Ausstellungen

Nachdem ich vor Kurzem (12.05.) in einer großen norddeutschen Kirche die Ausstellung "Der gelbe Stern" gesehen habe, fand ich in einer anderen Kirche dieser Region eine Ausstellung mit dem Titel "Auschwitz" vor. Die zweite Ausstellung war von Gymnasiasten der Stadt im Anschuss an eine Exkursion nach Auschwitz gestaltet worden. Sie bestand aus neun Tafeln mit Fotos und Informationen zu den Geschehnissen in Auschwitz. So stellte ich mir vor, dass die Schüler erschüttert über alles, was sie dort in Auschwitz an Ort und Stelle erfuhren, die Tafeln für den Geschichtsunterricht anfertigten. Wahrscheinlich waren sie dann auf der Suche nach einer geeigneten Stelle für eine öffentliche Präsentation an die Kirche geraten. Der Kirchenraum bietet sich für Ausstellungen geradezu an.

Den guten Willen der Schüler will ich keinesfalls infrage stellen. Aber wie wirkt es auf einen Besucher, wenn er in kurzer Zeit in zwei großen Kirchen Ausstellungen zu KZ - bzw. Judenvernichtungsthematik entdeckt? Er stellt zumindest einige Fragen: Ist die Kirche für Auschwitz zuständig? Sollen Schautafeln jener Art etwa auf die "böse Welt" hinweisen, die Auschwitz verschuldet hat, vielleicht sogar im Gegensatz zur Kirche? Welche Position nimmt die Kirche ein? Interessant ist, dass Ausstellungen jener Art meistens so konzipiert sind, als wäre Auschwitz etwa nicht in dieser Welt, sondern auf einem fernen Planeten angesiedelt. Zumindest haben diese Dinge mit der Gegenwart kaum etwas zu tun.

Die Ausstellungen in den Kirchen sollten Bezug zur Realität haben, und dazu könnte man z. B. die eigene Stellung unter die Lupe nehmen. Interessant wäre eine Ausstellung darüber, wie sich kirchliche Vertreter in der Nazizeit verhalten haben und wie nahtlos ihr Weg nach 1945 weiter ging. Ich denke da an den evangelischen Pfarrer, SA-Mann und NSDAP-Parteigenossen Karl Thiemel, der sich in der Nazizeit aktiv in Berlin für die Einrichtung einer "Kirchenbuchstelle" einsetzte und sie dann auch leitete. In dieser kirchlichen Behörde wurden die eigenen Kirchenmitglieder auf ihre Herkunft zur jüdischen "Rasse" untersucht. Alle "Nichtarier" wurden in einer so genannten Fremdstämmigenkartei registriert. So lieferte er den Nazibehörden direkte Informationen, die zu den Deportation in die Vernichtungslager führten. Andere Pfarrer denunzierte er, weil sie Juden zum Schutz getauft hatten. Nach dem Krieg wurde diesem tüchtigem Archivar in Berlin das Kirchenbuchwesen und die Archivpflege unterstellt. Gleichzeitig wurde er zum Konsistorialrat ernannt, und in dieser Funktion konnte er sich dann selbst beaufsichtigen. Seine wohlverdiente Pension genoss er in Westdeutschland.

Könnte man in Kirchen Schautafeln zu solcher Thematik besichtigen, dann würden diese Ausstellungen nicht so befremdlich wirken, die Leute würden sie mit etwas mehr Interesse betrachten und die Kirche würde nicht als lebensfremde Institution erscheinen.

(historische Informationen aus: "Evangelisch getauft, als Juden verfolgt",
herausgegeben vom Evangelischen Landeskirchlichen Archiv in Berlin 2008)

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