Basedow II oder Meditation über ein Kriegerdenkmal

Wer die Kirche von Basedow von innen erblickt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. In der Kirche eines kleinen mecklenburgischen Dorfes bietet sich dem Betrachter ein herrlicher Anblick: Die Epitaphen der ehemaligen Schlossherren und der Altar üppig geschnitzt und verziert, die Orgel, die sich über die gesamte Empore erstreckt, ebenfalls. In der Kirche gibt es eine Menge barocke Schönheit. Die Orgel ist ein Kleinod, die älteste Barockorgel Mecklenburgs, zu der Orgelfreunde aus aller Welt pilgern. Mit etwas Aufmerksamkeit entdeckt man zwei Kriegertafeln, wie sie in Kirchen üblich sind. Zur Zeit der DDR hatte man Kriegertafeln für Gefallene des zweiten Weltkriegs nicht in Kirchen anbringen dürfen (einige Pfarrer sollen es geschafft haben, den Staat zu überlisten und schon damals Tafeln angebracht haben). Dieses Manko wurde nach der Wende schnell behoben, wenngleich nicht mit so viel Öffentlichkeit wie neu angebrachte Glocken oder restaurierte Orgeln. Auf einmal waren sie da. So auch in Basedow.

Das Kreuz, das die Namen der gefallenen Soldaten umschlingt, befremdet. Soll das Kreuz, das für das Leiden Jesu steht, den Tod deutscher Soldaten symbolisieren, mögen sie mit oder gegen ihren Willen in den Krieg gezogen sein? Immerhin war es ein barbarischer Angriffskrieg. Oder soll damit angedeutet werden, dass Jesus auch für diese Menschen in den Tod gegangen ist?

Der Vers, der etwas versteckt, die Kriegertafel des 2. Weltkriegs ziert, lautet: „Ausgesät, nur ausgesät wurden alle die, die starben. Wind und Regenzeit vergeht, und es kommt der Tag der Garben“.

Der Spruch ist schon einer Meditation Wert. Ein unbefangener Leser denkt natürlich: Das Opfer der Leben dieser Soldaten diente etwas Größerem und so wird eines Tages die Saat aufgehen, die dieser opferreiche Krieg gesät hat. In welcher Form sollte man es sich vorstellen? Etwa als eine Art „4. Reich“? Soll hier verkündigt werden, dass die Eroberungs- und Vernichtungsvorhaben des zweiten Weltkriegs so wie Getreidegarben nach einer gehörigen „Wind- und Regenzeit“ als eine Art „Ernte“ eingebracht werden? Gedanken dieser Art möchte ich den Erschaffern der Tafel nicht unterstellen. Der Spruch könnte ein theologisches Synonym für den „reichen Mann“ im Neuen Testament sein, der von der Hölle aus seine früheren Mitmenschen warnen möchte, auf dass sie es ihnen nicht gleich tun. Die getöteten Soldaten als Warner gegen den Krieg. Symbolisieren die Garben den Frieden?

Wahrscheinlich wird die Erklärung eine viel einfachere sein: Nach ein wenig Recherchieren erwies es sich, dass diesen Spruch Mathias Claudius verfasste. Derselbe Dichter, der das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ gedichtet hat. Ein guter Mann, also auch ein guter Spruch!

Im Luftreich des Traums

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