Günter Grass in Schwerin oder Was ist Kultur?
Die Buchlesung von GG im Schweriner Theater konnte ich nicht besuchen. Zum einen weil die 250 Plätze schon lange im Voraus ausverkauft waren, zum anderen, weil ich davon erst aus der Zeitung erfuhr, als die Lesung schon stattgefunden hatte. Ob ich die Veranstaltung besucht hätte, wenn es mir möglich gewesen wäre? Vielleicht, aber viel mehr als Grass selbst hätte es mich interessiert, wie sich die Zuhörer ihm gegenüber verhalten. Beispielsweise ob es jemand gewagt hätte, ihm eine "kritische" Frage zu stellen oder ob eine interessante Diskussion zustande gekommen wäre.
Ein Artikel der Ostseezeitung geriet mir in die Hände, der den Abend mit GG beschreibt. Daraus ging recht gut hervor, dass der Abend so verlief, wie es zu erwarten gewesen war: Langweilig und in allem vorhersehbar. "Das Publikum stärkte Grass mit Applaus den Rücken und zollte ihm Respekt" - stand im Artikel. GG las eine Stunde lang aus seinem Buch "Grimms Wörter" und trank zwischendurch Rotwein. Im Podiumsgespräch scheint ihm niemand zu nahe getreten sein, dafür teilte GG gegen unfähige und duckmäuserische Kollegen aus und spottete über sie. Und wie es bei ihm üblich ist, "mischte er sich auch diesmal in die kleine und große Politik ein" und ermahnte die Schweriner Bürgermeisterin, dass Schwerin nicht zu einem Verwaltungszentrum verkommen, sondern dass in der Landeshauptstadt die Kultur nicht zu kurz kommen dürfe.
Unmerklich wie leise Hintergrundmusik rankte sich um den gesamten Artikel das Gedicht "Was gesagt werden muss", das - wie es betont wurde - Israel als Atommacht anprangerte. Die Journalistin gab sich Mühe, in ihre Zeilen Wortspielereien nach dem Schema einzuflechten: "Was gesagt werden muss, das musste er nun einmal offensichtlich sagen" und desgleichen. In Wirklichkeit sagte Grass überhaupt nichts. Die "duckmäuserischen" Kollegen waren nicht da, um sich zu verteidigen, die Oberbürgermeisterin strahlte ihn vor Glück an und Kultur war ihr ebenfalls unentbehrlich. So schien alles Reden aus Floskeln und Stereotypen bestanden zu haben. Die Überschrift des Zeitungsartikels lautete: "Zornig bleiben und nicht weise werden", eine Aussage, zu der sich GG stolz bekannte. Deuten kann man es, wie man will. Vielleicht sogar dahingehend, dass er aus seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS nichts gelernt hat und weiter zornig und uneinsichtig geblieben ist wie in alten Zeiten? GG beklagte die Uneinsichtigkeit anderer, des Zentralrats der Juden, der ihm eine antisemitische Haltung vorgeworfen habe. (Das zeigt wieder einmal die Zwickmühle, in der sich der Zentralrat befindet, der sich mit allen möglichen Politikern und Honoratioren gut stellen muss, sich in verschiedene Abhängigkeiten zu begeben hat, und dem sein zaghaftes Mahnen mehr vorgeworfen wird als anderen ihr entschiedenes Auftreten). GG beklagte, dass zu seinem Gedicht keine inhaltliche Diskussion möglich gewesen sei. Vor einem Jahr, als das Gedicht erschienen war, habe ich viele Beiträge darüber gelesen, die sich sehr intensiv mit dem Inhalt auseinander gesetzt hatten. So scheint GGs Lamentieren über diejenigen, die an seinem Gedicht etwas zu beanstanden haben, auch nur eine allgemeine Floskel zu sein.
Was ist nun das Resümee aus GGs Lesung? Für mich ist es die ernüchternde Einsicht, dass Kultur offensichtlich dort stattfindet, wo sich viele Menschen um einen Menschen mit hoher Popularität scharen, und wo dieser Mensch sein eigenes Wunschabbild darzustellen versucht, in diesem Fall den nicht weisen, zornigen Mann. Wo möglichst nichts Neues, Unerwartetes passiert, wo der mittelmäßige Wiedererkennungswert zum höchsten aller Maßstäbe erkoren ist. Eine statische, stagnierende Kultur im Sinne GGs bewirkt, dass viele Menschen bereit sind, mit Stereotypen vorlieb zu nehmen, statt sich einen eigenen, unverstellten Blick auf die Realität zu bewahren.
