Im Kreml brennt noch Licht

Zu sozialistischen Zeiten kannte man diese Metapher. Meistens war es ironisch gemeint: die im Kreml, „die da oben“ suggerieren dem Volk, dass sie ununterbrochen, auch in später Nacht für das Wohl der Bevölkerung arbeiten, aber wir glauben es sowieso nicht. Manche Menschen meinten den Spruch ernst und waren überzeugt davon, dass die Partei wirklich immerzu für den Aufbau des Sozialismus/Kommunismus beschäftigt ist. Das erfuhr ich mit Erstaunen, als Walter Ulbricht 1971 „abgesetzt“ wurde, und meine Klassenkameradinnen traurig und empört waren: „Das hat er nicht verdient, er hat so viel für uns getan!“
Jetzt kann man stattdessen sagen: ´Im Bundeskanzleramt brennt noch Licht`. Da sitzt Angela Merkel und überlegt mit ihrem naturwissenschaftlichen Verstand, wie man nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa durch die Krise steuern kann. So etwas, in diesem Sinne, habe ich nicht nur in Zeitungen oder Internet erfahren, sondern es wurde mir auch von verschiedenen Menschen erzählt. …´ sie macht alles richtig´ …..´in keinem Land wird so gut mit der Krise umgegangen wie in Deutschland` …..´ihre Unaufgeregtheit tut gut!`…..
Ob das ´Richtige` auch zur ´richtigen Zeit´ getan wurde, das ist eine andere Frage. Vielleicht fehlt dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn der naturwissenschaftliche Verstand - er ist Bankkaufmann und Politikwissenschaftler -, und die Bundeskanzlerin hatte im März bei der aufziehenden Coronakrise Wichtigeres zu tun, als sich um damals noch unwichtigen Dinge wie die Vorbereitung auf einen Krisenmodus zu kümmern.
Vielleicht brennt das Licht im Bundeskanzleramt die ganze Nacht hindurch, aber ob ´alles richtig´ gemacht wurde oder auch nicht und vor allem ob zum richtigen Zeitpunkt, wird man wohl erst eine längere Zeit nach Beendigung der Krise beurteilen können.
anne.c - 25. Apr, 21:45