Die andere Anne Frank (2)

Quelle: Sabine Bruckner
Anne Frank – das Mädchen aus dem Hinterhaus -, so kann man es manchmal hören, und diese Bezeichnung ist nicht abwertend, sondern eine Zusammenfassung davon, was man über sie weiß in eine Metapher zusammenfasst. Sollte man eine der heutzutage üblichen statistischen Erhebungen machen, wieviel Prozent der Bevölkerung etwas mit dem Namen anfangen kann, dann - schätze ich -, wären es gar nicht so wenige Menschen, die zumindest etwas darüber wissen.
In den 60-ger Jahren – wie wahrscheinlich immer noch -, war es üblich, anhand des Tagebuchs der Anne Frank Jugendliche mit dem Thema Judenvernichtung und Antisemitismus bekannt zu machen. Auch ich las in der Zeit das Tagebuch, das ich allerdings - damals etwa im gleichen Alter wie die Verfasserin zu ihrer Zeit -, eher als das Tagebuch einer Gleichaltrigen las. So richtete ich mein Augenmerk eher auf die Dinge, die Gleichaltrige interessieren. Wenn ich in meinem jungen Alter eine Aufklärung über Krieg und Holocaust erhalten habe, dann war es für mich das Buch „Im Schatten der Gewalt“ von Anne de Vries.
Anne Franks Lebenslauf ist bekannt. Zwei Jahre lang verbrachte sie mit ihrer Familie und vier anderen Juden versteckt und von nichtjüdischen Holländern versorgt in einem verdeckten Hinterhaus in Amsterdam bis alle verraten, entdeckt und deportiert wurden. Von den acht Personen überlebten - obwohl die Zeit der Massendeportationen sich schon dem Ende zuneigte – nur der Vater von Anne Frank und: ihr Tagebuch. Das wurde ähnlich wie im vorherigen Blogbeitrag von einer Nichtjüdin, fast zufällig gefunden, aufbewahrt und konnte dadurch vielen Menschen zugänglich gemacht werden. Wahrscheinlich ist es das am weitest verbreitete Buch über das Schicksal der Juden im Holocaust. Aus meiner Sicht ist es gut geeignet, Menschen an das Thema heranzuführen. Denn die wirklich schlimmen Dinge werden nur angedeutet, weil für Anne Frank und die Familie in den Tagen des Tagebuchschreibens das Schlimmste noch nicht geschehen war. Bücher von Primo Levi, Richard Glazar oder Ana Novac könnten einen unvorbereiteten Menschen so schockieren, dass er sich des Themas ein für alle Mal entledigt.
Doch es gibt nicht nur die „Anne Frank aus dem Hinterhaus“. Anne Frank ist nicht tot. Aus der ganzen Welt strömen Menschen nach Amsterdam, um sich das „Anne-Frank-Haus“ anzusehen und sich mit ihrem Leben bekanntzumachen. Wie ich erfuhr ist das Interesse an Anne Frank so gewaltig, dass man sich zwei Monate im Voraus (vor Corona!) überhaupt anmelden muss, um hinein kommen zu können. Sabine Bruckner, die sehr viel von der Welt kennengelernt hat, meinte, wohl noch nie so eine lange Schlange gesehen zu haben. Die Menschen warten stundenlang darauf, das Anne-Frank-Haus zu besuchen, um über Anne Frank mehr zu erfahren.
In diesen Tagen wird in der christlichen Religionsgemeinschaft das Weihnachtsfest gefeiert. Der christlichen Religion gemäß erfolgt nach Reue, Vergebung der Sünden und Tod die Auferstehung der Toten. In diesem Sinne kann man durchaus die Behauptung aufstellen: Anne Frank lebt! Sie ist auferstanden, sie lebt und gibt Zeugnis!

Quelle Sabine Bruckner
(Ende)
anne.c - 25. Dez, 17:23