Der 15. Januar 1990 - Eine Wendegeschichte
Manche Leute werden sich noch an den 15. Januar 1990 erinnern. Manche auch nicht, weil „Wende“ für sie nur ein Synonym ist, das in jede Richtung gedeutet werden kann, und bei dem Details keine Rolle spielen. Aber die echten „Wendekenner“ wissen, dass es in diesen Tagen große Befürchtungen gab, es könne zu schwerwiegenden Rückwärtsbewegungen kommen, und die Stasi greife zu Mitteln, die ihnen die Macht zurück bringen. Diese Befürchtungen mobilisierten andererseits wieder die Revolutionäre jeglicher Art und gipfelten im Sturm auf die Stasizentralen.
Auch vor Ort war einmal wieder eine Demo geplant. Damals vermengten sich Akteure und Gegenakteure, Aktionen und Reaktionen, so dass es im Nachhinein schwer ist, alles zu entwirren. Fest stand jedoch, dass es hier wohl kaum jemanden gab, der glaubhaft war und der eine freie Rede halten könnte. Es gab nur Einen, den Pastor. Dieser Tatsache ist das Erblühen der Kirchenmänner zu Politikern in den damaligen Zeiten zu verdanken.
Also auch unser Pastor S. war gefragt. Obwohl er gerade eine Knieoperation hinter sich hatte und mühsam auf Krücken ging. Der 15. Januar war ein stürmischer, schneeloser kalter Tag. Das Volk wanderte durch den Ort bis es einen Hügel erreichte. Pastor S. bekam eine Laterne in die Hand gedrückt. Er erklomm den Hügel, und von da oben hielt er seine Rede an das Volk. Ihr Inhalt bestand hauptsächlich darin, dass wir „keine Gewalt“ anwenden wollen, dass wir besonnen sein, uns aber nichts mehr gefallen lassen wollen, und dass wir es auf keinen Fall dulden werden, dass die Stasi ihre Macht zurück gewinne.
Dieser Anblick: der Pastor auf Krücken mit der schwankenden Laterne auf dem düsteren Hügel – der war schon starker Eindruck und wir werden ihn unser Leben lang nicht vergessen. Gern höre ich zu, wenn jetzt, gut zwanzig Jahre später, Herr und Frau S. uns über diesen unvergesslichen Tag berichten. Herr S. erzählt so etwas gern in Form einer Anekdote. Wie er sich innerlich auf das abendliche Auftreten vorbereitete. Und da kam ein Anruf. Vom Rat des Kreises. Man spürt dann, wie sich Herrn S. damaliger jahrzehntelang eingeschliffener Respekt und seine Angst vor den damals hohen Herren mit der heutigen Erleichterung und der Freude am Erzählen mischen. Hinter seinem Rücken macht seine Frau ironische Gesten und erklärt den Zuhörern: „Er wurde so klein mit Hut!“ Auch Herr S. verbirgt nicht, wie „klein“ er wurde. Darauf sagte der Vertreter des Rates des Kreises am Telefon: „Wenn sie heute Abend die Demo machen, werden wir dafür sorgen, dass alle Wege frei sind und sie sich überall bewegen können“. Und damit war dann eigentlich auch klar, wie es mit der DDR bald enden wird.
Auch vor Ort war einmal wieder eine Demo geplant. Damals vermengten sich Akteure und Gegenakteure, Aktionen und Reaktionen, so dass es im Nachhinein schwer ist, alles zu entwirren. Fest stand jedoch, dass es hier wohl kaum jemanden gab, der glaubhaft war und der eine freie Rede halten könnte. Es gab nur Einen, den Pastor. Dieser Tatsache ist das Erblühen der Kirchenmänner zu Politikern in den damaligen Zeiten zu verdanken.
Also auch unser Pastor S. war gefragt. Obwohl er gerade eine Knieoperation hinter sich hatte und mühsam auf Krücken ging. Der 15. Januar war ein stürmischer, schneeloser kalter Tag. Das Volk wanderte durch den Ort bis es einen Hügel erreichte. Pastor S. bekam eine Laterne in die Hand gedrückt. Er erklomm den Hügel, und von da oben hielt er seine Rede an das Volk. Ihr Inhalt bestand hauptsächlich darin, dass wir „keine Gewalt“ anwenden wollen, dass wir besonnen sein, uns aber nichts mehr gefallen lassen wollen, und dass wir es auf keinen Fall dulden werden, dass die Stasi ihre Macht zurück gewinne.
Dieser Anblick: der Pastor auf Krücken mit der schwankenden Laterne auf dem düsteren Hügel – der war schon starker Eindruck und wir werden ihn unser Leben lang nicht vergessen. Gern höre ich zu, wenn jetzt, gut zwanzig Jahre später, Herr und Frau S. uns über diesen unvergesslichen Tag berichten. Herr S. erzählt so etwas gern in Form einer Anekdote. Wie er sich innerlich auf das abendliche Auftreten vorbereitete. Und da kam ein Anruf. Vom Rat des Kreises. Man spürt dann, wie sich Herrn S. damaliger jahrzehntelang eingeschliffener Respekt und seine Angst vor den damals hohen Herren mit der heutigen Erleichterung und der Freude am Erzählen mischen. Hinter seinem Rücken macht seine Frau ironische Gesten und erklärt den Zuhörern: „Er wurde so klein mit Hut!“ Auch Herr S. verbirgt nicht, wie „klein“ er wurde. Darauf sagte der Vertreter des Rates des Kreises am Telefon: „Wenn sie heute Abend die Demo machen, werden wir dafür sorgen, dass alle Wege frei sind und sie sich überall bewegen können“. Und damit war dann eigentlich auch klar, wie es mit der DDR bald enden wird.
anne.c - 14. Jan, 22:07