Samstag, 18. Februar 2012

Moralkeule (1)

(Wahlweile auch Antisemitismus- und Auschwitzkeule)

In der ZEIT las ich einen Leserbrief, der jenen Ärger zum Inhalt hatte, den die deutsche Politik in Griechenland hervorruft. Dabei benutzte der Verfasser mit großer Selbstverständlichkeit den Ausdruck „Auschwitzkeule“. Ich hätte gern ebenfalls einen Leserbrief mit einer Anmerkung dazu geschrieben, aber ein Leserbrief soll für sich stehen und Zensur anderer Leser daran würde ins Unendliche führen. Bin ich es doch selbst gewohnt, dass wenn gelegent lich eine Leserbreif von mir abdrucken, dass dann in der nächsten Ausgabe ein anderer Leser umso heftiger auf mich reagiert (vielleicht mit der berühmten imaginären Keule?).

Eine Weile dachte ich über die in Deutschland so beliebten Keulen nach. Kreiert hat sie wahrscheinlich der unsägliche Martin Walser, zumindest popularisierte er sie und machte die Deutschen “gefühlt“ (auch so ein seltsamer Ausdruck) zu einem arg geprügelten Volk. Diese Keule ist wirklich eine der abscheulichsten Erfindungen der Deutschen nach 1945.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich an einem frühen Sonntag Nachmittag ins Wohnzimmer einer Bekannten kam, der Fernseher lief, und Martin Walser hielt gerade seine Rede. Bis dahin wusste ich nicht, was der Friedenspreis, geschweige denn wer Martin Walser ist. Aber ich hörte der Rede zu, verstand ihren Inhalt und fand sie so schrecklich und abstoßend, dass ich gleich meinem Mann davon erzählte und sagte: „Da muss doch etwas geschehen!“ Erschreckt hat mich an der Rede am meisten, dass sich fast die ganze die illustre Heerschar der Zuhörenden erhob und frenetisch applaudierte.

Zufällig fuhren wir am Tag darauf ins Ausland, wo noch niemand diese Rede wahrgenommen hatte. Als wir zurückkamen, waren die Diskussion und alle darauf folgenden Peinlichkeiten im vollen Gange. Im Laufe der Zeit ist die „Keule“, die in verschiedenen Variationen erscheint, fast zu einem Alltagswort geworden. Die ursprüngliche Moralkeule verwandelte sich ebenfalls in eine Antisemitismus- bzw. Auschwitzkeule.

Nun überlegte ich, in welcher Weise ich von dieser Keule habe reden hören (insbesondere auch in Leserbriefen und Foren wird sie gern benutzt). Erst einmal: Es ist eine imaginäre Keule, die anderen unterstellt wird. Derjenige, dem der Keulenschlag unterstellt wird, bezichtigt man damit gleichsam der Nötigung und der Erpressung. Der Erpresser nutze seine Überlegenheit aus - sie kann moralisch sein oder aus Zugehörigkeit zu einer Gruppe bestehen -, um sein Opfer ebenfalls aus moralischen Gründen, mehr jedoch wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Gruppe, mundtot zu machen. Als Keulenmensch will offenbar niemand da stehen.

Dann: Demjenigen, der diese Metapher anwendet, ist nicht im Geringsten bewusst, dass sein Verhalten genau dem entspricht, was er seinem Widersacher unterstellt. Er ist sich sicher, dass er selbst über die Deutungshoheit verfügt. Dass der Andere ebenfalls deuten, Logik anwenden und schlussfolgern kann, kommt ihm gar nicht in den Sinn. Sonst käme er darauf, dass er dieselbe Keule, die er so heftig anprangert, in Wahrheit höchst selbst schwingt: Die Keule der Erpressung und der Mundtodmachung.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Nicht: Was ist das für ein Volk? sondern: Warum der Hass?

