Meine Reise in die Ukraine vom 14. bis zum 23. Juni 2019 (Teil 3)
Als wir tags darauf unseren Spaziergang durch Tarnopol machten, sahen wir, wie die Leute vor den orthodoxen Kirchen anlässlich des Pfingstfestes Schlange standen. Wenn ich jetzt nach der Reise einschätzen sollte, worauf das Selbstverständnis der Ukrainer beruht, dann würde ich sagen: auf ihrer kosakischen Vergangenheit, die die Kämpfe gegen jeweilige Eroberer: Polen, Russen und Tataren einschließt, und auf der christlich-orthodoxen Religion. Die jüdische Vergangenheit wird nicht geleugnet, hier und da gab es Denkmäler, die an die Vernichtung der Juden erinnerten, aber sie schien im Bewusstsein der Menschen nicht so präsent zu sein. Die Deutschen haben vollständige Vernichtungsarbeit geleistet, sowohl bei der Ausrottung der jüdischen Bevölkerung als auch bei der Zerstörung ukrainischer Städte und Dörfer. Das Vakuum nutzten die Sowjets und führten (bzw. haben auch schon vorher eingeführt) ihre Vorstellungen von einer sozialistischen Gesellschaft ein. Noch vorhandene Synagogen wurden wie die Kirchen zu Kinos und Lagerhäusern gemacht und die paar übrig gebliebenen Juden emigrierten oder assimilierten sich vollständig in der sowjetischen Gesellschaft. Die Städte erlebten wir nicht unbedingt malerisch oder stilvoll, aber allgegenwärtige Denkmäler, die von einer großen Vergangenheit künden, betonten das ukrainische Selbstverständnis. Nichts war nach dem Umbruch so schnell weg wie die Lenindenkmäler.
Tarnopol ist ein Verwaltungszentrum und Universitätsstadt und auch Industriestadt, so weit überhaupt Industrie vorhanden ist. Die Arbeitslosigkeit ist immens, und Heerscharen von ukrainischen Gastarbeitern arbeiten in Polen, in Tschechien und wo sie sonst noch Arbeit in Europa bekommen. Aber wie gesagt: die Leute in der Stadt wirken nicht arm, die Frauen sind schick zurecht gemacht, und die Jugendlichen tragen fast in dem Maße wie die hiesigen ein Handy in der Hand. Auf den Dörfern sieht es anders aus, ärmlich. Man sieht keine Viehherden, ich hörte einmal, dass Oligarchen dort industrielle Viehhaltung betreiben. Aber einzelne Kühe gibt es, man sieht oft abends jemanden die Kuh nach Hause bringen.
Im Krieg war die Stadt zerstört, am 8.3.1944 nahm die Rote Armee die Stadt wieder ein, aber dann kam es noch zu einer Rückeroberung durch die Deutschen mit besonders schweren Zerstörungen. Die zeitweilige Rückeroberung der Deutschen ist auf eine Begebenheit zurück zu führen, die ich von anderen Städten auch gehört habe, und von der ich nicht weiß ob sie Wahrheit oder Legende ist, nämlich dass die Deutschen bei ihrem Abzug Unmengen Alkohol da ließen, der die Russen kampfunfähig machte. Letztendlich wurde Tarnopol Mitte April 44 befreit.

Museum der Hungersnot
Ein großes Thema der Vergangenheit der Ukraine war die Hungersnot 1932/1933, über die viel erzählt wurde. Um die Ukrainer für ihren Unwillen, ihre Landwirtschaft zu kollektivieren zu bestrafen, hat Stalin die Ukraine hermetisch abgeriegelt, so dass die Bewohner sich nirgends Lebensmittel beschaffen konnten. Ständig gab es Hausdurchsuchungen (eher Hüttendurchsuchungen) nach Getreidevorräten, die ausnahmslos abgeliefert werden mussten. Drakonische Strafen wurden denen zuteil, die versuchten sich irgendwo Lebensmittel zu besorgen, so dass mehrere Millionen Menschen zu einem langsamen Hungertod verurteilt waren. In diesem Zusammenhang wurde oft über das „5-Ähren-Gesetz“ erzählt, nämlich, wer 5 Ähren und mehr auf einem abgeernteten Feld aufsammelt, der wurde nach Sibirien deportiert oder erschossen. Museen und Gedenkstätten über diese Hungersnot -genannt Holodomor - konnten erst nach 1991 eröffnet werden. Wir sahen in der Burg von Miedschybisch so ein Museum. Das Museum, wie andere Museen auch, machte auf uns einen seltsamen Eindruck, weil die Museen ganz anders waren, als wir es gewohnt sind. Es gibt so gut wie keine Erklärungen, man muss z.B. die oft kryptischen künstlerischen Darstellungen deuten. Hier waren es nackte weiße Figuren, die nicht einmal ganz ausgemergelt wirkten, die in allerhand Positionen da standen oder sogar in einer Art Hängematte posiert waren und weiße Hände und Arme, die aus einer Platte nach oben ragten. Dazu jede Menge alter landwirtschaftlicher Geräte: Dreschflegel, Eggen, Reedekämme und Spinnräder. Man kann schon sagen, die Museen sind ein Sammelsurium, und, da unsere Museen meistens multimedia-hochgestylt sind, fand ich die Museen in der Ukraine geheimnisvoll und anrührend.
