zum 11. September
Im Deutschlandradio hörte ich ein Gespräch mit einem Herausgeber von Dichtungen der Taliban. Wahrscheinlich wollte der Sender den 11.9. würdig begehen. Das war interessant, weil das Gespräch ein gutes Beispiel dafür gab, wie aus Lüge Wahrheit wird. Wie man die größten Verbrecher in einem Licht erscheinen lassen kann, so dass sie wie Helden und tolle Menschen da stehen. Alles verläuft nach einer zielgerechten Logik, schwer zu widerlegen, vielleicht sogar überzeugend. Nur stehen hinterher alle mit einem dummen Gesicht da und sagen: Da stimmt doch irgendetwas nicht. Es kann doch nicht sein, dass die Taliban ein sympathisches Völkchen sind, auch wenn dieser Mann das überzeugend dargelegt hat.
Nun versuche ich, das Gespräch zu rekapitulieren. Der Radioreporter versuchte immer wieder, dem Talibankenner Felix Kühn eine Falle zu stellen. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass der Verlauf des Gesprächs ein wenig vorprogrammiert war, einschließlich leicht provokanter Fragen. Aber ob vorprogrammiert oder auch nicht, der Talibanexperte gab seine Antworten wie aus der Pistole geschossen, fast ohne nachzudenken in vollendeter Sprache (das wieder erinnert mich an den jungen Verschwörungsexperten, den ich letztes Jahr auf der Buchmesse erlebte). D-Radio zitierte erst einmal ein etwas blutrünstiges Gedicht, und fragte, ob das nicht ein Gewalt verherrlichendes Gedicht sei.
"Ein Gewehr und einen Dolch in der Hand, so ziehe ich in die Schlacht, ich bin ein afghanischer Mujahedin ... Vielleicht werde ich hundert Mal für meine Heimat sterben
Ich habe meine Religion, ich habe meinen Glauben, und das Recht des heiligen Koran,
Jeder, der mich falsch anschaut, wird für immer verloren sein.
Ich bin ein afghanischer Mudschaheddin"
Herr Kühn gab zur Antwort, dass dieses Gedicht wenig über die Taliban aussage, gegebenenfalls über eine Nuance ihres Wesens. Es sei lediglich eines von 200 Gedichten der Taliban. Man müsse ja schließlich auch diese Seite der Taliban bringen, so etwas dürfge man nicht weglassen. Die meisten der Gedichte der Taliban seien lebensvoll. Wenn man die Gedichte herauslassen würde, die das Kämpferische der Taliban betonen, könnte man den Gedichtband für unglaubwürdig halten. Es soll zum Ausdruck kommen, dass Taliban Menschen wie du und ich sind, sehr dem Leben und der Kunst zugewandt. Der Kunst? - sie haben doch so viel Kunst zerstört? meinte der Redakteur. Ja, aber diese Gedichte sprechen vom Gegenteil. Besonders wichtig zu betonen war, dass diese Gedichte davon zeugen sollen, dass Taliban Menschen sind, mit verschiedenen Schicksalen und mit differenzierten Gründen für ihre Teilnahme am Kampf der Muhajeddin.
So ungefähr und immer weiter, bis wir alle "Vorurteile" über Taliban ablegen konnten und den kämpferischen Duktus entweder als Folklore, oder als Ausdruck tiefster religiöser Überzeugung oder der Hinwendung zum lebensvollem Tun interpretieren konnten.
Schon oft hörte ich in den Medien Gespräche, in denen "Finsterlinge" durch Aufzählen ihrer positiven Eigenschaften zu Lichtgestalten umgewandelt werden sollten. Immer klammerten sich die Gesprächsführer an dieses und jenes "Gute" in demjenigen. Unterschlagen wird dabei nur, was diejenigen bei anderen Menschen angerichtet haben und wie es diesen Menschen ergangen ist.
Nun versuche ich, das Gespräch zu rekapitulieren. Der Radioreporter versuchte immer wieder, dem Talibankenner Felix Kühn eine Falle zu stellen. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass der Verlauf des Gesprächs ein wenig vorprogrammiert war, einschließlich leicht provokanter Fragen. Aber ob vorprogrammiert oder auch nicht, der Talibanexperte gab seine Antworten wie aus der Pistole geschossen, fast ohne nachzudenken in vollendeter Sprache (das wieder erinnert mich an den jungen Verschwörungsexperten, den ich letztes Jahr auf der Buchmesse erlebte). D-Radio zitierte erst einmal ein etwas blutrünstiges Gedicht, und fragte, ob das nicht ein Gewalt verherrlichendes Gedicht sei.
"Ein Gewehr und einen Dolch in der Hand, so ziehe ich in die Schlacht, ich bin ein afghanischer Mujahedin ... Vielleicht werde ich hundert Mal für meine Heimat sterben
Ich habe meine Religion, ich habe meinen Glauben, und das Recht des heiligen Koran,
Jeder, der mich falsch anschaut, wird für immer verloren sein.
Ich bin ein afghanischer Mudschaheddin"
Herr Kühn gab zur Antwort, dass dieses Gedicht wenig über die Taliban aussage, gegebenenfalls über eine Nuance ihres Wesens. Es sei lediglich eines von 200 Gedichten der Taliban. Man müsse ja schließlich auch diese Seite der Taliban bringen, so etwas dürfge man nicht weglassen. Die meisten der Gedichte der Taliban seien lebensvoll. Wenn man die Gedichte herauslassen würde, die das Kämpferische der Taliban betonen, könnte man den Gedichtband für unglaubwürdig halten. Es soll zum Ausdruck kommen, dass Taliban Menschen wie du und ich sind, sehr dem Leben und der Kunst zugewandt. Der Kunst? - sie haben doch so viel Kunst zerstört? meinte der Redakteur. Ja, aber diese Gedichte sprechen vom Gegenteil. Besonders wichtig zu betonen war, dass diese Gedichte davon zeugen sollen, dass Taliban Menschen sind, mit verschiedenen Schicksalen und mit differenzierten Gründen für ihre Teilnahme am Kampf der Muhajeddin.
So ungefähr und immer weiter, bis wir alle "Vorurteile" über Taliban ablegen konnten und den kämpferischen Duktus entweder als Folklore, oder als Ausdruck tiefster religiöser Überzeugung oder der Hinwendung zum lebensvollem Tun interpretieren konnten.
Schon oft hörte ich in den Medien Gespräche, in denen "Finsterlinge" durch Aufzählen ihrer positiven Eigenschaften zu Lichtgestalten umgewandelt werden sollten. Immer klammerten sich die Gesprächsführer an dieses und jenes "Gute" in demjenigen. Unterschlagen wird dabei nur, was diejenigen bei anderen Menschen angerichtet haben und wie es diesen Menschen ergangen ist.
anne.c - 11. Sep, 21:46