte Berichterstattung. Man bedenke dabei, und das macht Ihren Beitrag ausgesprochen zweifelhaft, dass weit vor dem ausgiebig diskutierten Jakob Augstein kaum beachtet auf der Skala des Simon-Wiesenthal-Zentrums die europäischen Fußballfans als Antisemiten eingereiht wurden.

Die angeführten Zusammenhänge wären es wert, journalistisch bedacht zu werden, dazu möchte ich Sie zumindest anregen.

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Es ist vielleicht keine weltbewegende Meldung, aber sie zeigt genau und beispielhaft den Mechanismus nachdem nicht irgendwelche "Hetzblätter", sondern unsere seriösen Medien, in diesem Fall die Tagesthemen, nicht einfach etwas berichten, sondern Politik machen - auf ihre Weise, versteht sich. Ein sichtlich beunruhigter Tom Burow gab bekannt, wie schlimm und rassistisch sich die Fans in Israel verhalten. Es fiel aber auf, dass nicht einmal ein tatsächlicher Übergriff zu berichten war.
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Jetzt ein anderer Bericht, zum gleichen Thema, ich zitiere aus Uris Tagebuch aus Israel:

Heute Abend, am 11.2., spielte Beitar Jerusalem gegen Bnei Sachnin, einen arabischen Nationalligaklub aus dem Galil. Wie verhielten sich die im Teddy Kollek-Stadion anwesenden Zuschauer? Es gab eine Überraschung: Die Beitar Jerusalem Fans verhielten sich vorbildlich. Es waren Transparente zu sehen mit den Worten: „Wir lieben euch alle, wir sind keine Rassisten“. Von den gegen neuntausend Zuschauern seien nur 35 rabiate Beitar-Fans aus dem Stadion geführt worden, wie auch 35 Fans von Sachnin, die die Sicherheit gefährdet hätten. Der Reporter erzählte, es habe einige rassistische Demonstrationen gegeben, die von der Fernsehkamera nicht aufgenommen worden seien. Diese Ausbrüche seien nur von einer winzigen Gruppe verursacht worden. Von all dem war nur eine Szene zu sehen: Als vor Spielbeginn einige Sachnin-Fans von Wächtern der Ordnung aus dem Stadion geführt wurden.
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Auf den Zuschauerbrief gab es wie gewohnt keine Reaktion. Schade.

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