Tarnopol ist ein Verwaltungszentrum und Universitätsstadt und auch Industriestadt, so weit überhaupt Industrie vorhanden ist. Die Arbeitslosigkeit ist immens, und Heerscharen von ukrainischen Gastarbeitern arbeiten in Polen, in Tschechien und wo sie sonst noch Arbeit in Europa bekommen. Aber wie gesagt: die Leute in der Stadt wirken nicht arm, die Frauen sind schick zurecht gemacht, und die Jugendlichen tragen fast in dem Maße wie die hiesigen ein Handy in der Hand. Auf den Dörfern sieht es anders aus, ärmlich. Man sieht keine Viehherden, ich hörte einmal, dass Oligarchen dort industrielle Viehhaltung betreiben. Aber einzelne Kühe gibt es, man sieht oft abends jemanden die Kuh nach Hause bringen.
Im Krieg war die Stadt zerstört, am 8.3.1944 nahm die Rote Armee die Stadt wieder ein, aber dann kam es noch zu einer Rückeroberung durch die Deutschen mit besonders schweren Zerstörungen. Die zeitweilige Rückeroberung der Deutschen ist auf eine Begebenheit zurück zu führen, die ich von anderen Städten auch gehört habe, und von der ich nicht weiß ob sie Wahrheit oder Legende ist, nämlich dass die Deutschen bei ihrem Abzug Unmengen Alkohol da ließen, der die Russen kampfunfähig machte. Letztendlich wurde Tarnopol Mitte April 44 befreit.

Museum der Hungersnot
Ein großes Thema der Vergangenheit der Ukraine war die Hungersnot 1932/1933, über die viel erzählt wurde. Um die Ukrainer für ihren Unwillen, ihre Landwirtschaft zu kollektivieren zu bestrafen, hat Stalin die Ukraine hermetisch abgeriegelt, so dass die Bewohner sich nirgends Lebensmittel beschaffen konnten. Ständig gab es Hausdurchsuchungen (eher Hüttendurchsuchungen) nach Getreidevorräten, die ausnahmslos abgeliefert werden mussten. Drakonische Strafen wurden denen zuteil, die versuchten sich irgendwo Lebensmittel zu besorgen, so dass mehrere Millionen Menschen zu einem langsamen Hungertod verurteilt waren. In diesem Zusammenhang wurde oft über das „5-Ähren-Gesetz“ erzählt, nämlich, wer 5 Ähren und mehr auf einem abgeernteten Feld aufsammelt, der wurde nach Sibirien deportiert oder erschossen. Museen und Gedenkstätten über diese Hungersnot -genannt Holodomor - konnten erst nach 1991 eröffnet werden. Wir sahen in der Burg von Miedschybisch so ein Museum. Das Museum, wie andere Museen auch, machte auf uns einen seltsamen Eindruck, weil die Museen ganz anders waren, als wir es gewohnt sind. Es gibt so gut wie keine Erklärungen, man muss z.B. die oft kryptischen künstlerischen Darstellungen deuten. Hier waren es nackte weiße Figuren, die nicht einmal ganz ausgemergelt wirkten, die in allerhand Positionen da standen oder sogar in einer Art Hängematte posiert waren und weiße Hände und Arme, die aus einer Platte nach oben ragten. Dazu jede Menge alter landwirtschaftlicher Geräte: Dreschflegel, Eggen, Reedekämme und Spinnräder. Man kann schon sagen, die Museen sind ein Sammelsurium, und, da unsere Museen meistens multimedia-hochgestylt sind, fand ich die Museen in der Ukraine geheimnisvoll und anrührend.
anne.c - 13. Aug, 19:03