Preisverleihung

Eine Notiz in der Zeitung : ein kirchliches Projekt in einem pommerschen Dörfchen hat eine Preis, den Bugenhagen-Preis erhalten. Unter dem Motto: "Das Wort läuft - Verkündigung in unserer Region" kam man auf die originelle Idee, als Verkündigung von was auch immer, ein Denkmal für die Gefallenen des zweiten Weltkrieges in einem Dorfkirchlein zu installieren. Um das Projekt anzureichern, hat man sich entschlossen, die Lebensläufe der gefallenen Soldaten des Ortes sowie auf verschiedene Weise zu Tode gekommener Menschen, seien es Selbstmörder aus Angst vor der einmarschierenden feindlichen Armee, seien es später in russischen Lagern umgekommene Menschen, seien es vor Entkräftung gestorbene Flüchtlinge, zu erforschen.

Mir erscheint die Kategorisierung derjenigen, die für "die Ewigkeit" in die Kirche gehören recht schwierig. Wessen Sterben ist es Wert, in der Kirche verewigt zu werden? Wo setzt man die Grenze? Was geschieht, wenn sich herausstellt, dass einer der aus dem Dorf Gefallenen in einer SS-Truppe diente? Würde man sich die Mühe machen, sein Wirken näher zu erforschen? Oder wenn in der Gegend zu Tode gekommene Menschen etwa Zwangsarbeiter gewesen wären. Kaum kann ich es mir vorstellen, dass Menschen jener Kategorie die Ehre der Verewigung ihres Namens im Kirchlein bekommen würden.

Weiterhin überlege ich, wie es wäre, wenn in allen deutschen Kirchen Kriegertafeln mit den Namen der im Krieg umgekommenen Deutschen aufgestellt wären (eine Menge davon kann man schon besichtigen). Für das Örtchen Groß B., da bin ich mir sicher, würde jeder die Hand ins Feuer legen, dass nicht ein einziger der verewigten Opfer je eine gewaltsame Tat begangen hat. Sie zogen einzig in den Krieg, um einmal Opfer zu werden. Wenn man die unschuldigen Opfer aber hochrechnet, was dann? Ob es vielleicht auch schuldige Opfer gab? Wer hat an Massenerschießungen teilgenommen, wer mordete in KZ? Wer fiel in Länder ein und tötete Menschen, die mit Deutschland nichts zu tun hatten? Wer warf Bomben auf Rotterdam, London, Warschau? Wer hungerte die Bevölkerung von Leningrad aus?

So traurig es für jede einzelne Familie ist, einen Angehörigen im Krieg verloren zu haben (am Rande vermerkt - nach mehr als 70 Jahren Kriegsende, ist in der Regel die Trauerarbeit abgeschlossen), in jedem Fall hat jeder selbstverständlich die Möglichkeit, privat seine Trauer kund zu tun. Auf wie vielen Grabsteinen kann und konnte man lesen: "zur Erinnerung an unseren Sohn....."

Übrigens, mehrere Male habe ich an Kirchengemeinden oder Pfarrer geschrieben, wenn ich in ihrem Bereich, nicht etwa eine Kriegertafel, sondern eine Kriegertafel mit einer besonders auffälliger Aufschrift fand, wie z. B. am Autobahnkirchlein Duben: "...ihren gefallenen Helden im dankbaren Gedenken...". Und nie habe ich eine Antwort bekommen, obwohl mein Schreiben nicht polemisch war – vermutlich wurde allein eine solche Anfrage als polemisch genug empfunden.

Könnte es nicht sein, dass mit einer solchen Kriegertafel nicht die Opfer, sondern der Krieg an sich geehrt wird? Es gibt - man kann es an abendlichen Fernsehsendungen feststellen -, eine fast nicht zu glaubende Affinität zum zweiten Weltkrieg. Trotzdem scheint das Starren auf den letzten Krieg als etwas Rückwärtsgewandtes. Ob es helfen kann, Fragen der Kirche nach zeitgemäßer Verkündigung zu lösen, wage ich zu bezweifeln. So werden wohl viele Dorfkirchen menschenleer bleiben, dafür aber mit Kriegertafeln bestückt.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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