Meine Reise in die Ukraine vom 14. bis zum 23. Juni 2019 (Teil 5)

In Mohyliw Podilskij kamen wir am Abend an nachdem wir in einem Landgasthaus Mittag gegessen hatten. Die kleine Stadt liegt unmittelbar an der Grenze zu Moldawien, was einige unserer Mitreisenden zu einem Abendspaziergang anregte. Man musste nur eine Brücke über den Fluss Dnjester überqueren, und schon war man in Moldawien. An der Grenze wurden Grenkontrollen durchgeführt. Die Passage der Kontrollen war beabsichtigt, denn die Spaziergänger wollten die entsprechenden Stempel im Pass haben, die sie auch bekamen. Die Stadt Mohyliv Podolskij hat etwas Besonderes, nämlich eine in Stein gehauene John Lennon Figur. Dieses Steinmal spielte schon im Sozialismus eine Rolle, es gab in der Stadt heimliche Beatles Fans, und (wenn ich es recht verstanden habe) die Statue musste versteckt gehalten werden. Jetzt steht sie offen im Stadtpark und zeugt von der Popularität der Beatles selbst (oder gerade) an entlegenen Stellen.

Zur Besichtigung der Stadt hatten wir diesmal mehrere Führer. Das waren eine blonde Ukrainerin und eine dunkelhaarige Jüdin aus der hiesigen jüdischen Gemeinde. Dazu kam noch ein Herr Roman Trachtenherz, ebenfalls aus der jüdischen Gemeinde. Wir besichtigen die Synagoge, ein unauffälliges Reihenhaus in einer „Bazarstraße“ In dieser Bazarstraße sah es etwas wild aus. Menschen boten dort zu Füßen ihre Waren feil, – ich könnte mir vorstellen, dass viele aus Moldawien stammen -. In unseren Augen war es Gerümpel: alte Bestecke und Werkzeuge, Tiegel, Kannen, gebrauchte Waren. Manche Menschen hatten nur wenige Gegenstände zu verkaufen, und man fragte sich, ob wenigstes einer der Schraubenschlüssel oder Messer am Tag verkauft werden wird. Im ersten Stock der Synagoge war der Gebetsraum, und Herr Trachtenherz erzählte, mit einem Gebetsschal angetan, über das Gemeindeleben.

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Herr Trachtenherz berichtet über das jüdische Gemeindeleben in Mohyliw Podolskij

Zwei Museen besichtigen wir an dem Tag. Ein Volkskundemuseum, in dem uns die Ukrainerin führte. Auch dieses war erst nach 1991 entstanden, denn die Sowjets hatten die Politik, spezielle Eigenschaften der Völker zu verwischen, alles sollte unter der Marke „Sozialismus“, bzw. „Kommunismus“ laufen. Interessanterweise war das in den ersten dreizehn Jahren der Sowjetunion nicht so, da wollte man die verschiedenen Satellitenvölker für sich gewinnen, in dem man gerade das spezifisch Völkische der Nationen betonte. Diese Politik änderte sich ab 1930 um 180 Grad, da wurden alle Volkseigenheiten als konterrevolutionär bezeichnet und deren Protagonisten verfolgt und sehr oft getötet. Im Landesmuseum für Volkskunde sahen wir spezielle Trachten der Ukrainer, Teppiche, Ostereier und Scherenschnitte. Dazu Puppen, die symbolische Bedeutung haben. Das andere Museum war das Museum des Holocaust. Eine ganze Wand hing voller Fotos, und das waren (wenn ich mich nicht sehr irre) nicht etwa Menschen, die im Holocaust umkamen – wie man es oft in Gedenkstätten erlebt -, sondern Menschen, die gerettet wurden. Auch den Rettern von Juden widmete man Aufmerksamkeit, ich sah dann in der Stadt auch ein Denkmal, das den christlichen Rettern von Juden gewidmet war. Unsere jüdischen Führer sagten, dass die Gemeinde in Mohyliw eher klein ist, 150 Personen, aber dass sie es als ihre Aufgabe ansehen, das Gedenken an diese Umgekommenen zu erhalten. Sie klären z.B. Jugendliche über das Judentum und über den Holocaust auf. Immer wieder wurde erzählt, dass während der kommunistischen Zeit keine Religionsausübung möglich war, nur im Geheimen, und dass die Juden erst nach der „Wende“ meist von Rückkehrtouristen über ihre Religion aufgeklärt wurden.
(Fortsetzung folgt)

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