Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche Deutschlands

In der "Welt" vom 27.1.2014 wurde über die Vorstellung des EKD-Papiers zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan durch den EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider berichtet. Der EKD-Text steht unter der Überschrift "Selig sind die Friedfertigen", während der darüber berichtende Text der Welt die Überschrift "Evangelische Kirche verteufelt gerechten Krieg" trägt. Ratsvorsitzender Schneider bezieht sich in seinem Statement noch einmal auf die Aussagen Margot Käßmanns, die unter dem Slogan "Nichts ist gut in Afghanistan" bekannt geworden sind, und er rechtfertigt und differenziert sie. In diesem Zusammenhang fällt die Aussage Nikolaus Schneiders:

"Deutschland hat durch seine Erfahrung mit dem Hitler-Regime und den Verbrechen der Wehrmacht eine besondere Sensibilität im Umgang mit militärischen Einsätzen - anders als etwa Frankreich, England oder die USA."

Wenn ich in der Lage wäre, im intellektuellen Slang zu sprechen, würde ich sagen: "Diese Aussage hat mich zutiefst verstört".

Man sollte jedes Wort dieses Votums lesen und es von allen Seiten und den entsprechenden Zusammenhängen bedenken. Dieser biedere, eher zurückhaltend und integer wirkende, fröhliche und nachdenkliche Mensch kann sich so äußern! Herrn Schneider möchte ich seine Eigenschaften, die ich ihm seiner Erscheinung nach zuordne, nicht streitig machen. Doch genau das ist das "Verstörende", dass von diesen bürgerlich-biederen Menschen plötzlich en passant rabiate Aussagen kommen.

Wer ist denn "Deutschland", wenn nicht das Hitler-Regime, die Wehrmacht und Nikolaus Schneider und wir alle? Ist uns das "Hitler-Regime" aufgezwungen worden von einer finsteren fremden Macht? Gerade in diesem Fall muss man sagen: Hitler wurde demokratisch von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt. Qualifiziert uns der Überfall auf friedliche Nachbarstaaten, eine barbarische Kriegsführung, die Ermordung vieler Millionen unschuldiger Menschen, das Aushungern oder Bombardieren von Millionenstädten, das Aufhängen von Deserteuren und so weiter dazu, dass wir nun die moralisch besseren Menschen sind und uns von dieser Position aus über andere Völker erheben dürfen, wie z. B. über die unerfahrenen und offensichtlich moralisch rückständigeren Nationen der Franzosen, Engländer und der USA?

Sie hatten wohl entweder das Pech, angegriffen worden zu sein, also nicht der Gnade teilhaftig wurden, moralisch erhebende Erfahrungen zu machen, oder sie griffen zu spät in den Krieg ein, was laut Präses Schneider besonders verwerflich ist, und darum von jeder Sensibilität im Umgang mit militärischen Einsätzen weit entfernt sind. Vielleicht waren alle Kriege und Völkermorde nach 1945 nur Lehrstücke im Erringen von Sensibilität? Empfiehlt er etwa auch anderen Ländern die Erlangung von Deutschlands Erfahrungen, um besonders sensibel zu werden?

Bemerkenswert bleibt, das sei am Rande abschließend erwähnt, dass der Rastvorsitzende Schneider zu den scheinbar zufällig gewählten Kriegsgegnern nicht die Sowjetunion zählt - wo würde er sie wohl moralisch einordnen?

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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