Meine Reise in die Ukraine vom 14. bis zum 23. Juni 2019 (Teil 4)

Nachdem wir unter der kundigen Führung von dem Germanisten Iwan Jatsiuk Tarnopol kennen gelernt hatten, machten wir einen Ausflug in 2 kleine Städtchen, jeweils mit einer Burg. Auf der Burg in Sbarasch erfuhren wir viel über ukrainische Geschichte, und diese ist sehr kompliziert, weil die Herrscher teilweise die Polen-Litauer waren, zwischendurch Russen, teilweise Österreich Ungarn, dann die Sowjetunion, 3 Jahre gaben die Deutschen ihr Gastspiel, dann legte die Sowjetunion wieder für Jahrzehnte ihren Schleier über die Geschichte der Länder. Innerhalb des Landes gab es auch verschiedene Teilungen. In dem Ort Sbarasch mit seiner mächtigen Burg erfuhren wir viel über die Geschichte der Kosaken. Die waren keine spezielle Volksgruppe, sondern ukrainische oder russische Kämpfer, die vor den jeweiligen Herren und der erzwungenen Leibeigenschaft flohen und sich in speziellen Gebieten am Don und am Dnepr angesiedelt hatten und ihr Eigenleben führten. Da sie durch ihre Anwesenheit gleichzeitig einen Schutz vor Tataren bildeten, wurden sie meistens geduldet, aber nur so lange wie sie nicht einen eigenen Staat forderten. Als sie diesen forderten, kam es 1651zu einer bedeutenden Schlacht bei Berestetschko, bei der die Kosaken vom polnisch-litauischen Heer vernichtend geschlagen wurden. Die Tradition der Kosaken lebt bis heute, und zuweilen singen sie in deutschen Kirchen als Don- oder Schwarzmeerkosaken. Wie uns erzählt wurde, wählten die Kosaken sich ihre Führer selbst, und oft wählten sie sich einen neuen Führer. So wären die Ukrainer auch heute noch, sie wählen ihre Führer ab, während die Russen einen Zaren brauchen, den sie verehren.

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Festung Sbarasch

Das Städtchen Kremenec, über dem eine verfallene Burg schwebte, ist ein Pilgerort für Polen, weil dort einer ihrer Nationaldichter Julius Slowacki geboren wurde. Auch hier konnte man vieles über das Hin und Her zwischen Polen, Russen und den zwischen ihnen eingeklemmten Ukrainern erfahren.

Am nächsten Tag nahmen wir Abschied von Tarnopol und fuhren nach Mohyliv Podilskij. Auf dem Weg dahin machten wir Station in Miedschybisch. Hier gab es auch wieder eine Festung. Wenn man die wechsel- und kampfesvolle Geschichte der Ukrainer kennt, wundert man sich nicht über die Dichte der Festungen. Oft sind sie mit einem Museum versehen, so wie hier das Museum des Holodomors. Besonders bedeutsam ist diese kleine Stadt für die jüdische Geschichte, weil hier die „Wiege des Chassidismus“ war, eine spirituelle jüdische Bewegung. Deren Gründer Bal Schem Tow, als Wunderrabbi bezeichnet, stammte von hier und hat auch hier seine Grabstätte. Hierher pilgern auch jetzt Juden aus aller Welt. Das Grab befindet sich in einem besonderen Pavillon, und wir sahen dort Frauen in einer bestimmten jüdischen Tracht mit Gebetsbüchern in der Hand wie sie beteten.

Die jüdischen Friedhöfe sind die beredtsten Zeugnisse der einst so blühenden jüdischen Gemeinschaft in der Ukraine. In der Regel sind es große, ungepflegte (wer sollte sie pflegen?) Flächen mit vielen Grabsteinen. Hier und da ist ein Ausschnitt frei gelegt worden, es gibt auch Gräber wo einige Blumen oder Steinchen sind, denn Nachkommen der ukrainischen Juden, die ja auf der Erde verstreut leben, kommen manchmal hierher. Unsere Mitreisende Martina, studierte Judaistin und Spezialistin für jüdische Grabsteine, konnte die Aufschriften lesen und unterscheiden ob die hebräischen Buchstaben jiddische oder hebräische Worte bildeten. Wenn der Friedhof das Glück hat, einen Wunderrabbi zu beherbergen, steigt er in der Beachtung, manches wird erneuert oder renoviert oder frei gelegt. In der langen Zeit der Sowjetherrschaft wurde über alles „Jüdische“ geschwiegen, eine Aufarbeitung der Vergangenheit fand nicht statt. Nach 1991 versuchte man, Menschen zu finden, die Zeugen der Massaker an den Juden gewesen sind oder die aus der Ukraine stammen und den Holocaust überlebt haben. Die geschichtliche Forschung setzte praktisch erst dann ein.

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