Bericht über eine Tagung: „Antisemitismus in den Medien“ (Teil 1)

Die Gesellschaft lässt sich den Antisemitismus viel kosten

Vielleicht war das die größte Überraschung auf der 2-tägigen Tagung zum Thema „Antisemitismus in den Medien“, veranstaltet von der evangelischen Akademie, wie großzügig die ca. 40 Teilnehmer umsorgt, beköstigt und beschenkt wurden. Untergebracht waren wir in einer schönen mecklenburgischen Stadt in einem christlichen Gästehaus mit Hotelstandard und bester Verpflegung. Die Referenten waren hochkarätig, und all das war umsonst. Irgendeine Institution hatte die Tagung sehr großzügig gefördert, und ich fragte mich, ob vielleicht das Großprojekt „Demokratie leben“ dahinter steckt oder wer sonst ein Interesse daran haben könnte, dass er sich die Verbreitung der Beschäftigung mit dem Thema Antisemitismus so viel kosten lässt. Von den Teilnehmern sah niemand aus, als könne er sich seine Unterbringung nicht leisten, es waren Ärzte dabei, Lehrer, kirchliche Mitarbeiter, Soziologen, verschiedene Sorten von Therapeuten und sogar ein pensionierter Verfassungsrichter.

Erfahrungen mit Vorträgen und Seminaren ähnlicher Art hatte ich bereits, so dass mich weniger der Inhalt – mit dem ich einigermaßen vertraut bin -, sondern die Teilnehmer interessieren: was bewegt sie, welche Äußerungen machen sie, und was ist in ihren Äußerungen verborgen? Auch habe ich ab und zu erlebt, dass das Thema Antisemitismus in einer Weise behandelt wurde, dass es eher förderlich für den Antisemitismus war, man denke an die ominöse Behandlung des gerade aktuellen Films über Antisemitismus. Das traf auf diese Veranstaltung nicht zu.

Eine Erfahrung bei Veranstaltungen zu jüdischen Themen kann ich als allgemeingültig bezeichnen: Es ist fast immer jemand dabei, der die Veranstaltung sprengt, der auf eine Lieblingsbehauptung kommt, bei der er durch nichts zu beirren ist, und dessen Aussagen man als sybillinisch oder kryptisch bezeichnen kann. Im Übrigen legen die Teilnehmer ein eher verhaltenes, aber oft auch seltsames Verhalten an den Tag. Dass man seinem unbekannten Tischnachbarn in Kürze seinen gesamten Lebenslauf erzählt, scheint auf Tagungen üblich zu sein, aber dass ein wildfremder Mensch ohne ersichtlichen Grund sagt: „Mein Vater war ein Nazi“, erlebte ich woanders nicht. Es schien so, als wollten sich die Teilnehmer gegenseitig versichern oder erkunden, wer warum an so einer Tagung teilnimmt. So wurde ich von einer Frau gefragt: „Haben sie jüdische Verwandte?“. Dieselbe Frau wurde wieder von einer anderen Frau gefragt: „Sind sie Jüdin?“
(Fortsetzung folgt)

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