Ein Artikel der Ostseezeitung geriet mir in die Hände, der den Abend mit GG beschreibt. Daraus ging recht gut hervor, dass der Abend so verlief, wie es zu erwarten gewesen war: Langweilig und in allem vorhersehbar. "Das Publikum stärkte Grass mit Applaus den Rücken und zollte ihm Respekt" - stand im Artikel. GG las eine Stunde lang aus seinem Buch "Grimms Wörter" und trank zwischendurch Rotwein. Im Podiumsgespräch scheint ihm niemand zu nahe getreten sein, dafür teilte GG gegen unfähige und duckmäuserische Kollegen aus und spottete über sie. Und wie es bei ihm üblich ist, "mischte er sich auch diesmal in die kleine und große Politik ein" und ermahnte die Schweriner Bürgermeisterin, dass Schwerin nicht zu einem Verwaltungszentrum verkommen, sondern dass in der Landeshauptstadt die Kultur nicht zu kurz kommen dürfe.
Unmerklich wie leise Hintergrundmusik rankte sich um den gesamten Artikel das Gedicht "Was gesagt werden muss", das - wie es betont wurde - Israel als Atommacht anprangerte. Die Journalistin gab sich Mühe, in ihre Zeilen Wortspielereien nach dem Schema einzuflechten: "Was gesagt werden muss, das musste er nun einmal offensichtlich sagen" und desgleichen. In Wirklichkeit sagte Grass überhaupt nichts. Die "duckmäuserischen" Kollegen waren nicht da, um sich zu verteidigen, die Oberbürgermeisterin strahlte ihn vor Glück an und Kultur war ihr ebenfalls unentbehrlich. So schien alles Reden aus Floskeln und Stereotypen bestanden zu haben. Die Überschrift des Zeitungsartikels lautete: "Zornig bleiben und nicht weise werden", eine Aussage, zu der sich GG stolz bekannte. Deuten kann man es, wie man will. Vielleicht sogar dahingehend, dass er aus seiner Mitgliedschaft in der Waffen-SS nichts gelernt hat und weiter zornig und uneinsichtig geblieben ist wie in alten Zeiten? GG beklagte die Uneinsichtigkeit anderer, des Zentralrats der Juden, der ihm eine antisemitische Haltung vorgeworfen habe. (Das zeigt wieder einmal die Zwickmühle, in der sich der Zentralrat befindet, der sich mit allen möglichen Politikern und Honoratioren gut stellen muss, sich in verschiedene Abhängigkeiten zu begeben hat, und dem sein zaghaftes Mahnen mehr vorgeworfen wird als anderen ihr entschiedenes Auftreten). GG beklagte, dass zu seinem Gedicht keine inhaltliche Diskussion möglich gewesen sei. Vor einem Jahr, als das Gedicht erschienen war, habe ich viele Beiträge darüber gelesen, die sich sehr intensiv mit dem Inhalt auseinander gesetzt hatten. So scheint GGs Lamentieren über diejenigen, die an seinem Gedicht etwas zu beanstanden haben, auch nur eine allgemeine Floskel zu sein.
Was ist nun das Resümee aus GGs Lesung? Für mich ist es die ernüchternde Einsicht, dass Kultur offensichtlich dort stattfindet, wo sich viele Menschen um einen Menschen mit hoher Popularität scharen, und wo dieser Mensch sein eigenes Wunschabbild darzustellen versucht, in diesem Fall den nicht weisen, zornigen Mann. Wo möglichst nichts Neues, Unerwartetes passiert, wo der mittelmäßige Wiedererkennungswert zum höchsten aller Maßstäbe erkoren ist. Eine statische, stagnierende Kultur im Sinne GGs bewirkt, dass viele Menschen bereit sind, mit Stereotypen vorlieb zu nehmen, statt sich einen eigenen, unverstellten Blick auf die Realität zu bewahren.
anne.c - 18. Apr, 17:37
ARCHIV / E FUER DIE GRASS KONTROVERE
A compendium of critical opinions
**http://summapolitico.blogspot.com/20...oversy.html***
http://summapolitico.blogspot.com/2012/04/part-synopsis-of-grass-poem-controversy.html***
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And of positive takes
http://summapolitico.blogspot/05/def...art-ii-of.html
And on the poetics of the beast
ART CRITIC: Guenter Grass's Notorious Poem: Its Poetics
http://artscritic.blogspot.com/2012/05/guenter-grasss-notorious-poem-poetics.html