Es ist schon lange her, als ich zu einer Freundin kam, die gerade beim Lesen war. Sie sagte: „Ich lese jetzt das Buch „Die Quelle“. Denn ich möchte wissen, was das für ein es Volk ist, das überall, wo es auf der Welt auftritt, den Hass der Umgebung auf sich zieht?“ Leider war ich nicht imstande, darauf zu antworten und wir haben auch nicht wieder über das Buch gesprochen. Soviel ich weiß, ist es eine Mischung aus Roman und archäologischem Sachbuch, das die Ursprünge Israels erforscht. Ich nehme an, dass es mehr Zufall war, dass meine Freundin gerade an dieses Buch geraten ist, eine Antwort auf ihre Frage wird sie daraus nicht erhalten haben.

Mir wurde bewusst, dass genau in dieser Frage, die sie sich oder anderen stellte, ein ganzes Weltbild steckt: Hass ist eine zwingende Folge von etwas zu Ergründendem. Der Hass ist entschuldbar, weil er provoziert wurde. Hätte ich damals schon mehr nachgedacht, hätte ich mit einer Gegenfrage geantwortet: „Warum hassen Menschen andere Menschen, ohne dass diese ihnen etwas angetan haben, so sehr dass sie sie verfolgen, diskriminieren, umbringen?

Wenn man diese Gedanken weiter denkt, gelangt man zu den Grundpositionen:

Der Mensch ist gut. Böse können die Verhältnisse sein, und wenn sich der Mensch nicht gut verhält, dann liegt es an dem Bösen, das ihn provoziert hat.

Oder: Der Mensch ist zu allem Bösen fähig, er sollte sich und das, was in ihm „schlummert“, kennen, sich bewusst damit auseinandersetzen und die Regeln des menschlichen Zusammenlebens annehmen, weil das im Endeffekt auch ihm nützlich ist.

Bei der ersten These muss man davon ausgehen, dass derjenige, der zu dem Urteil „der Mensch ist gut“ kommt, sich selbst in der Position des Subjekts sieht, d. h. er und Seinesgleichen sind jene, die er als Menschen bezeichnet. Und diejenigen, die „das Böse“ darstellen, werden als Menschen nicht in Betracht gezogen. Wenn jemand den Satz ausspricht: „Was ist das für ein Volk, das den Unmut etc. auf sich zieht…?“, sieht er die Juden nicht als Menschen an. Sie sind Objekte, die den guten Menschen zu schlimmen Taten veranlassen. Er sieht sie nicht nur als jene die „das Böse herausfordern“, sondern er hält sie auch verantwortlich dafür, dass „der gute Mensch“ etwas Böses überhaupt tut. Diese Denkweise birgt einen unentrinnbaren Teufelskreis in sich, der von Dialektikern aller Art gern angenommen wird.

Es ist eigentlich nur ein winziger Gedankensprung von der Frage: „Was sind das für Menschen, die den Hass auf sich ziehen….“ zu „Warum sind Menschen so zum Hass fähig?“ Diese Frage wird in der Regel ignoriert, es ist geradezu eine Tabufrage. Wenn man dieser Frage nicht nachgeht, hat man sich schon auf die falsche Spur begeben mit allen tragischen und schlimmen Folgen.

Sonntag, 12. Februar 2012

Menschenleeres Mecklenburg Vorpommern

Wir unternahmen eine Ausflugsfahrt quer durch Mecklenburg und Vorpommern. Beide Landesteile weisen untereinander so große Unterschiede auf wie etwa Baden und Württemberg, d. h. für die Einheimischen haben sie kaum etwas miteinander gemeinsam, Fremde dagegen müssen sich anstrengen, um die Unterschiede wahrzunehmen und wissen nie genau, in welchem der Landesteile sie sich befinden. Etwas haben Mecklenburg und Vorpommern gemeinsam: Es ist die erschreckende Leere in ihren Kleinstädten. Zu meiner Freundin sagte ich, dass wir gleich durch das wunderschöne Städtchen T. fahren werden. Es ist herrlich gelegen mit einer fast original erhaltenen mittelalterlichen Stadtanlage, die nach der Wende nach einem besonderen Förderprogramm saniert wurde. „Aber es ist ein Jammer, wie es mit den Menschen dort bestellt ist…..“ Meine Schilderungen wurden augenblicklich bestätigt, denn wir fuhren die gut zwei Kilometer lange Stadtdurchfahrt entlang, auch quer über den Markt, an einem Werktag Vormittag, und wir haben nicht einen einzigen Menschen gesehen.

