Kultur in der Kirche

Vor Kurzem befand ich mich anlässlich eines kulturellen Ereignisses in einer Kirche. Dass Kirchen inzwischen von Kult- zu Kulturstätten umgewandelt werden, kann man an vielen Orten erleben – so auch in dieser. Außer, dass man schöne Musik hören konnte, hingen die Wände voll kulturvoller Bilder. Meistens weiß man nicht, wozu sie da hängen, aber einen triftigen Grund kann man immer angeben: Die Menschen aufzurütteln.

So ein Aufrütteln erlebte ich also in dieser Kirche, in der eine Ausstellung der von Unicef im Jahr 2020 preisgekrönten Fotos zu sehen waren. Mehrere kleine Fotoserien gehörten zu der Ausstellung, so auch die eines jungen griechischen Fotografen über den Brand im Flüchtlingslager Moria. Ein Foto hob sich von den anderen ab, denn es wirkte von weitem wie ein altes holländisches Gemälde. Im Vordergrund sah man verschwommen verschreckte Menschen, in der Dunkelheit loderte der heftige Brand.

moria

Ich trat näher zu dem Bild (das im Gegensatz zu den anderen kein Passepartout hatte), um mich zu vergewissern, ob es wirklich ein Foto sei. „Sehr beeindruckende Bilder“, sagte eine mir bekannte Frau zu mir. „Ich finde es unmoralisch, aus dem Leid von Menschen ästhetischen Genuss zu ziehen“, antwortete ich. Die Frau war verunsichert. „Meinen sie das wirklich?“ Ich bestätigte meine Meinung, und der sie begleitende Herr wurde wütend. „Dann erklären sie mir bitte, wie man den Menschen das sonst nahe bringen könnte?“. „Verbrannte Menschen zeigen“, antwortete ich. Es erstaunte mich, dass die Frau sagte: „Da haben sie Recht“. Der Mann konnte zu keiner Antwort finden, was ihn wütender zu machen schien. Das Gespräch war dann aber beendet, weil die wahren wichtigen Dinge des Tages ausgesprochen werden mussten: „Heute hat bei dem schlechten Wetter doch eine Weile die Sonne geschienen, wir konnten tatsächlich eine ganze Weile am Weststrand verbringen!“. Ich verkniff mir die Frage, welcher Eindruck denn der stärkere gewesen wäre, die Erschütterung über das brennende Lager oder die Freude an der Sonnenstunde.

Im Luftreich des Traums

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