Paradox

Zufällig hörte ich zwei Tage hintereinander im Autoradio die Morgenberichterstattung des DLF.
Über das jüdische Mädchen Anne Frank wurde berichtet: wie sie fast zu Ende des Kriegs in Holland in ihrem Versteck entdeckt und mit dem letzten Zug aus dem Durchgangslager nach Auschwitz und später in das Lager Bergen Belsen verschleppt wurde, wo sie gestorben ist. Wie sie ihr Tagebuch schrieb und von ihrem Wunsch, dass von ihr etwas bleibt, das für andere Menschen von Bedeutung ist. Der DLF war voll von Mitgefühl.

Am nächsten Tag, etwa um die gleiche Zeit wurde im DLF das Buch „Ein Tag im Leben des Abed Salama“ des jüdisch-amerikanischen Schriftstellers Nathan Thrall vorgestellt, das in diesem Jahr den Pulitzer-Preis erhält. Es handelt davon, wie bei einem Busunfall in Jerusalem palästinensische Kinder ums Leben kamen, und wie der Vater eines gestorbenen Jungen eine Odyssee in verschiedene Krankenhäuser macht um ihn aufzufinden und dabei an viele grenztechnische Hindernisse stößt. In dem darauffolgenden Interview erklärt Nathan Thrall die Lage in Israel. Er schildert Israel als einen despotischen Staat, der keine Demokratie ist (er meint z.B. : Israel als Demokratie wäre ein Narrativ Europas, um einen Grund zu haben, Israel zu unterstützen) . Er gibt bekannt, dass die Palästinenser um einen Staat zu bekommen, ein Zugeständnis nach dem anderen gemacht haben. Israel hätte so viel Macht, um den Palästinensern einen Staat „schenken“ zu können, der sowieso viel zu klein wäre.

Und so weiter – man hat Reden von jener Art schon oft gehört. Der Terror gegen Israelis (auch Herrn Thrall könnte er treffen) wird ausgespart, jegliche Friedensangebote von Seiten Israels werden ins Gegenteil verkehrt, das dreifache Nein von Khartum 1967 wird nicht erwähnt, die Tatsache, wie viele Palästinenser in israelischen Krankenhäusern behandelt werden, wird verfälscht. Das wirkliche Friedensangebot Israels, aus dem Gazastreifen abzuziehen, auf dass eine friedliche Entwicklung stattfinden kann, hat zum bestialischen Abschlachten von Israelis geführt und einen furchtbaren Krieg angezettelt. Alles spielt bei Herrn Thrall keine Rolle.

Nun weiß ich, dass der DLF kein durchgehend homogener Sender ist, dass es verschiedene Redakteure mit verschiedenen Spezialgebieten gibt. Doch die Linie, alles was Israel betrifft, in einem teuflischen Licht erscheinen zu lassen, möglichst israelfeindliche Aussagen unwidersprochen im Raum stehen zu lassen, ist durchgängig und an vielen Beiträgen des DLF zu belegen. Beiträge, die über Juden zur Zeit des Holocaust handeln, erscheinen mir sehr einfühlsam, manchmal sentimental und wie aus einer anderen Welt, die mit der heutigen Welt nichts zu tun haben, schon gar nicht mit der des DLF.

Es gibt aber durchaus Zusammenhänge, das hat Nathan Thrall ja auch erwähnt. Und das weiß jeder, auf jeden Fall die Redakteure des DLF. Das ist das Land, in dem die vom Holocaust übrig gebliebenen Juden (u.a.) gelandet sind, und die dieses Land aufgebaut haben. Und das von der UNO legitimiert 1948 gegründet wurde. Und wenn der Deutschlandfunk es als seine Pflicht betrachtet, Israel auf alle möglichen Weisen zu delegitimieren, so kann man das durchaus als antisemitisch bezeichnen.

Nachtrag: Am 16.11.2023 wurde in Wien der Arik-Brauer-Publizistikpreis an Mirna Funk und Ahmed Mansour vergeben. In seiner Laudatio sagte der Gründer des Portals mena-watch, Erwin Javor, unter anderem: „In den Hirnen von vielen werden verzerrte Maßstäbe für die Wahrnehmung Israels antrainiert und automatisiert“. Genau das ist es, was ich mit der Beschreibung der Strategien des DLF kenntlich machen will.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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