Was haben SS-Runen und der Leidensweg Christi gemeinsam? (Teil1)

„Du kuckst immer nur auf so was!“, sagte meine Pastorin-Freundin, als ich in einer Klosterkirche folgenden Spruch las: „1939 -1945 „Ich gebe ihnen das ewige Leben und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ und darüber mein Entsetzen ausdrückte. Dabei schaue ich gar nicht nach „so was“, es springt mich aber an, weil es in Kirchen allgegenwärtig ist. Und in diese soll man ja als Besucher immer mal hineingehen „zur Besinnung“, zur „Spiritualität“ und zum „zu sich Kommen“. Seine eigenen Gedanken soll man wahrscheinlich beim „Besinnen“ ausschalten.

So führte mich eine Reise in die malerische Inselstadt Lindau am Bodensee. Ein Kleinod, ein Schmuckstück! Ganz zum Schluss sagte unsere Stadtbegleiterin: „Kommt, ich zeige euch noch schnell die Peterskirche, die älteste Kirche der Stadt. In ihr sind berührende Fresken, Christi Kreuzweg, die dem älteren Holbein zugeschrieben werden“.

Als wir in die Kirche traten, die in schummeriges Halblicht getaucht war, fiel mein erster Blick auf eine überlebensgroße Soldatenfigur aus Marmor, liegend auf einer Art Bahre und mit einem ebenfalls marmornen Helm auf dem Kopf. Rund um die Figur hingen die Wände voll von hölzernen Tafeln auf denen alle im Krieg gefallenen Lindauer seit dem Krieg 1870/71, fein aus dem Holz herausgearbeitet, aufgelistet waren. Versehen mit ihrem Dienstrang. Nicht wenige SS-Angehörige waren dabei, deren Namen mit ehrwürdigen SS-Runen versehen waren.

Verschämt hatte die Stadt Lindau dazu angemerkt, dass SS-Runen ja eigentlich, ebenfalls wie Hakenkreuze, verboten wären, aber nun sind sie halt mal so von Anfang an angelegt worden, und überhaupt könne man sich als Stadt nicht anmaßen, über Menschen zu richten. Die Stadt Lindau hatte sich sogar 35 Jahre nach Kriegsende dazu durchgerungen, eine zusätzliche Tafel anzubringen, sie trägt die Namen von Einwohnern von Lindau, die „durch Naziherrschaft“ ums Leben kamen, hinter einigen Namen war der Ort ihres Todes, Auschwitz, vermerkt.

Das bemerkte ich schon oft: Vermengung und Vermischung von Opfern und Tätern: sie sind ja alle Menschen gewesen, und das Produkt ist das Gleiche: Erde, Asche. Was sie im Leben getan haben, ob der eine vielleicht den anderen erschlagen hat, spielt keine Rolle. Zwar hätten wir nicht über sie zu richten, wie die Stadt Lindau vermeint, trotzdem sind wir sehr bemüht darum, ihnen einen heiligen Nimbus zu verleihen, indem wir ein für allemal ihre Namen in Kirchen oder anderswo verewigen. Angeblich sollen diese Namen für ewig öffentlich vermerkt sein. Während Menschen, die nicht die Heiligkeit des Krieges erleben durften, nach 20 oder 25 Jahren im Normalfall -verständlicherweise – dem Vergessen überlassen werden.
(Fortsetzung folgt)

Im Luftreich des Traums

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