Zum 8.Mai 2020 (75 Jahre Kriegsende) Zwei Kriegsveteranen

Da ich nach dem Krieg geboren bin, aber unmittelbar unter Leuten aufwuchs, die den Krieg selbst miterlebt hatten, interessieren mich die Nachkriegsgeschichten und das Nachkriegsverhalten mehr als der Krieg selbst. Vieles erlebte ich nicht bewusst, bekam es aber nebenbei mit. Bei meinem kindlichen und jugendlichen Wissen über den Krieg wäre es mir niemals in den Sinn gekommen, dass sich die ehemaligen Kriegskameraden weiterhin treffen würden.

In der DDR war es verboten, vermutlich fanden solche Treffen heimlich statt, und sobald jemand den glücklichen Zustand des Rentnerdaseins erreicht hatte, war wahrscheinlich die heimliche Teilnahme beim jährlichen Kameradentreffen ein Höhepunkt des Lebens. Wir beherbergten nach der Wende jährlich einen väterlichen Freund, der auf dem Weg zum Treffen der ehemaligen U-Bootbesatzung in Norddeutschland war - auch ein Höhepunkt im Jahr für ihn. Wir fanden das nicht verwerflich, weiß doch jeder, wie eine gemeinsam erlebte schwere oder aufregende Zeit Menschen aneinander bindet. Dass er zu Hause als Friedensaktivist an Sitzblockaden teilgenommen hatte, sogar einmal verhaftet worden war, ist kein Widerspruch. Ich fragte mich nur, ob bei den U-Boot-Treffen die Verwerflichkeit des Krieges je zur Diskussion gestanden hat.

Mir fällt ein anderer Kriegsveteran ein, der auch jährlich am Veteranentreffen teilnahm, aber aus einer anderen Perspektive. Das war mein Schwiegervater. Ich erlebte manchmal mit, wie er zu einer Versammlung des „Bundes der Antifaschisten“ ging. Er kam zufrieden zurück: verschiedene organisatorische Dinge waren beraten worden, z.B. ob man in Zukunft weiterhin frei mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren darf oder ob es einen pauschalen finanziellen Zuschuss für das Fahrgeld geben wird. Es ging zu wie in einem Verein mit Vereinsvorsitzenden und Kassenwart, wie es hier vielleicht auch ist, wenn sich die alten Wehrmachtssoldaten zu ihren Vereinssitzungen begeben. Die alten Heldentaten kamen wohl kaum zur Sprache, mehr aber die Probleme, die in der Gegenwart alte Menschen haben. Bei den Antifaschisten in Tschechien kommt hinzu, dass zwischen antifaschistischem Kampf und der Gegenwart die unendlich lange und bittere Zeit des Kommunismus gelegen hat, wo das Geschichtsbild verfälscht wurde, wo mein Schwiegervater als Antifaschist nicht akzeptiert wurde, obwohl er während des Totaleinsatzes Sabotage begangen hatte, einen 300 km langen Fußmarsch hinter sich gebracht und ein Jahr lang illegal in einem Verlies gelebt hatte. Und wo so mancher Antifaschist dann als Kommunist Unrecht begangen hat. Aber egal, nun waren es alte Leute um die 80, und es ging um Freifahrscheine und verminderte Telefongebühren. Sie kamen miteinander zurecht. Ähnlich wird es wohl bei den Zusammenkünften unserer „alten Kämpfer“, der Fall sein. Es wird wahrscheinlich auch über Familiäres, über Renten und solche Sachen gesprochen werden. Es eint sie hauptsächlich die Tatsache des gemeinsamen kriegerischen Zusammenseins und nicht ihre jetzige Lebenseinstellung.

Doch ich bin sehr dankbar, dass der Lauf des Lebens es gebracht hat, dass ich einen Schwiegervater hatte, der in seinen alten Tagen in eine Versammlung des Bundes der Antifaschisten ging und nicht in eine Versammlung der Veteranen der Wehrmacht

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