Das Massaker von Gardelegen (Teil II)

Diese Situation scheint sich inzwischen sehr geändert zu haben. Es ist ein großes Dokumentationszentrum gebaut worden und eine intensive Pflege zustande gekommen. Und es gibt Menschen, die sich um eine historische Aufarbeitung kümmern und eben auch einen Film darüber drehen. An dem Film war interessant, dass derjenige, der den Befehl zur Verbrennung der mehr als 1000 Menschen gegeben hatte – der Kreisparteileiter von Gardelegen -, es geschafft hatte unterzutauchen, und ein recht komfortables Leben in Westdeutschland geführt hatte. Er pflegte sogar Kontakt zu Angehörigen und starb in den 90-ger Jahren. Im Film gab es Andeutungen, dass Geheimdienste ihre Hand über ihn gehalten haben, was gut möglich, aber nicht belegt ist.

Der Film war zwar interessant, ich würde sagen: besser als gar nichts, aber mit ideologischen Albernheiten durchsetzt, die den Film entwerten. Z.B. dass diese Menschen wegen ihrer „Rasse, Glauben oder sexuellen Identität“ leiden mussten. Es waren Arbeitssklaven aus dem Lager Mittelbau-Dora, auf die möglicherweise Kriterien davon zutrafen. Doch die Ausdrucksweise klang nach heutiger modischer Ideologie

Oder, ein dunkelhäutiger Schüler, der zu der Gruppe der Jugendlichen gehört, die in der Stadt „Stolpersteine“ pflegen, wisse wie es ist, wenn auf einen wegen seiner Hautfarbe (oder Glauben?) herabgeschaut wird, und der sich darum engagiert. Es schien so, dass die Jugendlichen aus dem Gymnasium sich weniger mit der Scheune Isenschnibbe beschäftigen als mit Stolpersteinen, was ehrenwert ist, aber mir schien in dem Film doch einiges durcheinander geraten und nicht systematisch.

Durch den Wechsel der Besatzungsmächte geriet dieses schlimme Massaker in Vergessenheit, und die DDR nutzte es für ihre Propaganda aus, z.B. indem sie die Ermordeten als „Widerstandskämpfer gegen den Faschismus“ bezeichnete und einen „Überlebenden“, der in Wirklichkeit ein Kapo war und beim Eintreiben in die Scheune mitgeholfen hatte, ebenfalls als „überlebenden Widerstandskämpfer“ hinnahm, obwohl es Hinweise gab, dass seine Rolle eine ganz andere gewesen war.

Interessant waren die dokumentarischen Filmsequenzen, die zeigten, wie die Gardelegener Männer damals mit Schaufeln auszogen und die Gräber gruben. Der amerikanische Kommandeur legte Wert darauf, dass eine würdevolle Begräbniszeremonie stattfand, bei der die Einwohner von Gardelegen anwesend sein mussten. Sie wiesen jedes Grab einer Familie für die Grabpflege zu und zwar für die Lebenszeit der Familie (was bald in Vergessenheit geriet). Ein Ehepaar aus Gardelegen hat sich daran gehalten und die Grabpflege als Erbe ihres Verwandten bis heute weiter geführt.

Die Amerikaner haben diese Tragödie moralisch-pädagogisch behandelt. (es gab auch eine Armee, die die entsprechende Stadt möglicherweise in Schutt und Asche gelegt hätte, und es gab auch eine Armee, die z.B. jeden zehnten Einwohner bei Missverhalten des Ortes erschoss oder Einwohner ebenfalls in einer Scheune oder einer Kirche verbrannte). Das eher generöse und pädagogische Verhalten der US-Amerikaner mag eine Ursache für heutigen Antiamerikanismus sein, denn es ist schwer zu ertragen, von jemanden besiegt worden zu sein, der moralisch höher steht, als man selbst.

Den Antiamerikanismus gab es übrigens schon lange, bevor Trump Präsident wurde. Im Jahr 1988 zeigte mir jemand die Stadt Bad Kreuznach und erregte sich sehr über die „Besatzer“, also die amerikanischen Kasernen, die immer noch da waren. Ich dachte im Stillen: ´freu´dich lieber über deine „Besatzer“, denn sonst hättest du unsere Besatzer, und du könntest all´ die schönen Dinge nicht mehr machen, auf die du so großen Wert legst. Aber ich sprach es nicht aus.

Der Film, die jetzige Gedenkstätte und Erforschung der Tatsachen zeigen, dass die geschichtliche Wahrheit sich – wenigstens bis jetzt – doch immer einen Weg bahnt, und der Wille, sie zu unterdrücken, schlägt sich meistens ins Gegenteil um.
(Fortsetzung folgt)

Im Luftreich des Traums

gegen Ideologien

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