Vor kurzem traf ich auf die 12-jährige Armenierin L. Ich half bei der Betreuung von Kindern, die zu einem Erholungsaufenthalt hierhergekommen waren, und zu denen L. gehörte. Zuvor wurde mir gesagt, dass sie sehr klein wäre, schüchtern und ängstlich und dass sie aus der mecklenburgischen Stadt G. käme. Ich erfuhr dann, dass die Familie seit Langem in Deutschland lebt, alle drei Kinder sind hier geboren. Nun sind sie akut von der Abschiebung bedroht. Warum? Was kam den Behörden in den Sinn? Beide Eltern arbeiten, und die Mutter gibt nebenberuflich noch Klavierstunden. Ich erfuhr, dass die Mutter große Angst hat, und diese scheint sich auf die Kinder zu übertragen. Bei L. war es so, dass der ständige Druck, der auf der Familie lastet, sich auch auf sie übertragen hat. Bei dem ein Jahr jüngeren Bruder ebenso. Ich will nicht behaupten, dass ihre schmächtige Gestalt daher rührt, aber es heißt, dass Wachstum und Lebensumstände oft eng zusammen hängen.

Als wir nach kurzer Zeit ein gutes Verhältnis zueinander gefunden hatten, war L. gar nicht mehr schüchtern. Sie ging aus sich heraus, erzählte über sich und ihre Freundinnen und über die Schule. Bald kam sie auf die drohende Abschiebung zu sprechen. Sie erzählte, dass diese Vorstellung für die Familie ganz schrecklich sei und alle in Angst vor der Abschiebung leben. Sie war nie im Leben in Armenien gewesen und wollte gern dort bleiben, wo sie geboren ist. Dass sie kurz vor der beabsichtigten Abschiebung zu einem Kuraufenthalt geschickt wurde, kam mir so vor, als wenn man einem Delinquenten noch die Henkersmahlzeit verabreicht. Ich stellte mir vor, dass in ihrer Stadt, die wie jede Stadt in der Region um ihre Schulen, Kindergärten, Sportstätten kämpft, bald wieder drei Kinder weniger sein werden.

Die Abschiebung wird wohl nicht dem Buchstaben des Gesetzes widersprechen. Es passt aber nicht zusammen: Die menschenleeren Kleinstädte in Mecklenburg und die Tatsache, dass eine Familie mit drei Kindern, die ihren Lebensunterhalt selbst verdient, in so einem Städtchen nicht mehr leben darf.

Montag, 6. Februar 2012

Empörungsrituale II

Ich dachte weiter über den Kommentar nach. Wie der Kommentator sehr darüber empört war, dass die rituell aufgeregten Israeli den Bischöfen unterstellten, „Ghetto“ gesagt zu haben. Dabei hätten sie doch nur „ghettoähnliche Mauer“ gesagt! Ich überlegte, welchen Unterschied es wohl zwischen einer Ghettomauer und einer ghettoähnlichen Mauer geben könnte und stellte mir vor, wie in Journalisten- in Bischofs-, Historiker- und Politikerschulungen unterrichtet wird, was der Unterschied zwischen Ghetto und ghettoähnlich ist und wie, bei wem und in welchem Zusammenhang dieser oder jener Begriff anzuwenden sei. Und dachte auch, dass ich den Begriff Ghetto nur im Zusammenhang mit Juden kenne. Vielleicht hat der Bischof den Ausdruck ghettoartig verwendet, weil er der Meinung war, ein richtiges Ghetto zieme sich nur für Juden.

