Freitag, 29. Januar 2021

Holocaustgedenken 2021

Auch in diesem Jahr fand anlässlich des Holocaustgedenktages eine Feierstunde am Mahnmal des KZ-Außenlagers in dem kleinen Städtchen in der Nachbarschaft statt. Es war wegen Corona nur eine Mini-mini-Stunde, aber selbst unter diesen sehr eingeschränkten Bedingungen kamen Menschen zusammen, um ihrem Anliegen Gestalt zu geben. Da es keine allgemeine Werbung gegeben hatte, waren nur etwa 15 Teilnehmer zusammen gekommen: der stellvertretende Bürgermeister als Veranstalter, der Pfarrer und Mitglieder von relevanten Vereinen und ihre Angehörigen. Vor Beginn der Veranstaltung stand man wie gewöhnlich in kleinen Gruppen zusammen und unterhielt sich über das aktuelle Befinden. Was dabei das Hauptthema war, kann man unschwer erraten. Pünktlich um 10 Uhr zogen alle korrekt ihre Masken über und schritten feierlich den Weg von Straße zur Mauer mit den Messingreliefplatten neben dem inzwischen in die Jahre gekommenen Turm der Anlage. Da diesmal keine Schüler teilnahmen, entfiel das begleitende kulturelle Programm. Auch auf die Musikanlage hatte man verzichtet, so dass beide Redner sozusagen „nackt“ sprachen. Nach der feierlichen Blumenniederlegung las der stellvertretende Bürgermeister eine kleine Rede, etwas ungelenk, aber dafür sicher selbst geschrieben. Er erwähnte alle Gruppen von Opfern, die in der Zeit des NS-Regimes umgebracht wurden und mahnte, dass es in der Gesellschaft nicht wieder zu einer so schlimmen Geisteshaltung und Gewalt kommen dürfe. Da die Rede allgemein gehalten war und keine Schuldzuweisung an gesellschaftliche Gruppen enthielt, konnte man sie akzeptieren, sie wirkte glaubhaft. Allerdings war der Redner nicht auf den Gedanken gekommen, ganz konkretes Versagen zu benennen, denn genau an diesem Mahnmal war es im vergangenen Sommer zu einer schwerwiegenden Sachbeschädigung gekommen.

Der Pfarrer hielt keine Rede, sondern er sprach ein Gebet. Er betete um Vergebung. Nicht für Geschehnisse aus der Vergangenheit, sondern er bat um Vergebung für Dinge, die jetzt und heute geschehen und für Dinge, die heute unterlassen werden. Auch das war nicht mit Schuldzuweisung verbunden, sondern er bat im Namen von uns allen. Das Gebet schloss er mit dem Vaterunser ab. Ein Vaterunser als Abschluss hatte ich noch nie erlebt oder vielleicht in der Einbettung in die allgemeine „kulturelle Umrahmung“ nicht wahrgenommen. Sicher war dieser oder jener Teilnehmer erstaunt, aber alle, die das Vaterunser einst erlernt hatten, fielen etwas verlegen murmelnd in das Gebet ein.

So kamen auch in diesem von Corona beeinträchtigtem Jahr Menschen zusammen, jeder hat auf seine ganz persönliche Weise diese Stunde erlebt und seine eigenen Gedanken dazu gehabt. Wie jeder mit seinen Gedanken umgeht, wird sich in seinem Verhalten widerspiegeln.

mahnmahl

Holocaustgedenken: 2017, 2019, 2020

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