Vergangenheitsbewältigung
Die Vergangenheit lässt einen denkenden Menschen nicht los. Ich habe den Eindruck, je länger sie her ist, desto weniger lässt sie los. Jeder reagiert auf seine Weise darauf. Die einen lesen Bücher, manche auch Verschwörungstheorien. Die einen forschen, erinnern, legen ihre politische Ausrichtung so oder so fest. Andere sagen: „Ich will das nicht mehr hören!“ und hören umso genauer hin. Manche lernen bei der Vorbereitung auf das Verlegen von Stolpersteinen Nachkommen der in den Stein Geprägten kennen und haben eindrückliche Begegnungen. Manche kämpfen dafür, dass es den Staat Israel gibt, manche wünschen seine Vernichtung. Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen und die Entscheidung der Gesellschaft, wie das, was man Vergangenheitsbewältigung nennt, betrieben wird.
Ich möchte von einer rührenden Art der Vergangenheitsbewältigung erzählen, die ich vor gut 40 Jahren erlebte. Lange lebte ich mit einer Frau, Jahrgang 1902, in einem Haus. Ihr Lebensradius war so gering, dass man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann. Mit Juden kann sie höchstens zusammengetroffen sein, wenn sie in der nächsten Kleinstadt mal ein Geschäft besuchte. Aber selbst in ihr entlegenes Dorf drang das, von dem man bis heute noch sagt: ´ Wir haben nichts davon gewusst! ´ Denn sie erzählte mir manchmal, wie ihre Mutter, noch zu Kriegszeiten, gesagt hatte: „Die armen Leute!“
Ihr Tagesablauf war stereotyp pünktlich. Um 17 Uhr wurde der Fernseher angemacht, Abendbrot gegessen, unsere Kinder spielten noch bei ihr, und dann sah sie bis ca. 22 Uhr Fernsehen und ging ins Bett. Manchmal kam ich in ihre Stube, und sie weinte. Dann wusste ich: Es war wieder etwas mit Juden im Fernsehen gewesen. Sie saß auf ihrem Sessel und schluchzte nur vor sich hin und stammelte: „Das war das Schlimmste, was Hitler gemacht hat!“
Ich möchte von einer rührenden Art der Vergangenheitsbewältigung erzählen, die ich vor gut 40 Jahren erlebte. Lange lebte ich mit einer Frau, Jahrgang 1902, in einem Haus. Ihr Lebensradius war so gering, dass man sich das heute gar nicht mehr vorstellen kann. Mit Juden kann sie höchstens zusammengetroffen sein, wenn sie in der nächsten Kleinstadt mal ein Geschäft besuchte. Aber selbst in ihr entlegenes Dorf drang das, von dem man bis heute noch sagt: ´ Wir haben nichts davon gewusst! ´ Denn sie erzählte mir manchmal, wie ihre Mutter, noch zu Kriegszeiten, gesagt hatte: „Die armen Leute!“
Ihr Tagesablauf war stereotyp pünktlich. Um 17 Uhr wurde der Fernseher angemacht, Abendbrot gegessen, unsere Kinder spielten noch bei ihr, und dann sah sie bis ca. 22 Uhr Fernsehen und ging ins Bett. Manchmal kam ich in ihre Stube, und sie weinte. Dann wusste ich: Es war wieder etwas mit Juden im Fernsehen gewesen. Sie saß auf ihrem Sessel und schluchzte nur vor sich hin und stammelte: „Das war das Schlimmste, was Hitler gemacht hat!“
anne.c - 9. Dez, 22:40