Ob aber Ghetto oder ghettoartig, was Mauern sind, das weiß der Bischof, weil er selbst dabei ist, eine Mauer zu bauen. An dieser Mauer bauen sie alle. Daran arbeiten Bischöfe, Journalisten, Schriftsteller, Historiker, Politiker mit Erfolg: Um alles, was Juden, was die Vernichtung der Juden, und auch was den Staat der Juden betrifft, wird geistig eine „ghettoähnliche Mauer“ gezogen. Mit Worten und Begriffen wie „Empörungsritual“, „Auschwitz- und Antisemitismuskeule“, „Bombenholocaust“, (ein Ausdruck, den Neonazis sinnigerweise und im gleichen Geist hinzufügten) und weiteren Spitzfindigkeiten, wird an einer Mauer gebaut, die neimand durchbrechen darf ohne sich lächerlich zu machen.

Aber auch mit Begriffen wie Vergangenheitsbewältigung, Wiedergutmachung, Holocaustgedenken. Mit der Empörung und dem Beleidigt-Sein, womit alles quittiert wird, was nur im Geringsten als eine Anspielung auf die Taten der Deutschen in der Vergangenheit gedeutet wird. Mit den Lügen, die behaupten, deutsches Leid habe nie thematisiert werden dürfen. Mit der großen Entrüstung, wenn auf antisemitische Gedanken nur ein Anflug eines Antisemitismusvorwurfes geäußert wird. Mit dem Verlagern des moralischen Empörungspotentials nach Israel und der gleichzeitigen Behauptung, Kritik an Israel und Judenfeindschaft hätten miteinander nichts zu tun. Selbst solch verschwommene Floskeln wie „Man darf die Leiden nicht gegeneinander aufrechnen“ sind Bausteine der Ghettomauer, denn sie wissen wohl, welches Ergebnis wohl zustande käme, wenn man Leiden gegeneinander aufrechnen würde. Darum versuchen sie es zu tabuisieren.

Die Juden in einen ghettoähnlichen Raum zu sperren, in dem sie sich selbst nicht äußern dürfen, und denjenigen, die „draußen“ sind, die Deutungs- und Begriffshoheit zu übertragen, das möchten Bischöfe und Kommentatoren. Sie wollen die Lüge zementieren, sie sich festsetzen lassen, sich in den Gedanken der Menschen ausbreiten lassen. Warum, das weiß ich nicht, das verstehe ich nicht, so wie es nie jemand verstanden hat, der sich mit solchen Fragen beschäftigt hat. Aber Gedanken können Ghetto- und ghettoähnliche Mauern überfliegen, das vergessen sie dabei immer.

Samstag, 4. Februar 2012

Empörungsrituale I

Deutschlandfunk brachte einmal (10.3.2007) einen Kommentar, der mich aus der Fassung brachte. Aus der Fassung bringt mich ab und zu immer etwas, und ich frage mich dann, ob ich empfänglicher geworden bin, denn in Wirklichkeit ist es nie etwas Neues, sondern schon oft Gehörtes. Es ist sozusagen die Luft, die mich umgibt. Allerdings, nur wenn ich bewusst hinhöre. Sonst sehe ich schöne Landschaft, Bäume, Kinder, freundliche Menschen. Trotzdem tönt halb unterschwellig, so wie die sich ins Unterbewusstsein schleichende Kaufhauswerbung, auch Schlimmes, und Böses in die Atmosphäre.

