Holocaustgedenktag 2015 II

Am 27.1. vormittags traf eine Schar von etwa 60 Leuten an einem KZ-Mahnmal zusammen. Während des Krieges hatte sich hier ein Außenlager des KZ Ravensbrück befunden. Mehr als zweitausend Menschen waren an diesem Ort zwischen Ende 1943 und Mai 1945 unter schlimmsten Umständen zu Tode gekommen.

An der Stelle, an der ein Teil der ehemaligen Häftlinge bestattet ist, befindet sich heute ein Denkmal mit einem Turm im Stil der 60-ger Jahre, Reliefplatten eines bekannten Bildhauers und Namenstafeln, auf denen die Namen der Getöteten aufgezeichnet sind, die man herausfinden konnte. Wo, wenn nicht hier, sollte die Gedenkfeier anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des KZ Auschwitz stattfinden?

Als ich zu dieser Veranstaltung eintraf, setzte sich gerade die versammelte Schar in Bewegung, um gemeinsam vom Treffpunkt bis direkt vor das Mahnmal zu schreiten. Klezmer-Musik empfing uns - es war diesmal keine Lifemusik, sondern die Töne kamen aus den Lautsprechern.

Unter den Teilnehmern sah ich Lehrer vom Gymnasium und eine Gruppe von Schülern, Leute aus den Kirchengemeinden, der Heimatverein war vertreten, Anhänger der Linkspartei, ein weiterer Verein, der sich mit der Geschichte dieses Lagers befasst, ein Teil der Stadtverwaltung, und etliche Einzelpersonen. Die letzten waren vielleicht die interessantesten Teilnehmer, weil man über den Grund ihrer Anwesenheit nachdenken konnte. "Wir sind doch so wenige", flüsterte mir eine Frau zu, aber mir schien es, für eine kleine Stadt wäre es eine beachtliche Menge an Menschen. Viele von ihnen treffen nur einmal im Jahr zusammen, eben an dieser Stelle und haben Freude daran, sich wieder zu sehen. So hatte ich das Gefühl, eine Art religiöse Gemeinschaft sei hier zusammen gekommen, und vielleicht lag ich damit gar nicht so ganz daneben.

Die Schülerinnen des Gymnasiums eröffneten die Veranstaltung mit Gedichten von Selma Meerbaum-Eisinger. Der Bürgermeister und die Pastorin hielten eine Rede. Zwischendurch hörte man wieder Musik, und Blumengebinde wurden nieder gelegt. Bald ging man dann wieder auseinander.

Man hört und liest manchmal über solche Veranstaltungen, dass es Pflicht- oder Routineveranstaltungen seien. Aber ich würde es mir nicht anmaßen, etwas solches anderen zu unterstellen. Es weiß jeder für sich allein am besten, ob und warum er an so einem Gedenken teilnimmt. Den Reden, die gehalten wurden, hörte man an, dass die Redner sie selbst verfasst hatten. Die Mädchen aus dem Gymnasium rezitierten die Gedichte so, dass man ihnen ihre Aufregung nur wenig anmerkte, vor diesem Publikum die nicht gerade einfache Thematik darzubringen. Und wenn ich mir die Teilnehmer anschaute und über die Beweggründe ihres Kommens nachdachte, so war mir gleichzeitig klar, wer alles nicht dabei war, sich also nicht der Spekulation über Pflicht oder Routine aussetzte oder aus sonstigen Gründen fernblieb. Mir schien es, so eine "kleine Veranstaltung in der Provinz" hat einen Wert für sich, und ich möchte mir nicht vorstellen, wie es im ganzen Land aussehen würde, wenn es diese "kleinen" Veranstaltungen nicht stattfinden würden.

Im Luftreich des Traums

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