Ein Kapitel über Städtebau

Auf meinem Schreibtisch fand ich ein angefangenes Blatt, das inzwischen nicht mehr aktuell ist. Im Juni hatte die Sendung "Panorama" einen Bericht gebracht, der von Mohammed Atta, dem Hauptattentäter des 11. September 2001 handelt. Dieser hatte bis zum Jahr 1999 in Hamburg das Fach Städtebau studiert. Sein ehemaliger Professor Dittmar Machule machte erst 13 Jahre nach dem Terrorattentat die Diplomarbeit von Atta publik. Aus ihr ging hervor, dass Atta außerordentlich sensibel darüber geschrieben hatte, wie man die Altstadt von Aleppo behutsam sanieren solle.

Professor Machule konnte es lange Zeit nicht fassen, dass sein Student, dessen Diplomarbeit er sehr schätzte und den er auf Grund seiner Arbeit für einen Humanisten gehalten hatte, zu einer solch grausamen Tat imstande gewesen sei. Die Journalisten von "Panorama" und von verschiedenen Zeitungen waren wiederum außer sich geraten, dass ein Massenmörder gleichsam humanistische Ansichten haben könnte. Es kam die alte Frage auf: Ist eine "Bestie" ganz und gar eine "Bestie", oder kann sie auch gute Seiten haben? (Der Titel der "Panorama"-Sendung war: "Die andere Seite der Bestie").

Es ist schlechte journalistische Angewohnheit, einen Menschen mit einem Phantasieattribut zu betiteln, ihm zusätzlich komplett dessen vermeintliche Eigenschaften zuzuordnen, nur um umgehend die Eigenschaften des Phantasieattributs in Frage zu stellen. Dieser Trick wird angewandt, wenn man den Ruf eines "rabenschwarzen" Menschen durch Aufspüren seiner "menschlichen" Seiten aufhellen möchte. Für einen Sophisten ist es kein Problem, schlimmste Menschen durch derart Aufhellung in Lichtgestalten umzudeuten.

Die Schilderung einer "schönen" arabischen Stadt, wie sie Atta durch behutsames Sanieren wieder herstellen will, passt durchaus mit seinem zerstörerischen Handeln zusammen. Atta möchte "ein verloren gegangenes orientalisches Paradies, in der ein frommes Leben möglich sei mit geschäftigem Treiben in den Bazaren, kleinen Läden, verwinkelten Höfen, freundlichen Menschen, Wasserverkäufern und Lastenträgern, fröhlich tobenden Kindern", wie es der Journalist Wolf v. Lojewski in seinem Buch "Der schöne Schein der Wahrheit" beschreibt. Ob es außer dem Islam in dem in alter Schönheit wieder erstandenen Aleppo auch andere Religionen für Atta ihren Platz hätten, kann man sich kaum vorstellen. Atta schreibt alle städtebaulichen "Sünden" wie Hochhäuser und Schnellstraßen, Supermärkte und Schnellrestaurants der Verführung durch den Westen zu, ja er meint, der Westen zwänge den Arabern seine Vorstellung von einer Großstadt auf. Da drängt sich die Vermutung, dass Atta die terroristische Zerstörung von Hochhäusern im Zentrum der "dekadenten" westlichen Welt als persönliches Anliegen ansieht, geradezu auf.

Wenn ich mir die netten Fachwerkhäuschen der Nazifamilien vor Augen halte: mit Fensterläden, roten Dächern, Holzzäunen. Drinnen fleißige Mütter, die ihre fröhlichen rotbackigen Kinder bei den Hausaufgaben betreuen - so oder ähnlich wird das Idealbild einer deutschen Familie der 30-ger Jahre beschrieben. Diese Idylle blieb natürlich den arischen Bewohnern Deutschlands vorbehalten. Ob das Deutschland von 1933-1945 sich als weniger schlimm darstellt, weil zwar die nicht arischen Bewohner in erniedrigenden bis hin zu tödlichen Umständen leben mussten, dafür aber viele arische Deutsche in einer Postkartenidylle zu Hause sein durften, wage ich zu bezweifeln. Und eins lehne ich ganz und gar ab: Dass Mohammed Atta als ein besserer Mensch anzusehen ist, weil er von einer Idylle in alten arabischen Städten träumte, während er die westliche Welt zerstören wollte.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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