Der Kommentar hatte die Überschrift: „Empörungsrituale“, womit gemeint war, dass Juden oder Israeli sich immer so unverschämt verhalten, wenn Deutsche ihnen vorhalten, dass Israeli ähnlich handeln, wie die Deutschen zur Zeit des Holocausts. In diesem Fall war es Bischof Hanke, der auf einer Nahost-Pilgerreise die Lebenssituation von Palästinensern in den Autonomiegebieten mit der von Juden in Gettos während des Zweiten Weltkriegs verglichen hatte. Ich kann mir vorstellen, wie stolz derjenige war, der sich die Metapher „Empörungsritual“ erdacht hat. Er war allerdings zu dumm, um sich bewusst zu sein, dass seine Empörung über die Empörung der Juden oder Israeli genau jenem Ritual entspricht. Vielleicht war er nicht dumm, sondern einfach antisemitisch, aber beides geht ja Hand in Hand. Denn die antisemitische Grundhaltung trat deutlich zutage, z. B. in der Rechtfertigung, dass an den Bemerkungen der deutschen Bischöfe - die Mauer in Israel erinnere sie sehr an die Mauern des Warschauer Ghettos - allerhand d´ran wäre. Da frage ich mich, ob konsequenterweise die Tatsache, dass ein anderer Bischof (Lehmann) bereit war, die Bemerkungen seiner Amtskollegen ein wenig zurechtzurücken, dafür sprechen müsse, dass die Juden es wieder einmal geschafft haben, einen deutschen Bischof „zu Kreuze kriechen zu lassen“. Das wäre die Schlussfolgerung, die durch die Meinung des Kommentators hindurchschimmern müsste.

Ich habe später eine E-Mail an den DLF geschickt. Antwort bekam ich wie vorausgesehen nicht, da ein wenig Polemik in meinem Kommentar war. Polemisieren dürfen nur diejenigen, die die Hoheit darüber haben, also DLF, bei Anderen nennt man es „Empörungsritual“. Eine Freud´sche Fehlleistung, da der Gedanke daran sehr nahe liegt, wie man den Juden die Ritualmorde vorgeworfen hat. DLF-Redakteure sollten aber eine Vorstellung davon bekommen, dass es Menschen gibt, die ihre Kommentare hören und mitdenken. Aber nicht in der Weise, wie sie es sich vorstellen.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Drei Brüder

Wieder kam von irgendwoher eine Statistik, die da angibt, wie viele Menschen in Deutschland antisemitisch sind. Allgemeines Entsetzen. Man sollte darüber nicht erschrecken, es wäre seltsam, wenn es nicht so wäre. Da muss man nur täglich Rundfunk, Fernsehen, Zeitung konsumieren. Nicht irgendwelche Blättchen, sondern die seriösen. Da wird schon eine Menge präsentiert.

Besser wäre es, eine Studie herauszubringen, was Antisemitismus ist, wie er in der Gesellschaft transportiert wird, aus welchen Komponenten er sich zusammensetzt. Überhaupt, wie er definiert wird. Oder umgekehrt wäre es vielleicht viel interessanter: Bei den Menschen, die sich als Antisemiten zu erkennen geben, versuchen zu ermitteln, welche ihre Beweggründe sind, aus welchen Quellen sie ihre Ansichten und ihr Wissen speisen, welchen psychologischen Hintergrund der Antisemitismus bei ihnen hat.

20 % sind eigentlich wenige. Ich glaube, in Wirklichkeit sind es mehr. Antisemitismus hat nämlich noch zwei Brüder: den Antijudaismus und den Antizionismus. Ich habe die Erfahrung gemacht: alle drei werden streng voneinander getrennt. Die Brüder behaupten, den großen Bruder nicht zu kennen, überhaupt nichts mit ihm zu tun zu haben. Ich denke, dass diese drei Brüder von einem Stamm sind, wie es nun mal bei Brüdern der Fall ist.

