Der olympische Geist

Die umstrittene Ruderin Nadja Drygalla kommt ausgerechnet aus unserem Bundesland. Demzufolge ist in den Regionalzeitungen noch mehr über sie zu lesen als in anderen Zeitungen. Man setzt sich intensiv mit der Weltanschauung ihres Freundes auseinander und macht sich Gedanken, ob man sie dafür in "Sippenhaft" nehmen dürfe. (Das Wort Sippenhaft bleibt mir rätselhaft, sie kommt doch nicht etwa ins Gefängnis? Angebracht wäre wohl der Ausdruck "Sippenhaftung"). Die arme Frau Drygalla hat Pech gehabt, und deshalb gibt es für sie kein Pardon. Sie hat eine wichtige Funktion. Sie soll den Blick von anderen Dingen ablenken. Dass z. B. der Funktionär Walter Tröger gesagt hat: Was vor 40 Jahren in München geschah, damit können die jungen Sportler nichts anfangen, und eine Schweigeminute für die ermordeten israelischen Sportler hätte es ja schon einmal gegeben.

Das muss man sich einmal vorstellen: Bei olympischen Spielen, ausgerechnet in Deutschland, dringen Terroristen ins olympische Dorf ein und ermorden 11 Sportler und einen Polizisten. Wo, wenn nicht dort wurde der olympische Geist, von dem ja immer einmal die Rede ist, mit Füßen getreten, bzw. mit Gewehren erschossen? Das war in der Frühzeit des internationalen Terrorismus, und der ist inzwischen zur Blüte gelangt und treibt weitere Blüten. Genau 10 Olympiaden später findet man es überflüssig, an das Morden vor 40 Jahren zu denken.

Und ein Sportfunktionär aus Deutschland denkt sich so eine seelenlose, man könnte schon sagen, den olympischen Geist mit Füßen tretende Ausrede aus. Anstatt zu sagen, dass er den Nötigungen der Funktionäre aus arabischen Ländern nicht hat widerstehen können, die wahrscheinlich die Ermordung von Spielern während olympischer Spiele ganz gut mit ihrer Art von olympischem Geist vereinbaren können. In den Geist der Spiele schleicht sich das Gift ein, Israel und seinen Menschen eine pariaartige Sonderstellung zu geben. Wie anders sollte man es bezeichnen, wenn arabische Sportler (in diesem Fall war es ein Libanese), sich weigern, mit israelischen Sportlern zu trainieren, und es wird ihnen Recht gegeben? Es wurde sogar ein Sichtschutz zwischen die Sportler gestellt, damit der Libanese auf keinen Fall auch nur den Anblick des Israeli ertragen muss. Wie bringt man solch eine Handlungsweise mit dem olympischen Geist, der angeblich Völkerverständigung beinhaltet, in Einklang?

So lange skandalöse Aussprüche von Sportfunktionären und die Hinnahme der Diskriminierung von Sportlern durch andere Sportler kein Thema für die Zeitungen sind, interessiert mich die Geisteshaltung von Frau Drygalla nicht, insbesondere wenn sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Man sollte sich vorstellen, Frau Drygalla hätte sich geweigert, Boote zu besteigen, in denen schon vorher ein farbiger Sportler gesessen hätte, und die Veranstalter hätten sofort ein neues Boot herausgerückt. So könnte man es vergleichen, dass der Libanese nicht mit dem Israeli auf eine Matte wollte. So anständig und ernsthaft die Auseinandersetzungen um die deutsche Ruderin sich anhören: Sie verbergen, was die wirklichen Skandale im olympischen Sport sind, und man schafft sich so selbst ein Gefühl moralischer Erhabenheit.

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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