Die Mauer in Jerusalem (Teil 1)

Diese Mauer muss eine ungeheure Faszination auf viele Menschen ausüben. Sie beeindruckt sie mehr als alle anderen Mauern und Grenzanlagen auf der Erde, obwohl es davon viele gibt. Sie inspiriert zu Poesie, Prosa und Kunstinstallationen. So las ich einmal eine rührselige, offensichtlich frei erfundene Weihnachtsschmonzette darüber, wie eine Palästinenserin namens Miriam zwischen den „Check Points“ an der Mauer ein Kind gebiert. Als ich dann an die Zeitung schrieb, dass es mir seltsam erscheint, wenn deutsche Zeitungen Rührstücke über die israelische Mauer schreiben, haben sie doch selbst 28 Jahre mit einer solchen gelebt und sich mit ihr recht bequem eingerichtet, man solle doch wahrhaftigerweise schreiben, wie ein Kind zu Weihnachten am „Check Point Charly“ geboren wurde, oder wenigstens eine Schamfrist von 28 Jahren für Geschichten dieser Art einlegen, da wurde mir die Zuschrift offensichtlich übel genommen, denn sie wurde so zusammengestrichen abgedruckt, dass ihr Sinn perfekt entstellt war. Dieselbe Zeitung hat dann später zum Bericht über eine Gruppenreise nach Israel nur ein einziges Foto abgebildet: Die Mauer! Was für ein gewaltiger Eindruck muss es sein, wenn dahinter alle anderen Erlebnisse in Israel verblassen! Mir scheint es, dass Deutsche durch einen Blick auf die Mauer zu Israel die lange Existenz ihrer eigenen Mauer vergessen lassen wollen!

Darum war ich neugierig, als ich bei einem Besuch in Aachen erfuhr, dass eben jene Mauer in Israel einen Fotokünstler zu einer größeren Arbeit inspiriert hat, und dass eine „gewaltige Fotoinstallation“ (so im Mitteilungsblatt) am belgisch-deutschen Grenzübergang zu sehen, ja zu begehen sei. Der Fotograf Willi Filz aus Eupen hat ein Panorama der Mauer erschaffen, das die Mauer von zwei Seiten darstellt. Die palästinensische ist bunt bemalt und besprüht, und die israelische Seite ist schmucklos und kahl. In einem in der Nähe liegenden Kulturzentrum gab es aus gegebenem Anlass ab und zu ein Rahmenprogramm: Führungen zur Installation, Filme, Musik und Essen, das mit dem Thema irgendwie Berührungspunkte hatte.

Zweimal musste ich den Grenzübergang aufsuchen, ehe ich begriff, dass ein unscheinbarer, ca. 10 m langer Korridor, ähnlich wie bei Straßenbauarbeiten Übergänge über Gräben gelegt werden, das Kunstwerk sein sollte. Von außen war gar nichts zu erkennen, denn die „Mauern“ befanden sich innerhalb des Kunstwerks und zwischen den „Mauern“ war ein schmaler Verbindungsgang. Vielleicht lag es an mir, dass dieser Durchgang keine Emotionen bei mir hervor rief, weder positive noch negative, und den Eindruck einer Grenze geschweige einer unüberwindbaren Mauer konnte dieser Tunnelgang nicht evozieren, denn man ging bequem und einfach hindurch. (Fortsetzung folgt)

willi_filz_2

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