Gemeinsamkeiten haben sie viele. Das ist beispielsweise die übergroße Sensibilität sich selbst gegenüber auffällig. Die gleiche Grobheit, Verachtung bis hin zur Todesverwünschung, die sie gegen Juden, bzw. gegen die Religion der Juden oder gegen Juden in Israel haben, die verwandelt sich nach Innen in höchste Sensibilität. Wenn man einen der sich ähnelnden Brüder mit falschem Namen anredet, gerät er außer sich. Der Name Antisemitismus ist tabu. Darum ist auch die Prozentzahl 20 relativ niedrig, denn die meisten Menschen, die Juden nicht mögen, verwenden andere Namen für ihr Unbehagen. Mir kommt es so vor, als hätte der Bruder Antisemitismus einen geheimnisvollen, vom Unheil umwehten Ruf. Seine Brüder bewundern ihn, wollen aber nicht so gern in der Öffentlichkeit mit ihm gesehen werden. Der bewunderte Bruder bekommt nämlich immer einmal von diesem oder jenem Menschen einen kräftigen Schlag. Mit der Antisemitismuskeule. Obwohl sie den Bruder sehr bewundern, mit welchem Stoizismus er die Schläge hinnimmt - er scheint darunter auch nicht allzu sehr zu leiden -, schadet es ihrem Ruf, wenn ihr Aussehen allzu sehr von der Keule zerzaust wäre. Es wäre ihnen peinlich. Darum sind sie immer auf der Lauer, ob auch nur eine Andeutung auf diesen verfemten Namen herauszuhören wäre. Sie haben ein perfekt nuanciertes Vokabular hinsichtlich der Kriterien, welcher Name wann und wo verwendet werden darf oder auch nicht. Wenn es nicht passt, schlagen sie mit der Antisemitismuskeule zurück. Die wird nämlich ebenso gern, wenn nicht noch lieber in die andere Richtung geschwungen.

Sonntag, 22. Januar 2012

Rede zur Wanseekonferenz

Bundespräsident Wulff hielt eine Rede zur Wannseekonferenz. Und die interessiert mich eigentlich mehr als seine „Verfehlungen“. Manches fand ich bedenklich, auch wenn ich vermute, dass der Text von einem Redeschreiber geschrieben wurde. Aber er ist nun einmal der Redner.

Solche Reden finden sozusagen in einem geschlossenen, wenn nicht sogar abgedunkelten Raum statt, das heißt, sie haben wenig mit der Realität zu tun. Letztendlich werden sie zur eigenen Erbauung gehalten: Wie gut „gedenken“ wir doch! Sie schmerzen niemanden. Darum werden sie auch schnell wieder vergessen. Diese Reden muss man im Zusammenhang mit anderen Ereignissen und Aussprüchen sehen, erst dann ergeben sie einen Sinn.

Wenn man es sich vorstellt: Einen Tag davor drückte Wulff dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde die Hand. Dem gleichen Menschen, der behauptet, dass das was auf der Wannseekonferenz beschlossen wurde, auf eine Initiative der Juden selbst zurückgeht. Damit sie nämlich dank der Vernichtung eines Teils der Juden, einen Vorwand hätten, sich im Gebiet Palästina anzusiedeln. Dafür hat er seinen Doktortitel bekommen und er gilt als Intellektueller! Auch vermindert er in seiner Doktorarbeit die Zahl der umgebrachten Juden auf ein Sechstel, in Deutschland ein zu ahndendes Verbrechen. Es wäre eine gute Gelegenheit für Wulff gewesen, Herrn Abbas danach zu fragen und seine Antwort dann in die Rede einfließen zu lassen.

Auf der Wannseekonferenz wurde auch das Schicksal der Kinder von Bialystock beschlossen. Der 1.300 Kinder (von insgesamt sogar 5.000 Kindern), die einst, im Jahre 1943, für einen Austausch gegen deutsche Internierte in die Freiheit gelassen werden sollten. Wogegen der Mufti von Jerusalem, der bis heute von den Palästinensern sehr verehrt wird, Einwand erhob. Worauf man dann dieselben Kinder, die eine Zeit lang für den Austausch aufgepäppelt worden waren, auf bestialische Weise umbrachte. Zum Teil wurden sie wie junge Hunde erschlagen. Mir fällt dann auch ein, wie im Deutschen Pfarrerblatt jener Artikel stand, worin erklärt wurde, die Juden haben in Israel/Palästina nicht zu suchen, also ganz im Sinne des Mufti von Jerusalem. Ich glaube, wenn Bundespräsident Wulff in diesen Zusammenhängen gesprochen hätte, wäre es eine Rede mit ausreichend Diskussionsstoff gewesen. So bleibt es eine Rede zur Selbsterbauung.

Die Verbindung, die der Bundespräsident zur Zwickauer Neonaziszene in Bezug auf die Wannseekonferenz herstellte, halte ich auch für bedenkenswert. Es ist so, als wenn Privates und Gesellschaftliches miteinander vermischt werden. Auf der Wannseekonferenz wurde staatlicherseits die Ermordung von mehreren Millionen Menschen beschlossen. Nicht dass ich die Tötung von 10 Menschen durch ein hasserfülltes Trio als gering ansehen würde. Aber eine ganze Volksgemeinschaft stand nun nicht hinter den Mördern. Es hätte dann zumindest gesagt werden müssen, dass diese Mörder zwar für sich handelten, dass mit ihnen aber eine gewisse Partei sympathisiert, die der Staat nicht in der Lage ist zu verbieten. Im Übrigen erinnert mich die Erwähnung dieser Neonaziszene ein wenig an die Thesen des Antisemitismusforschers, des etwas fragwürdigen Professor Benz, die da besagen: Antiislamismus wäre der Antisemitismus von heute.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Medienberichterstattung

Am Sonntag wurde von einer Fernsehmoderatorin irgendetwas nicht übermäßig Bedeutsames über Israel berichtet. Es ging um Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu. Aber in was für einem höhnischern Ton! Sie sagte: „Und das in einem Land, das sich immer rühmt, die einzige Demokratie im Nahen Osten zu sein!“ Mir fiel ein, wie dieselbe Moderatorin – wenn es aus irgendeinem Grund dazu kommt, dass die Nachrichten etwas über Verbrechen der Deutschen im 2. WK bringen -, wie viele Journalisten die Angewohnheit hat zu sagen: "die Nationalsozialisten". Also nicht Deutsche haben Kriegsverbrechen begangen, es waren immer die "Nationalsozialisten". Wesen von einem anderen Planeten. Da ist große Distanz. Während, wenn es um Israel geht, höhnische, oft unsachgemäße Bemerkungen eingeschoben werden, die von innerem Engagement sprechen. Denn: Korruption und ähnliche Vergehen haben nichts mit Demokratie zu tun, und wie Korruption in einer Demokratie oder dagegen in einem Unrechtsregime behandelt werden, das weiß jeder. Und Israel ist nun mal die einzige Demokratie im Nahen Osten, ob es sich „rühmt“ oder nicht rühmt.

Ich weiß, dass es subjektive Eindrücke sein können, mit denen ich derlei spitze Untertöne wahrnehme. Man liest ja andererseits immer einmal, dass es Menschen gibt, die den Eindruck haben, die deutsche Presse gehe „wegen des Holocausts mit Samthandschuhen mit Israel um“. Aber allein subjektiv sind „subjektive Eindrücke“ nicht. Es gibt schon Maßstäbe und Kriterien für Subjektivität.

Diese kleine Szene hat überhaupt keine Bedeutung, außer dass sie exemplarisch ist. Diese nette Moderatorin von der man den Eindruck gewinnt, sie hat immer vor der Sendung schon ein wenig über den Nachrichten geweint: Auf dieser Stelle entfaltet sie beißende Ironie. Es fällt niemanden auf, es rauscht an den Ohren vorbei, doch immer bleibt ein wenig hängen. Und es ist nicht nur die nette Moderatorin, die sich Israel so streng vornimmt, diese Hatz ist – was die Medien betrifft – allgegenwärtig. Man soll sich bloß die Kommentare in den Blogs normaler, seriöser Zeitungen durchlesen, nachdem ein Artikel über Israel erschien. Nicht wenige Zuschriften werden schnellstmöglich gelöscht. Da ist der gewonnene Eindruck nicht mehr subjektiv, denn man liest Aussagen, die man objektiv gesehen als antisemitisch bezeichnen kann. Und die Journalisten haben damit nichts zu tun, ebenso wenig wie die Deutschen mit den Nationalsozialisten.

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